Predigt am 13. Sonntag nach Trinitatis (26.08.2018)
zu Matthäus 25, 31-40
Waren Sie schon einmal im Elsass?
Bergige Landschaften, saftige, grüne Wiesen. Alte Dörfer. Kleine Gassen.
Dort spielt die folgende Begebenheit:
Zwei Jungen im Alter von 7 oder 8 Jahren haben sich Zwillen gebastelt – Schleudern, mit denen man herrlich Steine schießen kann. Wer hat das nicht in der Kindheit getan – egal ob Mädchen oder Junge!? Unsere beiden Jungs, von denen ich erzählen will, haben sich also je eine Zwille gebastelt und eilen nun tobend und hüpfend den Hügel nahe des Dorfes hinauf. Einer der beiden hatte nämlich die glorreiche Idee, die frisch-gebauten Zwillen gleich auszutesten – an den Vögeln, die sich gern auf dem Hügel in den Bäumen aufhalten. Dem anderen war nicht ganz wohl bei der Idee, doch er wollte auch kein Spielverderber sein. Also jagen die beiden den Hügel hinauf zu den Bäumen dort oben. Angekommen, schleichen sie an die Bäume heran, um die Vögel nicht gleich zu verjagen und suchen sich einen aus, in dessen Krone es von geflügelten Zielen nur so wimmelt. Als sie den Baum der Wahl auserkoren haben, war dem einen noch immer nicht ganz wohl bei der Sache. Es waren doch unschuldige Vögel in diesen Bäumen. Warum sie also aus Jux und Tollerei einfach abschießen? Als der andere schon die Zwille hebt, einen Stein in den Gummi legt und anspannt, da läuten plötzlich in vollem Geläut die Glocken des kleinen Kirchleins unten im Ort. In diesem Moment, als hätten die Glocken zu ihm gesprochen, saust der andere Junge, der die Zwille noch nicht gespannt hatte, los und rennt laut schreiend und gestikulierend auf den Baum zu, um die dort noch ruhig sitzenden Vögel allesamt zu verjagen. Es gelingt. Und wie sie alle aufschrecken, macht der Junge kehrt, nimmt die Beine in die Hand und rennt zurück ins Dorf, weil er weiß, dass er den Ärger seines Freundes fürchten muss.
Seit dieser Zeit, so sagte der erwachsen gewordene Junge einmal, hätten die Kirchglocken ihm das Gesetz der Ehrfurcht vor dem Leben ins Herz geläutet.Wie der verärgerte Freund hieß und ob er seinen Ärger später noch spüren ließ, weiß ich nicht. Aber der Junge der da rannte und diese Begebenheit als Erwachsener erzählt, dessen Name ist – sie ahnen es längst – Albert Schweitzer.
Bergige Landschaften, saftige, grüne Wiesen. Alte Dörfer. Kleine Gassen.
Dort spielt die folgende Begebenheit:
Zwei Jungen im Alter von 7 oder 8 Jahren haben sich Zwillen gebastelt – Schleudern, mit denen man herrlich Steine schießen kann. Wer hat das nicht in der Kindheit getan – egal ob Mädchen oder Junge!? Unsere beiden Jungs, von denen ich erzählen will, haben sich also je eine Zwille gebastelt und eilen nun tobend und hüpfend den Hügel nahe des Dorfes hinauf. Einer der beiden hatte nämlich die glorreiche Idee, die frisch-gebauten Zwillen gleich auszutesten – an den Vögeln, die sich gern auf dem Hügel in den Bäumen aufhalten. Dem anderen war nicht ganz wohl bei der Idee, doch er wollte auch kein Spielverderber sein. Also jagen die beiden den Hügel hinauf zu den Bäumen dort oben. Angekommen, schleichen sie an die Bäume heran, um die Vögel nicht gleich zu verjagen und suchen sich einen aus, in dessen Krone es von geflügelten Zielen nur so wimmelt. Als sie den Baum der Wahl auserkoren haben, war dem einen noch immer nicht ganz wohl bei der Sache. Es waren doch unschuldige Vögel in diesen Bäumen. Warum sie also aus Jux und Tollerei einfach abschießen? Als der andere schon die Zwille hebt, einen Stein in den Gummi legt und anspannt, da läuten plötzlich in vollem Geläut die Glocken des kleinen Kirchleins unten im Ort. In diesem Moment, als hätten die Glocken zu ihm gesprochen, saust der andere Junge, der die Zwille noch nicht gespannt hatte, los und rennt laut schreiend und gestikulierend auf den Baum zu, um die dort noch ruhig sitzenden Vögel allesamt zu verjagen. Es gelingt. Und wie sie alle aufschrecken, macht der Junge kehrt, nimmt die Beine in die Hand und rennt zurück ins Dorf, weil er weiß, dass er den Ärger seines Freundes fürchten muss.
Seit dieser Zeit, so sagte der erwachsen gewordene Junge einmal, hätten die Kirchglocken ihm das Gesetz der Ehrfurcht vor dem Leben ins Herz geläutet.Wie der verärgerte Freund hieß und ob er seinen Ärger später noch spüren ließ, weiß ich nicht. Aber der Junge der da rannte und diese Begebenheit als Erwachsener erzählt, dessen Name ist – sie ahnen es längst – Albert Schweitzer.
„Als hätten die Kirchenglocken ihm das Gesetzt der Ehrfurcht vor dem Leben ins Herz geläutet.“
Der Satz macht mich nachdenklich. Was läuten mir die Kirchenglocken ins Herz? Rühren sie mich überhaupt an? Oder weisen sie mich einzig und allein auf die Tageszeit hin – auf die Stunden, die verrinnen und denen ich nachhaste – ohne Rast und Ruh? Was läuten Ihnen die Kirchenglocken ins Herz?
Jemand hat mir einmal in einem Gespräch gesagt, dass die Glocken der Knautnaundorfer Rundkappelle ein Stück alte Heimat zum klingen brächten.
Vielleicht ist Heimat das richtige Stichwort, auch für unseren Predigttext.
Von einem König wird da berichtet, der die Gerechten das Reich erben lassen wird, das vom Anbeginn der Welt für sie bereitet ist (Vers 34).
Ein anderer Ort, eine andere Zeit: Lambaréné, im heutigen Gabun in Westafrika. Wir schreiben das Jahr 1914 oder '15, unser 8-jähriger Albert ist inzwischen um die 40 Jahre alt, hat drei Doktortitel in Philosophie, Theologie und Medizin, ist ein berühmter Professor und Organist und nun seit ungefähr einem Jahr in Lambaréné.
Es sind die letzten Sonnenstrahlen eines anstrengenden Tages, die sein Gesicht treffen, als er auf einem Kahn den Ogowe hinauffährt und sein Notizbuch beiseite legt. Sein Blick fällt auf eine Herde Nilpferde ganz in der Nähe des kleinen Kahns. Und plötzlich fällt es ihm wie Schuppen von den Augen und er weiß, wie er das, was er als 7- oder 8-jähriger beim Läuten der Kirchenglocken gefühlt hat, wie er das nennen soll: „Ehrfurcht vor dem Leben.“ Und ein Satz kommt ihm dazu in den Sinn, beim Anblick der Nilpferde, dieser wohl gefährlichsten Tiere Afrikas:
„Ich bin Leben, das leben will,
inmitten von Leben, das leben will.“
So banal und einleuchtend dieser Satz sein mag, so wahr ist er auch. Leben ist Geschenk und will erhalten werden. Was lebt, will leben: egal ob Hungrige oder Durstige, Fremde oder Gefangene, Menschen oder Tiere. Wir sind Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.
Noch ein anderer Ort, eine andere Zeit: Israel.
Jesus ist um die 30 Jahre alt und seit etwa 3 Jahren unterwegs durch das Land. Immer wieder verweist er auch darauf, dass seine Anwesenheit nicht von Dauer sein wird. Die Fragen der Freunde, die ihn begleiten, werden drängender: Wohin wirst du gehen und können wir mit? Wie ist es dort, wo du hingehst? Und Jesus wird nicht müde, es ihnen zu beschreiben: das Himmelreich, das Reich seines Vaters, das Reich Gottes. Und er wird darüber auch nicht müde, immer wieder zu sagen, dass dieses Reich nicht erst noch kommt, sondern dass es jetzt schon beginnt. Und die Freunde fragen wiederum: Wie beginnt es, wo beginnt es und wie können wir dich finden?
Und Jesus antwortet: Sucht mich bei den Lebenden. Es beginnt jetzt und hier: bei den Hungrigen und Durstigen; bei denen, die sich nach Nähe und Zuwendung verzehren; bei denen, die Liebe und Freundschaft suchen. Es beginnt jetzt und hier: bei den Fremden und Gefangenen; bei denen, die Heimat und Sicherheit suchen; bei denen, die Zweifeln und Angst haben. Es beginnt jetzt und hier: denn alles, was ihr an ihnen tut, das tut ihr an mir. So werdet ihr mich finden. Da werde ich euch begegnen. Dort ist Heimat.
Ich vermute, Jesus hätte Albert Schweitzer zugestimmt. Was Jesus seine Freunde lehrte, könnte ebenso diese Überschrift tragen: „Ehrfurcht vor dem Leben“.
Auch und vor allem, weil Gottes Schöpfung eine lebendige Schöpfung ist und wir Verantwortung tragen, sie zu erhalten. Und ich glaube: Ehrfurcht vor dem Leben ist zugleich Ehrfurcht vor Gott.
Ich will damit nicht sagen, dass jemand keine Blumen pflücken und kein Fleisch essen sollte, aber wir sollten ein Bewusstsein dafür haben, dass wir leben beenden und dankbar dafür sein, dass das Ende dieses Lebens uns zu einem guten Zweck dient. Und wir sollten ein Bewusstsein dafür haben, dass auch dieses Leben bis zu seinem Ende ein Leben ist, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.
Dann wäre schon viel erreicht.
Also, was läuten mir die Kirchenglocken ins Herz? Und was Ihnen?
Vielleicht ist Heimat ein gutes Stichwort.
Die Heimat, die uns von Anbeginn an bereitet ist: Das Reich Gottes – das mit der Ehrfurcht vor dem Leben schon jetzt beginnt.
Amen.
Amen.
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