Auslese
Christa Wolf: Medea. Stimmen
Inhalt: “Als Frau des Argonauten Jason lebt Medea in Korinth, wohin sie ihm aus ihrer Heimat Kolchis gefolgt ist. Im königlichen Palast Korinths gerät sie in ein Spiel aus Verleumdungen, Intrigen und Lügen. [...] Die Medea der griechischen Tragödie, die Barbarin, die Giftmischerin, die rachsüchtige Mörderin - hier wird diese Frauenfigur aus dem jahrtausendealten Mythos gelöst, das überkommene Bild revidiert.”
Blick ins Buch: “Wir besitzen den Schlüssel, der alle Epochen aufschließt, manchmal benutzen wir ihn schamlos, werfen einen eiligen Blick durch den Türspalt, erpicht auf schnellfertige Urteile, doch sollte es auch möglich sein, uns schrittweise zu nähern, mit Scheu vor dem Tabu, gewillt, den Toten ihr Geheimnis nicht ohne Not zu entreißen. Das Eingeständnis unserer Not, damit müssten wir anfangen.” (S. 9)
Ein großartiges Buch! Nicht immer ganz leicht zu lesen, aber durchweg fesselnd. Schon allein deshalb, weil sich die tatsächlichen Ereignisse nur sehr zaghaft zu erkennen geben und die Leser_innen beinahe tappend und tastend - wie durch viele Höhlengänge hindurch - allmählich begreifen. Dabei wird deutlich, dass Schuld ein sehr ambivalentes Produkt der Macht ist. Vor allem aber stehen die vielen Stimmen, die zu Gehör gebracht werden, alle gleichberechtigt nebeneinander und dürfen ihre je ganz eigene Sicht darstellen. Sehr wohl sind hier Frau und Mann, Sklaven, Freie und Mächtige, aber das Buch gibt jeder Stimme, ungeachtet ihrer Herkunft, gleichen Raum - ein bisschen, als würde sich der Text selbst gegen das stemmen, was in ihm geschieht. Unbedingt lesen!
Wolf, Christa: Medea. Stimmen, Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2008, 224 Seiten.
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