Predigt zum Buß- und Bettag 2019 in Pappendorf
(Wegen des Gottesdienstes mit dem "LeChaim-Chor" wurde die alttestamentliche Lesung zum Predigttext im Verbund mit dem Psalm des Tages: Psalm 130.)
Predigttext: Jesaja 1, 10-18
10 Höret des HERRN Wort, ihr Herren von Sodom! Nimm zu Ohren die Weisung unsres Gottes, du Volk von Gomorra!
11 Was soll mir die Menge eurer Opfer?, spricht der HERR. Ich bin satt der Brandopfer von Widdern und des Fettes von Mastkälbern und habe kein Gefallen am Blut der Stiere, der Lämmer und Böcke.
12 Wenn ihr kommt, zu erscheinen vor meinem Angesicht – wer fordert denn von euch, dass ihr meine Vorhöfe zertretet?
13 Bringt nicht mehr dar so vergebliche Speisopfer! Das Räucherwerk ist mir ein Gräuel! Neumond und Sabbat, den Ruf zur Versammlung – Frevel und Festversammlung – ich mag es nicht!
14 Meine Seele ist feind euren Neumonden und Jahresfesten; sie sind mir eine Last, ich bin's müde, sie zu tragen.
15 Und wenn ihr auch eure Hände ausbreitet, verberge ich doch meine Augen vor euch; und wenn ihr auch viel betet, höre ich euch doch nicht; denn eure Hände sind voll Blut.
16 Wascht euch, reinigt euch, tut eure bösen Taten aus meinen Augen. Lasst ab vom Bösen,
17 lernt Gutes tun! Trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den Waisen Recht, führt der Witwen Sache!
18 So kommt denn und lasst uns miteinander rechten, spricht der HERR. Wenn eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und wenn sie rot ist wie Purpur, soll sie doch wie Wolle werden.
Hier gibt's die Predigt zum Hören:
Gnade
sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus
Christus.
Amen.
Aus
der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. /
2
Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die
Stimme meines Flehens!
3
Wenn du, HERR, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird
bestehen?
4
Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.
5
Ich harre des HERRN, meine Seele harret, und ich hoffe auf
sein Wort.
6
Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf
den Morgen; mehr als die Wächter auf den Morgen
7 hoffe Israel auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
7 hoffe Israel auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
Aber
sie tun es nicht. Tun wir's? Warten, Hoffen, auf den Herrn?
Da
geht einer durch die Straßen.
Manchmal
hat er das Gefühl, er könnte es förmlich spüren.
Als
würde die Erde erzittern.
Wie
ein Seismograph.
Ein
Seismograph der Zeit.
Dämmerung
gleitet durch die Gassen.
Sie
formt den Schatten vor ihm. Seinen Schatten.
Eine
Schattengestalt.
Aus
der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. /
2
Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die
Stimme meines Flehens!
3
Wenn du, HERR, Sünden anrechnen
willst – Herr, wer wird bestehen?
Und
da ist so viel, was vor dir nicht bestehen könnte.
Es
erscheint wie Sodom und Gomorrha.
Der
Vulkan droht alles zu verschlingen.
Die
Menschen...
Die
Opfer sind nicht echt, die sie bringen.
Ihre
Versammlungen sind nicht aufrichtig.
Und
einer geht durch die Straßen.
Dämmerung
gleitet durch die Gassen.
Manchmal
hat er das Gefühl, er könnte es förmlich spüren.
Als
würde die Erde erzittern.
Wie
ein Seismograph.
Ein
Seismograph der Zeit.
Zaghaft
wirft die Schattengestalt Blicke in die Fenster und offenen Türen.
Menschen
breiten ihre Arme aus.
Aber
sie heißen niemanden willkommen.
Menschen
beten.
Aber
es ist nichts zu hören.
Jemand
wäscht in einer Nische seine Hände.
Doch
sie werden nicht sauber.
Das
Blut klebt wie Teer an ihnen.
Wascht
euch! Reinigt euch! Tut eure bösen Taten ab! - murmelt die
Schattengestalt.
Seine
Schritte werden langsamer.
Als
würde jeder Schritt, vorüber am nächsten Haus, vorüber am
nächsten Menschen,
seinen
Gang beschweren.
Die
Last beugt seine Knie.
Es
ist ein Tal, durch das er geht.
Ein
Jammertal.
Aus
der Tiefe rufe ich, HERR, zu dir. /
2
Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die
Stimme meines Flehens!
3
Wenn du, HERR, Sünden anrechnen
willst – Herr, wer wird bestehen?
4
[Denn] bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.
5
Ich harre des HERRN, meine Seele
harret, und ich hoffe auf sein Wort.
6
Meine Seele wartet auf den Herrn
mehr als die Wächter auf den Morgen;
Wenn
die anderen doch diese Sehnsucht hätten!
Wascht
euch! Reinigt euch! Tut eure bösen Taten ab! - wieder murmelt er.
Leise.
Noch.
Doch
es ist, als gäben ihm diese Worte Kraft.
Wascht
euch! Reinigt euch! Tut eure bösen Taten ab!
Er
wird lauter. Seine Schritte fester. Sein Gang aufrechter.
Wieder
zittert die Erde.
Aber
nicht hohl und ängstlich, wie vorher.
Sondern
unter seinen Schritten.
Er
fasst Mut.
Seine
Stimme schwillt an.
Tut
eure bösen Taten ab!
Faucht
er durch die Gasse.
Dann
hallt es gellend in die Fenster und offenen Türen:
Lasst
ab vom Bösen,
17
lernt
Gutes tun! Trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den
Waisen Recht, führt der Witwen Sache!
18
So
kommt denn und lasst uns miteinander rechten, [so] spricht der HERR.
Wenn
eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und
wenn sie rot ist wie Purpur, soll sie doch wie Wolle werden.
Und
als hätte die Macht seiner Worte das Dunkel besiegt,
bricht
der Morgen an.
Gleißend
helles Licht flutet die Gassen.
Schatten
verschwinden.
Da
geht einer aufrecht die Straße.
Lichtumflutet.
Seine
Worte beben, seine Schritte zittern.
Doch
er kann nicht anders:
mehr
als die Wächter auf den Morgen 7 hoffe
Israel auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel
Erlösung bei ihm.
Und
wie er das ruft,
wird
aus dem Zittern der Schritte Tanz.
Und
aus den Rufen wird Gesang.
Und
die Sonne hebt sich über die Stadt.
Ein
neuer Tag.
Ein
neuer Anfang.
Ist
es ein Anfang des Guten?
Wo
Menschen nach Gerechtigkeit trachten, den Unterdrückten helfen, für
Waisen und Witwen einstehen und das Böse ablegen?
Ist
es so ein Anfang?
Ist
das Zittern vorüber?
Das
Beben vorbei?
Hören
die Menschen?
In
diesem Moment tritt einer grimmig aus der Tür.
Zu
laut ist das morgendliche Gezeter des Gassentänzers.
Den
Wanderstock vor der Tür legt er quer in den Weg.
Der
Tänzer fällt.
Der
Gesang verstummt.
Eine
Wolke schiebt sich vor die Sonne
Die
Szene wird düster.
Er
wollte nicht hören,
der
grimmige Gassenbewohner.
Noch
nicht.
Nun,
eigentlich ist es so, dass niemand richtig hören wollte.
Der
eine, der durch die Straßen geht, heißt Jesaja.
Die
Worte aus seinem Prophetenbuch haben wir vorhin gehört.
Wegen
dieser Worte ist man ihm an den Kragen gegangen.
Zu
schroff. Zu hart. Zu unnachgiebig.
Israel
wollte nicht hören.
Wir
seit 2000 Jahren auch nicht.
Dabei
war Jesaja so zuversichtlich.
Vielleicht
wie der Psalmbeter des 130. Psalms:
7
hoffe Israel auf den HERRN!
Denn
bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
Jesaja
weiß:
Wenn
eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden, und
wenn sie rot ist wie Purpur, soll sie doch wie Wolle werden.
Wer
könnte da widerstehen?
Vielleicht,
wer nichts von Sünde weiß?
Nichts
von Sünde wissen will?
Dabei
trennt uns doch so viel: dich und mich und uns von Gott.
Aber
die Menschen widerstehen.
Israel,
das Muttervolk des Christentums, blieb wankelmütig.
Wie
wir. Wie ich.
17
lernt
Gutes tun! Trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den
Waisen Recht, führt der Witwen Sache!
Ich
will es üben.
Zumindest
versuchen.
Wie
viele andere durch die Jahrtausende.
Will
gern zu den 36 Gerechten gehören,
von
denen der Talmud, die jüdische Lehre, sagt,
dass
es sie immer geben wird.
Ihretwegen
ist die Welt noch nicht verbrannt.
Noch
nicht vergangen, wie Sodom und Gomorrha.
Der
heutige Tag,
der
Buß- und Bettag
ist
ein Beispieltag
für
jeden Tag.
Für
jeden Tag, an dem ich versuche, es besser zu machen. Besser zu sein.
17
lernt
Gutes tun! Trachtet nach Recht, helft den Unterdrückten, schafft den
Waisen Recht, führt der Witwen Sache!
Einer
geht durch die Gassen Deutschlands.
Hainichens.
Pappendorfs. Bockendorfs.
Die
Gassen der Dörfer hier und dort.
Seine
Schritte sind Tanz.
Seine
Worte fest, laut, gerade, gebunden, fast wie Gesang.
Seine
Hoffnung ist groß.
Wenn
eure Sünde auch blutrot ist, soll sie doch schneeweiß werden
6
Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf
den Morgen; mehr als die Wächter auf den Morgen
7 hoffe[n] Israel [und mit ihm alle Völker] auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
7 hoffe[n] Israel [und mit ihm alle Völker] auf den HERRN! Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm.
Doch
irgendwo, in irgendeiner Gasse,
gerade
als der Morgen anbricht,
das
Dunkel der Nacht vertreibt,
die
Schatten vergehen,
tritt
jemand vor seine Tür.
Die
Augen sind noch halb geschlossen.
Die
Mundwinkel unbewegt, abschätzig, mürrisch.
Es
ist zu früh für Gesang.
Zu
früh für Tanz.
Er
schiebt einen Stock in den Weg.
Der
Tänzer stolpert und fällt.
[PAUSE]
Jesaja
war gestern.
Seine
Worte sind geblieben.
Bis
heute.
Manche
lesen sie noch.
Manche
sagen sie weiter.
Manche
beten mit Psalmen.
Die
Worte haben immer noch Kraft.
Sie
wissen was gut ist.
Ihnen
wohnt Hoffnung inne.
Manchen
geben sie Mut.
Dann
schwellen Stimmen an.
Schritte
werden zu Tanz.
Doch
für manche ist das zu früh.
Für
manche zu viel.
Zu
viel Geräusch im stillen Kämmerlein.
Zu
viel Licht in dunklen Machenschaften.
Und
der Tanz endet abrupt.
Worte
und Gesang verhallen.
Die
Hoffnung liegt am Boden.
Doch
wer weiß.
Vielleicht,
an Tagen wie diesen,
besinnt
sich eine oder einer.
Irgendjemand
tritt vor die Tür.
Nimmt
den Stock vor dem Haus.
Hält
ihn der Hoffnung hin.
Und
hilft ihr auf.
So
geht Buße.
So
jemand wäre ich gern.
Einer
der dem Hoffnungstänzer aufhilft.
Wo
er auch ist.
Und
ihm Mut macht:
Gib
deinen Tanz nicht auf.
Lass
deinen Gesang nicht verstummen.
Jetzt
sind wir schon zwei... und wir beten...
Aus
der Tiefe rufen wir, HERR, zu dir. /
2
Herr, höre unsere Stimmen! Lass deine Ohren merken auf
die Stimmen unseres Flehens!
3
Wenn du, HERR, Sünden anrechnen
willst – Herr, wer wird bestehen?
4
[Denn] bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.
5
Wir warten ungeduldig auf dich, HERR, unsere Seelen sehnen sich, und
wir hoffen auf dein Wort.
6
Unsere Seelen warten auf den Herrn mehr als die Nachtwache
auf den Morgen; mehr als die Nachtwache den Morgen herbeisehnt,
7 hoffe[n] wir und Israel auf den HERRN!
Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung ist bei ihm.
7 hoffe[n] wir und Israel auf den HERRN!
Denn bei dem HERRN ist die Gnade und viel Erlösung ist bei ihm.
Und
auch wenn ich gar nicht tanzen kann,
sind
die Schritte getragen,
der
Tanz wird größer.
Der
Gesang wird lauter.
Es
müsste sich nur jemand besinnen.
An
Tagen wie diesen.
Und
der Friede Gottes, der größer ist, als alles was wir verstehen
können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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