Predigt am ersten Christtag 2019 zu Titus 3, 4-7
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus
Christus. Amen.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
wurde er in die unwirtliche Halbwärme eines Stalles geboren.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
waren da Hirten und Weise und ein junges Paar, dass sich vielleicht
auch erst irgendwie zusammenraufen musste.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
warnten die Weisen Maria und Joseph, dass sie fliehen müssen,
weil
Herodes und seine Schergen mit Messern und Dolchen durch die Gassen
ziehen.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
gingen die Hirten wieder zurück an ihre Arbeit und die Weisen nach
Hause.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
floh die Heilige Familie nach Ägypten und blieb dort, bis der Sturm
vorüber war.
Das
klingt für mich alles sehr chaotisch.
Sehr
unaufgeräumt.
Unangenehm
auch.
Nach
falschen Orten und falschen Zeiten.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
waren nicht Ort und nicht Zeit für Freundlichkeit, nur für ein
bisschen Menschenliebe, aber auch nicht viel.
Was
meint der Titusbrief?
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
machte er uns selig.
Also
glücklich.
Weshalb
denn?
Weil
der Herr chaotisch und unaufgeräumt kommt?
Wie
wenn ein Besuch zu früh dran ist.
Und
ich, wie meine Wohnung,
noch
sehr unaufgeräumt,
vielleicht
auch etwas chaotisch daher komme.
Richtiger
Ort, aber falsche Zeit.
Dennoch,
diese Zeilen des Titusbriefes und Weihnachten,
das
macht mir Mühe,
muss
ich zugeben.
Und
wie ich vor meinen Büchern sitze,
über
die Zeilen sinne,
werde
ich müde.
Alles
wird schwer.
----
Es
klingelt.
Besuch.
Jetzt
schon.
Viel
zu früh.
Oder
zu spät.
Wie
man es nimmt.
Mitten
in der Nacht.
Unerwartet
allemal.
Meinen
Ärmelabdruck noch auf der Stirn,
vom
auf dem Schreibtisch in die Arme gesunkenen Gesicht,
gehe
ich zur Tür.
Augenränder
habe ich bestimmt auch.
Ich
öffne.
Mit
Pudelmütze und Schal steht einer vor der Tür.
Ich
kenne ihn.
Ich
glaube sogar, gut.
Aber
ich erkenne ihn nicht.
Zumindest
nicht gleich.
Ich
bitte ihn herein
und
denke dabei:
du
bist mehr als ungelegen,
unzeitig,
eigentlich
unwillkommen.
Ich
habe noch so viel zu tun.
Er
tritt ein.
Trotzdem.
Ich
lasse ihn.
Er
geht ins Wohnzimmer.
Sieht
sich um.
Ich
gehe und mache Kaffee.
Er
setzt sich auf mein Sofa,
auf
dem man so schön tief einsinkt.
Er
rudert ein bisschen.
Dann
sitzt er bequem.
Ich
stelle zwei Tassen heißen,
dampfenden
Kaffees auf den Tisch,
und
setzte mich neben ihn.
Und dann
fängt er an.
„Es war
ein langes Jahr.“
Sagt er.
„Gut,
dass ich jetzt hier bin.
Aber ich
war so oft da.
Weißt du
das eigentlich?
Es gab
wieder so viele Gelegenheiten in diesem Jahr.
Bei deiner
Ordination.
Erinnerst
du dich?
Da saß
ich hinten links.
Aber da
saßen viele.
Ich weiß.
Und bei
diesem Arbeitseinsatz, am Ende des Frühjahres,
da hast du
mich bestimmt gesehen,
unter all
den Leuten,
die mit
angepackt haben.
Auch beim
Kirchenputz
bin ich
umhergeschlichen.
Heimlich.
Leise.
Und beim
Pfarrhofkino auch.
Ich habe
herzlich geweint,
wegen des
Friedens,
den wir
uns so sehr wünschen,
- du, ihr
und ich -
und so
herzlich gelacht,
wegen des
Films,
der
köstlich war.
Wie das
Essen.
Und das
Trinken.
Alles.
Bis spät
in die Nacht.
Eure
kleine Kapelle habe ich mir
ein paar
Mal angeschaut.
Und ich
war in Männerkreisen
und
Frauendiensten,
bei
Politik im Pfarrhof,
Schulanfängen,
Elternabenden,
Konfirmandenstunden
und -tagen,
in der
Jungen Gemeinde,
Kinderkreisen,
Martinsfesten,
Tauferinnerungen,
Gemeindeversammlungen,
Sektempfängen,
bei
herrlichen Konzerten,
auch bei
einem Musical
und einem
Gospelwochenende war ich;
ich habe
gelauscht, wie Chöre und Posaunen
für mich
gesungen und gespielt haben;
Flöten
auch und Gitarren;
ich war in
den Pflegeheimen,
in
Seelsorgegesprächen,
und bei so
vielen wunderbaren Besuchen.
Die
leuchtenden Gesichter haben mir gefallen,
als du
Menschen im Gottesdienst gesalbt hast.
Deine
Predigten habe ich auch gehört.
Es waren
nicht alles Glanzleistungen.
Aber ich
habe mich schon auch darin entdeckt.
Ich habe
kleine Aufmerksamkeiten
in
Kirchvorstandssitzungen gesehen,
war bei
langen und kurzen Sitzungen dabei,
habe
gehört was anliegt,
was ihr
braucht und was ihr habt,
was ihr
denkt und wo ihr ringt -
auch um
mich;
habe
Dankesworte in Gottesdiensten und
zwischen
Tür und Angel gehört,
und so
viele treue Menschen gesehen,
die Kerzen
anzünden,
Bücher
verteilen,
Schnitten
schmieren,
Kaffee
machen,
Besen und
Lappen schwingen,
Kelche
putzen
und
einfach helfen,
einfach da
sind.
Ganz
unscheinbar.
Das alles
habe ich gesehen,
habe ich
gehört und erlebt,
und noch
viel mehr.
Jetzt, bin
ich da.
Es war ein
langes Jahr.
Es war ein
gutes Jahr.“
Ich
staune.
Ich
schweige.
„Jetzt,
bin ich da.“
Der Satz
klingt noch in meinen Ohren.
Weihnachten.
Christfest.
Gott bei
den Menschen.
„Jetzt,
bin ich da.“
Mitten in
noch chaotischen,
unaufgeräumten
Verhältnissen,
unzeitig,
ungelegen,
vielleicht
sogar unwillkommen.
Egal.
„Jetzt,
bin ich da.“
Heilige
Nacht.
Christfest.
Da fing
alles an.
Aber dabei
ist nicht geblieben.
Ich
verstehe.
Ein
bisschen.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
waren Ort und Zeit nicht wichtig.
Und
jede Zeit die richtige.
Und
jeder Ort, auch der kärgste, der beste.
Denn
es war Zeit.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
war es sehr chaotisch.
Wie
immer, in dieser Welt.
Unaufgeräumt.
Unfriedlich.
Oft
unfreundlich.
Unangenehm
auch.
Aber
es gab keinen besser Zeitpunkt.
Auch
keinen besten.
Nur
den einen.
Damit
endlich anfängt,
was
viel zu lange schon auf sich warten ließ:
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
machte er uns selig.
Also
glücklich.
Wie die
Hirten und Weisen im Stall.
Für einen
Moment zumindest.
Nicht,
weil sie irgendetwas getan hätten.
Sondern
einfach so.
Wie ein
Bad der Wiedergeburt.
Wie eine
Erneuerung im Heiligen Geist.
Einfach
aus Gnade.
Für die
Hoffnung.
Als
aber erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes,
unseres Heilands...
da
machte er uns selig.
Also
glücklich.
Bei so
vielen Gelegenheiten.
Vielen
mehr, als nur in dieser einen Nacht.
Ich
stutze.
Hat das
nicht alles genau so Titus geschrieben,
über
dessen Zeilen ich eben noch brütete,
die mir
solche Mühe machten?
Der Gast
sieht mich lange an.
Dann
lächelt er.
„Geh,
hol mir noch einen Kaffee.“,
sagt er.
Ich gehe.
Als ich
zurückkomme,
ist das
Sofa leer.
Ich stürze
zur Tür,
beinahe
über meine eigenen Füße,
die heiße
Tasse Kaffee in der Hand.
Als ich
die Tür öffne,
verkippe
ich die Tasse,
es wird
heiß,
an meiner
Hand,
ich
erschrecke,
ich
erwache,
auf meinen
Armen,
am
Bildschirm meines Laptops,
zwischen
den Büchern,
an meinem
Schreibtisch.
Der Kaffee
aus meiner umgekippten Tasse
läuft mir
über die Hand
und über
die Zeilen des Titusbriefes vor mir:
Als aber
erschienen war die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres
Heilands...
wie ich
das lese, muss ich schmunzeln.
„Da
machte er uns selig.“
Also
glücklich.
Aus Gnade.
Für
Hoffnung.
So meint
das der Titusbrief also.
Und ich,
ich habe in diesem Jahr
sehr viel
Gnade und Hoffnung gesehen.
Sehr viel.
Da
erschien die Freundlichkeit und Menschenliebe Gottes, unseres
Heilandes.
Manchmal
braucht es ein Weihnachten,
eine
heilige Nacht,
und das
Kommen eines unverhofften,
unzeitigen
Gastes,
mitten in
der Nacht,
zu früh
oder zu spät,
wie man's
nimmt,
zur
falschen Zeit,
aber genau
am richtigen Ort.
Ich gehe
ins Wohnzimmer,
räume
zwei Kaffeetassen vom Tisch in den Spüler in der Küche
und gehe
zu Bett.
Und
der Friede dieses Fürsten, der höher ist als alle Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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