Auslese
Umberto Eco: Der Friedhof in Prag
Inhalt: “Ein Abt, der zweimal stirbt, ein paar unbekannte Tote im Pariser Abwasserkanal, geheime Militärpapiere und angebliche Verräter: das Paris der Belle Époque ist eine brodelnde Stadt, in der Geheimbünde und Verschwörer, Freimaurer und Antisemiten, Spione und Geheimpolizisten ihr dunkles Spiel treiben. [...] Umberto Eco, der Meister des historischen Romans, erzählt [...] spannend, mitreißend und mit einer unerschöpflichen Kenntnis von einer Vergangenheit, in der schon unsere Gegenwart verborgen liegt.”
Blick in’s Buch: “Monsieur l’Abbé, es ist merkwürdig, dass ich dies, was ein Tagebuch sein sollte (also zum Lesen nur für den bestimmt, der es schreibt), in einen Austausch von Botschaften verwandelt. Aber jetzt schreibe ich Ihnen einen richtigen Brief, da ich so gut wie sicher bin, dass Sie ihn eines Tages, wenn Sie wieder vorbeikommen, lesen werden. Sie wissen zuviel über mich. Sie sind ein unbequemer Zeuge. Und übertrieben streng. [...] Jetzt nehme ich meine Erinnerungsarbeit wieder auf, wenn Sie gestatten. Jawohl, ich sehe mich wieder als Inhaber der Kanzlei des verstorbenen Notars Rebaudengo, und dass ich schon mit ihm zusammen falsche notarielle Akten fabriziert habe, überrascht mich nicht, denn genau das tue ich heute noch hier in Paris.”
Nur langsam lichtet sich der Schleier, der die Hauptperson Simonini ebenso wie die Leser_innen umgibt. Ein Unbekannter, der regelmäßig die Behausung des Protagonisten besucht erhält Kontur und eine Mischung aus üblen Gerüchten, Verschwörungstheorien und einem zwielichtigen Notar gewinnt Gestalt. Dieses Buch ist nicht nur historisch oder als Sozialstudie spannend, um einen Blick auf das Ende des 19. Jahrhunderts in Europa zu werfen, sondern gleichsam als Psychogramm des Protagonisten und im Hinblick auf die Wirksamkeit des lediglich Behaupteten. Nicht nur das Letztgenannte macht das Buch meines Erachtens zu einer hoch aktuellen Lektüre!
Eco, Umberto: Der Friedhof in Prag, Carl Hanser Verlag, München 2011, 510 Seiten.
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