Die Predigten des Jahres 2023
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2023
Predigt am 22. Sonntag nach Trinitatis - 05.11.2023
Predigttext: 1. Johannesbrief, Kapitel 2, Verse 12-14
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Predigt am Drittletzten Sonntag des Kirchenjahres - 12.11.2023
Predigttext: Römerbrief, Kapitel 8, Verse 18-25
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Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Röm 8, 18-25 (BasisBibel)
Die ganze Schöpfung wartet auf ihre Befreiung
18 Ich bin überzeugt: Das Leid, das wir gegenwärtig erleben, steht in keinem Verhältnis zu der Herrlichkeit, die uns erwartet. Gott wird sie an uns offenbar machen.19 Die ganze Schöpfung wartet doch sehnsüchtig darauf, dass Gott die Herrlichkeit seiner Kinder offenbart.
20 Denn die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen – allerdings nicht durch eigene Schuld. Vielmehr hat Gott es so bestimmt. Damit ist aber eine Hoffnung verbunden:
21 Denn auch die Schöpfung wird befreit werden aus der Sklaverei der Vergänglichkeit. Sie wird ebenfalls zu der Freiheit kommen, die Gottes Kinder in der Herrlichkeit erwartet.
22 Wir wissen ja: Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt vor Schmerz wie in Geburtswehen – bis heute.
23 Und nicht nur sie: Uns geht es genauso! Wir haben zwar schon als Vorschuss den Geist Gottes empfangen. Trotzdem seufzen und stöhnen auch wir noch in unserem Innern. Denn wir warten ebenso darauf, dass Gott uns endgültig als seine Kinder annimmt. Dabei wird er auch unseren Leib von der Vergänglichkeit erlösen.
24 Denn wir sind zwar gerettet, aber noch ist alles erst Hoffnung. Und eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen, ist keine Hoffnung mehr. Wer hofft schließlich auf das, was er schon vor sich sieht?
25 Wir aber hoffen auf etwas, das wir noch nicht sehen. Darum müssen wir geduldig warten.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
„Vergänglichkeit! Du scheußliches Gerippe /
vor dem noch jeder schaudernd sich entsetzt /
du hast mir alle mitleidslos gemetzt /
von ihrem Mordblut träufelt deine Hippe.
Nun schafft mir nur noch Graus /
mein Leib / dies Erdenhaus.
Hau zu! Zermatsch auch mich /
ich bin bereit – Vergänglichkeit!“
Das schrieb der Dichter
Arno Holz 1904.
Alles ist ihr unterworfen.
Der garstigen Vergänglichkeit.
Nichts entkommt, das lebt.
Die ganze Schöpfung nicht.
Das wird am eignen Leib
besonders spür- und sichtbar.
Nur Kinder können noch nicht kennen,
wie Ältere sich fürchten,
wenn sie in den Spiegel blicken
und neues Runzeln und Ergrauen
im Spiegelbild zu Tage tritt.
Noch mehr Vergehen ist nur dort,
wo etwas sich ins Leben mischt,
das sich gewaltig überhebt,
es heißt Gewalt und Krieg und Mord.
„Schwarze Milch der Frühe
wir trinken sie abends
wir trinken sie mittags und morgens
wir trinken sie nachts
wir trinken und trinken […]“
Schrieb Paul Celan um 1944.
Und wohl ist der Tod
immer noch ein Meister
aus Deutschland,
wie es in der Todesfuge
Celans wieder und wieder heißt;
das darf gewiss und nimmer nicht
auch nur ein einzelner vergessen;
und doch hat er wohl Schüler:innen,
dieser Meister;
und solche, die keinen Meister brauchen,
die Terror über Luft und Boden breiten.
Das sind die Gezeiten,
die um Menschen wogen.
Mal verheerend, mal nur heimlich,
kommt und geht das Leben,
hat alles seine Zeit – dazwischen:
die Vergänglichkeit.
Doch längst ist nicht mehr nur
der Mensch des Menschen Wolf,
reicht es nicht mehr,
dass wir uns gemeinsam
vor der Zeit
auf des Todes Sichel stellen,
sondern reißen Menschen
emsig ein und aus und um,
und alle Schöpfung stöhnt.
Die ganze Schöpfung seufzt und stöhnt
vor Schmerz wie in Geburtswehen –
bis heute.
Schreibt Paulus.
Und es ist überall.
Das Seufzen und Stöhnen.
In den Tunneln unter Gaza
und den Krankenhäusern darüber sowieso;
in den Städten Israels
und an der Klagemauer immer schon;
in den Gräben der Ukraine
und bei den russischen Müttern auch;
Es erklingt unter deutschen Brücken
in kälter werdenden Tagen
und in der Hitze der jemenitischen Wüste,
unter Kopftüchern im Iran,
in den christlichen Gemeinden Pakistans,
zwischen Uiguren in China
und bei alleinreisenden, jungen Frauen in
Mittel- und Südamerika;
es ist hinter Türen und unter Dächern
in Familien und zwischen Freunden,
das Seufzen und Stöhnen.
Es ist überall.
Vor der Küste Australiens.
In der Salzwüste Boliviens.
An den Gebieten des Amazonas
und immer dann, wenn die Sahara
wieder hundert Meter Land gewinnt.
Es ist unhörbar unter Wasser,
wenn die letzten Pottwale
ihre einsamen Lieder singen
und Eisbären sie beim Tauchen belauschen;
wenn das Mittelmeer 25 Grad
beste Badetemperatur erreicht;
und wenn sich eine Biologin fragt,
wie eine ölverschmierte Möve
in einer Plastiktüte
in den Magen dieses
elendig verendeten Geparden
gelangte, den sie eben seziert.
Und kein Krieg ist nur ein Fliegenschiss,
schon gar nicht der mechanischste der Kriege,
und niemand kann es auch nur wagen
zu sagen, dass diese rasende Veränderung der Welt
nicht auch von Menschen mitgemacht,
sogar verursacht ist.
Und alle Schöpfung seufzt und stöhnt.
Ja, Paulus hat ganz sicher recht,
wenn er den Römern schreibt,
dass diese Schöpfung
nicht aus eig’ner Schuld
all den Vergänglichkeiten
unterworfen ist.
Das sei wohl ferne.
Aber es lässt sich auch nicht leugnen,
dass mitten in der Schöpfung
zugleich wohl jede Menge Schuldige
versammelt sind.
Nun, eine Hoffnung sei damit verbunden,
mit all dem Seufzen, Stöhnen und Vergehen,
sagt Paulus.
Doch bin ich mir nicht sicher,
was er damit wohl meinen will.
Vielleicht meint er so:
Auf dem Schreibtisch in meinem Büro,
liegt seit einer Weile schon ein Buch.
Ich hab’ es vor der Elternzeit gebraucht,
um etwas nachzuschlagen,
seitdem liegt es dort, am Rand,
auf dem kleinen Stapel solcher Bücher,
die ich bereits benutzt
oder noch gebrauchen will.
Es liegt ganz oben auf.
Darauf – steht zu lesen:
„Der Tod ist eine Tür“.
Ob es das ist, was Paulus meint,
wenn er von Hoffnung redet?
Will er mir sagen:
Ich muss auch einmal durch
diese Todestür
und dann, dahinter und danach,
wird endlich alles gut?
Herrlichkeit und Freiheit,
diese Sachen.
Ist es nur das?
Dann ist es wenig,
billig, denk’ ich mir.
Denn was hat diese Welt davon,
wenn die Hoffnung dem Vergehen
immerzu nur folgt?
Es braucht sie doch im Hier und Jetzt,
die Hoffnung,
mitten in den Schmerzen,
den großen und den kleinen;
auf den Feldern der verbrannten Erde,
wie in der gelb-verschmutzten Luft,
in Krankheit und in Hunger,
bei Diebstahl und Betrug,
mittendrin in der Misere
braucht es eine Hoffnung.
Nicht erst nur danach.
Danach ist gut.
Und hoffentlich auch wahr und
wunderbar.
Und doch: danach ist nicht genug.
Sie muss hier sein.
Die Hoffnung.
Sie muss heute Kraft haben
für morgen,
nicht erst für übermorgen.
Paulus hat ja Recht:
eine Hoffnung, die wir schon erfüllt sehen,
ist keine Hoffnung mehr.
Wer hofft schließlich auf das,
was er schon vor sich sieht?
Das stimmt.
Hoffnung ist für morgen.
Aber sie muss heute Kraft schöpfen,
sonst gibt es sie morgen nicht mehr.
Nur noch die Stimmen,
die es so schon gibt,
die sagen:
Alles wird eh immer schlimmer.
Erst der Anfang ist das,
sagen sie.
Und diese Welt,
sie geht zugrunde.
Und dazu die,
die ihre Antwort schon gefunden haben:
die schlechte Politik von hier,
die Flüchtenden von dort.
Fertige Antwort
für unfertige Wahrheiten
in einer schwarz-weißen Welt,
die keine Farben und Zwischentöne kennt
und auch keine Hoffnung.
Aber es braucht Hoffnung,
heute, für morgen,
nicht es für übermorgen,
damit es auch morgen
noch ein Morgen gibt.
[Pause]
Gestern waren wir als Familie
in meiner alten Heimat
und haben mit den Großeltern
für unsere Tochter einen
Apfelbaum gepflanzt.
Menschen aus gestern und heute
für Menschen von morgen.
Damit Blühen und Ernten
nicht enden.
Das hat doch mit Hoffnung zu tun,
denke ich mir,
auch wenn Luther das vielleicht
nie so oder ähnlich gesagt haben mag.
Und dann blicke ich
in die blauen Augen
unserer noch so kleinen Tochter,
und sehe wie sie lacht
und weiß,
dass ich will,
dass dieses Lachen noch
viele Male in dieser Welt
erstrahlt,
und wünsche,
dass es noch manche Herzen
so beschenkt wie meins;
auch dann, wenn ich selbst
schon durch die Tür getreten bin,
nach ewighin,
wo alle Hoffnung dann
erfüllt sein kann.
Ich bin überzeugt: Das Leid,
das wir gegenwärtig erleben,
steht in keinem Verhältnis
zu der Herrlichkeit,
die uns erwartet.
Schreibt Paulus.
Und ich glaube ihm.
Nicht erst für übermorgen.
Sondern schon für morgen.
Ich glaube,
dass alle die, die Bäume pflanzen,
die sich am Flug der Schmetterlinge freuen,
die im Fallen der Blätter an Herbstbäumen
die Farbenpracht und Würde bewundern,
meinetwegen auch die,
die mit Kartoffelbrei
von Panzerglas geschützte Kunst bewerfen;
dass die, die Sonne und Regen sehen
und dahinter Liebe glauben können,
weil sie einen Gott erhoffen,
der größer ist als all die
tiefen Tiefen und hohen Höhen,
der aus Schmerz und Krisen herausführt,
schon morgen,
nicht erst übermorgen;
und die dann noch übermorgen
ein Ende sehen wollen,
das nicht das Ende ist;
ich glaube,
dass alle die, eben diese Hoffnung tragen,
die es braucht,
damit die Welt Menschen hat,
die solche Geduld aufbringen,
solche Geduld, die nötig ist,
um irgendwann morgen
die Freiheit und die Herrlichkeit
zu sehen und zu erleben,
von der Paulus spricht.
Damit die Menschen von morgen
heute sehen werden können,
was wir Gestrigen uns noch erhofften.
Immer mehr davon zumindest,
schon morgen,
nicht erst übermorgen.
Denn wenn niemand mehr hofft,
wer wird denn dann die Apfelbäumchen pflanzen,
die es braucht, damit auch zwischen dir und mir
ein Blühen Früchte trägt?
Um Gottes Willen kann
und will ich hoffen.
Schon für morgen.
Und für übermorgen noch dazu.
Und du?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne, in Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: EG 450, 3-5 (Morgenglanz der Ewigkeit)
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Predigt am 22. Sonntag nach Trinitatis - 05.11.2023
Predigttext: 1. Johannesbrief, Kapitel 2, Verse 12-14
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater
und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
12 Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.
13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr habt den erkannt, der von Anfang an ist.
Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden.
14 Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr habt den Vater erkannt.
Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr habt den erkannt, der von Anfang an ist.
Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden.
Möge dieses Wort heute auch ein Wort des Herrn für uns, unser Wesen und unser Leben sein. Das gebe Gott. Amen.
Dem Himmel entgegenwachsen.
Wie geht das?
Hilde ist noch ganz klein.
Im vergangenen Jahr haben wir sie getauft.
Sie weiß noch nichts
von Gut und Böse.
Ihr Tage sind voller Staunen.
Über die großen Geschwister
und was es alles von ihnen
zu lernen gibt;
über das Spiel des Sonnenlichts
im Fenster;
über die sanften Bewegungen
des Mobile.
Alles Staunen.
Alles neu.
Alles groß
und wunderbar.
Und am Abend liegen
segnende Hände
auf ihrem Kopf,
und ein Kindergebet
erhebt sich vom Bettrand
hinauf bis in den Himmel,
noch nicht ihre Worte,
vielleicht noch nicht ihr Glaube,
aber Worte ihrer Eltern,
und guter Menschen dazu,
und deren Glaube,
wie ein Mantel,
in den sie sich jetzt schon
einhüllen kann:
deine Sünden sind dir vergeben,
so viel ist gewiss.
12 Liebe Kinder, ich schreibe euch, dass euch die Sünden vergeben sind um seines Namens willen.
Schreibt Johannes.
Und durch den Spalt in der Tür
dringt das warme Licht des Flurs
wie ein gutes Zeichen
aus einer anderen Welt:
„einer wacht […]
der lässt keinen einsam sein,
weder Tag noch Nacht.“
Dem Himmel entgegenwachsen.
Wie geht das?
Jonas steckt mitten in der Pubertät.
Bewegte Zeiten.
Die Veränderungen in ihm
und an ihm kosten viel Kraft.
Und das Verstehen der Welt auch.
Mit jedem Tag scheint sie komplexer
und komplizierter zu werden,
diese Welt – vor allem,
wenn dann noch Sexualität
und erste große Lieben
dazukommen.
Schwer, da Schritt zu halten,
mit zu halten.
Zwischen Konfistunde
und elternfreier Zone
im eigenen Zimmer
kommen und gehen
gute Freunde und arge Feinde;
und mit ihnen manche Kämpfe,
um Eigenständigkeit
und gegen Urteile anderer
und überhaupt, die Ungerechtigkeit
der Welt.
Auch mit dem Glauben
bleiben da die Kämpfe nicht aus.
Mal ist er vielleicht sogar schon Schild,
war er es mir zumindest,
ist er es Jonas vielleicht auch,
gegen Angriffe anderer;
aber dann wieder ist er selbst
Angriffsfläche, der Glaube,
weil Gebete nicht erhört und
Hoffnung enttäuscht wurden;
weil Gott angeblich im Stillen
und Leisen und Unscheinbaren
zu finden sein soll,
aber Jonas ihn lieber mächtig
und groß und kräftig und gewaltig
vorfinden würde.
Also gibt es Zeiten,
in denen Jonas seinen Glauben
gern in die Ecke schmeißen würde,
in Stücke hauen
und beiseite kehren.
Doch wenn es gut kommt,
bleibt etwas davon da.
Auch wenn es nur Scherben sind.
Etwas, das die bösen Anfechtungen
herausfordernder Tage und Zeiten
übersteht und bleibt.
Etwas, das später vielleicht
wieder zusammenpassen wird.
Ich schreibe euch jungen Männern; denn ihr habt den Bösen überwunden.
Schreibt Johannes.
Dem Himmel entgegenwachsen.
Wie geht das?
Eleonore hat ihre besten Jahre hinter sich,
sagt sie manchmal.
Sie hat auf jeden Fall
schon einiges gesehen und erlebt.
Die Kinder sind groß geworden
und haben nun selbst mit den Enkeln
und ihren eigenen Leben zu tun.
Heinz musste schon gehen.
Viel zu früh, sagt sie manchmal.
Sie hat ihn sehr geliebt,
ihren Heinz.
Aber sie weiß,
dass er jetzt bei Gott ist.
Und wenn es soweit ist,
wird sie auch dort sein
und sie werden sich wiedersehen,
das glaubt sie,
hofft sie;
daraus schöpft sie Kraft.
13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr habt den erkannt, der von Anfang an ist.
Schreibt Johannes.
Und der, der am Anfang war,
der muss doch auch am Ende sein,
selbst wenn er zwischendrin
nur manchmal, in den leisen
Zwischentönen, oder
im Rückblick zu erkennen war,
glaubt Eleonore.
Und wenn sie zwischen
den Arztbesuchen und den
Enkeldiensten manchmal
etwas Zeit findet,
dann passt sie auf die kleine Hilde auf,
die so unbeschreiblich süß
mit ihren stahlblauen Augen
am Mobile staunt;
dann nimmt sie ihr die
Kinderbibel mit
und ließt ihr daraus vor.
Damit sie auch ein Stück
von der Hoffnung mitnehmen kann,
die Eleonore trägt.
Bis vor kurzem
ist ihr Enkel Jonas manchmal
mitgekommen;
und dann hat sie, wenn sie
aus der Kinderbibel vorlas,
gehofft, dass beide davon
etwas mitnehmen können -
die kleine Hilde
und ihr Jonas.
14 Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr habt den Vater erkannt.
Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr habt den erkannt, der von Anfang an ist.
Ich habe euch jungen Männern geschrieben; denn ihr seid stark,
und das Wort Gottes bleibt in euch, und ihr habt den Bösen überwunden.
Johannes schreibt an Kinder
und Väter und junge Männer,
darüber kann man sich echauffieren,
aber das war nunmal seine Zeit.
Er meint die Mädchen und die Frauen
auch, da bin ich sicher.
Und er meint vor allem
diese Lebensalter,
diese Geschichten des Glaubens.
Denn der Glaube ist voller Geschichten.
Geschichten von denen,
die vor mir waren,
die mit mir sind
und von denen,
die nach mir kommen.
Und manchmal bleiben
von den Wahrheiten,
die Kinder mitnehmen,
um junge Menschen zu werden,
nur Scherben übrig,
wenn die Zeiten kommen,
in denen alle Wahrheiten
und Gewissheiten erst einmal
hinterfragt werden müssen.
Und vielleicht entdecke ich später,
dass manche Scherben zusammenpassen,
dass sich Bruchkanten neu
und anders zusammensetzen lassen
und etwas neues und anderes entsteht,
das trotzdem leuchtet -
vielleicht wie ein Spalt in der Tür
mit warmem Licht aus dem Flur,
fast wie ein gutes Zeichen,
ein Gruß aus einer anderen Welt:
„einer wacht […]
der lässt keinen einsam sein,
weder Tag noch Nacht.“
Vielleicht wie diese Kerze hier.
Am Karfreitag habe ich in Engelsdorf,
im Gottesdienst, bei der Predigt
eine Tasse zerschlagen.
Weil da Hoffnungen zu Bruch
gegangen sind.
Weil am Karfreitag
alles in Scherben lag.
Und dann bat mich Frau B.,
die Scherben mitnehmen zu dürfen.
Und einige Zeit darauf,
brachte sie mir diese Kerze vorbei.
Da ist aus den Scherben von Karfreitag
etwas Neues entstanden,
etwas neues, das leuchtet.
Anders als das vorherige,
aber trotzdem schön
und mit einem warmen Licht,
das auch in dunklen Zeiten leuchtet.
Ein wunderschönes Bild,
finde ich,
für das, was mit und an
den Freunden Jesu in den
Ostertagen geschehen ist.
Vielleicht auch ein schönes Bild
dafür, wie sich Glauben verändert,
mit den Lebensaltern und den Jahren.
Und es werden immer neue
Geschichten daraus.
Geschichten, die davon erzählen wollen,
dass Kinder diese Welt
frei von Schuld betreten;
und junge Menschen ihre Fehler
und Erfahrungen machen,
nach denen es ihnen vielleicht
gelingen kann auch das Böse
immer besser zu überwinden,
wenn die Alten ihnen ein Licht
anzünden, das von der Ewigkeit her
scheint und hilft -
Sünden zu vergeben,
Abgründe zu überbrücken,
und neu anzufangen,
damit die Gräuel dieser Welt
endlich abnehmen,
die Kinder schon
und junge Menschen auch
und Alte noch
gegeneinander aufbringen;
die kein Licht kennen,
sondern in
Dunkelheit und Kälte leben,
mindestens im Herzen
und immer noch
selbst in den hell und heiß
lodernden Flammen des Krieges.
Das wollen diese Geschichten
vergessen helfen
und vergehen lassen.
Und sie können
auch aus Scherben
etwas schaffen,
das leuchtet;
und das selbst die Brüche
verbindet und mit
Goldstaub bedeckt.
Solche Geschichten
möchte ich auch schreiben.
Denn ich glaube,
so wachsen Menschen
dem Himmel entgegen.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pred.lied: EGE 29 „Wo Menschen sich vergessen“
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Predigt am 9. Sonntag nach Trinitatis - 06.08.2023
Predigttext: 1. Buch der Könige, Kapitel 3, Verse 5-15
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext: 1. Buch der Könige, Kapitel 3, Verse 5-15 [BasisBibel]
5 In Gibeon erschien der Herr Salomo nachts im Traum. Gott sagte ihm: »Was immer du bittest, will ich dir geben.«
6 Salomo antwortete: »Deinem Knecht, meinem Vater David, hast du immer viel Gutes getan. Denn er war treu und gerecht, und sein Herz war stets auf dich gerichtet. Er hat sein ganzes Leben nach dir ausgerichtet, und du hast ihm die Treue gehalten. Du hast ihm einen Sohn gegeben, der heute auf seinem Thron sitzt.
7 Ja, so ist es jetzt, Herr, mein Gott! Du selbst hast deinen Knecht zum König gemacht anstelle von meinem Vater David. Dabei bin ich doch noch ein junger Mann und weiß nicht aus noch ein.
8 Als dein Knecht stehe ich mitten in deinem Volk, das du erwählt hast. Es ist ein großes Volk, so groß, dass es weder geschätzt noch gezählt werden kann.
9 Gib mir, deinem Knecht, ein hörendes Herz. Nur so kann ich dein Volk richten und zwischen Gut und Böse unterscheiden. Wie sonst könnte man Recht schaffen in deinem Volk, das doch so bedeutend ist?«
10 Es gefiel dem Herrn gut,dass Salomo genau darum gebeten hatte.
11 Gott sagte ihm: »Du hast weder um ein langes Leben gebeten noch um Reichtum oder den Tod deiner Feinde. Stattdessen hast du um Einsicht gebeten, um auf mich zu hören. Nur so kannst du gerechte Urteile fällen.
12 Darum werde ich deine Bitte erfüllen: Hiermit gebe ich dir ein weises und verständiges Herz. So wie du ist niemand vor dir gewesen, und nach dir wird es keinen geben wie dich.
13 Ich gebe dir sogar etwas, worum du nicht gebeten hast: Reichtum und Ehre. Kein anderer König wird sich mit dir vergleichen können, solange du lebst.
14 Ich werde dir ein langes Leben schenken. Richte dein ganzes Leben nach mir aus, wie dein Vater David es getan hat. Befolge also meine Gesetze und Gebote!«
15 Da erwachte Salomo und merkte: Er hatte geträumt. Er ging nach Jerusalem zurück, trat vor die Bundeslade des Herrn und brachte Brandopfer und Schlachtopfer dar. Danach veranstaltete er ein Festmahl und lud dazu alle seine Beamten ein.
Herr, unser Gott, schenke uns ein Herz für dein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.
I) Weder aus noch ein
Er weiß nicht aus noch ein.
Viktor bei Saporischja.
Da, wo noch Bomben hörbar sind.
Sie weiß weder ein noch aus.
Hiltrud, dort in Großröhrsdorf,
vor den schwarzen Mauern
der abgebrannten Kirche.
Sie wissen nicht aus noch ein.
Wie der junge König Salomo.
Manche von euch vielleicht auch?
Das neue Heizungsgesetz.
Die steigende Preise.
Die Familienkrise.
Die Krankheit.
Es gibt viele Gründe,
weder ein noch aus zu wissen.
Manchmal vielleicht,
weil ich merke, dass ich
der Aufgabe nicht gewachsen bin.
Wie der junge Salomo.
König über viele.
Aber ohne Erfahrung.
Noch viel zu jung.
Und dann plötzlich:
Es ist wie im Traum,
viel zu schön, um wahr zu sein,
denn plötzlich hast du
einen Wunsch frei.
Nur einen.
Du weißt weder aus noch ein.
Jetzt hast du einen Wunsch frei.
Nur einen einzigen.
Was würdet ihr euch wünschen?
II) „Der Laden“
Gerhard Schöne
hat über so einen Traum
ein Lied geschrieben.
Über einen Wünschetraum
sozusagen.
Nicht ganz gleich,
aber mindestens ähnlich.
Es heißt: „Der Laden“.
Und es geht so:
„War es Traum oder wirklich
als ich in dieser Stadt
Irgendwo in Gedanken
einen
Laden betrat?
Hinterm
Tisch dieser Händler
Wirkte
irgendwie fremd.
Verbarg
mühsam zwei Flügel
unterm
lichtweißen Hemd.
Das
Regal war bis unter die Decke
voll
mit Tüten und Schachteln gestellt.
Doch
im Dämmerlicht konnt ich nicht sehen,
Was
die eine um die andre enthält.
Nun,
ich fragte den Händler:
"Was
verkaufen Sie hier?"
"Alles
was Sie sich wünschen,
alles
gibt es bei mir.
Das,
wonach Sie sich sehnen,
was
Sie froh machen kann,
was
Sie schon nicht mehr hofften,
alles
biete ich an."
Oh,
wie hab ich mich da vor dem Händler
mit
dem Wünscheaufsagen beeilt:
"Sie,
ich möchte das Schweigen der Waffen
Und
die Brötchen viel besser verteilt.
Mehr
Verstand in die Köpfe,
aus
den Augen die Gier,
Eltern
Zeit für die Kinder,
Achtung
vor jedem Tier.
Helle
Zimmer für alle,
Arbeit
je nach Talent."
Als
ich Luft holen wollte,
sprach
er: "Kleinen Moment!
Sicher
haben Sie mich falsch verstanden,
wie
ich hör, wollen Sie Früchte von mir,
ach
nein, nein, ich verkauf keine Früchte,
nur
die Samen dafür."
Soweit Gerhard Schöne.
Vielleicht ist es mit
Salomos Traum gar nicht
so viel anders…
III) Die Wünsche
Es liegt nahe,
dass ich mir die fertigen
Früchte eines langen Weges,
die Ergebnisse eines Prozesses
wünsche.
Warum auch nicht!?
Schließlich ist es das,
was mir auf der Seele brennt.
Viktor bei Saporischja
wünscht sich sicherlich Frieden.
Wenigstens ein Schweigen
der Waffen, und wenn nur auf Zeit.
Und Hiltrud in Großröhrsdorf,
wünscht vielleicht die Zeit zurück,
so dass das Feuer in der Kirche
noch vor dem Ausbrechen
gelöscht werden kann.
Oder die Zeit nach vorn,
so dass sie wieder in alter Pracht
erstrahlt, die schöne Kirche,
um die nun viele trauern.
Die in der Familienkrise
wünschen sich vielleicht
endlich gesehen oder
gehört zu werden,
oder Zeit und Aufmerksamkeit,
oder diesen elenden Teufel
Alkohol aus dem Haus.
Die mit der Gasheizung
wünschen sich Klarheit.
Und die mit dem schmalen Geldbeutel
hätten gern mehr drin, klar.
Es gibt unendlich viele Früchte,
die ich mir wünschen kann.
Aber vielleicht ist es am Ende
doch ein bisschen wie beim
jungen Salomo:
Alles beginnt mit einem
hörenden, verständigen Herz.
Aus dem dann viel mehr wachsen kann.
Weil Verstand und Gefühl
nicht nur bei Gott
zusammengehören.
IV) Hörende Herzen
Hörende Herzen,
das sind Menschen, die
genau hinhören,
zuhören,
aufmerksam sind,
auch ungesagtes hören,
zwischen den Zeilen lesen,
sensibel für Details,
für Schwingungen,
die nach der Wahrheit klingen;
Menschen, die sich
zuwenden können
und zugewandt bleiben;
und Ernstnehmen.
Der junge Salomo
hat nach unserem heutigen
Predigttext, gleich
in den nächsten Versen,
die erste Prüfung
vor der Brust.
Zwei Frauen streiten
um ein Kind.
Die Geschichte
ist viel bemüht
und weithin bekannt.
Auch der Ausgang
der Geschichte:
mit dem salomonischen Urteil.
So sagt man bis heute,
wenn besonders weise,
klug, verständig und gerecht
geurteilt oder entschieden wird:
Salomonisch eben.
Wie Salomo,
dem aus einem hörenden Herzen
plötzlich alles andere erwächst:
Nicht nur das Lösen
eines Streits zugunsten
einer wahrhaft liebenden Mutter;
sondern auch das,
was sich viele wünschen:
Weisheit und Ansehen
und Reichtum und mehr.
Im Traum hieß es noch,
dass Gott wohl angenehm
überrascht war, angesichts
dieser bescheidenen Bitte
des träumenden jungen Mannes;
so angenehm überrascht,
dass er ihm gleich noch
Ehre und Reichtum
und ein langes Leben
obendrein gab.
Aber vielleicht sind es
auch einfach die
positiven Konsequenzen
eines hörenden Herzens,
das auf Gott, auf sich selbst
und auch auf andere hört
und achtet.
So dass deutlich wird,
wem ich mich und alles verdanke
und mit wem ich lebe.
Wie bei Salomo,
als er nach Jerusalem
zurückkehrt,
im Tempel betet und opfert,
wie man das damals tat,
und dann feiert,
mit allen seinen Hofbeamten.
In der Sprache des heutigen
Evangeliums gesagt:
Die wahren Schätze erkennen,
die in den Äckern dieser Welt liegen;
die kostbaren Perlen,
die wertvoller sind,
als alles andere -
sie sind wie jene Samen,
aus denen der Himmel wächst.
Wenn ich heute Nacht träumte,
dass mir Gott einen Wunsch gewährt,
ich wäre sicher schnell dabei,
zu wünschen, was ich
für nötig halte:
Frieden im europäischen Osten,
Trost und Zuversicht für die
Menschen in Großröhrsdorf,
Weisheit und Entschiedenheit
für unsere Politiker:innen,
Heilung für Kranke,
Liebe in die Familien
und Geld für die Armen.
Es gibt viel zu tun.
Es gäbe viel zu wünschen.
Aber vielleicht würde schon genügen,
nur diesen Wunsch zu haben:
Ein hörendes, verständiges Herz.
Um hinzuhören;
aufmerksam;
um auch das Ungesagte
zu hören;
um zwischen den Zeilen
zu lesen,
sensibel für Details,
für Schwingungen,
die nach der Wahrheit klingen;
um mich zuzuwenden
und zugewandt bleiben;
zu dir und zu mir selbst
und allem voran zu Gott.
Um dann hoffentlich besser
unterscheiden zu können,
was gut ist und was nicht.
Bestimmt nicht immer richtig,
aber immer etwas besser,
und manchmal vielleicht
sogar salomonisch.
Wer weiß,
was alles möglich wird,
wenn mein Herz
immer sensibler wird,
für die feinen Zwischentöne,
und dein Herz auch.
Wer weiß,
was dann noch alles möglich
gewesen wäre oder
noch möglich wäre,
für Viktor bei Saporischja,
für Hiltrud in Großröhrsdorf,
für die Politik in nah und fern,
für dich und für mich
und unser Miteinander.
Wer weiß,
ob Menschen nicht
in ferner Zukunft
noch davon reden würden,
wie von Salomo,
dem seinerzeit
keiner gleich kam.
Und alles begann ganz klein:
Mit nicht viel mehr
als einem Wunsch:
Mein Gott...
Gib mir, deinem Knecht,
ein hörendes Herz.
Und der Friede Gottes, den wir mit unserem Verstand nicht zu erfassen vermögen, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: EG 497, 1-5 „Ich weiß, mein Gott, dass all mein Tun“
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Predigt am 4. Sonntag nach Trinitatis - 02.07.2023
Predigttext: 1. Petrusbrief, Kapitel 3, Verse 8-17
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext: 1. Petr 3, 8-17 (in Auswahl)
8 Schließlich bitte ich euch: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden. 9 Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen.
10 Wer sich am Leben freuen und gute Tage sehen will, [… 11] soll sich vom Bösen abwenden und Gutes tun. Frieden soll er suchen und sich dafür einsetzen. 12 Denn die Augen des Herrn ruhen auf dem Gerechten [...]
13 Wer kann euch etwas Böses antun, wenn ihr euch leidenschaftlich für das Gute einsetzt? 14 Glückselig seid ihr, auch wenn ihr für die Gerechtigkeit leiden müsst. Fürchtet euch nicht vor den Drohungen der Menschen [… 15] Seid jederzeit bereit, Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung, von der ihr erfüllt seid. Denn immer wieder wird man euch auffordern, dafür Rede und Antwort zu stehen. 16 Antwortet freundlich und in Ehrfurcht vor Gott, denn ihr habt ein gutes Gewissen. [...]
Herr, schenke uns ein Herz für dein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.
Wünschen kann man sich ja viel.
Das heißt noch nicht, dass es wahr wird.
Wünschen kann man sich viel.
Weltfrieden ist ein beliebter Wunsch.
Klingt gut.
Ist leider weit weg.
Am vergangenen Donnerstag habe ich
in der Kirchgemeindevertretung
nach Sehnsüchten gefragt.
Und ich habe von Ruhe
und von Urlaub
und von „Zeit für mich“
zu hören bekommen.
Das sind auch Wünsche.
Sie sind vielleicht nicht unerfüllbar,
aber auch manchmal weit weg.
Nur der Urlaub,
der ist für viele derzeit recht nah.
Trotzdem: wünschen kann man sich viel.
Was wünschen Sie sich?
Was wünscht ihr euch?
[…sammeln...]
Es gibt viele Wünsche.
Ich habe auch welche.
Einen zumindest.
Ich hätte gern eine weiße Schwalbe.
Aber ob das nochmal wird,
bei den steigenden Preisen
für die alten Simson-Modelle.
Wünschen kann man sich viel.
Auch manches ohne jede Chance
auf jemalige Realisierung:
Dass das Gesicht glatt bleibt,
zum Beispiel, und die
Falten über Nacht verschwinden;
dass alle schnell laufen können,
hoch springen und toll tanzen können;
und singen auch.
Das kann man sich wünschen,
aber das heißt noch nicht,
dass es einmal wahr wird.
Vielleicht ist es sogar
ausgeschlossen.
Aber sollte ich deshalb
von den Wünschen lassen?
Sollte ich deshalb lieber
keine Wünsche haben?
Oder hat vielleicht,
wer nicht mehr wünscht,
auch wenig zu hoffen
und weniger Kraft zum Leben?
Am vergangenen Freitag
lief beim Kino in unserer Kirche
ein deutscher Film aus dem Jahr 2021
mit dem Titel:
„Ich bin dein Mensch“.
In aller Kürze geht es darum,
dass eine alleinstehende Professorin
namens Alma
ein Gutachten über einen Roboter
namens Tom schreiben soll,
der eigens auf sie und ihre Bedürfnisse
zugeschnitten wurde und mit dem
sie nun 3 Wochen zusammenlebt
– im Auftrag des Ethikrates
wird sie beurteilen, ob man
menschliche Roboter
für Beziehungen mit Menschen
zulassen kann oder nicht.
Der Film macht viele spannende
Facetten des Themas auf
und lohnt sich immer noch anzuschauen,
auch dann noch,
wenn ich Almas Urteil
jetzt bereits vorwegnehme:
Trotz positiver Erfahrungen,
lehnt sie die Beziehung zu
menschlichen Robotern ab;
Roboter, die für genau diesen Zweck,
nämlich für das Zufriedenstellen
eines Menschen in einer Beziehung,
geschaffen wurden.
Sie lehnt es aus einem,
wie ich finde, klugen Grund ab:
Weil sie nämlich glaubt,
dass Menschen, deren Bedürfnisse
immerzu erfüllt werden,
ganz ohne eigenes Zutun,
ohne eigene Beziehungsarbeit,
und ohne die Leerstellen,
oder Schwierigkeiten, die
Beziehungen zwischen Menschen
immer haben – sie glaubt,
dass solche Menschen,
die mehr oder weniger,
zumindest in ihrer Beziehung,
wunschlos glücklich sind,
dass solche Menschen
müde und satt werden.
Sie sagt über Tom:
„Er macht uns glücklich.
Und was kann schon schlecht daran sein,
glücklich zu sein?
Doch sind nicht gerade die
unerfüllte Sehnsucht,
die Phantasie und das ewige
Streben nach Glück
die Quelle dessen,
was uns zum Menschen macht?“
Ob das nun genau so stimmt,
weiß ich gar nicht.
Aber ich ahne, dass Menschen,
die für ihre Bedürfnisse
und deren Befriedigung
nichts mehr tun müssen,
dass solche Menschen
sich selbst,
die Nächsten um sich herum
und vielleicht sogar
die Zukunft aus dem Blick verlieren.
Ich muss mir dann mein Glück
nicht mehr mit anderen
gemeinsam erarbeiten –
nicht mit Partner:innen,
nicht mit Nachbarn;
nicht nur das Glück nicht,
auch den Frieden nicht.
Und ich merke immer wieder,
dass gerade die Bibel es versteht,
genau in die unerfüllten Sehnsüchte,
in die offenen Wünsche hinein,
Worte zu legen,
die die Hoffnung wecken wollen
oder wach halten –
die Hoffnung darauf,
dass fromme Wünsche
doch auch wahr werden können.
Sie gibt dir und mir und dieser Welt
den Himmel dazu;
die gute Aussicht,
den weiteren Blick,
eine neue Perspektive;
eine Hoffnung, dass die Welt
anders sein könnte.
Wenn wir sie miteinander
verändern, nicht ohne einander,
nicht aneinander vorbei,
sondern gemeinsam.
Und der Himmel der Bibel geht
dann dabei zwischen uns auf.
So dass die Welt anders sein kann.
Voller Demut statt Demütigung,
eine Welt, in der jede:r
einen Platz findet;
trotzdem mit Irrwegen
und Sackgassen,
aber mit Möglichkeiten
für Rückkehr und Umkehr,
mit vielen Türen
und viel weniger Mauern
und Zäunen.
Eine Welt in der Streit
in Versöhnung mündet.
Niemand allein bleibt.
Und Frieden wächst,
weil wir ihn miteinander
säen und gießen
und uns täglich ein bisschen mehr
an seiner aufgehenden Pracht erfreuen.
So anders könnte die Welt sein.
Das kann man sich wünschen.
Aber wünschen kann man sich viel.
Es heißt nicht,
dass alle Wünsche auch in Erfüllung gehen.
Doch wünschen muss ich es mir schon.
Denn wenn ich von meinen Wünschen
nicht mehr erzähle,
dann fehlen sie in der Welt.
Wenn ich keine Wünsche mehr habe,
was gäbe es dann zu hoffen?
Dann kann sich auch niemand
mit mir gemeinsam daran machen,
dass Wünsche wahr werden.
Was wäre eine solche wunschlose Welt
noch mehr als nur müde und satt,
ohne Phantasie und ohne Hoffnung.
Es wäre eine Welt,
der der Himmel fehlt.
Denn der geht immer dort auf,
und manchmal nur für Sekunden,
wo fromme Wünsche
auch nur ein bisschen
wahr werden.
Darum braucht es solche Wünsche,
wie die, die der Petrusbrief
auch an uns, heute, schreibt:
8 Schließlich bitte ich euch: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden. 9 Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen.
Und manchmal werden Wünsche wahr,
wenn Menschen Wünsche teilen.
Und wenn das etwas mit dem zu tun hat,
was Gott sich für die Menschen wünscht,
für dich und mich,
dann wächst Himmel.
Dann breitet sich Segen aus.
Glaube ich.
Und der Petrusbrief sagt:
Seid jederzeit bereit, Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung, von der ihr erfüllt seid.
Und ich denke, er will
eigentlich sagen:
Schnapp dir solche Worte,
die die Bibel genau in
die unerfüllten Sehnsüchte,
in die offenen Wünsche
hineinlegt,
Hoffnungsworte,
Hoffnungswünsche,
Worte,
die die Hoffnung wach halten –
die Hoffnung darauf,
dass die Welt anders sein kann;
dass fromme Wünsche nach Gutem
für dich und mich
doch auch wahr werden können;
und wenn auch nur in kleinen Schritten.
Um es mit der Band Genetikk
zusagen:
„Du
musst dran glauben, dann erfüllt sich das
Denke
nach, bevor du's machst und wünsch dir was
Nein,
das Leben ist kein Wunschkonzert
Doch
jedes Leben ist ein Wunderwerk
Du
musst dran glauben, dann erfüllt sich das
Mach
die Augen zu und wünsch dir was“
So wie der Petrusbrief dir und mir
heute seine Wünsche nahe legt.
Und wenn wir sie teilen,
gießen und pflegen,
könnte mit jedem neuen Morgen
ein bisschen mehr Himmel wachsen:
das heißt,
aus Samen der Hoffnung
wird Frieden zwischen dir und mir
und in der Nachbarschaft
und weit darüber hinaus…
untereinander einig, mitfühlend,
voll Liebe den anderen gegenüber,
barmherzig und bescheiden,
ohne Böses gegen Böses
und ohne Beleidigung gegen Beleidigung,
sondern segnend.
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
„Morning has broken“
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Predigt am Sonntag Quasimodogeniti - 16.04.2023
Predigttext: 1. Buch Mose, Kapitel 32, Verse 23-32
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
1. Mose 32, 23-32 (BasisBibel)
23 In derselben Nacht stand Jakob auf. Er weckte seine beiden Frauen, die beiden Mägde und seine elf Söhne. Denn er wollte den [Fluss] Jabbok an einer flachen Stelle überqueren. 24 Zuerst ließ er die Frauen und Kinder den Fluss überqueren. Dann brachte er sein Hab und Gut hinüber. 25 Er selbst blieb allein zurück. Plötzlich war da jemand, der bis zum Morgengrauen mit ihm kämpfte. 26 Aber er sah, dass er Jakob nicht besiegen konnte. Da packte er Jakob am Hüftgelenk, so dass es beim Ringen ausgerenkt wurde. 27 Dabei sagte er: »Lass mich los! Denn der Tag bricht an.« Jakob entgegnete: »Ich lasse dich erst los, wenn du mich gesegnet hast.« 28 Der andere fragte Jakob: »Wie heißt du?« Er antwortete: »Jakob.« 29 Da sagte der andere: »Von nun an sollst du nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel, ›Gotteskämpfer‹. Denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und bist Sieger geblieben.« 30 Jakob bat: »Sag mir doch deinen Namen!« Er erwiderte: »Wozu fragst du noch nach meinem Namen?« Und er segnete ihn dort. 31 Jakob nannte den Ort Penuel, das heißt: Angesicht Gottes. Denn er sagte: »Ich habe Gott von Angesicht zu Angesicht gesehen und bin am Leben geblieben.« 32 Als Jakob Penuel verließ, ging gerade die Sonne auf. Er hinkte wegen seiner verrenkten Hüfte.
Der Herr schenke uns ein Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.
„Please hold the line!“
Sagt euch das was?
Da fällt mir ein,
ich muss eben mal noch
ganz kurz einen Anruf machen.
Ihr habt hoffentlich
einen Moment.
Nur ganz kurz.
[Wählt.
Warteschlange.]
„Please hold the line!“
Dranbleiben.
Nagut.
Dann kann ich auch
schonmal was erzählen,
vielleicht komme
ich in der Zwischenzeit durch.
Ich bleib mal dran.
„Please hold the line!“
Dranbleiben.
Das ist wirklich lästig.
Oder?
Wenn die Warteschlangenmusik
dudelt und ich festhänge.
Viel machen kann man da nicht,
nur auflegen
oder eben dranbleiben.
Hartnäckig sein.
Nicht nachlassen.
Dranbleiben.
Das kann schon auch
ärgerlich sein.
Und aufreibend.
Wie ein Ringkampf
mit mir selbst:
Auflegen,
doch dranbleiben?
Aber es gibt ja
so manche Situationen,
die mich ins Ringen bringen.
Wie ist das:
Habt ihr euch schonmal
so richtig geprügelt?
So dass die Fetzen fliegen,
und es echt hitzig
und handfest wurde?
Ich muss zugeben,
als Kind war ich da manchmal
nicht nur zart besaitet.
Auch. Aber nicht nur.
Ich habe mir hin und wieder
eine ordentliche Keilerei
an Land gezogen.
Sicherlich, weil ich mir
damals noch nicht anders
zu helfen wusste.
Die Einsicht ließ ein bisschen
auf sich warten,
dass es keine Lösung
und schon gar keine gute ist,
mit Ringen und Schlagen
irgendetwas zu klären.
Aber wenn es nicht gerade
Kinder sind,
dann gehe ich doch in
den meisten Fällen davon aus,
dass es höchstens echte
Rowdys und Schurken,
also die Bösewichte
und vielleicht die Unverständigen sind,
die sich mit Fäusten
wehren und erklären.
Oder?
Außer vielleicht...
In den 90er Jahren, da
war durch Henry Maske
das Boxen an den Deutschen
Fernsehgeräten relativ
beliebt geworden.
Viele schalteten ein,
wenn sich die Herren
im Mittelschwergewicht
gegenseitig, tänzelnd
die Fäuste um die Ohren
fliegen ließen.
Bei uns Zuhause wurde
auch geschaut.
Von euch haben bestimmt
auch einige zugesehen.
Kann ich mir zumindest
gut vorstellen.
Moment.
Ich hör nochmal eben,
ob sich schon was tut…
„Please hold the line!“
Noch nichts.
Also weiter dranbleiben.
Sei’s drum.
Ob nun mit Kinderhänden
oder Mittelschwergewichtsfäusten,
so richtig alltagstauglich
ist eine Schlägerei
jedenfalls nicht.
Gesunder Menschenverstand
und Vernunft gebieten das,
meistens jedenfalls,
auch wenn es genügend
Menschen gibt,
denen das manchmal
abhanden kommt oder
längst abhanden gekommen ist,
spätestens dann, wenn
Menschen andere Menschen
mit Waffen aufeinander los schicken.
Gewalt ist niemals alltagstauglich,
auch wenn sie leider viel zu oft
im Alltag vorkommt.
Gott findet das auch.
Die Gebote von Nächsten-
und sogar Feindesliebe
sind weithin bekannt
und bestätigen das.
Schwer vorstellbar also,
dass Gott selbst
sich auf so etwas wie
eine Schlägerei oder
zumindest eine Art Ringkampf
einlassen würde.
Aber genau so eine Geschichte
wird im 1. Buch Mose erzählt.
Und dazu noch,
lässt sich Gott nicht mit
irgendeinem Unbescholtenen
auf einen Ringkampf ein,
sondern mit einem Trickser,
einem echten Betrüger.
Aber der Reihe nach.
Zuerst nochmal reinhören…
Moment.
„Please hold the line!“
Noch nichts.
Also weiter dranbleiben.
Zurück zum Ringkampf.
Es war die Nacht vor einem
schwierigen Wiedersehen.
Am nächsten Tag würde
Jakob seinen Bruder Esau
wieder treffen und die beiden
hatten noch eine offene Rechnung
zu begleichen.
Besser gesagt, Jakob hatte damals
seinen älteren Bruder Esau betrogen
und war dann geflohen.
Das blieb zwischen den beiden offen
bis auf diesen Tag.
Sie hatten sich seither
nicht mehr gesehen.
Jakob war in der Zwischenzeit
zu einigem Reichtum gekommen.
Er hatte es in der Fremde
zu etwas gebracht.
Nun war er auf dem Weg zurück.
Morgen würden sie sich
nach Jahren wieder begegnen,
Jakob und Esau.
Eine denkwürdige Nacht.
Jakob wollte sie lieber allein verbringen.
Er brachte die Familie, Frauen und Kinder
und all seine Habe, die Tierherden,
brachte er über den Fluss, den Jabbok,
in Sicherheit und blieb allein zurück.
Esau war schon unterwegs.
400 Mann bei ihm.
Eine ganze Armee.
Der hatte sich offenbar
einiges vorgenommen
für das Wiedersehen.
Vielleicht Rache nehmen?
Jakob würde es am nächsten
Tag herausfinden.
Und so kam die Nacht.
Und es ist ja eine der besonderen
Stärken der Bibel,
dass sie keine Geschichten
von einer heilen Welt erzählt,
auch wenn sie manchmal
solche Bilder vor-aus-malt;
aber zumeist erzählt sie
von der Welt so,
wie sie tatsächlich ist.
Denn nur, weil es Menschen gibt,
die Glauben und die in diesem Glauben
Erfahrungen machen, in denen sie
Gott entdecken und ahnen,
dass Gott ihnen nahe ist,
heißt das nicht, dass sie
bessere Menschen wären
und die Welt besser, in der sie leben.
Keineswegs.
Höchstens vielleicht,
sind sie besser dran,
weil sie an Gott dran sind
und Gott an ihnen dran ist.
Das ist vielleicht schon
ziemlich viel.
Und in dieser Geschichte nun,
erzählt die Bibel,
das Jakob am Ende dieses Tages,
kurz vor dem Zusammentreffen
mit seinem Bruder,
dass Jakob da ins Ringen kommt;
in einen Ringkampf verwickelt wird,
bei dem es ziemlich handfest
zur Sache geht.
Jeder versucht die Oberhand
zu erlangen und es will wohl
die ganze Nacht lang nicht gelingen.
Apropos Gelingen…
Ich höre nochmal kurz rein.
Moment.
„Please hold the line!“
Weiterhin nichts.
Also dranbleiben.
Dann wieder zu Jakob
und dem nächtlichen Ringen.
Wer mag das sein,
der sich ihm da in den Weg stellt
und die ganze Nacht in Schach hält.
In der Literatur gehen die
Spekulationen weit auseinander:
vom Flussdämon ist da die Rede,
vom Engel und von Gott selbst.
Vielleicht ist an allem was dran.
Wenn ich mir vorstelle,
was Menschen die Nacht über so
wach hält, dann ist da
von allem etwa dabei:
Dämonen, Engel und Gott auch.
Schon „Kinder ringen mit den Monstern,
die unterm Bett hausen,
ringen mit schlechten Träumen,
ringen auch bereits mit dem,
was war und mit dem, was ist
und je älter sie werden,
auch mit dem, was kommen könnte.“
[von Juliane Rumpel, FB-Predigtkultur, 15.04.2023]
Und so sehr Eltern auch versuchen,
sie davor zu bewahren,
so kommt das Ringen doch.
Und in manches Ringen der Nacht
mischt sich am Tage auch
die Lebenserfahrung eines Jakobs
oder eines Esaus,
des Schuldiggewordenen,
dessen, der auf der Flucht ist,
mit Lügen und Betrug im Gepäck;
oder eben die Erfahrung des Betrogenen,
des Verletzten, der wütend zurückbleibt.
Solches Scheitern an mir selbst
und an anderen Menschen
findet sich in meinem Leben
ebenso wie in eurem.
So ist das eben.
Keine heile Welt. Nirgends.
Und immer wieder auch
Ringen damit.
Oft genug in der Nacht.
Ganz kurz…
ich muss nochmal eben hören.
„Please hold the line!“
Immer noch nicht.
Nagut.
Dranbleiben.
Jakob ringt die ganze Nacht.
Und als der Morgen graut,
da kämpft er immer noch
mit dem, was ihm den Schlaf raubt.
Der im September 2021
verstorbene Theologe
Eberhard Jüngel hat das
in einer Predigt aus dem Jahr
1986 einmal so beschrieben:
„Es muss ein unerhörter Sonnenaufgang gewesen sein – nach allem, was vorausgegangen war in jener langen, dunklen Nacht am Ufer des Jabbok. Als die Schrecken einer dämonischen Nacht zu weichen beginnen, als der Bann des Entsetzens sich zu lösen beginnt, erkennt ein Mensch, dass Gott im Spiele war, dass tief verborgen unter dunklen Mächten Gott selbst am Werke war. Bei der ersten Morgenröte entdeckt ein Mensch, dass er im Dunkel der Nacht mit Gott gerungen hat. Nicht nur mit seinen eigenen Problemen, nicht nur mit den Schatten seiner Vergangenheit, nicht nur mit seiner Angst vor der Zukunft! Mit all dem hat Jakob wohl auch gerungen. [… Und] Solange das Schreckliche unser Leben bedroht und verfinstert, ist es Zeit sich zur Wehr zu setzen – so wie Jakob in jener Nacht am Jabbok sich zur Wehr gesetzt und mit der dunklen Macht, die ihn überfiel, gerungen hat. […]
Und der, – obwohl schon fast gelähmt, nicht locker lässt – bis er Gottes Gesicht, bis er hinter all den dunklen Mächten das wahre Gesicht des wahren Gottes erkennen darf. […] Die Stunde vor Sonnenaufgang, […] Es ist die Stunde des Anfangs. […] Jakob bringt die unheimliche Macht zum Reden. Indem er [...] nicht mehr los lässt, indem er sich an ihm festhält, […] Und damit sind wir am Wendepunkt dieser bisher so dunklen Geschichte. Sie erhellt sich. Die Nebel fangen an zu weichen. Die Personen der Handlung bleiben einander nicht länger verborgen. Man entdeckt sich, von Angesicht zu Angesicht. […] Nun ist das Licht des Tages im Steigen und die Finsternis im Sinken begriffen. Nun muss man nicht mehr mit bloßen Fäusten aufeinander einschlagen. Nun werden Worte gewechselt, erhellende Worte, die Vertrauen erzeugen. Die Masken fallen.
Und siehe: Jakob, der an Gott und seinem Bruder schuldig gewordene Mensch, entdeckt genau eben da, wo er aus gutem Grund einen übermächtigen Feind zu fürchten hat, einen Gott, der zu segnen, der selbst den schuldigen Menschen zu segnen vermag.
Da wurde seine Seele gesund.
Das also ist es, was uns an dieser alten Geschichte aufgehen kann: Solange wir noch eines Wortes wert sind, solange hat das Leben noch eine Chance. […]“
[von Eberhard Jüngel, gehalten am 11. Mai 1986 im Münster zu Basel; Theologische Zeitung 42 (1986), Heft 4, S. 352-360]
Starke Worte,
finde ich.
Jakob setzt sich zur Wehr.
Er lässt nicht nach.
Lässt nicht locker.
Er bleibt dran.
Achso…
weil ichs gerade sage…
„Please hold the line!“
Na ob das noch was wird?
Über Jakobs Ringen
ging die Sonne auf.
Ein neuer Morgen.
Und aus der Gottesferne
einer dämonischen Nacht
wird eine Gottesbegegnung
von Angesicht zu Angesicht.
Jakob ist dran geblieben.
Und kann am Morgen
neu Anfangen,
nachdem er Gott begegnete.
Darum ist das eine
nachösterliche Geschichte.
Darum steht sie neben
der Begegnung des
Auferstanden mit den Freunden,
als Thomas zweifelt
und die Wunden berühren muss,
um zu glauben.
Aber als sich die Zweifel
legen, kann etwas Neues anfangen.
Da bleiben die Freunde dran.
Jakob bleibt auch dran.
Eine ganze Nacht.
Obschon geschlagen,
mit ausgerenkter Hüfte,
lässt er nicht nach.
„Ich lasse dich nicht,
du segnest mich denn.“
Das meint:
Erst dann, wenn dir
zumindest doch noch
ein gutes Wort für mich
über die Lippen kommt,
dann will ich dich
deines Weges ziehen lassen.
Es ist diese Hartnäckigkeit,
die Jakob am Morgen
verändert aus diesem
Ringen gehen lässt.
Er ist nicht mehr derselbe.
Er geht als Gesegneter
aus der Nacht
in den neuen Morgen,
in jenen Tag,
an dem er seinen Bruder
wiedersehen
und sich mit ihm
endlich versöhnen wird.
Es lohnt sich,
dran zu bleiben.
An diesem Gottesdienst,
um als Gesegnete
in diese Welt zu gehen;
an anderen Menschen,
damit Versöhnung möglich wird;
und das Dranbleiben
am Glauben lohnt sich auch,
so dass ich nach mancher
hart durchrungenen Nacht,
am Morgen, bei Sonnenaufgang,
entdecke, dass Gott es war,
der bei mir blieb
und bleibt…
Und dann kann ich
vielleicht sogar ahnen,
„dass es einen Sonnenaufgang gibt,
dem keine Finsternis mehr folgt.“
[von Eberhard Jüngel, gehalten am 11. Mai 1986 im Münster zu Basel; Theologische Zeitung 42 (1986), Heft 4, S. 352-360]
So…
nun aber…
Ach!
Wer hätte das gedacht!?
Endlich!
Das Dranbleiben
hat sich gelohnt.
[Ins Telefon]
Entschuldigung.
Könnten Sie ganz kurz
dranbleiben bitte?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Pred.lied: SvH 0108, 1+2 (Keinem von uns ist Gott fern)
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Predigt am Sonntag Jubilate - 30.04.2023
Predigttext: Johannesevangelium, Kapitel 16, Verse 16-23a
Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Johannesev. 16, 16-23a
16 Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. 17 Da sprachen einige seiner Jünger untereinander: Was bedeutet das, was er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen; und: Ich gehe zum Vater? 18 Da sprachen sie: Was bedeutet das, was er sagt: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet. 19 Da merkte Jesus, dass sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: Danach fragt ihr euch untereinander, dass ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen? 20 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll zur Freude werden. 21 Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. 22 Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. 23 Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen.
Der Herr schenke uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für sein Wort. Amen.
Einspielen: „Nur noch kurz die Welt retten“, Tim Bendzko
„Nur noch kurz die Welt retten“
singt Tim Bendzko
im gleichnamigen Lied.
„…
Muss
nur noch kurz die Welt retten
Danach flieg' ich zu dir
Noch
148 Mails checken
Wer weiß was mir dann noch passiert,
denn
es passiert so viel
Muss nur noch kurz die Welt retten
Und
gleich danach bin ich wieder bei dir“
so heißt es im Lied.
Da kann eine kleine Weile
schon ziemlich lang werden.
Nur noch eine kleine Weile.
Sagt Jesus.
Und Tim Bendzko singt
in seinem Lied:
„Ich weiß es ist dir ernst,
du kannst mich hier grad nicht entbehrn,
Nur keine Angst,
ich bleib nicht all zu lange fern“
Vielleicht meint Jesus das
auch so oder so ähnlich.
Nur noch eine kleine Weile.
Nur kurz...
Noch eine kleine Weile.
Oder: Geht gleich los!?
Das sage ich manchmal.
Wenn ich gerufen werde,
aber gerade noch etwas anderes
zu tun habe,
das ich nur noch eben
schnell mal fertig machen
muss – will – wie auch immer.
Geht gleich los!
Und die, die es hören,
wundern sich vielleicht
und fragen sich:
„Wovon redet er?“
Nur noch eine kleine Weile.
Als ich auf Jugendfreizeit
in Südfrankreich war,
vielleicht 23 Jahre ist das her,
gab es stets und ständig
die Frage nach der Fahrzeit:
„Wann sind wir da?“
„Wie lange fahren wir noch?“
Die Mitarbeiterin in
unserem Kleinbus hatte
jedes einzelne Mal
die gleiche Antwort parat:
„Knappe halbe Stunde noch.“
So antwortete sie schon
kurz hinter Zwickau
und auf allen deutschen
Autobahnen, die wir befuhren,
genauso wie auf
den französischen
und noch wenige Minuten
vor dem Ziel, sagte sie:
„Knappe halbe Stunde noch.“
Sie meinte sicher auch:
Nur eine kleine Weile noch.
Und als ich 2007 für
4 Monate in Israel lebte,
da hörte man oft
auf Märkten, an Kassen
oder auch wenn ich nur
eine kleine Frage hatte,
das Folgende:
„Rega!“
Ein kurzes Wort.
Aber es beschreibt
keinen bestimmbaren Zeitraum.
Es heißt so viel wie:
„Moment!“
Und es meint alles von
einer kurzen Minute
bis zu Stunden.
„Rega!“
Geht gleich los!
Nur kurz noch.
Knappe halbe Stunde.
Nur eine kleine Weile.
Es kann vieles heißen.
Nicht leicht zu verstehen.
Das ging schon den Freunden so.
Den Freunden Jesu, damals.
„Was bedeutet das, was er sagt?“
fragten sie.
„Noch eine kleine Weile?
Wir wissen nicht, was er redet.“
Und ich verstehe das gut.
Denn ich weiß meist selbst nicht,
was ich meine, wenn ich sage:
„Geht gleich los!“
Und die knappe halbe Stunde
der Rüstzeit-Mitarbeiterin
im Bus nach Südfrankreich
war ja nie wirklich eine
halben Stunde.
Eher ein: „Rega!“,
nach dem man nie
so richtig weiß,
wann nun was geschehen wird.
Nur noch eine kleine Weile?
Vielleicht denkt Jesus
in etwa so, wie Tim Bendzko singt:
„Ich weiß es ist dir ernst,
du kannst mich hier grad nicht entbehrn,
Nur keine Angst,
ich bleib nicht all zu lange fern“
Die Freunde hätten ihn damals
ganz sicher nicht entbehren wollen.
Aber es wurde Ostern.
Karfreitag.
Sie mussten diesen
entbehrungsreichen Weg
mit ansehen.
Und Jesus zieht einen Vergleich,
der die Freunde ermutigen soll.
Wie im Lied:
„Nur keine Angst,
ich bleib nicht all zu lange fern“
So sagt Jesus:
21 Eine Frau, wenn sie gebiert,
so hat sie Schmerzen,
denn ihre Stunde ist gekommen.
Da liegt etwas in den Wehen.
Das tut weh.
Das dauert.
Und das hat Phasen.
Ich habe mich
aus gegebenen Anlass
selbst damit befasst
und war ganz überrascht,
als ich von Eröffnungsphase,
Übergangsphase,
Austreibungsphase
und Nachwehen las.
Über jede dieser Phasen
ließe sich vortrefflich
auch im übertragenen Sinne
nachdenken.
Und in jeder Phase
heißt es vielleicht auch
mehr oder weniger:
„Nur noch eine kleine Weile.“
Weil man nie weiß,
wie lange genau
die Phasen sein werden.
Aber da liegt etwas in den Wehen.
Und etwas Neues kommt zur Welt.
Nicht ohne Schmerzen.
Vielleicht auch nicht
gänzlich ohne Komplikationen.
Aber es kommt.
Und es wird da sein.
Dieses neue Leben,
das am Ende einer Geburt
das Licht der Welt erblickt;
das aus den Wehen geht
und mit dem ersten Atem
auch den ersten Schrei
in diese Welt schickt
und einen Moment erschafft,
in dem es keine Frage gibt.
21 Eine Frau, wenn sie gebiert,
so hat sie Schmerzen,
denn ihre Stunde ist gekommen.
Wenn sie aber das Kind geboren hat,
denkt sie nicht mehr an die Angst
um der Freude willen,
dass ein Mensch zur Welt gekommen ist.
Es gibt Momente,
die brauchen eine kleine Weile,
die liegen in den Wehen,
und wenn sie dann da sind,
dann weichen Angst und Traurigkeit
und Schmerz der Freude.
Und da sind keine Fragen mehr.
Nur Staunen.
Das wird sein.
Nach einer kleinen Weile.
Sagt Jesus.
Und dann gibt es auch
die Frage nach der kleinen Weile
nicht mehr.
Übrigens, nur der
Vollständigkeit halber,
ist die kleine Weile,
die Jesus hier anspricht,
ein Zitat.
Beim Propheten Jesaja steht’s –
da sagt Gott:
„Nur für eine kleine Weile
habe ich dich verlassen,
doch mit großem Erbarmen
werde ich dich sammeln“
(Jes 54,7)
Und ich glaube,
beides, das Jesuswort
und das Prophetenwort,
sie meinen beide beides:
dieses Leben
und eines, das kommt.
Und das Warten
kann schmerzhaft sein.
Aber da kommt etwas.
Etwas, das dieses Leben verändert.
Und etwas, das dich
nach diesem Leben erwartet.
Beides.
Nur eine kleine Weile.
Jesus musste
nur kurz die Welt retten,
„Und gleich danach
bin ich wieder bei dir“
singt Tim Bendzko,
„Und gleich danach
bin ich wieder bei dir“
meint Jesus.
„Muss nur noch kurz die Welt retten“,
das will Ostern bedeuten.
„Und gleich danach
bin ich wieder bei dir“,
das will Auferstehung heißen.
aber ich will euch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand
von euch nehmen.
Sagt Jesus.
Darum heißt dieser Sonntag
„Jubilate“ – Jubelt!
Und trotzdem sind die Wehen
auch mit Schmerzen verbunden.
Den Schmerzen der Freunde damals,
die nach dem Tod Jesu nicht wussten,
wie es weitergehen würde;
bis sie dem Auferstandenen begegneten
und Angst und Traurigkeit
und Schmerz der Freude wichen.
Jubel zog ein.
Nach einer kleinen Weile.
Und trotzdem kamen auch
neue Schmerzen, auch danach,
solche die heute noch andauern,
so dass es manchmal schwer ist,
am Glauben zu bleiben,
wenn so viel Unglaube
und Ungerechtigkeit und Unfrieden
und Unbarmherzigkeit herrschen.
Dann kann die kleine Weile
lang werden.
Und das Warten schmerzhaft.
Und die Geduld schwer.
Dann kann die kleine Weile
wie Vertröstung klingen.
Wenn ich sage:
„Geht gleich los!“,
dann weiß ich noch nicht genau,
wann losgehen wird,
was gleich losgehen wird,
aber es wird etwas anderes,
etwas neues losgehen.
Nur noch eine kleine Weile.
Und als auf der Fahrt nach
Südfrankreich zum 398. Mal
gesagt wurde:
„Nur noch eine knappe halbe Stunde!“,
waren wir endlich da.
Und als ich in Israel
„Rega!“ hörte,
kam irgendwann der Kaffee doch.
Nur noch eine kleine Weile.
Und ihr und ich,
wir bestimmen diese
kleine Weile mit.
Seitdem Ostern wurde.
Denn in der Welt
liegt etwas in den Wehen.
Es will zur Welt kommen.
Und es braucht Hebammen
und Geburtshelfende,
euch und mich und viele mehr,
die sich daran machen,
mitzubauen,
damit etwas von dem
hörbar wird,
wie beim ersten Schrei
eines Neugeborenen,
was Jesus am Herzen lag:
nämlich das,
was sich Reich Gottes nennt.
Wir bauen das gemeinsam.
Und es dauert schon eine Weile
und wird wohl auch weiterhin
noch etwas dauern.
So lange die Sache Jesu
weitergeht,
so lange kommt es zur Welt.
Und Menschen werden darin
Obdach und Heimat
und Zuflucht finden;
und Liebe und Güte;
und Menschen werden darin
zueinanderfinden;
und sie werden spüren,
dass niemand allein bleibt;
und es wird Momente geben,
wo die Fragen versiegen,
weil Staunen sich einstellt.
Und das wird himmlisch sein.
Schon hier.
Schon jetzt.
Wie ein Vorgeschmack auf das,
was nach einer kleinen Weile
sein wird, wenn wir aus
diesem Leben herausgehen,
um in das Leben hinüber zu gehen,
was Jesus auch meint,
wenn er seinen Freunden sagt:
„Ihr werdet mich wiedersehen.“
Das wird auch sein.
Aber nacheinander.
Und heute und morgen
und die Tage des Lebens,
die euch und mir geschenkt sind,
fangen wir schon hier und jetzt
mit dem Reich Gottes an,
damit nach einer kleinen Weile,
endlich, hoffentlich,
etwas davon sichtbar wird:
von Liebe
und Güte.
Da würden wenige Fragen bleiben.
Aber viel Staunen sein.
Und das wäre ein Vorgeschmack,
auf das was kommt.
Nur noch eine kleine Weile.
Amen.
Und der Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, befähige euch dazu, das wahrzunehmen und bewahre eure Herzen in dem Herrn Christus Jesus. Amen.
Predigtlied:
EG
111, 1.8-10.15 (Frühmorgens, da die Sonn’ aufgeht)
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Predigt am Sonntag Kantate - 07.05.2023
Predigttext: 1. Samuelbuch, Kapitel 16, Verse 14-34
Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
1. Sam 16, 14-34 (BasisBibel)
14 Der Geist des Herrn hatte Saul verlassen. Von Zeit zu Zeit quälte ihn aber ein böser Geist, der seine Stimmung verfinsterte. Auch der kam vom Herrn. 15 Da sprachen Sauls Leute zu ihm: »Du weißt, dass es ein böser Geist ist, durch den Gott deine Stimmung verfinstert. 16 Unser Herr braucht nur etwas zu sagen, deine Knechte stehen bereit. Wenn du es willst, suchen wir einen Mann, der auf der Harfe spielen kann. Wenn dann der böse Geist Gottes über dich kommt, gleitet seine Hand über die Saiten. Und gleich wird es dir besser gehen.« 17 Saul antwortete seinen Leuten: »Also gut! Seht euch um nach einem Harfenspieler und bringt ihn zu mir!« 18 Da meldete sich einer von den jungen Leuten und sagte: »Ich weiß von einem! Es ist der Sohn Isais aus Betlehem. Der kann Harfe spielen. Er ist mutig und ein guter Soldat. Klug ist er auch und sieht gut aus. Ja, der Herr ist mit ihm!« 19 Saul ließ Isai durch Boten ausrichten: »Schick deinen Sohn David zu mir – den, der die Schafe hütet!« 20 Daraufhin nahm Isai einige Laibe Brot, einen Krug Wein und ein Ziegenböckchen. Damit schickte er seinen Sohn David zu Saul. 21 So kam David zu Saul und trat in seinen Dienst. Saul liebte ihn und machte ihn zu seinem Waffenträger. 22 Darum ließ er Isai die Botschaft überbringen: »Lass doch David in meinem Dienst bleiben. Denn mir gefällt, wie er seine Aufgaben erfüllt.« 23 Sooft aber der böse Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe zur Hand und spielte. Da konnte Saul befreit aufatmen und es ging ihm besser. Denn der böse Geist hatte ihn verlassen.
Der Herr schenke uns ein Herz für sein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.
Wer gestern vor den
Fernsehbildschirmen
die Geschehnisse in London
verfolgt hat,
wird es gehört haben:
God save the King.
Die englische Hymne.
Leicht verändert.
Der Monarchie in
Großbritannien steht nun
ein neues Gesicht vor.
Keine Königin Elisabeth II.
Mehr, sondern ein King,
Charles III.
Und vielleicht geht es euch wie mir,
dass ihr nur wenig mit der Monarchie
und all dem Pomp
in den Königshäusern
Europas anfangen könnt,
aber dennoch reißt es Menschen mit.
Unzählige wollten sich von der
verstorbenen Queen verabschieden.
Schier endlos schien die Schlange.
Und viele fiebern mit,
sei es die tragische Liebesgeschichte
von Charles und Camilla,
sei es das Bangen,
ob Charles jemals König wird,
das ja nun ein Ende hat;
seien es die Zerwürfnisse
innerhalb der Königsfamilie,
um Harry und Meghan
oder um Prinz Andrew.
Viele fiebern mit.
Und möglicherweise ist es so,
dass niemand mehr wirklich
eine Monarchie braucht,
aber vielleicht ja trotzdem
die Rituale und Zeremonien,
die Momente, Bilder
und Geschichten,
die sie schreiben
und die irgendwie beispielhaft
für die eigenen großen Momente
stehen.
Die schönen und die schweren,
die Geburten, Hochzeiten
und Begräbnisse.
Nur eben vor Kameras
und Mikrofonen,
in Gold und Edelsteinen,
Roben, Kronen,
Handtaschen und Federhüten.
Gut möglich, dass sich das
eigene Leben in diesen
Momenten und Bilder
und Geschichten spiegelt
und dadurch ein anderer Glanz
darauf fällt.
Die Geschichte aus dem
1. Samuelbuch, die heute
den Predigttext gibt,
hat es auch mit einem König zu tun.
Einem 3000 Jahre altem,
aber wenn Charles nur noch
etwas länger hätte auf den Thron
warten müssen, dann
wäre er ja gar nicht mehr
so weit weg davon gewesen.
Vor 3000 Jahren nun
gab es in Israel zumindest
noch gar keine Könige.
Stammesoberhäupter vielleicht,
die Recht und Gerechtigkeit sprachen,
aber mit Königinnen und Königen
hielt man sich lange zurück.
Gott war König.
Das sollte reichen,
so überliefert es die Bibel.
Aber dann sollte es doch einen
König geben,
also wurde einer auserkoren
und feierlich gesalbt.
Das gibt die Vorlage
für die Krönungen bis heute.
Und der, der damals zuerst
zum König über Israel
gesalbt wurde,
der hieß: Saul.
God save the King.
Gott schütze den König.
Das haben sie bestimmt
auch damals schon gerufen
oder gesungen.
Aber bald schon liegt
ein Schatten über der
Regentschaft des jungen Königs.
Helle Tage lösen dunkle ab
und andersherum.
Ein wankelmütiger König.
Und die Bibel stellt
nüchtern fest:
„Der Geist Gottes hatte Saul verlassen.“
Gott saved den King
nicht mehr.
Manchmal benimmt er sich gar
wie von allen guten Geistern
verlassen.
Die Leute am Hof rätseln,
wie sie ihn beschwichtigen könnten.
Und die beste Idee,
die ihnen kommt:
Musik könnte helfen.
Alles geht besser mit Musik.
Vielleicht geht es auch
unserem König besser
mit Musik.
Man habe von einem
jungen Hirten gehört,
der die Harfe so
wunderbar spielt.
Ein Junge namens David,
aus Bethlehem,
ein Sohn Isais.
Und die Idee hat Erfolg.
Der Junge kommt an den Hof,
der König atmet in den
schweren, dunklen Stunden auf
und gewinnt den Jungen sogar lieb.
Aber die Geschichte wird
nicht gut ausgehen.
Es bleibt dabei:
Gott saved den King nicht mehr.
Zumindest diesen nicht.
Der junge David wird
dem wankelmütigen Saul
irgendwann zum Feind
und sogar zum Konkurrenten
um den Thron.
Diesen Konkurrenzkampf
wird Saul verlieren,
und sein Leben auch,
und David wird zu einem
der berühmtesten Könige
Israels aufsteigen.
Aber das ist hier noch
Zukunftsmusik.
Noch ist es der junge David,
der am Hof für eine
andere Stimmung sorgt.
Und gestern, bei der Krönung
Charles des III.
gab es auch einen Knaben,
der vorsprach
und im Gottesdienst das Wort
an den neuen König richtete.
Stellvertretend für die
nächste Generation,
sprach der Junge den
schon alten König an
und erinnerte ihn daran,
dass Gott der König
über alle Könige ist.
Und Charles musste versprechen,
dass er diese Ordnung achtet,
dass er nicht gekommen ist,
um sich bedienen zu lassen,
sondern um zu dienen.
Daran dürfen die jungen Menschen
nicht nur einen alten König erinnern,
finde ich.
Denn die alten Könige und Königinnen
sind allesamt nicht gekommen,
um zu bleiben.
Auch die Despoten nicht.
Keine Regierung,
kein Vorstand
noch irgendein Amt.
Alle müssen alles für die tun,
die nach ihnen kommen.
Das war vor 3000 Jahren,
bei Saul und David so,
und so ist es bis heute
und so wird es bleiben.
David aber, der später
König werden wird,
der durch Verfolgung ging,
ebenso wie durch eigene
Miss- und Ungeschicke,
durch Gefahr, durch Liebe,
Schuld und Rettung,
durch Hoffnung und Verzweiflung,
dieser David ließ nie von der Musik.
Er singt und spielt dem Herrn,
auch neue Lieder,
denn der tut Wunder.
Sagt der 98. Psalm.
Und in Psalmen leben seine Lieder
bis heute und werden uns
zu Gebeten.
Sie sind geblieben,
vielleicht auch, weil sie
mehr noch, als all die Geschichten
der Königinnen und Könige,
die Momente tragen,
die durch dein und mein
Leben gehen:
die hohen und tiefen;
und weil sie etwas davon
hinübertragen zu dem,
von dem alles kommt
und durch den alles ist
und der bleibt,
auch über denen bleibt,
die lange nach uns kommen.
Von ihm ist auch die Musik,
die nicht nur trägt,
sondern sogar hebt,
manchmal einen dunklen Geist
heraus aus der Tiefe,
bis Licht ihn vertreibt,
und manchmal einen
fröhlichen Moment
hin zu einem unvergesslichen,
etwas vergängliches
bis hinüber in die Ewigkeit.
Möge keinem von uns solches
Singen und Spielen je
abhandenkommen,
egal in welcher Lebenslage.
Und unterwegs mögen uns
die Gaben tragen,
die Isai, der Vater Davids,
ihm mit auf seinen Weg gab,
als er an den Hof Sauls gerufen wurde:
Einen Esel für alle Lasten,
mit weichem Fell,
auch zum Trösten;
ein tägliches Brot,
das über Wasser hält,
und Wein zum Anstoßen,
bei all den Festen,
die noch kommen,
oder in den Runden,
die besinnlich sind;
aber auch solchen Wein,
der mehr bedeutet,
als die Welt fassen kann,
wenn wir als Familie Gottes
am Altar stehen
und zeichenhaft
das Leben teilen,
Abendmahl feiern.
Und schließlich noch
ein Ziegenböckchen,
das für David eine Erinnerung
an seine Zeit Zuhause als Hirte war,
ein Ziegenböckchen dafür,
dass ich nicht vergesse,
woher ich komme
und was mich geprägt hat.
Das hilft bestimmt schon
gegen viele böse Geister.
Das hilft bestimmt auch
zum Singen und Spielen
und zu einem neuen Lied
für den Herrn,
der Wunder tut.
Denn ich könnte ja sagen:
Gott hat den König schon gesaved,
jenen Gesalbten,
den wir Christus nennen,
um dessentwillen
seine Freunde Gott loben
mit lauter Stimme,
und sich manche beschweren,
aber zur Antwort bekommen:
Wenn jene schwiegen,
würden die Steine schreien.
Damit diese das nicht müssen,
halten wir die Stimmen hoch
und loben Gott,
durch Hohes und Tiefes,
mit Liedern,
die irgendwann einmal
vielleicht Gebete sind,
die Menschen nach uns beten,
vorher aber schon
Herzen und Seelen halten
und heben mögen,
manchmal einen dunklen Geist
heraus aus der Tiefe,
bis Licht ihn vertreibt,
und manchmal einen
fröhlichen Moment
hin zu einem unvergesslichen,
und etwas Vergängliches
bis hinüber in die Ewigkeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als wir es verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
[Idee und Teile von: Kathrin Oxen, FB-Predigtkultur, 06.05.2023]
Predigtlied: EG 302 Chor: 1+3; Gem. 2,4,8 (Du meine Seele singe)
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Predigt am Sonntag Invocavit - 26.02.2023
Gottesdienst zur Verabschiedung in Pappendorf
Predigttext: Hiob, Kapitel 2, Verse 7-13
Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Hiob 2, 7-13 (BasisBibel): nach einem Prolog im Himmel...
7
Danach verließ der Satan den Herrn und
sorgte dafür, dass Hiob krank wurde: Geschwüre brachen aus und
bedeckten ihn von Kopf bis Fuß.
8
Da nahm er eine Tonscherbe, um sich zu kratzen. Er saß auf dem Boden
mitten im Dreck.
9
Seine Frau sagte zu ihm: »Willst du dich noch immer frei von Schuld
halten? Verfluche endlich Gott, sodass du stirbst!«
10
Da antwortete er ihr: »Dummes Gerede! Wenn wir das Gute von Gott
bekommen, sollten wir da nicht auch das Böse annehmen?« Bei allem
ließ Hiob sich nichts zuschulden kommen. Kein böses Wort kam ihm
über die Lippen.
11
Drei Freunde Hiobs hörten von all dem Unglück, das ihn so schlimm
getroffen hatte. Sie kamen zu ihm – jeder aus seinem Heimatort:
Elifas aus Teman, Bildad aus Schuach, Zofar aus Naama. Sie hatten
miteinander verabredet, Hiob zu besuchen. Sie wollten ihm ihr
Mitgefühl zeigen und ihn trösten. 12
Schon von Weitem sahen sie ihn, aber sie erkannten ihn nicht wieder.
Da brachen sie in lautes Wehklagen aus. Jeder von ihnen zerriss sein
Gewand und streute sich Staub auf den Kopf. 13
Dann setzten sie sich zu ihm auf die Erde. Sieben Tage und sieben
Nächte saßen sie da und sprachen kein einziges Wort. Denn sie
sahen, wie heftig sein Schmerz war.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen. Es ist
ja nicht so leicht mit den
Veränderungen. Oder
mit dem Aushalten der
Gegenwart, wenn
sie unliebsam und
schwierig ist. Da
werden Sehnsüchte wach. Auch
solche nach früher. Reinhard
Mey hat 1998
ein
wunderschönes Lied geschrieben. Es
heißt: „Viertel vor sieben.“ Westdeutsch.
Ich weiß. Trotzdem
ein schönes Lied. Es
spielt mit Gedanken,
die
sich manchmal wünschen, dass es
nochmal sein könnte,
wie es
war, als
noch alles in Ordnung war. Sein
Sehnsuchtsort
in
diesem Lied
ist die
Kindheit. Als
noch keine traurigen Nachrichten im Briefkasten lagen, dass
eine große Liebe zu Ende geht; oder
das Altern vieles noch nicht schwieriger gemacht hat, weil
das Fell dünner und die Sorglosigkeit weniger geworden ist. So
erzählt Reinhard Mey. Es
beginnt:
„Dunkle
Regenwolken sind aufgezogen
Manchmal
wünscht ich es wär nochmal Viertel vor sieben
Manchmal
wünscht ich es wär nochmal Viertel vor sieben
[Reinhard
Mey: Viertel vor sieben] Es
spielt mit der Sehnsucht zurück in ein Paradies, das
einmal war. Für
Reinhard Mey die Kindheit. Für
viele andere vielleicht auch. Mindestens
aber immer dorthin zurück, wo es
noch anders war, als es jetzt ist. Als
Adam und Eva noch
mit dem
Geist Gottes im Paradies tanzten. Als
Hiob noch nicht
von
Krankheit und Unglücken geschlagen war. Solche
sehnsüchtigen Worte, die aus
dem Munde Hiobs stammen,
hörten
sich dann vielleicht so an... Dunkle
Gedanken sind aufgezogen, arge
Worte fallen plötzlich ganz schnell. Am
Horizont steht nirgends ein Regenbogen und
nichts erscheint gerade irgendwie hell. Was hat
mich heute die Krankheit wieder aufgerieben, die
Beulen, das Jucken – Tag ein und Tag aus. Manchmal
wünscht ich, es wäre wie früher geblieben, und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Meine
Frau wäre milder und alle Kinder tollten, kein
Mangel, kein Streit, keine Schwermut, gerade
so, wie wir Familie sein wollten, nur
hoffen und glauben, alles wird gut. Wir
hatten doch alles Unheilige vermieden und
hielten uns aus allem Bösen heraus. Manchmal
wünscht ich, es wäre wie früher geblieben, und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Hiob
hat diese Zeilen natürlich nicht geschrieben. Und es
bleibt Spekulation, dass
sie in ihm vorgegangen sein könnten. Aber
dennoch stelle ich es mir gern vor. Denn es
liegt nahe: Wenn
sich alles verändert, ungewiss
und manchmal auch
angsteinflößend
sein kann, dass
ich mich sehne... dorthin
wo noch keine Sorgen
mit
Gegenwart und Zukunft verbunden waren. So
etwas wie ein erinnertes Paradies. Auch
wenn es das vielleicht
nie so
gegeben haben wird. Die
Erinnerung ist trotzdem schön. Und ich
könnte vielleicht heute sagen: Dunkle
Regenwolken sind aufgezogen, die
Dämmerung fällt auf einmal ganz schnell. Am
Horizont steht zart ein Regenbogen, die
Fenster im Dorf werden hell. Was hat
mich heut' der Umzug getrieben, ich
zieh' die dreckigen Schuh' erstmal aus. Manchmal
wünscht ich, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Und es
soll Montag sein und auf dem Spotplatz ist Leben. Und ich
sehe schon die ersten dort stehen, ich bin
etwas spät, so ist das eben, und
fühle mich trotzdem gern gesehen. Gemeinsam
beim Fußball aufgerieben, klingt
der Abend im Bauwagen aus. Manchmal
wünscht ich, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Ich
kann im Gehen nicht alles behalten und
jeder Abschied fällt schwer, ich
kann nur, was kommt, gestalten, und
dass etwas bleibt, wünsche ich sehr. Ein
Weggang im Frieden, so will
ich heute hinaus. Auch
wenn ich wünschte, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Und vor
der Tür ist frischer Lavendel gesetzt, oder
ein neuer Schmuck tauchte auf, jemand
hat es schon mit der Gießkanne benetzt, es
nimmt ganz von selbst seinen Lauf, und ich
denke: „Ich dank euch, ihr Lieben!“ und
gehe ganz fröhlich ins Haus. Manchmal
wünscht ich, es wär' nochmal dreiviertel sieben und
ich wünschte, ich käme nach Haus. Vielleicht
habt ihr ähnliche Erinnerungen, die
sich paradiesisch anfühlen und die
gegen die Wogen der Zeit helfen. Manchmal
müssen sie gar nicht so weit weg sein. Es kann
erst letzte Woche gewesen sein. Und ich
wünschte, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Und auf
der Treppe im Pfarrhaus würde etwas stehen, ein
kleiner Gruß, ganz ohne Grund, und ich
würde damit nach oben gehen, mit
dieser Freude für Herz und Mund, alle
Anstrengung wäre am Fuß der Treppe geblieben, denn
jede Aufmerksamkeit trägt etwas aus. Und ich
wünschte, es wär' nochmal dreiviertel sieben und
ich wünschte, ich käme nach Haus. Ich
glaube, dass es vielen so geht. Dass
es viele Situationen gibt, die
Sehnsucht wecken. Die
Sehnsucht zurück in ein Paradies, das
einmal war. Vielleicht
auch die Kindheit. Mindestens
aber immer dorthin zurück, wo
es noch anders war, als es jetzt ist. Jemand
hat Angst, wie es weitergehen kann, jemand
leidet an Einsamkeit, jemand
zinkt einen anderen an, jemand
hat keine Zeit. Jemand
handelt völlig übertrieben und
bootet einen anderen aus. Manchmal
wünscht ich, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Und
Vater soll den Ofen anfachen und
Mutter dabei Märchenfilme sehen und
ich wüsste, dass sie mich bewachen, wenn
draußen Kälte und Arges vorübergehen. Dann
wären Angst und Einsamkeit gemieden, kein
Gram, kein Grimm, kein Graus. Manchmal
wünscht ich, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Aber in
allem Wünschen und Hoffen auf ein
Paradies der Vergangenheit, ändert
sich doch die Gegenwart nicht. Das
wissen die Menschen in der Ukraine nur zu
gut, für die sich vor einem Jahr von
jetzt auf gleich alles veränderte. Und es
gibt bestimmt nicht wenige, die
sagen würden, was ich vorhin Hiob in den
Mund gelegt habe: Manchmal
wünscht ich, es wäre wie früher geblieben, und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Und es
soll Morgen sein, kein
Alarm weit und breit, ich
schenke mir Kaffee ein, nehme
die Zeitung, habe Zeit, bin
noch fünf Minuten nach dem Wecker im Bett geblieben, aber
mit dem Snoozen dann wirklich raus. Manchmal
wünscht ich, es wäre wie früher geblieben, und ich
wünschte, ich hätte Frieden im Haus. Aber in
allem Wünschen und Hoffen auf ein
Paradies der Vergangenheit, ändert
sich doch die Gegenwart nicht. Hiob
weiß das auch. Er fügt
sich.
„Wenn
wir das Gute von Gott bekommen,
sollten
wir da nicht auch das Böse annehmen?“ Sagt
Hiob zu seiner Frau, die das
Leid ihres Mannes
nur
schwer mit ansehen kann. Keine
Antwort auf das Warum in Sicht. Und wie
ist es um die Gerechtigkeit
Gottes bestellt? Kann
das ein gerechter Gott sein, der das
zulässt: Das
Leid und Elend Hiobs? Das
Leid und Elend in dieser Welt? Wer
wünschte da nicht, es wäre wie früher geblieben? Wer
wünschte da nicht, er käme nach Haus? Und es
soll Sonnabend sein und es soll Abendbrot geben. Und es
soll schon auf dem Küchentisch steh'n, Und Opa
sitzt da, ein Glas Wein gleich daneben, und ich
gegenüber, kann ihn gut seh'n. Zusammen
am Tisch mit drei meiner Lieben, danach
zu Bett, der Abend ist aus. Und ich
wünschte, es wär' nochmal dreiviertel sieben und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Aber
das geht leider nicht. Das
Leben ist ein Werden. Und es
wird und wird und wird immer
anders. Also
erzählt das Buch Hiob, dass
drei Freunde kommen. Sie
haben vom Leid gehört und
wollen Nahe sein. Ich
denke an den Besuch, den
Abraham in seinem Zelt in der
Wüste bekommt. Als
drei Männer zu ihm kamen. Und
später lässt sich ahnen, dass es
Gott war, der ihn
besuchte. Nun
kommen also
Elifas,
Bildad und Zofar zu
Hiob. Und es
verschlägt ihnen die Sprache. Sie
schweigen gemeinsam. Sieben
Tage und sieben Nächte. Und ich
weiß, dass
manche Geborgenheit und
mancher Trost und
mancher Beistand keine
Worte braucht. Manchmal
muss ich nur innehalten, und
wahrnehmen und ernst nehmen, dass es
jetzt ist, wie es ist. Passionszeit. Innehalten, wahrnehmen
und ernst nehmen, was
jetzt ist. Und
dabei die leisen
Begebenheiten
entdecken: Drei
Freunde, die
nicht zögern, sich
aufzumachen; und als
ihnen die zurechtgelegten
Worte beim
Anblick des Freundes wie
Sand in den Fingern zerrinnen, da
schreien sie und
dann schweigen sie. Sieben
Tage und sieben Nächte. Das
meint: so lange wie es braucht. Sie
sind da und bleiben. Und
weil auch Hiob schweigt, glaube
ich, dass in diesem Moment keine
Wünsche nach früher in ihm
aufstiegen. Weil
ein Stück paradiesischer Geborgenheit, ein
Stück Zuhause mit
diesen Freunden zu ihm
gekommen ist. Und ich
denke, das
bedeutet es, zu
glauben. Als
Jesus in der Wüste war, waren
keine drei Freunde bei ihm. Aber er
vertraute darauf, dass
Gott da ist. Und als
er der Versuchung widerstanden
hatte, dienten
ihm die Engel. Ich
glaube, die
Gegenwart Gottes macht
sich bemerkbar. In
einem Freund. Oder in
dreien. Oder in
einer Kraft, die mir
zuwächst. So dass
ich aushalten kann, was mir
auferlegt ist, wenigstens
noch ein bisschen länger. Vielleicht,
so lange wie es braucht. Und
dann entdecke ich manchmal, in der
Gegenwart ein Stück Zuhause. Wie
eine Morgenröte am Horizont, geht da
ein Sehnsuchtsort auf, an dem
ich gut sein kann. Nicht
besser oder schlechter. Nur
anders. Und ich
weiß wohl, dass
manche von euch aushalten müssen, wie
Hiob im Staub. Vielleicht
kann es helfen, zu
wissen, was Hiob noch nicht weiß, dass
Gott am Ende im Sturm erscheint und
Hiob alles zurück erhält, was ihm
genommen wurde. Aber
vor allem hoffe ich, dass
sich auch für euch die
Gegenwart Gottes bemerkbar macht. Vielleicht
auch in den
vergangenen
vier Jahren manchmal
bemerkbar war. In
einem Freund. Oder in
dreien. Oder in
einer ungeahnten Kraft. Dieser
Abschied, heute, ist
nicht das Schicksal Hiobs. Keineswegs. Aber es
ist eine Veränderung, die
auch schmerzlich ist. Trotz
allem, auf das ich mich sicher
freuen kann, wenn
das Neue beginnt. Und ich
bin sicher, dass
sich Gott auch dann bemerkbar
machen wird. Wie
heute hier. Mit
euch allen, die ihr
heute da seid. Ich
kann im Gehen nicht alles behalten und
jeder Abschied fällt schwer, ich
kann aber, was kommt, gestalten, und
dass etwas bleibt, wünsche ich sehr. Ein
Weggang im Frieden, so will
ich heute hinaus. Und
vielleicht wünsche ich dann trotzdem, es wär'
nochmal dreiviertel sieben, und ich
wünschte, ich käme nach Haus. Und es
soll Abendbrot geben und es
soll schon auf dem Küchentisch steh'n und da
sitzen zwei Liebste daneben, ich
kann es schon gut vor mir seh'n. Am
Tisch mit zwei meiner Lieben geht
ein Abend aus. Und ich
weiß, ganz egal ob dreiviertel sieben, ich
weiß, hier ist jetzt Zuhaus'. Und der
Friede Gottes, der größer ist als wir verstehen können, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied: SvH „Ich bin in guten Händen“
Die Dämmerung fällt auf einmal ganz
schnell
Überm Stahlwerk flackert blau der Neonbogen
Die
Fenster im Ort werden hell
Wo hast du dich nur wieder
rumgetrieben
Zieh' die klatschnassen Schuh' erstmal aus
Und ich wünschte
ich käme nach Haus
Und es soll Sonnabend sein und es soll
Topfkuchen geben
Und der soll schon auf dem Küchentisch
stehen
Und eine Kanne Kakao und meine Tasse daneben
Und ich
darf die braune Backform umdrehen
Schockoladenflocken mit der
Raspel gerieben
In der Schaumkrone meines Kakaos
Und ich wünschte
ich käme nach Haus“
Zurück zum Anfang
Predigt am Sonntag Okuli - 12.03.2023
Zur Eröffnung der ökumenischen Bibelwoche (Bibelsonntag)
Predigttext: Apostelgeschichte des Lukas, Kapitel 27, Verse 13-38
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Apostelgeschichte 27, 13-38 (Luther 2017)
Seesturm und Schiffbruch
13 Als aber der Südwind wehte, meinten sie, ihr Vorhaben ausführen zu können, lichteten die Anker und fuhren nahe an Kreta entlang. 14 Nicht lange danach aber brach von der Insel her ein Sturmwind los, den man Nordost nennt. 15 Und da das Schiff ergriffen wurde und nicht mehr gegen den Wind gerichtet werden konnte, gaben wir auf und ließen uns treiben. 16 Wir fuhren aber vorbei an einer Insel, die Kauda heißt, da konnten wir mit Mühe das Beiboot in unsre Gewalt bekommen. 17 Sie zogen es herauf und umspannten zum Schutz das Schiff mit Seilen. Da sie aber fürchteten, in die Syrte zu geraten, ließen sie den Treibanker herunter und trieben so dahin. 18 Und da wir großes Ungewitter erlitten, warfen sie am nächsten Tag Ladung ins Meer. 19 Und am dritten Tag warfen sie mit eigenen Händen das Schiffsgerät hinaus. 20 Da aber viele Tage weder Sonne noch Sterne schienen und ein gewaltiges Ungewitter uns bedrängte, war all unsre Hoffnung auf Rettung dahin. 21 Und als man lange nichts gegessen hatte, trat Paulus mitten unter sie und sprach: Liebe Männer, man hätte auf mich hören sollen und nicht von Kreta aufbrechen, dann wäre uns Leid und Schaden erspart geblieben. 22 Doch nun ermahne ich euch: Seid unverzagt; denn keiner von euch wird umkommen, nur das Schiff. 23 Denn diese Nacht trat zu mir der Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene, 24 und sprach: Fürchte dich nicht, Paulus, du musst vor den Kaiser gestellt werden; und siehe, Gott hat dir geschenkt alle, die mit dir fahren. 25 Darum, liebe Männer, seid unverzagt; denn ich glaube Gott, es wird so geschehen, wie mir gesagt ist. 26 Wir werden aber auf eine Insel auflaufen. 27 Als aber die vierzehnte Nacht kam, seit wir in der Adria trieben, wähnten die Schiffsleute um Mitternacht, sie kämen an ein Land. 28 Und sie warfen das Senkblei aus und fanden es zwanzig Faden tief; und ein wenig weiter loteten sie abermals und fanden es fünfzehn Faden tief. 29 Da fürchteten sie, wir würden auf Klippen geraten, und warfen hinten vom Schiff vier Anker aus und wünschten, dass es Tag würde. 30 Als aber die Schiffsleute vom Schiff zu fliehen suchten und das Beiboot ins Meer herabließen und vorgaben, sie wollten auch vorne die Anker herunterlassen, 31 sprach Paulus zu dem Hauptmann und zu den Soldaten: Wenn diese nicht auf dem Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden. 32 Da hieben die Soldaten die Taue ab und ließen das Beiboot ins Meer fallen. 33 Und als es anfing, hell zu werden, ermahnte Paulus sie alle, Nahrung zu sich zu nehmen, und sprach: Es ist heute der vierzehnte Tag, dass ihr wartet und ohne Nahrung geblieben seid und nichts zu euch genommen habt. 34 Darum ermahne ich euch, etwas zu essen; denn das dient zu eurer Rettung; es wird keinem von euch ein Haar vom Haupt fallen. 35 Und als er das gesagt hatte, nahm er Brot, dankte Gott vor ihnen allen und brach's und fing an zu essen. 36 Da wurden sie alle guten Mutes und nahmen auch Nahrung zu sich. 37 Wir waren aber alle zusammen im Schiff zweihundertsechsundsiebzig. 38 Und nachdem sie satt geworden waren, erleichterten sie das Schiff und warfen das Getreide in das Meer.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
„Eine Seefahrt, die ist lustig,
eine Seefahrt die ist schön...“
Holahi und Holaho!
Häufig mag das so sein.
Viele scheinen das auch
so zu empfinden,
zumal sich ja Kreuzfahrten
immer noch zunehmender
Beliebtheit erfreuen.
Aber wohl spätestens ein
Schiffsreiseerlebnis wie das,
was in der Apostelgeschichte
geschildert wird,
kann einem die Freude
an der lustig-schönen Seefahrt
dann wohl doch vergällen.
Keine lustige Seefahrt
wird hier beschrieben.
Mitten auf dem Adriatischen Meer.
Irgendwo zwischen Kreta und Malta
ist Paulus unterwegs.
Ein unfreiwillig Reisender,
der nun zu allem Überfluß
auch noch in Seenot geraten ist.
[Sie sitzen] alle in einem Boot.
[von: Kathrin Oxen, FB-Predigtkultur, 2018]
276 Menschen.
Alle gleich.
Da ist es egal,
ob einer Hauptmann ist
oder eine Gefangene,
ob Heimfahrt,
Verlegung
oder Dienstreise.
Alle in einem Boot
und gleich -
mindestens vor dem Sturm,
der sie und das Boot erfasst.
Alle in einem Boot
und gleich -
in ihrer Angst und
in ihrer Verzweiflung.
Auch wenn jede und jeder
anders damit umgeht.
Ziel der Reise ist Rom.
Dort soll Paulus
der Prozess gemacht werden.
Der Ausgang ist ungewiss.
Paulus ist also als
Gefangener auf dem Schiff.
Und dennoch wirkt er
wie der Freiste von allen.
Also doch nicht alle ganz gleich.
Zumindest Paulus nicht.
Weil er als Gefangener
doch frei zu sein scheint –
jedenfalls von Angst.
Wohl dem Menschen,
dem das gelingt.
Häufig genug
gelingt es nicht.
Denke
ich zumindest.
Dramatisches,
gar Tragisches
und Katastrophen
hält
das Leben ja genug bereit.
Ich muss dafür gar kein
besonderer
Dramamensch sein.
Die
Stürme kommen und gehen.
Vom Fußballspiel über
Partnerschaften,
bis zu Beruf oder persönlichen Meinungen
und
denen anderer.
Spiele gehen verloren,
Partnerschaften
zerbrechen,
Anstellungsverhältnisse enden
und manche
Beziehungen,
zu Menschen anderer Meinung auch.
Sogar manches
Leben
geht manchmal tragisch zu Ende.
Es kann hart und
stürmisch sein,
wie hohe See – das Leben.
Manchmal gar
buchstäblich.
Wenn Flüchtende in Seenot geraten.
Aber das ist
ja nur eine ihrer Nöte.
Und der Krieg ist ein Drama
und das
Klima auch
und erst recht ein Amoklauf,
wie jüngst in
Hamburg.
Allesamt bisweilen Tragödien.
Allesamt zum Fürchten.
Kaum zu verübeln,
wenn einer oder einem
da Angst und Bange würde;
wenn da ein Mensch
gefangen auf dem
Schiff des Lebens
unterwegs wäre –
eine
Gefangene der Angst.
Jetzt die Sofadecke drüber legen,
den
Fernseher an
und einen Tatort.
Am besten Münster,
da kann
man auch ein bisschen lachen,
weil Thiel und Börne so albern
sind.
Spannend
ist es trotzdem.
Und ihre Fälle klären sie auch.
Heile
Welt.
Wenigstens am Sonntagabend,
für anderthalb Stunden.
Wie eine rettende Insel
im Getöse stürmischer Tage.
Mir
fällt die Geschichte einer Frau ein,
die ich in der jüngeren
Vergangenheit
ein Stück begleitet habe.
Nennen
wir sie „Isolde“.
Die Wellen haben in ihrem Leben
hoch
geschlagen.
Keine euphorischen Höhen.
Eher Stürme, Gegenwind
und
peitschende Gischt.
Sie kämpft mit depressiven Episoden
und Angst. Viel Angst.
Genug Drama für mehr als ein Leben.
Und sie:
auch eine Gefangene.
Eine
Gefangene der Angst.
Einen
Tatort gibt es.
Einen Seelentatort vielleicht.
Aber es gibt
keine Sofadecke
weit
und breit,
die sie darüber legen könnte.
Der Glaube ist
ihr unterwegs
schon manchmal abhanden gekommen.
Ein Engel, wie
der, der Paulus bei Nacht
auf dem
Schiff besuchte,
der wäre nicht schlecht.
Aber kein Engel weit
und breit.
Könnte man meinen.
Wir haben viel gesprochen
in
den vergangenen Monaten.
Isolde
und ich.
Auch über die Geschichte
des
Propheten Elia
haben wir gesprochen.
Sie kennen die
vielleicht...
Eine der für mich eindrücklichsten
Geschichten
des Alten Testaments:
Dem Propheten Elia,
sollte es an den Kragen gehen –
es ging um seinen Kopf.
Er wird verfolgt.
Er hat Angst.
Und er hat keinen Bock mehr.
Es ist zu viel.
Er flüchtet in die Wüste,
um dort zu sterben.
Alle Kraft und aller Mut
waren verloren.
„Es ist genug.“ sagte Elia
und schlief in der Wüste ein –
in dieser unwirtlichen,
lebensfeindlichen Gegend,
die vielleicht ganz so war,
wie Elia sich fühlte.
Da hätte es vorüber sein können
mit dem großen Propheten.
Doch so war es nicht.
„Steh auf und iss.“ hörte er,
schlug die Augen auf
und sah ein geröstetes Brot
und einen Krug Wasser vor sich.
Er aß und trank
und schlief wieder ein.
Es geschah ein weiteres Mal:
„Steh auf und iss“,
hörte er eine Stimme sagen,
„Steh auf und iss,
denn du hast noch einen
weiten Weg vor dir.“
Auch eine Engelsbegegnung.
Hier ist es noch nicht zu Ende,
sagt sie dem erschöpften Elia,
schöpfe neue Kraft
und setze deinen Weg fort.
Und Elia ging.
Er ging, um schließlich
Gott zu begegnen:
nicht in einem Sturm,
nicht in einem Erdbeben
und nicht in einem wilden Feuer,
sondern in einem stillen,
sanften
Sausen.
Unscheinbar.
Leise.
Wie der
Engel.
Nur zwei Hände,
die Brot und Wasser reichen.
Einmal.
Zweimal.
Oft
genug,
um neue
Kraft zu schöpfen.
Als ich Isolde von dieser
biblischen
Begebenheit erzählte,
sagte sie zu mir:
"Helga ist für mich
ein Engel."
Helga ist eine Frau aus der Kirchgemeinde,
die
sich um Isolde kümmert.
Inzwischen hat sie sogar einen festen Tag
in der Woche eingerichtet,
an dem sie sich Zeit für Isolde
nimmt.
Immer eine bestimmte,
begrenzte Zeit,
in der Isolde
bestimmen darf,
was damit geschehen soll:
Spazieren, nur
Reden
oder Einkaufen.
Alles möglich.
Wie Isolde das
erzählt,
grinst sie breit.
Das habe ich bei ihr
lange nicht gesehen.
"Helga
ist für mich ein Engel.",
sagt sie.
Ich nicke.
Ja, Helga
ist wie dieser Engel.
"Ob mir Gott den schickt?",
fragt
Isolde.
"Ich kann es mir gut vorstellen.",
sage
ich.
"Dann ist er vielleicht doch
in meiner Krankheit für
mich da.",
sagt sie.
Wir schweigen.
Zu zweit auf einer rettenden Insel
im Getöse stürmische Tage.
Ein Gedanke wie ein Geschenk.
Ein Moment wie eine Decke
auf dem
Sofa am Sonntagabend.
Auch wenn ich nicht will,
durch die
Stürme muss ich hindurch.
Manchmal freiwillig.
Manchmal gefangen.
Jedes
Leben schreibt seine Dramen.
Meins auch.
Eures auch.
Wir sitzen sozusagen
im gleichen Boot.
Und die Angst
ist mindestens Passagier.
Gut, wenn sie nicht
Steuermann würde.
Auch als Christen
in dieser Welt,
in dieser Zeit,
in einem Schiff,
das sich Gemeinde nennt.
Unklar, wohin die Reise geht.
Die jüngsten Austrittszahlen
geben erneut genug Grund
mindestens zur Besorgnis.
Stürme und hohe Wellen umher.
Vielleicht wie bei den Freunden Jesu
damals im Boot
auf dem See Genezareth.
Verängstigt.
Zusammengekauert.
Hilflos und ratlos.
Da hören sie ein
"Fürchtet
euch nicht!",
gerufen mitten in die Angst
eines
stürmischen Abends auf See.
Von irgendwo,
aus
undurchsichtigem Gewühl,
kommt einer her und hilft,
der Jesus heißt.
Kein Engel.
Mehr wie Gott selbst.
"Fürchtet euch nicht!"
Worte, wie eine Insel.
Wer den Sprung
auf diese Insel wagt,
bekommt wieder Boden
unter den Füßen;
erreicht neues Land.
Dort kann ich frei,
wie Paulus im Sturm,
frei von Angst,
hintreten.
Und dann Brot brechen,
gemeinsam essen,
Kraft schöpfen
und dabei auch Mut,
für das, was kommt.
Wie erzählt wird:
„Als er das gesagt hatte, [Paulus]
nahm er Brot, dankte Gott
vor ihnen allen
und brach's
und fing an zu essen.
Da wurden sie alle guten Mutes
und nahmen auch Nahrung zu sich.“
Denn Nahrung brauchen alle.
Auch Nahrung für die Seele.
Und Hoffnung.
Auch die, für die die Hoffnung
keinen Namen hat.
Und dann weitergehen,
wie Elia, bis zum Horeb,
um dort Gott zu begegnen.
In der Stille,
die einkehrt,
wenn die Angst vergeht.
Und dann lächeln,
wie Isolde,
die so wenig zu lachen hatte
in den vergangenen Jahren;
aber nun weiß,
dass da Engel sind
und Gott auch.
„Fürchte
dich nicht!“
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pred.lied: EG 372, 1-4 (Was Gott tut, das ist wohlgetan)
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Predigt am Sonntag Reminiszere - 05.03.2023
Predigttext: Markusevangelium, Kapitel 12, Verse 1-12
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Markus 12, 1-12 (Luther 2017)
1 Und er fing an, zu ihnen in Gleichnissen zu reden: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und zog einen Zaun darum und grub eine Kelter und baute einen Turm und verpachtete ihn an Weingärtner und ging außer Landes.
2 Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs nähme.
3 Da nahmen sie ihn, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort.
4 Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn.
5 Und er sandte einen andern, den töteten sie; und viele andere: die einen schlugen sie, die andern töteten sie.
6 Da hatte er noch einen, den geliebten Sohn; den sandte er als Letzten zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen.
7 Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, lasst uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein!
8 Und sie nahmen ihn und töteten ihn und warfen ihn hinaus vor den Weinberg.
9 Was wird nun der Herr des Weinbergs tun? Er wird kommen und die Weingärtner umbringen und den Weinberg andern geben.
10 Habt ihr denn nicht dieses Schriftwort gelesen (Ps 118,22-23): »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden.
11 Vom Herrn ist das geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen«?
12 Und sie trachteten danach, ihn zu ergreifen, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte. Und sie ließen ihn und gingen davon.
Herr, unser Gott, schenke uns ein Herz für dein Wort und ein Wort für unser Herz. Amen.
Kennen Sie diese Menschen,
die immer das Haar in der Suppe finden?
Es war ein herrlicher Abend,
alle haben gelacht,
es wurde gut gegessen
und getrunken auch,
selig fielen sich beim Abschied
alle in die Arme,
aber dann sagt Tante Siegrun
noch nebenbei:
dass der Kaffee heute
wirklich so gar nicht
ihr Geschmack war.
Es gibt solche Menschen.
Sie geben auch den
schönsten Momenten
die Gewissheit,
dass niemand
die Bodenhaftung verliert.
Es gibt auch Menschen,
die solche Geschichten schreiben,
um die Trostlosigkeit
einer Zeit einzufangen.
Heinrich Bölls
„Ansichten eines Clowns“
zählen vielleicht dazu,
oder Jean-Paul Sartres
„Der Ekel“;
und dann kann man
solche Geschichten manchmal
nur schreiben,
wenn sie im humoristischen
Gewand daherkommen.
Weil das Lachen
die trostlose Geschichte
aushalten hilft.
Wie Patrick Süßkinds
„Der Kotrabaß“,
der sehr zum Schmunzeln,
die unsägliche Unhandlichkeit
und unschöne Musikalität
dieses sehr großen Instruments,
des Kontrabasses,
beschreibt, und daneben,
oder dabei, zugleich
eigentlich die sehr tröge
und liebessehnsüchtige
Existenz eines Musikers.
Es gibt solche Geschichten.
Das Leben schreibt sie auch.
Geschichten, die keinen
guten Ausgang kennen.
Und als Lesender
möchte ich irgendwo
in den Zeilen
einen Spalt finden,
durch den etwas Licht
scheinen kann.
Schon allein, damit ich
das Lesen ertrage.
Aber vielleicht wecken
gerade solche trostlosen
Geschichten
jene Kräfte,
die Aufstehen helfen.
Könnte ja sein,
dass ich plötzlich erkenne,
dass ich
– wenn die Welt so ist –
nicht will, dass sie so bleibt.
Könnte ja sein,
dass gerade durch solche
trostlosen Geschichten
etwas in Bewegung kommt!?
Und nun erzählt Jesus hier
dieses Gleichnis
mit doppeltem Boden.
Den Pächtern eines Weinbergs
wurde mit der Pacht auch
die Verantwortung übertragen.
Die Verantwortung gegenüber
dem Weinberg selbst
und freilich zugleich gegenüber
der Verpächterin.
Und es ist tatsächlich,
zur Zeit Jesu,
ein weithin bekanntes Problem,
dass Weinbergpächter
den Besitzenden
ihren Anteil verweigerten.
So geht es unter Menschen zu.
Leider.
Damals und heute.
Und dann meint Jesus
natürlich zugleich auch
den Glauben in seinem Gleichnis.
Die Menschen, denen Gott
die Verantwortung für diese Welt
übertrug und wir,
die wir nun eine Verantwortung
für diese Welt tragen
und gegenüber Gott.
Und schon damals
sollte eigentlich der Ertrag
eines jeden 7. Jahres
Gott gehören.
Wer weiß wie gut
oder eben nicht,
das funktioniert hat.
Zwischen den Worten Jesu
tut sich jedenfalls vorerst
kein Spalt auf,
durch den Licht scheint.
Die Geschichte,
die er erzählt
ist tragisch.
Sie wird auch durch
keine Komik erträglicher.
Die Pächter verschonen
weder Knechte, noch Sohn
des Verpachtenden.
Ende.
Und es trifft ja leider zu.
Auch heute noch.
Die Spiralen der Gewalt
drehen weiterhin schnell.
Ein Blick in die Nachrichten genügt.
Seit über einem Jahr
kommen sie aus der Ukraine.
Und ich hatte kürzlich
ein Gespräch mit Freunden,
in dem es darum ging,
ob Waffenlieferungen angebracht sind
oder vielleicht Friedensdemonstrationen
noch angebrachter,
es ging um Sarah Wagenknecht
und Alice Schwarzer
und Jürgen Habermas,
um Siegen und Verlieren,
um Kompromisse ging es,
und schließlich um die Frage,
ob es nicht naiv ist, zu glauben,
dass eine Welt ohne Krieg möglich ist.
Und ich hatte neulich ein Gespräch
mit anderen Menschen,
da ging es um die Unruhen im Iran.
Es ging um patriarchale Machtverhältnisse.
Um die Angst der Männer
vor den Frauen ging es,
und es ging darum,
ob Solidaritätskundgebungen
nicht dringend angebracht wären
und schließlich um die Frage,
ob es nicht naiv ist, zu glauben,
dass eine Welt ohne Gewalt
gegen Frauen möglich ist.
Und ich hatte neulich noch ein
weiteres Gespräch mit
noch anderen Menschen,
da ging es um die Täter
von Chemnitz und Pobershau.
Es ging um die unsägliche
Beeinträchtigung junger Menschen,
den Missbrauch, und um die Frage,
ob das System Kirche
in solchen Fällen nun endlich
besser funktionieren wird.
Es ging um Möglichkeiten der Prävention
und schließlich um die Frage,
ob es nicht naiv ist, zu glauben,
dass eine Welt ohne Missbrauch möglich ist.
Und nun zurück zu diesem Weinberg,
den ein sehr geduldiger Verpächter,
nennen wir ihn „Gott“,
treu sorgend anlegt,
umhegt, mit einem Turm versieht
und dann verpachtet.
Verpachtet!
Nicht verschenkt.
Nicht überlassen.
Eines Tages kommt er
und fordert seine Pacht.
Die bekommt er aber nicht.
Kein Knecht kehrt zurück.
Selbst der Sohn nicht.
Und so endet auch die
Geduld des Verpächters „Gott“.
Lange war er geduldig
mit ihnen gewesen.
Hatte lange gehofft,
sie würden mit dem anvertrauten Gut
wie vereinbart umgehen.
Aber nun ist es genug.
Der Sohn ist der berühmte Tropfen,
der das Fass zum Überlaufen bringt –
jene brutalen Pächter zahlen nun
mit ihrem Leben
und der Verpächter gibt
sein kostbares Eigentum anderen,
auf dass sie sich besser darum kümmern
und sich vor allem besser
an die Verabredungen halten...
Eine brutale Realität.
Brutale Realität ist auch,
dass dieses Gleichnis
der geistlichen Führungsschicht
von damals erzählt wird
und ihnen damit ihr eigenes Versagen
gegenüber dem Herrn des Weinbergs
vorgeführt wird.
Und als würde das nicht reichen,
liegen in solchen Texten
auch die Wurzeln
christlichen Judenhasses
mitbegründet.
Auch Christen kämen
heute als Adressaten
eines Gleichnisses Jesu
wohl kaum besser weg,
als die jüdische Elite
von damals.
„Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit
und an deine Güte,
die von Ewigkeit her gewesen sind.“
Heißt es im Psalm 25.
Und ich glaube,
Gott hat genau das getan.
Sonst würden wir an diesem
2. Sonntag der Passionszeit
nicht schon auf Ostern
schielen können.
Gottes Barmherzigkeit
hat noch kein Ende.
Ganz offenbar.
Und so sind Sie und ich
Pächter:Innen,
wie jene ersten Pächter.
Und das Gleichnis
ist heute wie gestern
eine Herausforderung,
diesen trostlosen Worten
einen Punkt zu setzen.
Eine Ende zu machen,
mit den Spiralen der Gewalt.
Und Licht zu säen,
dass irgendwann
jene unsäglichen Geschichten
überstrahlt.
Jesus fängt selbst damit an.
»Der Stein, den die Bauleute verworfen haben,
der ist zum Eckstein geworden.
11 Vom Herrn ist das geschehen
und ist ein Wunder vor unsern Augen«
Zitiert Jesus Psalm 118.
Der Sohn, den die Pächter
nicht am Leben lassen konnten.
Die hoffnungsvollen Antworten,
die viele Menschen für
viel zu naiv befinden.
Die sind zum Eckstein geworden.
Ein Eckstein, der ganze Gewölbe
halten kann, die Bogen spannen
zwischen Himmel und Erde.
Das hält bestimmt auch ein Leben.
Meins. Und Eures.
Denn gerade solche
trostlosen Geschichten
können Kräfte wecken,
die Aufstehen helfen.
Dass das, was ist,
nicht so bleibt.
Dass etwas in Bewegung kommt.
Wie Licht in eine
dunkle Höhle.
Wie Leben in ein Grab.
Dass das, was eigentlich
viel zu naiv erscheint,
doch wahr werden kann.
Und die brutale Realität
lässt viele Hoffnungen
als viel zu naiv erscheinen.
Aber die Pächter hätten wohl
sicher nicht damit gerechnet,
dass der Sohn nach dem Tod,
dem Leben eine neue Chance
geben könnte.
Doch genau so ist es gekommen.
Da kam etwas in Bewegung.
Dass das, was ist,
nicht so bleibt.
Die Auferstehung
als Trost
gegen alle trostlosen
Geschichten dieser Welt
und als Kraft,
die Aufstehen hilft,
mitten am Tag,
heute und morgen.
Und ich weiß:
Vom Herrn ist das geschehen.
Es ist ein Wunder,
vor meinen Augen.
Gott lässt sich an seine
Barmherzigkeit erinnern
und bleibt.
„Ich bin da.“
Das ist sein Name.
Und der Stein, den die Bauleute
verworfen haben,
ist zum Eckstein geworden.
Er ist das Fundament
meine Glaubens.
Ein Geschenk.
Und eine Verantwortung.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pred.lied: EG 86, 1.4-6 („Jesu, meines Lebens Leben“)
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Predigt am Sonntag Sexagesimä - 12.02.2023
Predigttext: Prophetenbuch des Jesaja, Kapitel 55, Verse 8-12a
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Jesaja 55, 8-12a (BasisBibel)
8 So lautet der Ausspruch des Herrn: Meine Pläne sind anders als eure Pläne und meine Wege anders als eure Wege.
9 Wie weit entfernt ist doch der Himmel von der Erde! So fern sind meine Wege von euren Wegen und meine Pläne von euren Plänen.
10 Regen oder Schnee fällt vom Himmel und kehrt nicht dahin zurück, ohne die Erde zu befeuchten. So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen. Er versorgt den Sämann mit Samen und die Menschen mit Brot.
11 So ist es auch mit dem Wort, das von mir ausgeht: Es kehrt nicht wirkungslos zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will. Was ich ihm aufgetragen habe, gelingt ihm.
12 Voll Freude werdet ihr aus Babylon fortziehen und wohlbehalten nach Hause gebracht werden.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Worte haben Kraft,
singt die Band
die Ärzte.
„Worte bringen dich zum Lachen,
Worte
bringen dich zum Weinen
Worte
treiben dich zur Weißglut,
Worte
bringen dich zum Schreien
Transportieren
Informationen,
Emotionen,
Trost und Hass
Lassen
Herzen schneller schlagen,
machen
Feinde, machen Spaß
Worte
bringen dich auf die Bühne
und
in Untersuchungshaft
Füllen
Liebesbriefe,
Bücher und Gesetze
Worte haben Kraft“
Ihr kennt das:
ein Lächeln,
ein Geschenk,
ein freundliches Wort,
eine gute Tat,
die kommen allesamt
nicht wirkungslos zurück.
Meistens jedenfalls.
Auch solche, die so sind:
„Worte können weh tun,
sie
sind schnell und schonungslos
Lassen dir keinen Ausweg,
führen
dich vor und stellen dich bloß
Sie weiß nicht, wie ihr
geschieht,
warum
sie plötzlich jeder mobbt
Endlich hört sie auf zu lächeln
und
sie kündigt ihren Job
Doch dann springt sie vor die U-Bahn
und
du fühlst dich ekelhaft
Viel zu spät begreifst du
Lügen
haben Konsequenzen
Worte haben Kraft“
Aber es gibt auch Worte,
die wirkungslos bleiben.
Es macht zumindest den Eindruck.
Wenn ich dir schon zum
x-ten Male gesagt habe,
dass du das lassen sollst.
Wenn ich meine Liebe gestehe,
die unerwidert bleibt.
Wenn ich um Frieden bitte,
aber keiner werden will.
Manche Worte bleiben wirkungslos.
Andere nicht.
Sie bauen auf und reißen ein,
sie heilen und verletzen,
sie erleichtern und beschweren.
Sie wirken.
11 So ist es auch mit dem Wort,
das von mir ausgeht:
Sagt Gott durch Jesaja.
„Es kehrt nicht wirkungslos
zu mir zurück,
sondern bewirkt, was ich will.
Was ich ihm aufgetragen habe,
gelingt ihm.“
Gottes Wort wirkt.
Es wirkt in dir und mir.
Es wirkt durch dich und mich
in diese Welt.
das
wort! es kündet
und
ist nicht euer
es
blitzt und zündet
das
wort ist feuer
das
wort schuf welten
das
wort des höchsten
das
wort will gelten
zum
wohl des nächsten
das
wort hält wache
das
wort ist bote
das
wort stärkt schwache
das
wort weckt tote
(Kurt Marti: Das Wort)
So beschreibt der Dichter
Kurt Marti das Wort Gottes,
das nicht wirkungslos bleibt.
Selbst dann, wenn ich keine
Wirkung erkennen kann;
selbst dann, wenn ich selbst
noch nicht glauben kann,
dass es wirkt.
Dann wirkt es trotzdem.
Wie Schnee im Winter,
der schützt und wärmt.
Wie warmer Regen im Sommer,
der leben spendet und erhält.
Weil Hoffnungsworte wirken.
„Worte zeigen uns, was möglich ist,
erklären,
wie es geht
Sie beschreiben Träume
ebenso
wie die Realität
Sie beginnen und beenden
Kriege
und Revolutionen
Existieren laut geschrien
und
auch völlig ohne Ton
Sie sind Waffen, sie sind Balsam,
sie
sind manchmal rätselhaft
Retten Leben, zeigen Wege,
schlagen Brücken
Worte haben Kraft“
[Die Ärzte: Worte haben Kraft]
Das fällt manchmal schwer zu sehen.
Das ist schwer zu verstehen.
Wie Gott auch.
Wenn Sträucher und Bäumchen
im Winter erfrieren,
weil sie keinen Schnee haben;
wenn der Sommer dürre bleibt
und das Gras verdorrt,
weil der warme Regen fehlt;
wenn Menschen böse sind,
von Hass vergiftet
schlimm und schlimmer handeln;
wenn sich zwischen Menschen
Risse nicht schließen lassen
und Wunden einfach nicht heilen wollen;
wenn die Welt vor Herzenskälte friert
und nach belebender Wärme dürstet.
Wo wirkt dann Gottes Wort?
Das Wort, das Frieden will
und Frieden stiftet,
in Herzen und Köpfen,
aller Orten, zu allen Zeiten.
Wo wirkt dieses Wort?
Wirkt dieses Wort?
Es könnte jemand ins Zweifeln kommen.
Und niemand kann es verübeln.
Ich glaube, deshalb heißt es:
So lautet der Ausspruch des Herrn:
Meine Pläne sind anders als eure Pläne
und meine Wege anders als eure Wege.
Diese Wege und Pläne
kann ich mir nicht ausmalen.
So gern ich das würde.
Aber ich glaube:
Das Warme, Lebendige, Erfrischende,
das Gute hat mit Gott zu tun;
der sanfte Schnee und der milde Regen;
und ich glaube auch,
dass das Unverständliche,
das Schwierige, Undurchsichtige
mit Gott zu tun hat.
Das wirft Fragen auf,
weil es in den Verstand
nicht hineinpassen will.
Es verlangt mir Vertrauen ab.
Vertrauen,
ohne ganz verstehen zu können.
Dieses Vertrauen heißt: Glauben.
Vertrauen, dass Gott es gut meint;
dass Gott das Gute will -
für dich, für mich
und diese Welt.
Dass er es regnen lassen wird,
warm und mild
auf mein Leben,
wenn es am nötigsten ist;
und dass er Schnee schenkt,
wenn eine sanfte Decke
meine Wurzeln schützen muss.
Damit ich nicht herausfalle,
aus dem, was mir halt gibt;
damit mein Glauben trägt:
mich und manchmal auch dich,
wenn du es schwer hast.
So dass wir uns gegenseitig
tragen können,
bis der milde, warme Regen
wieder fällt
und die Dürre vorüber ist;
bis der Schnee kommt
und alles sanft bedeckt,
was Schutz braucht,
wenn die Welt bitterkalt ist.
Bis das Vertrauen Früchte trägt
und Gott den trockenen,
harten Boden der Tatsachen
weicher machen wird
und die Risse schließt,
die sich in den Dürren Zeiten
aufgetan haben.
Und er uns hilft,
dass wir wir füreinander
solche guten Sachen machen.
Wie Jesaja es für das Volk Israel tat,
als er diese Worte aufschreibt.
Denn viele waren nach Babylon
verbracht worden.
Vor allem die Ober- und
Mittelschicht.
Sie wurden nicht versklavt,
oder gequält und mussten
wohl auch kaum darben,
aber die Sehnsucht nach der Heimat,
die Sehnsucht nach Israel
quälte doch viele von ihnen.
Gott ist fern, dachten sie.
Denn er hatte ja seinen Ort:
den
Tempel von Jerusalem.
Doch
der wurde zerstört
und
beraubt.
Der
Tempel war der Wohnort Gottes.
Dort
konnten sie sich sammeln
und
sich Kraft für den Alltag holen.
Weil
die Worte dort Kraft hatten.
Die Schönheit der Gebete
erhob sich über den Alltag
und Gottes Gegenwart auch.
Aber
nun?
Ist
es überhaupt möglich,
Gott an diesem Ort zu hören?
Hört er uns?
Und unsere Gebete?
Wirkt sein Wort auch hier?
Im Gewirr der Stimmen
und bei all den vielen
anderen
Göttern hier.
Ist
er da?
Unser
Gott?
Und der
Prophet Jesaja
setzt starke Worte dagegen.
Worte, die ihm ins Herz gelegt sind,
und von Gott an die Herzen
der
Verschleppten gerichtet werden.
Jesaja
wird Stimme, Instrument,
auf
dem Gott seine Melodien spielt,
damit
die Menschen sein Wort hören.
Und es dort, bei den Menschen
wirken
kann, etwas bewirken kann.
„Suchet Gott, solange er zu finden ist;
ruft ihn an, solange er nahe ist.“
Sagt er.
Auch in Babylon.
Auch hier, bei uns.
Überall in der Welt.
Und dann kommt Gott selbst zu Wort:
10 Regen oder Schnee fällt vom Himmel
und kehrt nicht dahin zurück,
ohne die Erde zu befeuchten.
So lässt er die Pflanzen keimen und wachsen.
Er versorgt den Sämann mit Samen
und die Menschen mit Brot.
11 So ist es auch mit dem Wort,
das von mir ausgeht: [...]
Seine Worte sickern in
das
Leben wie Regen
und
lassen Samen aufgehen,
die ich vielleicht gar nicht
für
möglich gehalten hätte.
An
ungewöhnlichen Orten;
zu
ungewöhnlichen Zeiten.
Aber
hinhören muss ich.
Damit ich die Worte hören kann.
Wie die Israeliten in Babylon
auf die Worte Jesajas hörten.
Und diese nicht wirkungslos blieben,
sondern die versorgte,
die es damals nötig hatten,
wie Schnee und Regen,
zum keimen und wachsen,
so dass die Worte blieben,
bis in unsere Tage.
Bis heute.
Bis hierher.
In der Philosophie
haben solche Worte einen Namen.
Sie heißen
„performative Sprechakte“.
Gemeint sind damit Worte,
die etwas erschaffen,
das ich nicht sehen kann.
„Ich liebe dich.“
ist zum Beispiel so ein
Sprechakt.
„Friede sei mit dir.“
Die Worte, die Jesus oft sagt,
wenn er anderen begegnet,
sind es auch.
Und viele andere Worte,
die er sagt, ebenfalls.
Solche Worte lassen wahr werden,
was sie sagen,
aber ich muss es glauben.
Ich kann es glauben,
wenn ich dem Vertrauen schenke,
der es sagt.
Gottes Pläne und seine Wege
sind nicht unsere.
Was Gottes Plan ist,
mit dir und mir
und dieser Welt,
weiß ich nicht bis ins Letzte,
aber die Botschaft Jesajas
will Mut machen,
dass es Gott um Vergebung geht,
um das neu Anfangen,
um Gerechtigkeit,
auch für die Mitgeschöpfe,
um Frieden und Zukunft
für uns,
unsere Kinder
und Enkel.
Gottes Wege und Gedanken
sind nicht unsere,
aber vor allem scheint mir,
dass Gott in anderen
Zeiten und Etappen handelt,
als ich denken kann.
Das Bild vom Regen und Schnee
weist auf diese Wirkungsweise
der Gottesworte hin.
Das Bild sagt:
So wenig wie der Schnee und der Regen
für sich allein die Fruchtbarkeit bewirken,
sondern nur in Verbindung mit der Erde,
so wirkt auch Gottes Wort
in Verbindung mit Menschen,
die es aufnehmen,
sich öffnen und bewegen lassen.
[von: Jasper Burmester, 03.02.2013, predigten.evangelisch.de (Stand: 11.02.2023)]
Wo das geschieht,
bricht die Zukunft Gottes an.
Und sie verwirklicht sich,
wie das Wachsen der Natur:
allmählich, aber stetig
und gewiss.
Gottes Wort wirkt.
Es wirkt in dir und mir.
Es wirkt durch dich und mich
in dieser Welt.
das
wort! es kündet
und
ist nicht euer
es
blitzt und zündet
das
wort ist feuer
das
wort schuf welten
das
wort des höchsten
das
wort will gelten
zum
wohl des nächsten
das
wort hält wache
das
wort ist bote
das
wort stärkt schwache
das
wort weckt tote
(Kurt Marti: Das Wort)
Und dann kehren sie
zu ihm zurück,
die performativen Sprechakte
Gottes.
Die Hoffnungsworte,
die Kraft haben
und wirken.
In der Hoffnung,
dass dieser Kreislauf,
den das Wort Gottes
in Gang setzt,
nicht enden wird.
Und seine Worte kehren
zu ihm zurück.
Genau wie du und ich
heimkehren zu Gott,
von dem das Leben stammt
und aus dem es Kraft gewinnt.
Und beide werden nicht
wirkungslos geblieben sein -
sein Wort nicht
und auch Menschen nicht -
wenn Gottes Wort
und Menschen
sich in dieser Welt
verbunden haben.
So dass es ihnen
um Vergebung geht,
um das Neuanfangen,
um Gerechtigkeit,
auch für Mitgeschöpfe,
und um Frieden
und Zukunft.
Werden auch du und ich
Stimme und Instrument,
auf
dem Gott seine Melodien spielt,
damit
die Menschen sein Wort hören?
So dass es dort, bei den Menschen
wirken kann,
etwas bewirken kann.
Johannes schreibt am Anfang
seines Evangeliums:
Das Wort ward Fleisch
und wohnte unter uns.
Gemeint ist Jesus.
In ihm hat sich Gottes Wort
mit den Menschen verbunden.
Und das blieb nicht
ohne Wirkung.
Und auch wenn Gottes
Pläne und Wege weiter
im Verborgenen bleiben mögen,
sind durch Jesus doch
seine Absichten
noch deutlicher geworden.
Jetzt will sich Gottes Wort
mit uns verbinden.
Mit denen, die Jesus folgen.
Und ich bin gespannt,
was sie zurücktragen werden,
wenn die Worte Gottes schließlich
zurückkehren werden zu ihm.
Die Worte, die Frieden wollen
und Frieden stiftet,
in Herzen und Köpfen,
aller Orten, zu allen Zeiten.
Auf jeden Fall
werden sie nicht leer
zurückkehren.
Und vielleicht werden
auch du und ich
etwas dazugelegt haben,
das an Gottes Ohr dringt
und in seinem Herzen
liegen bleiben wird,
weil es dieser Welt geholfen hat,
dass etwas von Gottes
Plänen und Wegen,
mindestens aber
von seinen Absichten
sichtbarer wurde:
von Vergebung
und Neuanfängen,
von Gerechtigkeit
und Frieden
und Zukunft.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: SvH 0124 (Frieden wird werden)
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Predigt am Sonntag Septuagesimä - 05.02.2023
Predigttext: Matthäusevangelium, Kapitel 9, Verse 9-13
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Matthäus 9, 9-13 (BasisBibel)
9 Jesus ging von Kapernaum weiter. Da sah er einen Mann an seiner Zollstation sitzen. Er hieß Matthäus. Jesus sagte zu ihm: »Komm, folge mir!« Da stand er auf und folgte ihm.
10 Später war Jesus im Haus zum Essen. Viele Zolleinnehmer und andere Leute, die als Sünder galten, kamen dazu. Sie aßen mit Jesus und seinen Jüngern.
11 Als die Pharisäer das sahen, sagten sie zu seinen Jüngern: »Warum isst euer Lehrer mit Zolleinnehmern und Sündern?«
12 Jesus hörte das und antwortete: »Nicht die Gesunden brauchen einen Arzt, sondern die Kranken.
13 Überlegt doch einmal, was es bedeutet, wenn Gott sagt: ›Barmherzigkeit will ich und keine Opfer!‹ Ich bin nicht gekommen, um die Gerechten zu rufen, sondern die Sünder.«
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Ihr kennt sicherlich
das Märchen von der goldenen Gans:
Ein junger Mann,
den viele für etwas dümmlich halten,
zieht,
nach der ausbleibenden Rückkehr
seiner zwei missgünstigen Brüder,
aus, zum Holzhacken,
und trifft ein graues Männlein;
er teilt mit ihm, was er hat,
und findet daraufhin,
wegen seiner Güte,
zum Dank
in den Wurzeln eines Baumes
eine goldene Gans.
Diese wiederum weckt Begehrlichkeiten:
Die drei Töchter des Wirtes,
in dessen Gasthaus
der junge Mann mit der Gans
unterkommt,
wollen eine der Federn
der Gans ergattern
und bleiben beim Versuch
kleben,
eine nach der anderen;
und – seltsam genug –
den jungen Mann
den stört's nicht weiter,
er schnappt die Gans
und macht sich auf den Weg.
Unterwegs ist ein Pfaffe
reichlich pikiert,
will die Mädchen lösen,
losreißen vom jungen Mann,
bleibt stattdessen aber selbst kleben.
Und der Küster,
der nun wiederum den
lüsternen Pfaffen rügt,
und ihn wegziehen will,
bleibt ebenfalls kleben.
So geht also der illustre Aufzug
durchs Land,
bis schließlich eine Königstochter,
die es mit dem Lachen schwer hatte,
schallend lachen muss.
Der Rest ist schnell erzählt:
Der König will den
jungen Mann,
der die Gans hält, und
um dessen Willen
seine Tochter so herzhaft gelacht hat,
nicht zum Schwiegersohn,
ersinnt wahnwitzige Aufgaben,
die der Jüngling
wegen des grauen
Zaubermännleins vom Anfang
mit Bravour meistert
und der König schließlich
klein bei geben muss.
Hochzeit.
Und wenn sie nicht gestorben sind...
Soweit so gut.
Ich musste irgendwie daran denken,
als ich den Predigttext las.
Der Text und das Märchen,
beide haben etwas mit
Gerechtigkeit zu tun,
und mit Güte
und mit einer bunten Gemeinschaft,
die auf recht wundersame Weise
zusammenkommt.
Also erzählt Matthäus:
Jesus ging von Kapernaum weiter.
Das tut er ja meist.
Jesus geht durchs Land.
Zieht von Ort zu Ort.
Und es gibt nicht wenige,
die ihn dabei durchaus auch
für etwas dümmlich halten.
Mindestens für nervig.
Manche für gefährlich.
Andere kümmerst wenig,
was er erzählt.
Einige sehen's kritisch.
Manche finden's gut.
Denn Jesus ist gütig
und teilt, was er hat.
Und der Schatz im Acker,
das Himmelreich,
von dem er spricht,
weckt Begehrlichkeiten,
an denen hin und wieder
jemand kleben bleibt.
Nicht wegen Gold und Geld,
sondern wegen des Glanzes
der Hoffnung,
die darin liegt.
Es sammelt sich nach und nach
eine bunte Truppe,
Frauen und Männer
vom Wegesrand,
die mitkommen,
wenn Jesus sagt:
„Komm, folge mir!“
Auch dieser:
Da sah er einen Mann an seiner Zollstation sitzen.
Er hieß Matthäus.
Jesus sagte zu ihm: »Komm, folge mir!«
Da stand er auf und folgte ihm.
Niemand weiß genau,
weshalb er folgte.
Aber er tat es.
Ging einfach mit.
Blieb einfach kleben.
Genau wie die Fischer
am See Genezareth,
oder der Bettler in Jericho,
so auch dieser
Zollstationsbetreiber
namens Matthäus,
den viele nur für einen
Gauner und Wucherer hielten.
Sie blieben alle kleben.
Gingen mit.
Und fanden sich an manchen Abenden
in manchen fremden Häusern wieder,
um dort gemeinsam zu essen.
Matthäus erzählt:
10 Später war Jesus im Haus zum Essen.
Viele Zolleinnehmer und andere Leute,
die als Sünder galten, kamen dazu.
Sie aßen mit Jesus und seinen Jüngern.
Aber:
Peinlich genau beobachtet
und kritisch beäugt
von den gebildeten Eliten,
genau wie von vielen anderen
ganz einfachen Menschen
in den Orten des alten Israels,
die einfach nicht fassen konnten,
dass sich einer wie Jesus,
der von Gott sprach,
mit denen abgab,
die doch so lange nicht
nach Gottes Geboten handelten,
die eigentlich, nach Meinung
der Eliten und einfachen Leute,
gar nichts von Gott wissen wollten.
11 Als die Pharisäer das sahen,
sagten sie zu seinen Jüngern:
»Warum isst euer Lehrer mit
Zolleinnehmern und Sündern?«
Und Jesus begegnet
all dem Argwohn
und aller Kritik
mit einem ähnlichen Gleichmut
wie der junge Mann,
der die goldene Gans
in der Hand hält
und ganz unbedarft
seiner unbekannten Wege zieht,
obwohl doch ein ziemlich
aufsehenerregender Aufzug
hinter ihm her geht.
Ich glaube,
dass manche und mancher,
die es mit dem Lachen
in den Zeiten Jesu
schwer hatten,
die nichts zu lachen hatten,
weil die gebildeten Eliten
und die vielen einfachen Menschen
sie keines freundlichen Blickes
würdigten,
ich glaube,
dass diese Menschen,
an den Abenden,
beim Essen mit Jesus,
zum ersten Mal seit einer
gefühlten Ewigkeit
wieder lachen durften.
Schallend.
Von Herzen.
Aus tiefster Seele.
Wie die Königstochter,
schallend lachte,
als sie den seltsamen Aufzug sah,
der an der goldenen Gans klebte.
Und ich überlege,
wie das heute wäre.
Ob es das heute noch gibt?
Nur mal angenommen,
Jesus würde durch
unsere Dörfer ziehen,
und würde Menschen ansprechen:
„Komm, folge mir!“
Und Menschen würden mitgehen.
Einfach so.
Einfach kleben bleiben.
An dem Glanz der Hoffnung.
Und ein bunter Aufzug,
aus Wirtsleuten,
Steinmetzen,
Tischler:innen, Maurer:innen,
Fleischer:innen,
hoffentlich auch Pfaffen,
und Kindergärtner:innen,
Verwaltungsfachpersonal
und Landwirten
und Rentner:innen
und vielen mehr –
ein solch bunter Aufzug
würde sich durch die Dörfer bewegen
und irgendwo am Abend einkehren,
Platz nehmen,
Essen teilen:
Döner und Brot vom Vortag,
Salat und Kuchen
vom jüngsten Geburtstag,
Gläser und Büchsen
aus der Vorratskammer,
und ein bisschen Wein
aus dem Keller;
es duftet so bunt,
wie die Runde ist:
nach Zigaretten und
138 Parfümsorten;
die Stimmen überschlagen sich,
und die Geschichten auch.
Gasrechnung und Inflation,
Ängste und die elende Arthrose
kommen auf den Tisch,
wütende und fröhliche
Geschichten;
es gibt stille Momente
und lautes Lachen.
Beides.
Auch weil Jesus damit anfängt
zu fragen:
Was willst du eigentlich?
Oder: Wo kommst du her?
Und wo willst du hin?
Weil Jesus anfing
nach dir und mir zu fragen,
haben wir uns
voneinander erzählt.
Auch das Bewegende.
Das was das Lachen
in meinem Leben stumm gemacht hat,
und die Momente,
in denen es ganz laut war
und von Herzen kam.
Manche haben schallend
mit gelacht.
Wie eine Befreiung war das.
Und plötzlich wurde es ganz still,
da nahm Jesus das Brot vom Vortag,
brach es in Stücke und gab es uns.
Es schmeckte trocken,
so wie es aussah.
Aber da war irgendwie noch mehr.
Und Jesus sagt:
„Erinnert euch an solche Momente.“
Und wir kauten ein bisschen länger,
so dass es süß wurde
und so schmeckte, wie die Zeit,
die wir gerade miteinander hatten.
Danach geht der Abend zu Ende.
Hände legen sich
auf abgewetzte Ärmel,
sie stützen einen
unsicheren Gang,
und vormals Ferne
umarmen sich eng
zum Abschied.
Jede und jeder geht nun
seiner Wege.
Aber die Nähe bleibt.
Und wenn wir uns wiedersehen,
grüßen wir einander mit Namen,
und sehen in vertraute Gesichter.
Und in meinem Herzen klingt noch,
was Jesus zum Abschied
aus den Propheten zitierte:
›Barmherzigkeit will ich
und keine Opfer!‹
Nun,
Jesus ist nicht der
der Jüngling,
der die goldene Gans fand,
die Gute Nachricht
von Gottes Liebe
ist nicht die goldene Gans
und wir sind nicht
der bunte Aufzug
hintendrein.
Sicher nicht.
Aber wir sind die,
die kleben geblieben sind,
als Jesus sagte:
„Komm, folge mir!“
Und wir sind mitgegangen.
Wie Matthäus.
Einfach so.
Vielleicht auch
aus guten Gründen.
Wer weiß.
Und es gibt genug,
auch heute noch,
die das argwöhnisch
beäugen oder beurteilen,
dass wir,
so bunt wie wir sind,
zusammen sind,
Gottesdienst und Feste feiern,
um uns daran zu freuen,
dass wir einen haben,
der uns ruft
und da ist
und da bleibt.
Weil wir das glauben können.
Mit der Taufe besiegeln wir das.
Wie eine große Familie.
In der auch die,
die lange nichts zu lachen hatten,
das Lachen wiederentdecken dürfen.
So stelle ich mir das jedenfalls vor.
Wie an den Abenden,
als Jesus mit den
bunten Aufzügen
in Häusern lagerte
und aß.
Nichts weniger versuchen wir,
wenn wir Gemeinde
miteinander leben:
wir teilen was wir haben
und was wir hoffen.
Wir werden still miteinander
und wir lachen miteinander.
Auch im Gottesdienst.
Und wir erzählen uns
von Gottes Barmherzigkeit,
um davon zu lernen,
wenn wir miteinander leben.
In den stillen Momenten,
und auch den lauten,
lachenden.
Und Jesus mitten drin.
Wie an den Abenden
mit Zöllnern und Sündern.
Die er genau so kennenlernen wollte,
wie dich und mich.
Und für die er genauso gestorben ist.
Und bei denen er noch genau so ist,
wie heute hier.
Das muss ich gar nicht
erstmal annehmen,
muss ich mir gar nicht
erst vorstellen
und ausmalen.
Das ist schon da.
Hier.
Und dann gehen Feste
und Gottesdienste zu Ende,
jede und jeder geht seiner Wege,
aber die Nähe bleibt.
Und vielleicht auch der Geruch
von 138 Parfümsorten
und einer Zigarette.
Und, wer weiß,
womöglich auch
der süße Geschmack
auf der Zunge
nach einer wunderbaren Zeit.
Und vielleicht hört man sogar noch
jemanden lachen,
schallend, herzlich,
wie die Königstochter,
die bis dahin so wenig
zu lachen hatte.
Und dann heiratet der Jüngling
die lachende Königstochter.
Dieses Bild stammt aus dem Märchen.
Klar.
Und es stammt auch aus der Bibel,
etwas weiter hinten bei Matthäus:
Jesus, der Bräutigam,
und die Braut,
wir, seine Gemeinde.
Hochzeit.
Und ob sie nun gestorben sind...
… oder nicht,
es sitzen Gerechte und Sünder
zu Tisch im Reich Gottes,
und freuen sich des Lebens,
denn sie hoffen gemeinsam
auf Gottes gute Gerechtigkeit,
die wie Barmherzigkeit ist,
voller Güte.
Sie
lernen Lachen,
spüren Nähe
und schmecken,
die Süße des Lebens.
Amen.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.
Pred.lied: EG 355, 4.5 (Mir ist Erbarmung widerfahren)
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Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias - 22.01.2023
Predigttext: Römerbrief, Kapitel 1, Verse 13-17
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
13 Ich will euch eines nicht verschweigen, Brüder und Schwestern: Ich habe mir schon oft vorgenommen, zu euch zu kommen. Aber bis jetzt wurde ich immer daran gehindert. Denn ich wollte, dass meine Arbeit auch bei euch Frucht trägt wie bei den anderen Völkern.
14 Das bin ich allen schuldig – ganz gleich, ob sie Griechen sind oder nicht, gebildet oder ungebildet.
15 Wenn es nach mir geht – ich bin bereit, auch bei euch in Rom die Gute Nachricht zu verkünden.
16 Denn ich schäme mich nicht für die Gute Nachricht. Sie ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt – an erster Stelle die Juden, dann auch die Griechen.
17 Denn durch die Gute Nachricht wird Gottes Gerechtigkeit offenbar. Das geschieht aufgrund des Glaubens und führt zum Glauben. So steht es schon in der Heiligen Schrift: »Aufgrund des Glaubens wird der Gerechte das Leben erlangen.«
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Das Leben ist eines der schwierigsten.
Oder der Härtesten.
Scheitern gehört dazu.
An Ansprüchen.
An Erwartungen.
Man kann nicht alle erfüllen.
Ich kann nicht alle erfüllen.
Leider.
Aber es ist so.
Ich bin auch nur ein Mensch,
sagen Menschen dann.
Und sie haben recht.
Ich kann mir große Ziele stecken.
Vorsätze haben.
Und mich immer wieder
an den Besten orientieren.
Aber ich werde dennoch
nicht immer meinen
und schon gar nicht den
Erwartungen anderer
entsprechen können.
Leider.
Aber es ist so.
Es gibt Besuche,
die trage ich schon viele Monate
- und manche noch länger -
auf meiner To-Do-Liste
mit mir herum.
Aber ich hab's
einfach nicht geschafft.
Bis jetzt nicht.
Genauso wie die Überdachung
für den Pizzaofen
auf dem Pfarrhof,
oder das richtige Dach
über meinem Tomatenbeet.
Oder das Projekt
mit dem Rezeptaustausch,
Omas Rezepte für alt und jung,
oder die Stallnacht
in einem der Ställe
der Agrargenossenschaft.
Es gibt noch mehr
solcher unerledigten
Ideen und Projekte
und Vorhaben.
Ich hab's einfach nicht geschafft.
Bin noch nicht dazu gekommen.
Es kam auch immer was
anderes dazwischen.
Die Pandemie hat viel gebremst.
Es gibt viele Gründe.
Ausreden sind bestimmt auch dabei.
Aber Fakt ist:
Manches ist unerledigt geblieben.
Hab ich einfach nicht geschafft.
Und bald sind die Gelegenheiten,
doch noch das eine oder andere
erledigen zu können,
leider verstrichen.
Ich werde meinen Erwartungen nicht
und schon gar nicht denen anderer
entsprechen können.
Leider.
Aber das trifft ja nicht nur
auf die Arbeit in der Gemeinde
oder an den Projekten
in meinem Garten zu.
Das gehört auch zum Alltag.
Pünktlich da sein...
wie oft habe ich lieben
und liebsten Menschen
schon sagen müssen,
dass ich es einfach nicht eher
geschafft habe.
Dass ich noch nicht
dazu gekommen bin,
etwas zu lesen,
etwas zu schreiben,
etwas zu bearbeiten,
was gestern längst fällig
gewesen wäre.
Einfach nicht geschafft.
Und die Gewissensbisse
nehme ich gleich noch mit,
weil ich es doch gern schaffen wollte,
fest geplant
und im Blick hatte,
aber trotzdem...
man muss sich ja auch mal ausruhen,
man kann nicht immer...
ich bin ja nur ein Mensch...
Vielleicht bin ich dann zwar so,
wie ich sein sollte,
aber irgendwie oft genug
nicht so, wie ich gern
sein wollte.
So ist das Leben.
So ist es, Mensch zu sein.
Und ich bin so,
wie ich bin.
Und eigentlich,
bin ich ziemlich richtig so,
wie ich bin.
Und du auch.
Auch dann,
wenn nicht alles gelingt;
wenn manches unerledigt bleibt
oder unpünktlich ist.
Besser geht immer,
aber wenn ich mir Mühe gebe,
kann ich nicht viel mehr,
als mir eben Mühe zu geben.
Alles andere wäre
nicht viel weniger
als unmenschlich.
Mindestens unfair.
Manchmal muss ich mir also
mein Ungenügen eingestehen.
Und auf ein bisschen
Nachsicht hoffen.
Es war ja auch keine Absicht von mir.
Und von Paulus auch nicht,
der es einfach nicht geschafft hat,
bei allen Reisen und Besuchen,
auch nach Rom zu kommen,
obwohl er längst gewollt hätte
und es schon lange auf dem Zettel hatte.
Selbst Paulus.
Der große Paulus.
Selbst der...
13 Ich will euch eines nicht verschweigen, Brüder und Schwestern: Ich habe mir schon oft vorgenommen, zu euch zu kommen. Aber bis jetzt wurde ich immer daran gehindert. Denn ich wollte, dass meine Arbeit auch bei euch Frucht trägt wie bei den anderen Völkern.
14 Das bin ich allen schuldig – ganz gleich, ob sie Griechen sind oder nicht, gebildet oder ungebildet.
15 Wenn es nach mir geht – ich bin bereit, auch bei euch in Rom die Gute Nachricht zu verkünden.
Aber geschafft
hat er's noch nicht.
Und jetzt setzt er noch einen drauf:
„Aber ich schäme mich nicht“
schreibt Paulus.
„Ja warum denn nicht?“,
frage ich mich.
„Schäm dich,
dass du es noch nicht
nach Rom geschafft hast!“,
könnte jemand sagen.
„Aber ich schäme mich nicht“,
sagt Paulus.
Weil er jemanden kennt,
der das Scheitern auch kennt.
Der weiß, wie das ist,
wenn man den Ansprüchen
anderer nicht gerecht wird.
Wenn man Mensch
unter Menschen ist
und nicht mehr zu geben hat,
als ein Mensch eben geben kann.
Selbst wenn das
schon ziemlich viel ist.
Aber es ist eben nie genug.
Und es gibt einen,
der das weiß
und der das kennt.
Der das selbst erlebt hat.
Der heißt Jesus.
Und der ist gestorben
und dann auferstanden.
Der weiß, wie das Leben ist.
Und dann hat er dem Leben
in den Rachen gegriffen
und herausgeholt,
was schwer zu glauben ist.
Für dich und für mich.
Wenn du es glauben kannst,
dann wäre es eine gute Nachricht.
Ein Evangelium,
für das sich niemand schämen muss.
Denn Jesus weiß,
wie das Leben ist.
Und dass ich es oft genug
einfach nicht schaffe.
Und mich dann traurig
und schuldig fühle.
Und genau deshalb
ist Jesus in alle Schuld,
in Scham und Ungenügen
hinabgestiegen,
um dich und mich
dort rauszuziehen
und dann zu sagen:
„Hier, hier ist Kraft für dich!
Ich nehme dieses Nicht-Genügen
und dein Schuldigfühlen,
das Scheitern und Versagen,
das nehme ich.
Glaube mir.
Und halte dich daran fest.“
Und Paulus nennt das
Gute Nachricht,
Evangelium.
Und ich auch.
Dass Jesus für alle gekommen ist,
die sind wie du und ich:
die scheitern,
obwohl sie sich mühen.
Damit sie sagen dürfen:
„Ich schäme mich nicht.“
So wie Paulus:
16 Denn ich schäme mich nicht für die Gute Nachricht. Sie ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt [...]
Und Paulus erzählt es
überall herum.
In der ganze damals bekannten Welt.
Auch in Rom.
Per Brief.
Weil er es einfach
noch nicht dorthin
geschafft hat.
Erfahren haben sie es trotzdem.
Und wir auch.
17 Denn durch die Gute Nachricht wird Gottes Gerechtigkeit offenbar. Das geschieht aufgrund des Glaubens und führt zum Glauben. So steht es schon in der Heiligen Schrift: »Aufgrund des Glaubens wird der Gerechte das Leben erlangen.«
Das wollte er den
Römern unbedingt sagen.
Auch wenn er es selbst
noch nicht geschafft hat.
Im Römerbrief steht's.
Gut, dass er es geschafft hat,
den zu schreiben.
Jetzt lesen wir es auch.
Dass es diese gute Kraft
des Evangeliums gibt.
Und diese gute Nachricht
für die ganze Welt:
Dass das Leben schwer ist
und Scheitern dazu gehört;
weil ich Mensch bin;
und du auch.
Aber das ist nicht so schlimm.
Eigentlich ist das sogar
in Ordnung.
Denn für dich und mich
und alle, die manchmal
ihren Ansprüchen nicht genügen,
die scheitern oder
hinter den Erwartungen
zurück bleiben -
den eigenen oder denen anderer,
für alle die gibt es gute Nachrichten:
vielleicht gibt sie auch dir Halt,
wie sie mir Halt gibt:
diese Nachricht,
dass aus dem Glauben Kraft wächst,
weil Jesus selbst dem Tod,
dem großen Scheitern des Lebens
ein Schnippchen geschlagen hat
und ich seinetwegen hoffen kann -
dass sich was ändert,
schon jetzt, im Leben,
und dann, danach.
Himmelhohe Hoffnung,
durch die die Kraft Gottes
eintreten kann,
in Seelen und Herzen.
Schämt euch dafür nicht.
Paulus hat es nicht getan.
Und niemand sollte sich
dafür schämen müssen,
dass er eine Hoffnung hat.
Eine Hoffnung darauf,
dass ich gut genug sein kann,
dass ich gut sein kann,
auch wenn ich mir
und anderen nicht genüge.
Eine wunderbare Hoffnung ist das,
die Jesus den Menschen
schenken will.
Denn daraus wächst Kraft -
zum Leben, heute und morgen
und sogar ewig:
für Paulus, für Juden und Griechen,
für mich, und bestimmt
auch für dich.
Durch das Evangelium.
Eine Kraft Gottes.
Der Dichter Kurt Marti
beschreibt das ungefähr so:
„das evangelium kommt in der nacht.
das evangelium geht zu fuß
das evangelium strampelt auf dem rad
das evangelium fährt mit der bahn
das evangelium guckt wolken nach
das evangelium spürt die wärme der erde
das evangelium findet zeit
das evangelium verteidigt igel und bäume
das evangelium nimmt Flüchtlinge bei sich auf
das evangelium fällt und erhebt sich wieder
das evangelium steigt über berge
das evangelium durchschwimmt das meer
das evangelium bleibt neugierig
das evangelium sucht verbündete
das evangelium kann entbehren
das evangelium weiss zu geniessen
das evangelium schürt das feuer der liebe
das evangelium kann wütend machen
das evangelium spürt das traurige
das evangelium spricht subversiv
das evangelium kämpft für das recht der andern
das evangelium feiert und tanzt
das evangelium hat nichts
das evangelium will alles“
[von: Bettina Schlauraff, frei nach Kurt Marti, FB-Predigtkultur, am 21.01.2023]
„das evangelium ist das Antlitz eines Menschen
das evangelium ist das Wort auf dem Schulhof
das evangelium ist das Lob das du dir gibst,
wenn es niemand tut,
das evangelium ist das Loslassenkönnen am Grab
das evangelium ist unterwegs
hier
es geht zu Fuß
sitzt an der Kasse
und wohnt auf deiner Etage
das evangelium sitzt gerade neben dir
vielleicht.“
[von: Bettina Schlauraff, FB-Predigtkultur, am 21.01.2023]
Amen.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: EG 346, 1-3 („Such, wer da will, ein ander Ziel“)
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Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias - 15.01.2023
Predigttext: 2. Buch Mose, Kapitel 33, Verse 18-23
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Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
2. Mose 33, 18-23 nach BasisBibel
18 Mose bat: »Lass mich deine Herrlichkeit sehen!«
19 Da sagte Gott: »Ich will all meine Güte an dir vorüberziehen lassen und den Namen [des Herrn → JHWH] vor dir ausrufen[. Und] ›Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und mit wem ich Erbarmen habe, mit dem habe ich Erbarmen.‹«
20 Weiter sagte Gott: »Du kannst mein Angesicht nicht sehen. Denn kein Mensch kann mich sehen und am Leben bleiben.«
21 Und der Herr fügte hinzu: »Aber siehe, da ist ein Platz in meiner Nähe. Stell dich da auf den Felsen!
22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorüberzieht, will ich dich in den Felsspalt stellen. Solange ich vorüberziehe, werde ich meine Hand über dich halten.
23 Danach werde ich meine Hand wegziehen, und du kannst hinter mir hersehen. Aber mein Angesicht kann man nicht sehen.«
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Manchmal muss ich zum Verstehen
nachsehen.
Wer nicht das Nachsehen haben will,
muss sich vorsehen.
Aber manche Vorsehung
erkennt man erst im Nachsehen.
Um Vorsehen
und Nachsehen,
und um Feststehen
und um Hände
im Vorübergehen.
Um viel mehr geht es nicht.
In diesem Text.
Oder anders:
Um so viel geht es
in diesem Text.
Von Mose und Gott.
Und der Herrlichkeit Gottes.
Und von Mose,
der sehen will.
Alles sehen will.
Alles wissen will.
Verstehen will.
Genau wissen will,
mit wem er es da zu tun hat.
Einen Blick riskieren will,
um den Durchblick zu haben.
Immerhin ist ja viel passiert.
Gezeter und Gezauder
unten am Berg.
Mose lange weg.
Und ein unruhiges Volk,
dass nicht abwarten konnte;
nicht erwarten konnte,
was Mose ihnen bringen würde.
Und lieber allen Schmuck
und Prunk sammelte,
der im Zeltlager
in der Wüste zu finden war,
um daraus ein Kalb zu gießen.
Einen Gott,
den man anfassen
und anschauen konnte.
Um den man tanzen konnte
und der da war und da blieb,
sich nicht in Wolkendunst verbarg,
und manchmal ganz und gar nicht
zu erkennen war.
Und als Mose vom Berg kam,
krachten die Platten
mit den heiligen Worten
zu Boden
und schepperten in tausend Teile,
gleich den Worten,
die dann wie die Fetzen
zwischen ihnen flogen.
Und es wird niemandem gefetzt haben,
was sich dort abspielte.
Schon gar nicht Gott.
Der danach kaum zu besänftigen war.
Ok, einen Engel sende ich
vor euch her.
Das will ich noch machen.
Mehr aber nicht.
Ich gehe nicht mehr mit euch.
Das hatte Gott hören lassen,
nachdem der Tanz ums Kalb
aufgeflogen war.
Mose konnte ihn besänftigen.
Und den Israeliten in der Wüste
wurde klar:
Wer nicht das Nachsehen haben will,
muss sich vorsehen.
Aber als Mose wieder auf dem Berg war
und Gott besänftigt,
da geriet es Mose noch über die Lippen:
Lass mich doch bitte deine Herrlichkeit sehen.
Vielleicht eine dreiste Frage,
nach all den vorausgegangen
Dreistigkeiten,
die gerade erst verklungen waren.
Aber wer will es Mose verübeln!?
Das Volk will einen Gott sehen.
Sie können dich nicht sehen, Gott.
Lass mich dich sehen.
Wenigstens mich.
Dann kann ich ihnen davon erzählen.
Das könnten Moses Gedanken gewesen sein,
als ihm die Frage über die Lippen kam:
Lass mich doch bitte deine Herrlichkeit sehen.
„Wie soll ich sonst dem Volk glaubhaft versichern,
dass Du uns durch die Wüste leitest und begleitest,
woher soll ich sonst das Vertrauen haben,
dass das wirklich Du bist,
der da vor uns her geht.
Deshalb: Lass mich deine Herrlichkeit sehen.“
Und Gott sagt: „Das geht nicht“
[von: Christian Binder, FB-Predigtkultur, 14.01.2023]
Manche Vorsehung
erkennt man erst im Nachsehen.
Und Gott auch.
Das mag nicht immer
leicht auszuhalten sein.
Nicht in diesem Text.
Von Mose und Gott.
Und auch nicht im Leben.
Aber wahr ist es trotzdem.
Denn Mose hört:
»Du kannst mein Angesicht nicht sehen.
Denn kein Mensch kann mich sehen
und am Leben bleiben.«
Ich meine,
schön wäre es ja schon:
Alles sehen.
Alles wissen.
Verstehen.
Einen Blick riskieren,
um den Durchblick zu haben.
Einmal nur die Herrlichkeit
Gottes sehen.
Auf dem Berg stehen.
Wie Mose.
Gott ganz nah.
Beinahe zum Anfassen.
Freilich ist deine und meine Welt
eine andere als die des Mose.
Aber die Umstände
sind vielleicht gar nicht so anders.
Ein unzufriedenes Volk
am Fuß des Berges.
Und Ratlosigkeit macht sich breit.
Und Gott, der so oft
so weit weg erscheint.
Den man oft genug
schon gar nicht verstehen kann.
So dass viele aufhören,
nach ihm zu fragen,
oder ihn zu suchen.
Und weshalb muss immer noch
Krieg sein, in dieser Welt,
und Flucht und Streit und Lügen
und Uneinigkeit über den Frieden,
der so gehen soll oder so,
oder noch ganz anders,
oder gar nicht.
Und den Reichtum besser verteilt
bekommen wir auch nicht –
es wäre dann ja auch kein Reichtum mehr,
wenn alle ein Stück vom Kuchen hätten.
Aber was weiß ich schon.
Wäre schon gut,
alles zu wissen,
alles erkennen zu können.
Am besten,
die Herrlichkeit Gottes.
Damit müssten sich ja
alle anderen Fragen erledigen lassen.
»Du kannst mein Angesicht nicht sehen.
Denn kein Mensch kann mich sehen
und am Leben bleiben.«
Sagt Gott zu Mose. Denn...
Niemand kann alles sehen.
Niemand kann alles wissen.
Niemand kann alles verstehen,
und schon gar nicht genau wissen,
mit wem er es da zu tun hat,
wenn von Gott die Rede ist.
Das kann kein Verstand fassen.
Und kein Herz halten.
Alles ist zu viel für Einen.
Für einen Menschen zumindest.
Aber damit lässt es Gott
nicht bewenden.
Hätte er.
Er hätte es gut sein lassen können.
Zu viel für dich, Mose.
Lass gut sein.
Aber Gott lässt es nicht einfach gut sein.
Er lässt die Dinge nicht einfach,
ohne nicht etwas von sich
hinein zu legen.
Und er legt alles
in diese Begegnung,
dort auf dem Berg,
alles, was ein Mensch fassen kann.
Vielleicht auch alles,
was ein Mensch wissen muss.
All meine Güte, sagt Gott,
soll an dir vorübergehen.
Und ich will meinen Namen dazu
vor dir aussprechen: JHWH.
Ich bin der ich bin.
Ich war der ich war.
Ich werde sein, der ich sein werde.
Vier Buchstaben.
Viele Bedeutungen.
Ich bin der ich bin da.
Oder einfach nur:
Ich bin da.
Und wem ich gnädig bin,
dem bin ich gnädig;
und mit wem ich Erbarmen habe,
mit dem habe ich Erbarmen.
Und dir, Mose, will ich gnädig sein
und mit dir Erbarmen haben
und deiner Bitte nachkommen,
so gut du es ertragen kannst.
Aber damit du nicht das Nachsehen hast,
sie dich vor!
Hier, in der Nische;
mit festem Stand auf Fels;
und meiner Hand,
die dich deckt und schützt.
Diese Bewahrung sehe ich,
dein Gott, für dich vor;
und dann...
kannst du mir nachsehen.
Es hat damit zu tun,
dass ich das Leben zwar
vorwärts lebe,
aber nur rückwärts verstehe.
Ihr kennt das bestimmt.
An meiner Kinderzimmertür,
Zuhause, bei meinen Eltern,
hängt bis heute eine
mittelalterliche Weisheit,
die ich als Jugendlicher
dort angebracht habe:
„Dankbar rückwärts,
Mutig vorwärts,
Gläubig aufwärts.“
Steht dort.
Und vielleicht werde ich
nicht für alles in meinem
Leben dankbar zurückblicken,
aber ich kann im Rückblick
überhaupt erst erkennen,
wofür ich dankbar sein kann
und wo ich vielleicht sogar
Gottes gutes Handeln
in meinem Leben entdecken darf.
Rückwärts.
Im Nachsehen.
Im Nachsinnen.
Im Nachdenken
über mein Leben
und über Gott.
Und dann kann ich ihn
manchmal sehen.
Nicht von Angesicht zu Angesicht.
Das wäre zu viel.
Aber an seinen Spuren
kann ich ihn erkennen.
Im Nachsehen.
Wie Mose auf dem Berg.
Als Gott an ihm vorüberging.
Das lässt sich auch in der
hebräischen Sprache
nachvollziehen.
Wir sagen:
„Das alte Jahr liegt hinter uns,
ein neues Jahr liegt vor uns.
Die Vergangenheit ist hinten,
die Zukunft ist vorne.
Das ist für uns sprachlich vollkommen klar.
Und genau das ist
im Hebräischen umgekehrt.“
[von: Nico Szameitat, FB-Predigtkultur, 13.01.2023]
Die Vergangenheit vorn,
im Blick, sichtbar, deutlich vor mir;
die Zukunft unklar, hinter mir.
Die Vergangenheit kenne ich,
sie liegt vor meinen Augen,
ich sehe sie vor mir.
Aber die Zukunft,
die kann ich noch nicht sehen,
die ist hinter mir
und schaut mir vielleicht
schon über die Schulter.
Gottes Ankündigung:
„Du kannst hinter mir her sehen“
„Du kannst mir nachsehen“,
könnte also meinen:
Du wirst mich in Zukunft sehen.
Du wirst hinterher erkennen, im Rückblick,
wo ich gewesen bin,
wo meine Herrlichkeit war.
[nach: Nico Szameitat, FB-Predigtkultur, 13.01.2023]
„Wir haben seine Herrlichkeit gesehen.“,
schreibt Johannes am Anfang seines Evangeliums.
In Jesus, sagt er,
hat Gott seine Herrlichkeit gezeigt,
hat er sein Gesicht gezeigt,
und wir haben es erst hinterher richtig verstanden.
Und dann erzählt er das erste Wunder, das Jesus tat.
Auf der Hochzeit zu Kanaa
verwandelt er Wasser in Wein.
Wo Jesus ist,
da wird das Leben zum Fest.
Und dieses Fest endet nicht.
Das Leben ist wunderbar.
Feiert es, sagt Jesus.
Und dann geht er zu denen
mit den kleinen Herzen
und den dunklen Geheimnissen.
Zu den Zöllnern
und den anderen Außenseitern.
Er geht zu allen.
Und er lädt sie zum Essen ein
und feiert mit ihnen
und macht ihr Leben
für einen Moment zu einem Fest,
so dass die Menschen hinterher sagen:
„Ich glaube,
ich habe Gottes Herrlichkeit gesehen“.
Und genau so war es schon bei Mose.
Gott sagt dort:
„Ich werde meinen Namen ausrufen.
Und dieser Name lautet:
Ich bin da. Und...
Ich bin barmherzig, auch zu dir.“
Und dann sagt er zu Mose:
Da ist ein Ort bei mir.
Eine Felsspalte.
Birg dich dort.
Und wenn ich an dir vorübergehe,
halte ich meine Hand über dir.
[nach: Nico Szameitat, FB-Predigtkultur, 13.01.2023]
Wenn ich nicht alles wissen kann.
Nicht alles sehen kann.
Weil das zu viel wäre
für einen Menschen.
Dann ist es das,
was ich wissen muss.
Was ich wissen kann.
Mehr muss ich
auch nicht wissen.
Das ist alles,
was ich von diesem Gott
wissen kann.
Diese drei heiligen Versprechen:
Einen festen Ort.
Da kann ich sicher stehen.
21 Und der Herr fügte hinzu:
»Aber siehe, da ist ein Platz in meiner Nähe.
Stell dich da auf den Felsen!
22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorüberzieht,
will ich dich in den Felsspalt stellen.
Und ich habe eine Hand über mir.
Die beschützt mich.
Solange ich vorüberziehe,
werde ich meine Hand über dich halten.
Sagt Gott.
Und den Blick hinterher,
den habe ich auch.
[nach: Michael Greßler, FB-Predigtkultur, 14.01.2023]
23 Danach werde ich meine Hand wegziehen,
und du kannst hinter mir hersehen.
Aber mein Angesicht kann man nicht sehen.«
Gott geht vor mir her.
Das kann ich hinterher erkennen.
Das soll mir reichen,
zumindest für jetzt.
Und es wir die Zeit geben,
wo das nicht reichen muss.
Wenn Gott alles in allem ist,
die Tränen abwischt
und kein Geschrei
und kein Tod mehr sein werden.
Das wird sein.
Darauf freue ich mich.
Aber bis dahin
freue ich mich am Leben.
Und will zusehen,
dass es ein Fest sein kann,
für so viele wie möglich.
Weil Jesus das auch so
gemacht hat.
Und weil ich an ihm
Gottes Herrlichkeit entdecken kann.
Und hoffentlich werden dabei
noch viele einen festen Grund finden,
auf dem sie durch das Leben gehen können
und Geborgenheit,
die Gottes Hände schenken;
und sie könnten im Nachsehen
feststellen:
Dieser Name
ist nicht nur ein Name
und nicht irgendein Versprechen.
Dieser Name ist wahr:
JHWH – ich bin da.
Das ist mein Gott.
Unbegreiflich.
Zu hoch.
Zu groß.
Zu weit.
Und manchmal fällt es schwer
ihn überhaupt zu erkennen.
Aber dann tritt er plötzlich
in mein Leben
und sagt:
Hier, komm her,
hier ist ein Ort bei mir,
der ist dir Zuflucht.
Birg dich hier.
Und gewinne wieder festen Stand,
und Halt unter den Füßen.
Ich halte derweil meine Hand über dir,
ich passe auf dich auf,
damit es dir nicht zu viel wird,
egal was kommt.
Und das Leben ist ein Fest.
Auch du, sollst es feiern,
weil ich es dir geschenkt habe.
Und wenn du mir hinterher siehst,
wenn du mich suchst
und nach mir fragst,
dann wirst du etwas von mir erkennen.
Wie ein Licht,
das dir den Weg leuchtet,
und dich sehen lässt;
und du kannst hinterher erkennen:
Von meiner Fülle
hast du genommen
Gnade um Gnade.
Ich glaube,
dass damit das Leben
besser gelingt:
„Dankbar rückwärts,
Mutig vorwärts,
und Gläubig aufwärts.“
Amen.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, in Christus Jesus, an dem wir Gottes Herrlichkeit erkennen können. Amen.
[SvH 0112, 1-4 (Tragt in die Welt nun ein Licht)]
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Predigt am Epiphaniastag - 06.01.2023
Predigttext: 2. Korintherbrief, Kapitel 4, Verse 3-6
Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
2. Korinther 4, 3-6 nach BasisBibel (BB)
3 Dennoch kann die Gute Nachricht, die wir verkünden, jemandem wie von einem Schleier verhüllt vorkommen. Sie ist aber nur für die Menschen verhüllt, die verloren gehen.
4 Der »Gott« dieser Welt hat die Sinne der Ungläubigen mit Blindheit geschlagen. So können sie das Licht nicht sehen, das die Gute Nachricht bringt. Dieses Licht ist die Herrlichkeit von Christus, der das Ebenbild Gottes ist.
5 Denn wir verkünden nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, den Herrn. Uns hat Jesus nur dazu bestimmt, euch zu dienen.
6 Gott hat einst gesagt: »Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!« Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen. Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten: Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden, die uns in Jesus Christus begegnet.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Sie sollen vom Osten gekommen sein.
Die 3 weisen Sterndeuter.
Aus dem Morgenland.
Dort wo die Sonne eher aufgeht.
Wo man früher das Licht sieht.
Vielleicht sind sie deshalb aufgebrochen,
dem Licht zu folgen.
Vielleicht war es eine Ahnung.
Eine Sehnsucht im Herzen.
Sehnsucht nach Licht.
Ein Licht, das die Welt anders strahlen lässt.
Bunter und heller als der Morgen im Morgenland.
Himmelblau. Liebesrot.
Hoffnunsgrün.
Ewiggold.
Damit der Weg klarer vor mir liegt
und die Füße auch ja nicht
an einen Stein stoßen.
Und sie machen sich auf
und folgen dem Stern.
Machen sich auf Lichtsuche.
Auf Gottsuche.
Die Tradition hat ihnen später Namen gegeben.
Caspar, Melchior und Balthasar.
Und sie hat ihnen sogar unterschiedliche
Richtungen gegeben,
aus denen sie zur Krippe kommen.
Aus dem Süden, von Afrika her,
soll sich Caspar aufgemacht haben.
Melchior aus dem Nordwesten.
Der Türkei, oder noch weiter her,
aus dem Herzen Europas.
Und Balthasar aus den arabischen Ländern
des Ostens, oder gar noch tiefer aus Asien.
Damit die ganze Welt
dem Kind in der Krippe
zu Füßen liegt.
Ihr seid ja heute auch nicht nur,
um im Bild zu bleiben,
Hirten aus Pappendorf.
Da sind welche aus Richtung
Roßwein und Marbach,
mindestens Schmalbach und Berbersdorf hier.
Andere aus Hainichen,
Cunnersdorf oder Kaltofen.
Und wieder andere von Mobendorf,
Goßberg, Riechberg, Bockendorf,
Langenstriegis und manche vielleicht
von noch weiter her.
Aufgebrochen, um das Kind
in der Krippe zu sehen.
Oder zumindest,
um die Erinnerung daran aufzufrischen,
dass in einer solchen Krippe,
vor vielen Jahren einmal
ein Kind lag, dessen Geburt
den Lauf der Welt verändern sollte,
weil in ihm Gott selbst
zu den Menschen kommt.
Oder wie das bei Paulus heißt:
Denn Gott hat einst gesagt:
Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten.
Und dann gibt es Menschen in dieser Welt,
die dieses Licht sehen und ihm glauben.
Die kommen zur Krippe.
Damals und heute.
Weise und Hirten.
Von nah und von fern.
Auf Lichtsuche.
Auf Gottsuche.
Und es gibt leider auch die,
die dieses Licht nicht sehen,
oder nicht deuten können
oder ihm nicht glauben wollen.
"Sie können das Licht nicht sehen,
das die Gute Nachricht bringt."
Sagt Paulus.
Auch damals schon.
Als die Weisen zu Herodes kamen,
war der Stern nicht mehr zu sehen.
Das Licht war weg.
Vielleicht weil Herodes
nur seine eigene Macht im Sinn hatte;
nur sein eigenes Licht wachsen sehen wollte.
Nicht das Licht Gottes.
Kann ja sein,
dass sowas das Licht der guten Nachricht verdeckt.
Ich muss dabei ein bisschen
an all den Lichtsmog denken,
den Menschen in dieser Welt,
vor allem in den Städten produzieren.
Da sieht man auch kaum ein anderes Licht mehr,
schon gar keinen Sternenhimmel.
Das passt doch irgendwie zu einer Welt,
die beständig dabei ist, Gott zu vergessen.
Zumindest in Europa.
Kaum hatten sich die Weisen
vom Palast des Herodes abgewendet,
konnten sie auch den Stern wieder sehen.
Weiter geht sie,
die Lichtsuche.
Die Gottsuche.
Ich glaube, als der Stern über dem Stall stehen bleibt,
und die Weisen eintreten,
erfahren sie, was die Besonderheit dieses Lichtes ist:
Gott hat einst gesagt:
»Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!«
Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen.
Sagt Paulus.
Denn ich glaube,
ich brauche in dieser Welt vielmehr
ein Licht, das sich mit mir
in die Dunkelheit der Welt stellt,
als eines, dass sie einfach verdeckt.
Helle Herzen pulsieren
in der Dunkelheit.
Und es gibt genug Dunkelheit.
In der Ukraine, im Iran,
im Irak, von dem niemand mehr spricht,
in Russland, in China,
aber freilich auch vor der eigenen Haustür
und in unserem Land.
Krankheit, Angst und Schmerz,
ebenso wie Streit,
der immer noch durch Familien geht;
ganz zu schweigen vom lieben Geld
und der bitteren Schere zwischen den Menschen
die es haben und denen, die sich arg mühen,
über die Runden zu kommen.
Gott hat einst gesagt:
»Aus der Dunkelheit soll ein Licht aufleuchten!«
Genauso hat er es in unseren Herzen hell werden lassen.
Damit wir mitmachen können.
Du und ich.
Und alle, die dem Licht der guten Nachricht
glauben können und wollen.
Damit wir mitmachen können.
Damit Lichtsucher
Lichtträger und
Lichtbringer werden.
Gottsucher, Gottbringer.
Wenn wir mitmachen.
Denn Paulus sagt:
Durch uns sollte das Licht der Erkenntnis aufleuchten:
Die Herrlichkeit Gottes sollte sichtbar werden,
die uns in Jesus Christus begegnet.
Das ist der Plan.
Der begann in der Krippe
im Stall von Bethlehem.
Das Kind ist nicht mehr dort.
Es ist mitten unter uns.
Auch jetzt.
Seinetwegen sind die Herzen hell.
Pulsieren in der Dunkelheit.
Und es wird im Herzen bleiben.
Das Licht.
Manchmal werde ich es nicht wahrnehmen.
Es wird von anderem Licht abgelenkt werden.
Es gibt ihn eben,
den Lichtsmog in der Welt.
Aber er wird trotzdem bleiben,
der helle Schein in den Herzen,
den Gott selbst dort hineingelegt hat.
In die Herzen derer,
die zur Krippe kommen.
Als Lichtsucher.
Als Gottsucher.
Und die von der Krippe
hinaus in die Welt gehen
und das Licht mitnehmen.
Wenn die Herzen selbst
zur Krippe werden.
Und helle Herzen pulsieren
in der Dunkelheit.
Die Herzen der Lichtträger.
Der Lichtbringer.
Und Gott selbst
mit ihnen.
Denn Gott hat angefangen
Licht zu machen.
Und er macht weiter.
Er wird nicht aufhören.
Und jetzt…
Jetzt wird es Zeit,
jetzt sind wir gefragt…
macht ihr mit?
Wir machen Licht,
so gut wir können,
dass nicht nur die Herzen,
sondern auch diese Welt hell wird.
Dann muss das Dunkel gehen.
Dann bleibt es hell.
Dann bleibt Gott.
Und Licht.
Und wir.
Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist, als wir begreifen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied: EG 45, 1-2 (Herbei, o ihr Gläubigen)
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