Die Predigten des Jahres 2022
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2022
Predigt am Altjahresabend - 31.12.2022
Predigttext: Römerbrief, Kapitel 8, Verse 31b-39
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Römer 8, 31b-39 nach Luther 2017
Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?
32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?
33 Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht.
34 Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja mehr noch, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und für uns eintritt.
35 Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?
36 Wie geschrieben steht (Ps 44,23): »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«
37 Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.
38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges,
39 weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Römer 8, 31b-39 nach BasisBibel
Wenn Gott für uns ist, wer kann sich dann noch gegen uns stellen? 32 Er hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont. Vielmehr hat er ihn für uns alle in den Tod gegeben. Wenn er uns aber seinen Sohn geschenkt hat, wird er uns dann nicht auch alles andere schenken? 33 Wer kann also Anklage erheben gegen die Menschen, die Gott ausgewählt hat? Gott selbst erklärt sie doch für gerecht! 34 Wer kann uns da noch verurteilen? Schließlich tritt doch Christus Jesus für uns ein – der gestorben ist, mehr noch: der auferweckt wurde und an der rechten Seite Gottes sitzt.
35 Was kann uns von Christus und seiner Liebe trennen? Etwa Leid, Angst oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr oder gar die Hinrichtung? 36 Schließlich heißt es ja in der Heiligen Schrift: »Weil wir uns zu dir bekennen, bedroht man uns täglich mit dem Tod. Wie Schlachtvieh werden wir behandelt.« 37 Doch aus all dem gehen wir als strahlende Sieger hervor. Das haben wir dem zu verdanken, der uns so sehr geliebt hat. 38 Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. 39 Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat – nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
„Die heutigen Jungen haben katastrophale Weltaussichten vor sich.
Die weltweiten Vorräte an Rohstoffen sind innerhalb weniger Jahrzehnte im Raubbau ausgebeutet, das Weltklima möglicherweise irreversibel gestört, die Urwälder werden abgeholzt, die Wüsten dehnen sich aus, Afrika versinkt in Bürgerkrieg und Elend, die Wirtschaftsdiktaturen Lateinamerikas und Asiens werden uns nicht mehr lange als billige Zulieferer dienstbar sein, […] Wirtschaftsflüchtlinge überschwemmen die reichen Länder oder müssen mit harten Polizeimaßnahmen oder hohen EU-Fördergeldern draußen gehalten werden. Die sozialen Verhältnisse im Land sind am Kippen, [...] Gewalt ist – mindestens in den Massenmedien alltäglich geworden. [Für die] Kinder [… sind] freie „Spielräume“ für Bewegung und Kreativität [...] in einer automobilisierten Gesellschaft zu gefährlich. Die Jungen [Menschen] sehen wenig Zukunft und Hoffnung in der Gesellschaft, die wir ihr aufgebaut haben und ihr hinterlassen werden.“
[von: Dr. Maria Widl, 31.12.1997, Göttinger Predigten im Internet, theologie.uzh.ch]
So oder so ähnlich sieht die Welt heute aus.
Jenseits von gut und böse.
Eine Heiden-Angst kann einem das machen.
Wenn ich sehe, wie diese Welt aussieht
und sie so vor Augen geführt bekomme.
Könnte man meinen.
Nur, dass diese einleitenden Sätze
nicht von mir stammen
und auch nicht aus dieser Zeit.
Sie entstammen einer Predigt
über den heutigen Predigttext
von Dr. Maria Widl
am 31.12.1997.
25 Jahre sind diese Worte alt.
Ein viertel Jahrhundert.
Sie könnten auch heute
noch so gesagt sein.
Und ich denke:
„Ach, man möchte gern
schneller und schneller laufen,
aber an der Zeit läuft man
nicht vorbei, solange man
in der Zeit läuft.“
[S. Kierkegaard: Der Einzelne und sein Gott, S. 103]
Manchmal glaube ich,
dass unsere Gesellschaften
dieses Wort Sören Kierkegaards
ein bisschen zu ernst nehmen
und tatsächlich immer schneller
und schneller laufen,
als könnten sie der Zeit entkommen,
an der wir doch nicht vorbeikommen,
solange wir in ihr sind.
Aber an Tagen wie diesen,
die solche antiquierten Namen tragen,
wie „Altjahresabend“,
ist es wohl gut, die Zeit
ganz kurz anzuhalten.
Vielleicht um einen Überblick
zu gewinnen.
Über mein Leben.
Und diese Welt in der ich bin.
Nur, um mich dann fragen zu können,
wo ich im neuen Jahr,
schon morgen, ansetze.
Wie ich weitermache,
inmitten all der Geschichten der Zeit.
Gute Vorsätze für das neue Jahr
sind letztlich nichts anderes.
Sie sind wie Startmarken,
von denen aus ich das neue Jahre
beginnen will,
auch wenn ich jetzt schon weiß,
dass ich vielleicht nicht durchhalten werde.
Trotzdem.
Ich glaube, es lohnt sich,
solche Startmarken zu setzen.
Einen Ausgangspunkt zu haben,
von dem aus ich wieder losgehen kann,
weitergehen kann,
egal wie meine Geschichte
und die Geschichte dieser Welt
in diesem alten Jahr aussah,
das neue Jahr bringt auch die Chance
auf Neues mit.
Also nehme ich eine
überschaubare Strecke in den Blick.
Zurück und nach vorn.
Für jeden und jede sieht dieser
Überblick anders aus.
Ich durfte mit Freunden unterwegs sein
und mit liebsten Menschen,
es gab Rückschläge,
die sich in Segen verwandelt haben,
Tränen und Lachen
lagen in diesem Jahr.
Wohl auch, in den Momenten,
die uns miteinander
verbanden oder entzweiten:
all das Bangen, Fragen und Ungewisse,
als plötzlich Panzer in die Ukraine rollten
und der Krieg nicht einmal
am Heiligen Abend eine Pause machte.
Und all das, was sich auch in unserem Land
und für das Leben jedes Einzelnen
damit verband.
Dazu gute und fragwürdige
politische Entscheidungen,
ein Fußball, der sich nur noch wenig
für das Spiel selbst interessiert;
Korruption auch in den höchsten Gremien,
sogar der EU,
und junge Menschen,
die ihre Zukunft gänzlich schwinden sehen,
weil vielleicht von dieser Welt
nur noch wenig übrig bleiben könnte,
wenn alles so weiter geht
und alle so weiter machen,
wie das eben immer schon war.
Und andere junge Menschen,
die in Ländern leben müssen,
deren Verständnis von Freiheit
nicht weiter reicht als ein
Stecknadelkopf im Kopftuch
einer jungen Frau Platz bietet.
Und dann wird der Rückblick
mindestens nachdenklich
und der Ausblick auch:
Wie kann das gut weitergehen,
wie kann das überhaupt weitergehen,
mit so viel Krieg und Flucht
und Unfreiheit und Zukunftsangst?
Dann sitze ich wie in einer
Gott verlassenen Ecke und grüble:
über den Gegenwind im Leben,
über das fehlende Glück,
über ein verranztes Jahr.
Jenseits von gut und böse.
Eine Heiden-Angst kann einem das machen.
Und Paulus schreibt:
35 Was kann uns von Christus und seiner Liebe trennen? Etwa Leid, Angst oder Verfolgung, Hunger oder Kälte, Gefahr [...]
Vor 2000 Jahren,
als Paulus diese Worte schrieb,
war die Situation
nicht anders als vor 25 Jahren,
als Dr. Maria Widl ihre Zeit beschrieb
und ebenso nicht anders,
als heute,
wenn wir am Altjahresabend 2022
zusammensitzen,
um innezuhalten,
mit Rückschau und Ausblick.
Um mich dann fragen zu können,
wo ich im neuen Jahr,
schon morgen, ansetze.
Wie ich weitermache,
inmitten all der Geschichten der Zeit.
Aus einem Jahr kommend,
über dem stand:
„Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen“;
und doch haben Menschen
Abweisung erfahren;
und vor einem Jahr,
das sagt:
„Du bist ein Gott,
der mich sieht“;
und es wird Menschen geben,
die sich auch im neuen Jahr
nicht gesehen fühlen werden.
Aber Paulus hält der Welt,
die einem eine Heiden-Angst einjagen kann,
etwas entgegen,
etwas gegen die Angst,
das ein guter Ausgangspunkt sein kann,
eine Startmarke,
von der aus ich vielleicht
Hoffnung schöpfen kann
und mir vornehme,
sie im Blick zu behalten,
so lange und so fest wie möglich,
dass ich gewiss werde,
dass das Letzte, das mir
im alten Jahr, und das
Erste das mir im neuen Jahr
begegnen soll,
die Heiden-Angst ganz fern sein lässt,
und dafür etwas anderes ganz nah,
so nah, dass es mich nicht nur umfängt,
sondern sich ganz und gar
mit mir verbunden hat;
so eng verbunden hat,
dass mich nichts und niemand
davon trennen kann:
und das ist Gottes Liebe.
So dass ich hoffentlich ahnen kann,
dass es gar keine gottverlassene Ecke gibt.
Und dann stehe ich am Übergang,
vom alten Jahr zum Neuen
und weiß:
Das letzte Wort, auch im neuen Jahr,
werde nicht ich haben und
werden auch nicht andere haben.
Das Letzte, das wir sehen
und hören werden,
wird die Liebe sein,
die in diesen Worten
des Paulus an die Römer
das letzte Wort hat:
38 Ich bin zutiefst überzeugt: Nichts kann uns von der Liebe Gottes trennen – nicht der Tod und auch nicht das Leben, keine Engel und keine weltlichen Mächte, nichts Gegenwärtiges und nichts Zukünftiges und auch keine andere gottfeindliche Kraft. 39 Nichts Über- oder Unterirdisches und auch nicht irgendetwas anderes, das Gott geschaffen hat – nichts von alledem kann uns von der Liebe Gottes trennen. In Christus Jesus, unserem Herrn, hat Gott uns diese Liebe geschenkt.
Amen.
Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: EG 58, 7-9+11 (Nun lasst und geh'n und treten)
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Predigt am 1. Christtag - 25.12.2022
Predigttext: Kolosserbrief, Kapitel 2, Verse 3 und 6-10
Friede sei mit euch und Gnade von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext: Kol 2, 3.6-10
3 In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis.
6 Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm,
7 verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit.
8 Seht zu, dass euch niemand einfange durch die Philosophie und leeren Trug, die der Überlieferung der Menschen und den Elementen der Welt folgen und nicht Christus.
9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig,
10 und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Sagen wir,
ich stehe an einer Bushaltestelle.
Kein besonders weihnachtliches Bild,
ich weiß.
Aber sei's drum.
Ich stehe an einer Bushaltestelle
in Frankreich.
Ein Wartehäuschen aus Stahl und Glas,
wie man das heute so kennt
baut sich hinter mir auf.
Daneben eine schmale Stange,
an deren Kopf ein Schild
befestigt ist.
Es zeigt die Buslinien, die hier halten:
Linie 1, 2, 3, Linie 14
und irgendein Nachtbus
oder irgendeine Sonderlinie.
Und darüber, in weißen Lettern
auf schwarzem Grund,
in dicken Großbuchstaben
der Name der Haltestelle:
VROMANT.
Ich stehe heute also an dieser
Bushaltestelle,
irgendwo in einem kleinen
Ort der französischen Normandie,
und ich sage:
das ist ein Weihnachtsort.
Und ihr sagt vielleicht:
Eine Bushaltestelle
ist doch kein Weihnachtsort;
Höchstens ein Durchgangsort
auf dem Weg zu den
Weihnachtstreffen.
Aber für manche ist das
eben ein Weihnachtsort -
Menschen auf der Suche,
Menschen in Einsamkeit,
Menschen auf der Flucht,
für die ein Heiliger Abend
nur eine Durchgangsstation
auf der Suche nach einer
besseren Welt ist.
Weil Gott in eine Welt kommt,
der nur all zu oft das
Weihnachtsidyll fehlt,
deshalb passt auch diese spröde
Bushaltestelle,
mit ihren kalten, grauen Farben,
den Eisenstangen und dem Glas,
mitten im tristen Alltagsgrau,
sehr gut als Weihnachtsort.
Kaum anders als der Stall.
Und genau so tauglich
wie dieser Stall,
ist die Bushaltestelle
als Weihnachtsort.
Aber noch viel mehr
taugt ihre Geschichte.
Die Geschichte der Haltestelle
VRAMONT
ist nämlich die Geschichte
von Jeannine Vramont.
Und mein Pfarrkollege
Valentin Winnen erzählt
diese Geschichte ungefähr so:
„Sie liegt in der kleinen Stadt Dieppe.
[Die Haltestelle „Jeannine Vramont“.]
Das liegt in der Normandie, in Frankreich.
Wenn man Menschen fragt, warum diese Haltestelle so heißt,
denken viele: „Ja es wird hier eine Straße geben, die so heißt“.
Aber so ist es nicht.
Die Haltestelle ist benannt nach einer Frau, die in Dieppe lebte.
Eben Jeannine Vromant.
Jeannine Vromant war aber auch keine Prominente.
Irgendwie aus der Geschichte, der Stadt oder so.
Sie war einfach eine einfache, fleißige Frau.
Verheiratet war sie nie. Kinder hatte sie auch keine.
Sie lebte recht zurückgezogen.
Und hat eben fleißig gearbeitet.
Aber ihr Geld …
das hat sie eigentlich nicht wirklich ausgegeben.
Und deshalb hatte sie im gehobenen Alter doch Einiges auf der hohen Kante.
Also keine riesigen Reichtümer.
Reich war sie nicht.
Aber es war am Ende schon eine stolze Summe.
Und … sie hatte einen Plan, was sie mit dem Geld machen wollte.
Manche würden jetzt sagen:
Komm, jetzt im Alter …
lass ich es noch mal krachen und reise um die Welt.
Oder hau das Geld auf den Kopf.
Oder trinke nur noch Eierlikör. Oder so.
Aber nicht Jeannine Vromant.
Als sie 80 Jahre alt geworden war, dachte sie:
„So jetzt wird es Zeit.“
Also ging sie zum Notar, um ihr Testament zu machen.
Und der Notar sagte: „Liebe Frau Vromant. Testament.
Sehr gern, kein Problem.
Haben Sie für Ihr Testament denn etwas vorbereitet?“
Und dann hat sie aus ihrer Tasche lauter Zettel geholt.
Mit Durchgestrichenem und Gekritzeltem.
Und dann sagte sie: Das ist mein Testament.
Alle, die da auf diesen Zetteln stehen,
die sollen `was bekommen, wenn ich tot bin.
Und da auf diesen Zetteln, da hat Jeannine Vromant all die Menschen aufgeschrieben, die ihr im Laufe der Zeit etwas Gutes getan haben.
Wobei sie da jetzt nicht die Namen der Leute aufgeschrieben hat.
Sondern eher so halbe Sätze wie:
Die Frau an der Kasse mit den rosa Haaren,
die mir immer geholfen hat, die Einkäufe einzupacken.
Oder: der Mann beim Finanzamt, der mir geholfen hat, die Papiere auszufüllen.
In Klammern: Er trägt einen Schnurrbart.
Und so weiter.
Insgesamt rund 200 Personen.
[Ihr könnt euch] vorstellen,
dass der Notar die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hat.
Und er hat auch versucht Jeannine umzustimmen:
„Es gibt doch so viele gute Einrichtungen, denen Sie Ihr Geld vererben könnten. Überlegen Sie mal: Die Wohlfahrt, die Kirchen“
… naja. Aber Jeannine sagte: „Nein. Ich will das so, wie ich das will.“
Und dann hat der Notar wahrscheinlich gehofft, dass Jeannine Vromant 130 Jahre alt wird, damit er diese Nachlasssache an seinen Nachfolger weitergeben kann.
Aber so kam es nicht. Jeannine Vromant starb.
Und der Notar musste sich wirklich dran machen,
all die Leute auf den Zetteln ausfindig zu machen.
Das hat rund drei Jahre gedauert.
Und danach ist er auch direkt in den Ruhestand gegangen.
Er musste sich erstmal erholen …
Aber er hat alle Menschen, die Jeannine Vromant in ihrem Testament bedacht hat, tatsächlich ausfindig gemacht.
Unter anderem alle 40 Busfahrer in Dieppe.
Denn Jeannine Vromant hatte in ihrem Testament
alle 40 Busfahrer der kleinen Stadt bedacht.
Man muss wissen:
Jeannine Vromant war nicht besonders gut zu Fuß.
Und das wussten alle Busfahrer.
Und deshalb hielten die Busfahrer für Jeannine Vromant
nicht etwa an der vorgesehenen Haltestelle.
Sondern sie hielten direkt am Haus von Jeannine Vromant.
Und aus Dankbarkeit für diese Freundlichkeit,
bekam jeder Busfahrer
- so wie alle, die im Testament bedacht wurden -
rund 2000 Euro.
Und weil die Busfahrer in Dieppe so gerührt waren davon,
haben sie überlegt, was sie machen könnten.
Und sie haben beschlossen eine Bushaltestelle in Dieppe
nach Jeannine Vromant zu benennen.
Und deshalb heißt die Haltestelle,“
an der ich heute in meiner und eurer Phantasie stehe
„Jeannine Vromant“.
Auf den ersten Blick kein Weihnachtsort.
Kein Ort, wo Himmel und Erde sich berühren,
wie in der Krippe im Stall,
wo Gott zu den Menschen kommt.
Aber wenn man genau hinschaut,
ist es doch ein Weihnachtsort.
Ein Ort, mit viel Himmel,
mitten in der Welt.
Und auch wenn es manchmal schwer ist,
mitten in der Welt den Himmel zu sehen;
und auch wenn man auf der Suche
schon manchmal den Glauben
verlieren kann,
dann geschieht es mitunter doch,
dass der Himmel aufreißt
und das Reich Gottes sichtbar wird,
mitten in der Welt,
an einer kleinen Bushaltestelle
in der französischen Normandie.
Jede und jeder leistet einen Beitrag dazu,
dass das wachsen kann,
was in einem kleinen Stall in Bethlehem
bei Esel und Rind
mit Hirten und Weisen begann.
Dass mehr Himmel wird,
mitten in der Welt.
Oder wie es im Predigttext heute heißt:
3 In ihm liegen verborgen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis. [...]
6 Wie ihr nun angenommen habt den Herrn Christus Jesus, so lebt auch in ihm,
7 verwurzelt und gegründet in ihm und fest im Glauben, wie ihr gelehrt worden seid, und voller Dankbarkeit. [...]
9 Denn in ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig,
10 und ihr seid erfüllt durch ihn, der das Haupt aller Mächte und Gewalten ist.
Und der Friede Gottes bewahre unsere Herzen und Sinne – heute und immer – in Christus Jesus. Amen.
Pred.lied: EG 32, 1-4 (Zu Bethlehem geboren)
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Predigt zur Christvesper - 24.12.2022
Predigttext: Lukasevangelium, Kapitel 2, Verse 1-20
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext:
1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. 2 Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. 3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeglicher in seine Stadt.
4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das judäische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, darum dass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5 auf dass er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger. 6 Und als sie daselbst waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids. 12 Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen. 13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: 14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens. 15 Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über die Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. 19Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
Es war am 4. Advent.
Nicht lange her also.
Da stand ich auf dem Weihnachtsmarkt
in Bockendorf.
Einige von euch vielleicht auch.
Da habe ich einen Engel gesehen.
Nicht im übertragenen Sinne.
Obwohl ich viele solcher Engel
in diesem Jahr gesehen habe.
Die bereitwillig ein Zimmer frei hatten,
als nach einem Hausbrand Obdach
nötig war.
Die gelöscht haben.
Die Wohnraum bereitstellten
und Güter, für Menschen,
die vor Krieg fliehen mussten.
Die ihre Zeit und Kraft gaben,
um zu helfen, beim Vorbereiten,
beim Saubermachen,
an Festtagen oder ganz normalen Tagen,
bei Sitzungen und Bauvorhaben,
mit kleinen, heimlichen Grüßen
auf der Treppe,
oder eben als Helfende
beim Weihnachtsmarkt.
Es sind mir viele solcher Engel begegnet.
Und für jede dieser Begegnungen,
bin ich von Herzen dankbar.
Denn es ist nie selbstverständlich,
einen Engel zu treffen.
Und am 4. Advent,
da habe ich noch einen gesehen.
Er schlich erst ums Feuer,
dort wo die Bockendorfer
Alt-Hirten sich wärmten,
und dann schlich er nicht mehr,
flüsterte auch nicht mehr,
sondern rief,
laut und deutlich:
„Fürchtet euch nicht!“
Mitten hinein in die Dunkelheit,
in den Schein des Feuers,
rief er:
„Fürchtet euch nicht!“
Genau wie in der ersten Heiligen Nacht,
von der Lukas sagt:
8 Es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. 9 Und des Herrn Engel trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr. 10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht!
Es ist kein wohlfeiles taktieren,
keine Durchhalteparole,
kein: „Alles wird gut.“,
oder: „Keine Angst, das wird schon.“
Keine vage Aussicht,
kein Hinhalten.
Es ist ein donnerndes
„Fürchtet euch nicht!“
Und es ist denen hingehalten,
die im Dunkel der Welt
nur einen kleinen Lichtkegel
am Feuer, im engsten Kreis, haben,
hinter dem, schon gleich nebenan,
Einsamkeit wartet.
„Fürchtet euch nicht!“
Von großer Freude
spricht der Engel dann.
Und er spricht eine Einladung aus.
Damals in einen Stall.
Vermutlich konnten die Hirten
es kaum glauben;
aufgebrochen sind sie trotzdem.
Der Engel auf dem Weihnachtsmarkt
sprach auch von guten Nachrichten,
von Freude und von einer Einladung:
heute, zu diesem Gottesdienst,
zur Christvesper.
Er sprach auch davon,
dass etwas neues beginnt.
Das können vielleicht viele
ebenfalls nicht glauben;
aufgebrochen seid ihr trotzdem.
Möglicherweise wegen des Krippenspiels;
oder wegen der Beschaulichkeit
im Kerzenschein der Kirche;
oder wegen der Lieder,
die so schön heimelich und
weihnachtlich sind;
und bestimmt, weil es gute
Tradition ist, die auch nach
zwei sonderbaren Corona-Jahren
nicht einfach so vergeht,
weil sie so alt ist,
wie keiner von uns hier.
Aber vielleicht kommen
am Heiligen Abend ja
auch so viele Menschen
in die Kirchen dieses Landes
und heute hier her,
weil es doch gut ist,
wenigstens einmal im Jahr
etwas zu hören,
dass den Worten der Welt
etwas entgegen hält;
das klingt wie ein donnerndes
„Fürchtet euch nicht!“.
Vielleicht bekommen sie ja
diesmal Fleisch, diese Worte,
werden Fleisch, sagt Johannes,
und wohnen dann unter uns.
Bei dir, bei mir
und dazwischen.
Manchmal flüsternd,
manchmal donnernd:
„Fürchtet euch nicht!“.
Einmal, am Ende des Jahres,
Mut schöpfen für das Neue,
das vor mir liegt,
das Kommende.
„Fürchtet euch nicht!“.
Einmal im Jahr
himmlische Botschaften hören.
Weil der Engel seine Worte
dem Wortschatz der Welt
entgegenhält;
weil sich hier Licht
in die Finsternis mischt;
weil der Angst
Freude angeboten wird;
und Frieden
dem Krieg;
und Menschen des Wohlgefallens
gegen all jene bösen Willens.
Die Worte des Engels in der Nacht,
damals, als Jesus geboren wurde,
über den Feldern von Bethlehem,
sie stellten sich dem Wortschatz
der Welt entgegen.
„Fürchtet euch nicht!“
Ein Licht geht auf über denen,
die im Finstern wohnen.
„Fürchtet euch nicht!“
Die ihr euch jetzt und hier fürchtet:
„Fürchtet euch nicht!“
„Fürchtet euch nicht!
Siehe, ich verkündige euch große Freude,
die allem Volk widerfahren wird;“
sagte der Engel zu den Hirten
auf den Feldern von Bethlehem.
„Hört! Ich habe gute Nachrichten für euch!
Etwas Neues beginnt. Ganz klein.
Aber es wird wachsen
und die Welt verändern!“
sagte der Engel zu den Hirten
auf dem Bockendorfer
Weihnachtsmarkt.
Etwas Neues beginnt.
Ganz klein.
Jedes Jahr versucht es erneut
heranzuwachsen
und groß zu werden,
mitten unter den Menschen.
Mit Jesus hat das angefangen.
Und es ist nach langen Versuchen
wohl vorerst gescheitert.
Könnte man meinen.
Denn niemand wollte das hören,
von der Feindesliebe
und dem Wange-Hinhalten.
Und doch sprechen wir immer noch davon.
Auch nach über 2000 Jahren.
Weil wohl was dran ist,
an dieser Hoffnung für die Welt,
die Frieden verheißt
und Freude.
Auch wenn sie immer noch
so klein ist wie ein neugeborenes Kind
in so kargen Umständen
wie in einem Stall in Bethlehem.
Aber immer noch und immer wieder
donnert der Engel schallender Ruf:
„Fürchtet euch nicht!“
Und sie werden nicht aufhören.
Das glaube ich.
Nein.
Sie rufen weiter:
„Fürchtet euch nicht!“
Bis es dir ins Herze sackt
und dort Mut wächst.
Bis das Kind in der Krippe
deines Herzens liegt
und dort Gott wächst.
Der Friedefürst.
„Fürchtet euch nicht!“
Sondern geht mutig hinaus.
Lasst uns Anfangen,
dass dieses Kind heranwachsen kann.
Dass es endlich wächst
und groß wird in der Welt,
damit es alle hören:
„Fürchtet euch nicht!“
Lasst uns anfangen:
heute mit Liedern und Gesang;
und dann gehen wir los,
wie die Hirten,
die das alles auch noch nicht
ganz glauben konnten,
aber trotzdem losgegangen sind,
eilend;
und ein Kind in einer Krippe fanden,
dann in ihrem Herzen Raum bereiteten
und dort Gott wachsen konnte;
bei den Menschen;
einer von uns;
und die davon anfingen zu reden,
Land auf und Land ab
mit Worten voller Licht
gegen alle Dunkelheiten
in der Welt,
Worte, die wachsen
und den Weg bereiten:
„Fürchtet euch nicht!“.
„Etwas Neues beginnt.
Heute.
Ganz klein.
Aber es wächst.
Und es wird die Welt verändern!“
Lasst uns anfangen.
Mit den Engeln auf den Feldern.
Und denen mitten im Alltag.
Selbst ein Engel sein.
Singend in der Heiligen Nacht
und dann friedenstiftend in all den
unheiligen Tagen und Nächten.
Mit Gesten und Gaben,
mit Zuneigung und Zeit,
mit Worten voller Licht:
„Fürchtet euch nicht!“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alles, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied: EG 13, 1-3 (Tochter Zion)
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Predigt am 2. Advent - 04.12.2022
Predigttext: Hohelied, Kapitel 2, Verse 8-13
Predigt: Hld 2, 8-13
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
8 Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er kommt und hüpft über die Berge und springt über die Hügel. 9 Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter unsrer Wand und sieht durchs Fenster und blickt durchs Gitter. 10 Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! 11 Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin. 12 Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande. 13 Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften. Steh auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her!
Herr, unser Gott, schenke uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.
Es ist Advent.
„Ankunft“.
Ich erwarte „[…] nichts weniger
als die Ankunft Gottes in der Welt.
Die wirkliche Ankunft des großen Gottes.
O Heiland, reiß die Himmel auf!
Herab, herab vom Himmel lauf!
Der König der Ehre.
Dass er einzieht, bei dir und mir.
Dass er Wohnung nimmt.
Auch hier.
Und das wird im Advent
mit ganz unterschiedlichen Texten
der Bibel durchbuchstabiert.
Bis dann an Weihnachten
diese große Erwartung
Gestalt gewinnt.
Ein Gesicht bekommt.
O
Gott, ein' Tau vom Himmel gieß,
Im
Tau herab, o Heiland, fließ.
Ihr
Wolken, brecht und regnet aus
Den
König über Jakobs Haus.
haben wir gesungen.
Den Messias im Haus Jakob,
also dem Volk Israel,
den singen wir herbei.
Weil wir wissen,
weil wir glauben,
dass er schon da ist,
geboren wurde,
Mensch war,
lebte und noch lebt.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
O Heiland, aus der Erden spring.
Das ist Advent.
Er kommt zu dir und zu mir,
der Heiland,
Der Herr der Herrlichkeit
wie ihn ein anderes Lied nennt.
Mit ihm verbindet sich eine Sehnsucht:
Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt,
Darauf sie all ihr Hoffnung stellt?
Die Autoren solcher Adventslieder
und die Autoren der Bibel
ersehnten diesen Advent, die Ankunft
mit jeder Faser ihres Daseins,
bis es geradezu weh tat.
Gott möge kommen
und diese Welt verwandeln.
Er möge auch mich verwandeln
und mein Leben.
Und diese starke Sehnsucht,
trägt etwas in sich:
Ein Adventsgefühl,
eine starke Erwartung,
und ein Gefühl des Aufbruchs
und der Hoffnung,
die beflügelt und lebendig macht.
Das ist Advent!
Zu diesem ungewöhnlichen,
frischen, lebendigen und
beflügelnden Gefühl,
passt ein ungewöhnlicher Text:
Der Predigttext für den 2. Advent.
Aus dem Hohelied,
der Liebeslyrik der Bibel,
Canticum Canticorum
heißt diese Schrift auf Latein,
Lied der Lieder.
Im 2. Kapitel steht:
8 Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er kommt und hüpft über die Berge und springt über die Hügel. 9 Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter unsrer Wand und sieht durchs Fenster und blickt durchs Gitter.
10 Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her! 11 Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin. 12 Die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande. 13 Der Feigenbaum lässt Früchte reifen, und die Weinstöcke blühen und duften. Steh auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her!
Da steckt viel Sehnsucht drin.
Sicherlich: erotische Sehnsucht.
Aber eben auch Advent.
Dort, bei der jungen Frau,
in einem fast dunklen Zimmer,
voller Spannung im Bett liegend,
nur das Mondlicht fällt durch das Fenster.
An Schlaf ist gar nicht zu denken.
Sie erwartet jemanden.
Nein, nicht jemanden,
sondern ihren Liebsten.
Den, den ihre Seele liebt.
Spürt ihr, wie das Herz klopft,
wie sie vor Aufregung gespannt
in die Dunkelheit lauscht.
Ihr Liebster hat sich auf den Weg gemacht.
Er hüpft über Berge und Hügel wie eine Gazelle.
Ich sehe es vor mir.
Gott macht sich auf den Weg,
hüpfend, tanzend – von weit her.
Er kann über Berge und Hügel,
über Täler und Meere,
durch Städte und Dörfer hüpfen, springen.
Es gefällt mir, mir Gott
auch auf diese beschwingte Weise
vorzustellen.
Kennt ihr den Scheinriesen,
Herrn Turtur, aus Jim Knopf?
Auf einer seiner Reisen
mit der Lokomotive Emma,
als sie gerade durch die Wüste fahren,
und sich dabei heillos verirren,
treffen sie auf Herrn Turtur:
Einen Scheinriesen.
Noch ist er weit weg.
Und er wirkt riesig.
Beängstigend groß.
Die meisten ergreifen
da schon die Flucht.
Darum ist Herr Turtur auch sehr einsam.
Doch als Jim und Emma
ihre Angst überwinden
und Herr Turtur näher kommt,
wird er plötzlich,
mit jedem Schritt,
ein bisschen kleiner.
Ob es sich vielleicht mit Gott
und seiner Ankunft
bei dir und mir
ganz ähnlich verhält?
Wenn er am Haus der Liebsten ankommt,
wenn er im Stall ankommt,
hier in dieser Welt,
in deinem und meinem Herzen,
da ist er ganz nahbar,
kein Riese, nicht fremd,
sondern vertraut,
ein Mensch,
wie du und ich.
Ein lang Ersehnter.
Der Geliebte.
Der selbst Liebende.
Dann ist er da.
Nun trennt die beiden
sehnsuchtsvollen Liebenden
nur noch eine dünne Wand.
Siehe, er steht hinter unsrer Wand
und sieht durchs Fenster
und blickt durchs Gitter.
Sagt die Liebende im Hohelied.
Kann das mit Gott und uns
ganz ähnlich sein?
„Du, Nachbar Gott“
hat R.M. Rilke 1899 geschrieben:
„[...]
Nur
eine schmale Wand ist zwischen uns,
durch
Zufall; denn es könnte sein:
ein
Rufen deines oder meines Munds -
und
sie bricht ein
ganz
ohne Lärm und Laut.
[...]“
Ganz nah ist Gott.
Schon hörbar.
Ein Flüstern genügt.
Die Stille ist laut genug.
Siehe, er steht hinter unsrer Wand
und sieht durchs Fenster
und blickt durchs Gitter.
Er sieht dich und mich.
Er sieht hinein.
Er sieht mitten ins Herz.
Dort beginnt er selbst zu sprechen:
Steh auf, meine Freundin,
meine Schöne, und komm her!
Er meint euch,
auch mich.
Allesamt schön!
Schön, einzigartig
und wertvoll, wie Juwelen.
Er lockt.
Er spricht vom Frühling,
der gekommen ist.
Alles bricht jetzt auf.
Sogar die Natur.
O Erd, schlag aus, schlag aus, o Erd,
Dass
Berg und Tal grün alles werd.
So
hieß es im Lied.
Im mitteleuropäischen Dezember
schwer
nachvollziehbar.
Und dennoch:
Wer Anfang Dezember
der alten Barbaratradition folgt
und einen Kirsch- oder Forsythien-Zweig
in die Vase stellt,
darf
an Weihnachten Frühlingsblüten erwarten.
Frühlingserwachen –
an
Weihnachten, im Advent.
Frühlingserwachen.
Ersehntes
Heil blüht auf.
O Erd, herfür dies Blümlein bring,
O Heiland, aus der Erden spring.
Und dieses Heil soll sprießen
und die Sehnsucht danach ist groß.
Nicht umsonst passen die
Barbarazweige gut in dieses Bild,
denn die Heiligen der
vergangenen Zeiten
verstanden ihre mystische
Vereinigung mit Gott
durchaus auch als eine
erotische Sehnsucht,
als liebevolles Verlangen.
Auch die Heilige Barbara
von Nikomedien
aus dem 3. Jahrhundert.
Die Sehnsucht nach Heil ist groß.
Auch in unseren Tagen.
Wer wollte das bestreiten!?
Denn worauf soll man hoffen,
wenn so viel hoffnungslos scheint?
Und nichts bleibt, wie es war?
Nicht einmal eine Deutsche
Fußballnationalmannschaft
in der KO-Runde einer WM.
In der Unsicherheit der Zeit,
wächst die Sehnsucht nach
Geborgenheit.
Das glaube ich zumindest.
Nur, dass die Menschen
vor allem in unseren Breiten
sie immer weniger
im Glauben suchen.
Aber wer weiß,
wie sich alles ändern kann,
kann sich auch das ändern.
Und wie sich die große Sehnsucht
der Liebenden auf den
Geliebten richtet,
kann sich auch
die große Sehnsucht
in den Herzen der Menschen
wieder auf Gott richten.
So, dass erotisches Begehren und Geturtel
gerade die rechte Sprache bieten,
um es in Worte zu fassen.
In dichterisches Schwelgen.
Um auch mich immer neu zu locken,
mich aufzumachen in ein neues Leben,
ein Leben an seiner Seite…
Steh auf, meine Freundin, und komm,
meine Schöne, komm her!
Mit Herzklopfen.
Mit Sehnsucht.
Und einer lockende Stimme.
Advent.
Es wird Zeit aufzustehen,
in dem Bewusstsein,
dass Gott selbst
Sehnsucht hat.
Siehe, er steht hinter unsrer Wand
und sieht durchs Fenster
und blickt durchs Gitter.
Nur
„[…] ein Rufen deines
oder
meines Munds -
und
sie bricht ein
ganz
ohne Lärm und Laut.
[...]“
Ist deine Tür schon offen?
Die dünne Wand eingerissen?
Die Tore deines Herzens weit?
[… dass] in alle Dunkelheit
strahlen hell die Kerzen […]
Hoffnung für die Welt,
dort, wo Menschen zagen!
Welche Last uns auch befällt:
Christus hilft sie tragen; […]
Liebe in der Welt,
dort, wo Menschen hassen!
Wo auf Macht, Besitz und Geld
alle sich verlassen,
wollen wir in allem Tun
uns auf Christus gründen.
[…] Liebe in der Welt,
lasst uns von ihr künden!
Damit auch die,
die nach uns kommen
und Sehnsucht haben,
noch von der Hoffnung wissen
und ihr Glauben schenken:
als die getauften Heiligen,
als Familie Gottes,
die einander zurufen:
„Lass dich nicht vom Bösen überwinden,
sondern überwinde das Böse mit Gutem.“
Steh auf, meine Freundin, und komm,
meine Schöne, komm her!
Ruft der Gott,
der Sehnsucht hat.
Und ich glaube, dass die Nacht,
in der der Liebste vor dem Fenster steht
und seine Stimme vernehmen lässt,
dass diese Nacht Folgen hat.
Bis dahin ist Advent.
A m e n .
[nach der Idee von: Meike Drude, FB-Predigtkultur, 02.12.2022]
Und der Friede Gottes, der größer ist als alles, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Lied: SvH 01, 1-4 (Singet fröhlich im Advent)
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Predigt am Ewigkeitssonntag - 20.11.2022
Predigttext: Markusevangelium, Kapitel 13, Verse 28-37
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Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext: Markus 13, 28-37
28 An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis: Wenn seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. 29 Ebenso auch, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. 30 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 31 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen. 32 Von jenem Tage aber oder der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater. 33 Seht euch vor, wachet! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist. 34 Es ist wie bei einem Menschen, der über Land zog und verließ sein Haus und gab seinen Knechten Vollmacht, einem jeden seine Arbeit, und gebot dem Türhüter, er sollte wachen: 35 So wacht nun; denn ihr wisst nicht, wann der Herr des Hauses kommt, ob am Abend oder zu Mitternacht oder um den Hahnenschrei oder am Morgen, 36 damit er euch nicht schlafend finde, wenn er plötzlich kommt. 37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Wachet!
Der Herr [ER] segne an uns sein Wort. Amen.
Der Winter hat in diesem Jahr
lange auf sich warten lassen.
Jetzt ist er da.
Sogar ersten Schnee
hatte er gleich im Gepäck.
Dieses gütige Weiß,
das sich so zart über die
eigentlich so schmutzige Welt legt.
Kälte zieht jetzt durch die Straßen,
Eis legt sich auf den Asphalt.
Wo noch Laub liegt,
wird es nass und schwer.
Manchmal bilden sich
Eiszapfen an Ästen und Dächern.
Jetzt, wo die Tage immer kürzer werden
und eisiger Wind über die Felder zieht,
will Winter werden.
Der Sommer war sehr groß.
Dieser Herbst einmal nicht
der garstige Onkel,
sondern eher der freundliche,
ältere Bruder des Sommers.
Aber auch der ist nun vorübergezogen.
Novemberwetter.
Jetzt weist es auf das Ende des Jahres hin.
Und im Gepäck hat es gern:
eine Art Novemberblues.
Da liegt der Verdruss näher
als Freude und Hoffnung.
Und warme Gedanken fallen schwerer.
Dann fühlt sich auch meine Seele
ein bisschen an, wie das Wetter,
das in diesen späten Novembertagen
Einzug hält: schwer, wie das Laub,
ein paar Eiszapfen an den Rändern
und kalter Wind, der darüber weht.
Novemberseelen.
Sie brauchen Zuwendung, sie
sehnen sich nach Licht und Wärme,
und manchmal auch
nach einer heißen Schokolade.
Und dann mag es gut sein,
auch gut zu mir selbst zu sein.
Auf dem Sofa
die warme Decke über mich legen.
Ab und an knackt das Feuer
im Ofen vor mir
und eine heiße Schokolade
dampft in der Tasse auf dem Tisch.
Die Seele taut ein bisschen auf
und Erinnerungen tropfen heraus.
In diesen Tagen sind es solche,
die viel mit Wärme zu tun haben,
auch mit Liebe und guten Tagen,
vielleicht auch solchen,
an denen die Sonne schien.
Traurig sind sie trotzdem auch,
weil sie von Menschen erzählen,
die mir jetzt, in den tristen Tagen,
besonders fehlen.
Die Schläfchen auf dem Sofa
mit meinem Großvater,
bei denen ich selten ein Auge zu getan habe.
Oder die Nachmittage im Wohnzimmer
meiner Großmutter, mit der
Promenadenmischung „Struppi“
an meiner Seite und der Titelmelodie
von „Verbotener Liebe“ im Ohr.
Die Heiligen Abende, an denen
mein Opa staunend neben mir stand,
wenn ich die Geschenke auspackte.
Oder das Silvester, als mein Onkel
einen lebendigen Karpfen brachte,
weil meine Mutter doch so gern
Karpfen isst.
Nur dass ihn niemand von uns
schlachten konnte oder wollte.
Also bekam er einen Namen:
„Peter“ und einen Platz in der
Badewanne Zuhause.
Es sind wunderbare Erinnerungen,
die mir auf meinem wohligen
Platz auf dem Sofa
Herz und Seele wärmen.
Aber sie sind auch traurig,
weil mir die Menschen
aus diesen Erinnerungen fehlen.
Meine Erinnerungen sind schon
ein paar Tage alt.
Manches ist bereits verblasst.
Auch das kann schmerzlich sein.
Wenn die Erinnerungen trüber werden,
so wie diese späten Tage im November.
Ihr seid vielleicht auch mit mancher
schon blasseren Erinnerung heute hier.
Andere wieder sind gerade noch sehr frisch.
An Mütter und Väter,
Großväter und Großmütter,
Geschwister und Cousins,
Tanten und Onkel.
Sie fehlen.
Die Erinnerungen sind warm,
aber sie schmerzen auch,
und in ihnen schwingt sanft,
so wie der Rhythmus des
Novemberblues',
ein Sehnsucht nach dem,
was vergangen ist.
Es fällt schwer, zu glauben,
zu hoffen, dass nach der Kälte
und dem Winter, die Bäume
wieder ausschlagen werden,
dass das Grün des saftigen,
frohen und quirligen Lebens
wieder zurückkehren könnte.
Und Jesus sagt:
„28 An dem Feigenbaum aber lernt ein Gleichnis: Wenn seine Zweige saftig werden und Blätter treiben, so wisst ihr, dass der Sommer nahe ist. 29 Ebenso auch, wenn ihr seht, dass dies geschieht, so wisst, dass er nahe vor der Tür ist. 30 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 31 Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen.“
Es ist vielleicht auf das erste
oder auch das zweite Hören
nicht gleich deutlich,
was Jesus mit dem Feigenbaum
sagen will.
Es geht um Hoffnung.
Es geht um Zukunft.
Es geht um Zeichen,
die andeuten,
dass nach den Tagen des
Novemberblues,
nach den kalten, dunklen Tagen,
neues Blühen,
neue Wärme,
sogar neues Leben
in eisig schwere
und in verblassende Seelen
einkehren kann.
Es gibt jemanden,
der vielleicht wie kein Zweiter,
diese Hoffnung in Worte gegossen hat.
Es war Schalom Ben-Chorin,
der 1935 aus Deutschland floh
und mit ansehen musste,
wie Millionen seiner Brüder und Schwestern
von der deutschen Todesmaschinerie
umgebracht wurden.
1942, mitten im 2. Weltkrieg,
schrieb er ein Gedicht,
das heute als Lied wohl
gut bekannt ist.
Es heißt: Das Zeichen
Und es klingt so:
Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt,
ist das nicht in Fingerzeig, dass die Liebe bleibt?
Dass das Leben nicht verging, so viel Blut auch schreit,
achtet dieses nicht gering in der trübsten Zeit.
Tausende zerstampft der Krieg, eine Welt vergeht.
Doch des Lebens Blütensieg leicht im Winde weht.
Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt,
das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg.
[Schalom Ben-Chorin: „Das Zeichen“]
Das ist es, denke ich,
was Jesus seinen Freunden
am Feigenbaum verdeutlichen wollte
und was er meiner Seele
und euren Seelen in diesen
kalten Novembertagen
hinhalten will:
Hoffnung in der trübsten Zeit.
„Freunde, dass der Mandelzweig sich in Blüten wiegt,
das bleibt mir ein Fingerzeig für des Lebens Sieg.“
Nach den dunklen Tagen,
selbst nach den dunkelsten,
und den eisigen Winden des Winters,
werden frische Frühjahrsluft
und Blumenduft zurückkehren.
Auch in Herz und Seele.
So wie der Feigenbaum
wieder saftig wird
und frische Blätter treibt;
so wie der Mandelbaum,
wenn noch letzter Schnee liegt,
schon zartes Rosa
neben das Weiß des Winters legt.
„[...] das bleibt mir ein Fingerzeig
für des Lebens Sieg.“
Dafür lohnt es sich, denke ich,
wachsam zu bleiben.
„Wachet!“ ruft Jesus später im Text.
„Was ich aber euch sage,
das sage ich allen: Wachet!“
Und ich sitze auf dem Sofa
unter meiner Decke,
vor dem Feuer im Ofen,
halte die heiße Schokolade in der Hand
und merke bei mir,
dass ich mir wohl wünschte,
dass sie noch einmal bei mir wären –
die Opas, die Oma, der Onkel –
und wir würden noch eine
Erinnerung dazulegen,
eine warme noch,
die sich bunt und unverblasst
neben die anderen legt.
Aber ich merke auch,
wie ich mir noch viel mehr wünsche,
dass es ihnen gut geht
und dass ich mich fast ein bisschen freue,
dass wir uns – wenn es sein kann –
einmal wiedersehen werden.
Wie das auch immer sein wird.
Und wann das auch immer sein wird.
Jesus sagt:
„32 Von jenem Tage aber
oder der Stunde
weiß niemand,
auch die Engel im Himmel nicht,
auch der Sohn nicht,
sondern allein der Vater.“
Und ich will es auch gar nicht wissen.
Denn ich will glauben.
Und durch den Glauben
kann ich hoffen,
dass ich ihnen dann, irgendwann,
dort beim Herrn,
dass ich ihnen dann,
wenn wir uns wieder begegnen,
einiges zu erzählen haben werde.
Nicht vom Novemberblues,
will ich ihnen dann erzählen.
Das wäre schade.
Sondern von Frühlingswinden,
vom Grün des saftigen,
frohen und quirligen Lebens,
und den wundervollen Blüten
und Früchten, die mir,
auf meinem Weg,
den ich ohne sie
weitergehen musste,
begegnet sind.
Das wird herrlich.
Ganz sicher.
Und bis dahin,
bis dahin
will ich wach bleiben,
und wachsam sein,
dass mir auch nicht eine Blüte entgeht,
von der ich ihnen dann erzählen kann.
Von ihrer Schönheit.
Und von der Mühe,
die ich hatte,
sie zu pflanzen
oder zu pflegen,
oder zu entdecken,
und von der Freude,
die ich hatte,
als ihr Duft
mir in die Nase stieg.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Predigtlied: EG 152, 1-4 (Wir warten dein, o Gottes Sohn)
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Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis - 31.07.2022
Predigttext: Johannesevangelium, Kapitel 6, Verse 1-15
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Lied: EG 304, 1-2 (Lobet den Herren, denn er ist sehr freundlich)
"Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen."
Predigttext: Joh 6, 1-15 (BasisBibel)
1 Bald darauf ging Jesus ans andere Ufer des Sees von Galiläa, der auch See von Tiberias genannt wird. 2 Eine große Menschenmenge folgte ihm. Denn sie hatten die Zeichen gesehen, die er an den Kranken tat. 3 Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen Jüngern nieder. 4 Es war kurz vor dem Passafest, dem großen Fest der Juden. 5 Jesus blickte auf und sah, dass die große Menschenmenge zu ihm kam. Da sagte er zu Philippus: »Wo können wir Brot kaufen, damit diese Leute zu essen haben?« 6 Das sagte er aber, um Philippus auf die Probe zu stellen. Er selbst wusste längst, was er tun wollte. 7 Philippus antwortete: »Nicht einmal Brot für 200 Silberstücke reicht aus, dass jeder auch nur ein kleines Stück bekommt!« 8 Da sagte einer seiner Jünger – Andreas, der Bruder von Simon Petrus: 9 »Hier ist ein kleines Kind. Es hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon für so viele Menschen?« 10 Jesus sagte: »Sorgt dafür, dass die Menschen sich setzen.« Der Ort war dicht mit Gras bewachsen.Dort ließen sie sich nieder, es waren etwa 5000 Männer.11 Jesus nahm die Brote und dankte Gott. Dann verteilte er sie an die Leute, die dort saßen. Genauso machte er es mit den Fischen. Alle bekamen, so viel sie wollten. 12 Als sie satt waren, sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Sammelt die Reste ein, damit nichts verdirbt.« 13 Das taten sie und füllten zwölf Körbe mit den Resten von den fünf Gerstenbroten. So viel war nach dem Essen übrig geblieben. 14 Als die Leute sahen, was für ein Zeichen Jesus getan hatte, sagten sie: »Er ist wirklich der Prophet, der in die Welt kommen soll!« 15 Da merkte Jesus, dass sie bald kommen würden, um ihn mit Gewalt zu ihrem König zu machen. Darum zog er sich wieder auf den Berg zurück – er ganz allein.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Bergerfahrungen.
Manche kennen das bestimmt.
Es ist anstrengend.
Eine Strapaze.
Viele Male habe ich schon gekämpft.
Auf den Cotopaxi hinauf,
einem aktiven Vulkan, in Ecuador.
Vom Fuß bis zum Krater.
Oder auf den Rainbow Mounten
in Peru – über 5000 Meter hoch.
Dort oben ist die Luft dünn,
aber der Blick atemberaubend.
Alle Farben des Regenbogens
quellen aus dem Geröll der Steine
dieser Berge hervor
und geben einen unnachahmlichen Anblick.
Und nicht nur dieser Anblick,
sondern auch der Ausblick,
hält dich –
nur Stehen oder Sitzen und Staunen.
So viel Weite.
Darum macht man das ganze ja.
Wandern.
Berge hinauf.
Berge Erklimmen.
Um dann von oben
weiter sehen zu können.
In alle Richtungen.
Erhabene Momente sind das.
Ich muss dafür gar nicht so weit weg.
Der Keilberg tuts auch.
Oder von Kaltofen oder der Autobahn
Richtung Pappendorf mal stehen bleiben,
nicht gleich ins Tal hinter.
Oder vom Waldrand an der Kappstraße
in Bockendorf über Eulendorf blicken.
Ich muss dafür nicht weit.
Aber ich muss dafür hinauf.
Um solche Erfahrungen zu machen:
Bergerfahrungen.
Es gibt sie in der Bibel immer wieder.
Von dort aus
nehmen Menschen meist
etwas mit, das ihnen zeigt,
wie sie das Leben besser
gestalten können,
wie sie es besser ertragen können,
wie sie das Leben besser tragen kann;
und dass Gott es mitträgt.
Schon auf dem Berg Sinai,
wo Mose die Tafeln mit den 10 Geboten erhält,
und sie von da an das Leben der Israeliten
und bis heute auch unser Leben
begleiten werden.
Aus der Höhe zu den Menschen.
Eine Bergerfahrung.
Dass es Regeln gibt,
die unser Zusammenleben
gestalten sollen,
damit es gut wird.
Auch mit Jesus erleben seine Freunde
einige solcher Bergmomente.
Bergerfahrungen.
Als Mose und Elia plötzlich
neben Jesus erscheinen
und die Freunde gern Hütten bauen würden,
um den Moment festzuhalten,
um dort zu bleiben,
wo es so gut, so himmlisch,
so herrlich ist.
Aber sie dürfen nicht.
Weil Bergerfahrungen vorüber gehen.
Weil sie ihre Besonderheit verlieren,
wenn es die Tiefen nicht gibt.
Weil es ohne Täler und Schluchten
nunmal keine Berge gibt.
Sie gehören zusammen.
Wie Hohes und Tiefes im Leben.
Aber an Bergerfahrungen kann
ich mich halten,
wenn ich gerade einmal tief unten
keinen Weitblick mehr habe,
wenn ich nicht mehr erkennen kann,
wie es weitergeht.
Die Freunde Jesu hatten diesen
Weitblick damals vielleicht auch noch nicht,
als die Menschen sich zu tausenden
um den Berg lagerten
und Jesus fragte, wie man sie
denn satt machen könnte.
Philippus ist Pragmatiker:
Zu wenig Geld für zu viele Leute.
Damit würde man nicht einmal
im Ansatz etwas ausrichten können.
200 Silberstücke,
für damals eine Menge Geld,
aber nicht für diese Menge Menschen.
5000 – und das sind nur die Männer.
Und Andreas, der Bruder des Petrus,
der gibt eher den Schwarzmaler.
Er hat ein Kind gefunden,
das fünf Brote und zwei kleine Fischlein
dabei hat und sogar bereit zu sein scheint,
sie zu teilen;
aber Andreas gibt gleich zu bedenken:
„Was ist das schon,
für so viele Menschen?“
Ich würde ihm gern erwidern:
„Es könnte ein Anfang sein, oder?“
Und Philippus auch.
200 Silberstücke, 5 Brote und 2 Fischlein,
sie müssen wirklich klein gewesen sein,
denn auch der griechische Text
des neuen Testaments benutzt die
Verkleinerungsform: „Opsaria“ – Fischlein;
klein, nagut, mag sein, aber ein Anfang, oder?
Am besten gefällt mir aber dieses Kind.
5 Brote und zwei Fische. Fischlein.
Wer weiß, wo es sie aufgegabelt hat.
Ob die Eltern es am Morgen
damit in den Tag geschickt haben?
Ob es sie über den Tag
bekommen hat?
Wer weiß!?
Aber es scheint keine Bedingungen zu geben.
Hier sind 5 Brote und 2 Fische.
Das ist, was ich habe.
Und mir kommt in den Sinn,
wie Jesus sagt:
„Wahrlich, ich sage euch:
Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind,
der wird nicht hineinkommen.“
Vielleicht sagt er das deshalb,
weil Kinder manchmal so sind:
Arglos, freigiebig, unbedarft.
Kein Berechnen,
kein Taktieren,
kein desillusionierender
Realismus oder Pragmatismus.
Du brauchst etwas,
ich habe etwas;
es ist nicht viel,
aber es ist etwas;
nimm, wenn du magst!
Und Jesus greift zu.
Er dankt und gibt.
Ein Anfang ist gut genug.
Wir werden sehen,
was daraus wird.
Und wir wissen es heute:
Eine Bergerfahrung.
Höher und mehr geht nicht.
Alle werden satt.
5000 – und das sind nur die Männer.
Weil ein Anfang immer ein Anfang ist.
Wie klein er auch sein mag.
Wenn ich mich heute umblicke,
wie auf einem Berg,
und sehe, dass 828 Millionen Menschen
Hunger leiden,
so der neue UN-Bericht,
dann kann ich Philippus sein
und sagen:
Wir haben etwas, aber das richtet nichts aus.
Ich kann Andreas sein
und sagen:
Es gibt da jemanden,
der etwas geben will,
aber es ist klein und wenig;
das richtet nichts aus.
Oder ich kann es wie Jesus halten:
für das Bisschen danken
und einen Anfang machen.
Wir werden sehen,
was daraus wird.
Wir können es heute noch nicht wissen.
Aber wenn ich auf diese Geschichte,
auf diese Bergerfahrung schaue,
dann könnte ich mich daran halten,
dass 5000 – und das waren nur die Männer,
von 5 Broten und 2 Fischlein satt wurden.
So satt, dass 12 Körbe
Überfluss zurückkamen.
Was käme wohl bei 828 Millionen zurück?
Und ist euch eigentlich der kleine Satz
zwischen all den großen Sätzen
in diesem Bibelwort aufgefallen?
Hier, zwischen diesen Sätzen:
10 Jesus sagte:
»Sorgt dafür, dass die Menschen sich setzen.«
Der Ort war dicht mit Gras bewachsen.
Dort ließen sie sich nieder,
es waren etwa 5000 Männer.
Nur ein kleiner Satz:
„Der Ort war dicht mit Gras bewachsen.“
Saftiges, grünes Gras,
dichter Wuchs:
Das klingt wie eine Aue.
Das ist keine Nebensache.
Sondern ein Hinweis.
Ein Fingerzeig.
Als wäre der Psalm 23
die Hintergrundmelodie
dieser Bergerfahrung.
„Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser.“
heißt es dort.
Und die Menschen am Berg
sind plötzlich dort,
wo der gute Hirte aus dem
23. Psalm sie hinführt:
An einem Sehnsuchtsort,
in die Welt des Glaubens,
in der die Vernunft
so oft ins Stocken gerät;
wo die Welt voller Wunder ist,
ganz nahe am Geheimnis,
genau besehen: voller Staunen.
So wie die Freunde
am Ende dieser Bergerfahrung,
wie bei jeder Bergerfahrung
nur staunen können,
über den Überfluss
der plötzlich, einfach da ist,
ohne dass er absehbar
und im Nachhinein völlig erklärbar wäre.
Es geht nicht um's Erklären.
Es geht um's Erleben.
Und dass alles möglich ist bei Gott.
Und dass solche Bergerfahrungen
auch durch Täler tragen.
Und dass sie Zeichen sind.
Wie Gott so viele Zeichen setzt,
die etwas bedeuten.
Die mehr bedeuten,
als nur den einen Moment,
den sie zum Wunder machen.
Und darum setzen wir heute noch solche Zeichen,
die auf Gott hinweisen,
der immer übersteigt,
was wir verstehen können.
Darum gibt es eine Taufe.
Weil sie ein Anfang ist.
Wir werden sehen,
was daraus wird.
Aber es ist ein Anfang.
Und darum gibt es das Abendmahl,
weil es ein Vorgeschmack ist,
ein kleiner Anfang der Ewigkeit
in dieser Zeit, in dieser Zeit.
Es geht nicht darum,
mit menschlichen Maßstäben
zu messen:
kein „Ich hab nicht viel“,
kein „Ich kann nicht viel“.
Keine Philippus
oder Andreas-Denken.
Auch wenn das manchmal
gut und richtig sein mag.
Aber es taugt nicht für den
Wunder-Willen Gottes.
Menschen sagen:
Wir müssen sterben.
Doch Jesus weiß:
Ihr werdet leben.
Dazu braucht es
Lob und Dank,
vielleicht die Arglosigkeit
eines Kindes,
und einen Anfang.
Und ich bin sicher:
Da kommt etwas
aus der Höhe zu den Menschen,
das einen atemberaubenden
Anblick bieten wird.
Vielleicht wird es mit den
Farben des Regenbogens daherkommen
und viele, tausende,
vielleicht noch mehr,
werden satt.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Pred.lied: EG 304, 4-6 (Lobet den Herren, denn er ist sehr freundlich)
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Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis - 24.07.2022
Predigttext: Römerbrief, Kapitel 6, Verse 3-8
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"Gnade sei mit euch und Friede, von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen."
Predigttext: Römer 6, 3-8
3 Ihr wisst doch: Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind einbezogen worden in seinen Tod. 4 Und weil wir bei der Taufe in seinen Tod mit einbezogen wurden, sind wir auch mit ihm begraben worden. Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen.
5 Denn wenn wir ihm im Tod gleich geworden sind, werden wir es auch in der Auferstehung sein. 6 Wir wissen doch: Der alte Mensch, der wir früher waren, ist mit Christus am Kreuz gestorben. Dadurch wurde der Leib vernichtet, der im Dienst der Sünde stand. Jetzt sind wir ihr nicht mehr unterworfen. 7 Wer gestorben ist, auf den hat die Sünde keinen Anspruch mehr. 8 Wir sind nun also mit Christus gestorben. Darum glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Wer in diesen Sommertagen
auf Reisen geht,
und sich womöglich im Süden,
im wohltuenden Schatten
eines Bäumchens niederlässt,
wird beim Blick in die Zweige
vielleicht von gelben Früchten
angelacht.
Aber soweit in den Süden
muss man gar nicht dafür.
Viele haben selbst einen
solchen Baum im Garten.
Manch einer:m wird sich
beim Anblick der Früchte
möglicherweise schon
reflexartig im Mund
alles zusammenziehen.
So sauer ist allein schon der Gedanke.
Wie viel mehr erst die Frucht.
Ihr wisst wovon ich spreche:
Von Zitronen.
Strahlend gelb.
Mit harter Schale
und saftigem, weichem Inneren,
das allerdings wohl nur
sehr wenige Menschen
zum herzhaften Hineinbeißen lockt.
Ja, ich weiß,
sauer macht lustig;
aber man kann ja auch nicht
auf Dauer nur lustig sein.
Dahinter steht freilich
die Erfahrung,
dass Bitteres oder Saures
im Leben manchmal nur
mit einem Lachen
zu ertragen ist.
Aber das liegt auch daran,
dass in jedem Lachen
zugleich ein Zähnezeigen liegt –
sich also auch Ärger
und Angriff im Lachen
verbergen kann.
Etwas weicher –
um nicht zu sagen:
weichgespült –
ist da dieses Gegenwartswort
der Wohlfühlindustrie,
das mir sagt:
„Wenn dir das Leben Zitronen gibt,
mach Limonade drauß!“
Da muss ich manchmal
mit den Augen rollen.
Und die Fußnägel wollen
auch gleich mitmachen.
So banal und platt mutet
das für mich an.
Zumindest auf den ersten Blick.
Zitronen sind sauer.
Das Leben manchmal auch.
Besonders dann,
wenn ich bedenke,
dass das Leben
nicht ohne den Tod
zu haben ist.
Ich weiß schon,
dass Menschen fleißig
auch daran arbeiten,
den Tod zu überwinden –
und ich hoffe inständig,
dass das niemals ganz gelingt.
Es würde nicht nur seinen Reiz verlieren,
sondern auch irgendwie seine Bestimmung;
und wohl auch sehr viel von der Hoffnung,
die gerade darin liegt,
dass es Grenzen gibt,
die ich nicht überwinden kann,
aber glauben darf,
dass es jemand kann –
einer, der größer und mehr ist,
als ich, als wir, als das Leben.
Aber es gibt ja noch mehr,
das das Leben sauer machen kann.
Manches davon ist derzeit
sehr präsent:
Preissteigerung,
Lieferengpässe,
Notfallpläne,
Krieg,
Hitzewelle,
Feuersbrunsten …
die Liste ließe sich
beliebig erweitern.
Gegen vieles davon kann man,
wenn man es sich leisten kann,
Versicherungen abschließen.
Außer vielleicht gegen Krieg.
Aber selbst dann kann eine
Lebensversicherung
vielleicht ganz nützlich sein.
Obwohl es für mich immer
ein bisschen verwirrend klingt:
„Lebensversicherung“.
Als könnte man sich
des Lebens versichern.
Sicher ist ja nur der Tod.
Aber man kann eben draufzu sparen.
Auch nicht schlecht.
Gedacht ist sie eher für die,
die zurückbleiben.
"Damit sie zurechtkommen.
Nicht an der Seele,
aber wenigstens mit Geld."
[von Michael Greßler, FB Predigtkultur, 21.07.2022, 10:20 Uhr]
Das ist ja schon auch vernünftig.
Nur gegen den Tod
gibt es keine Versicherung.
Oder?
Was, wenn es eine gäbe?
Also nicht eine Lebensversicherung,
sondern eine Todesversicherung?
Vielleicht aus Marketing-Gesichtspunkten
nicht der beste Name einer Versicherung,
aber sei's drum.
Und nun schreibt Paulus das Folgende:
3 Ihr wisst doch: Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind einbezogen worden in seinen Tod. 4 Und weil wir bei der Taufe in seinen Tod mit einbezogen wurden, sind wir auch mit ihm begraben worden. Aber Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt. So werden auch wir ein neues Leben führen.
5 Denn wenn wir ihm im Tod gleich geworden sind, werden wir es auch in der Auferstehung sein. 6 Wir wissen doch: Der alte Mensch, der wir früher waren, ist mit Christus am Kreuz gestorben. Dadurch wurde der Leib vernichtet, der im Dienst der Sünde stand. Jetzt sind wir ihr nicht mehr unterworfen. 7 Wer gestorben ist, auf den hat die Sünde keinen Anspruch mehr. 8 Wir sind nun also mit Christus gestorben. Darum glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.
Ganz einfach zu verstehen
ist das nicht.
Vielleicht ja auch,
weil in und hinter diesen Worten
ein so großes, unfassbares,
aber dennoch spürbares Geheimnis liegt:
Eines, das mit Tod und Taufe,
mit Jesus und Leben zu tun hat.
Ein tröstliches Geheimnis:
Denn wenn wir ihm im Tod gleich geworden sind, werden wir es auch in der Auferstehung sein.
Was also, wenn es eine
Todesversicherung gäbe?
Oder anders:
Es gibt sie.
Die Lebensversicherung ist für die,
die am Leben bleiben.
Die Todesversicherung ist für mich,
für dich, für alle, die gehen müssen.
Es braucht nicht viel,
aber etwas einzahlen muss ich trotzdem:
Glauben.
Ohne den geht es nicht.
Dann kann ich sagen:
"Ich gehöre zu Jesus.
Ich bin getauft.
Ich bin mit ihm »zusammengewachsen«,
bin mit ihm ‚verklebt’.
Er ist gestorben.
Ich muß sterben.
Er ist auferstanden.
Und das werde ich auch.
Und ich denke noch an andere [Worte],
an dieses Osterlied von Paul Gerhardt:
»Ich hang’ und bleib auch hangen,
an Christus als ein Glied,
wo sein Haupt durch ist gangen,
da nimmt er mich auch mit.
Er reißet durch den Tod,
durch Welt, durch Sünd, durch Not,
er reißet durch die Höll’,
ich bin stets sein Gesell.«
So ein Geselle möchte ich gern sein.
Wo Christus mich mitreißt.
Sogar durch den Todesstrudel – ins Leben.
Das ist meine Todesversicherung.
Und Eure auch."
[von Michael Greßler, FB Predigtkultur, 21.07.2022, 10:20 Uhr]
Aber es geht im Glauben
ja nicht nur um den Tod,
sondern vor allem um das Leben.
Und dass das Leben auch schön ist
und sein darf.
Das weiß Paulus gut,
wenn er sagt:
Der alte Mensch, der wir früher waren, ist mit Christus am Kreuz gestorben. Dadurch wurde der Leib vernichtet, der im Dienst der Sünde stand. Jetzt sind wir ihr nicht mehr unterworfen.
Jesus hat nicht nur eine
Todesversicherung,
sondern auch einen
Lebensleitfaden.
Und für alles das,
was mir dabei nicht gelingt,
hat er Vergebung –
damit ich es immer wieder
versuchen kann:
es besser zu machen,
mit ihm.
Und die Taufe ist der Anfang.
Lebensversicherung,
Todesversicherung,
Lebensleitfaden.
Mit Jesus verbunden,
„verklebt“ –
und wo er hingeht,
da gehe auch ich hin.
„Jesus lebt,
mit ihm auch ich!
Tod, wo sind nun deine Schrecken?“
Beinahe so,
als hätte da einer aus Zitronen
Limonade gemacht.
Oder wenigstens Zitronenwasser,
dass in solchen heißen Tagen
so unfassbar erfrischt.
Es braucht gar nicht viel.
Nur die Zitronenscheibchen,
die mir das Leben gibt
und etwas Wasser.
[!! Scheiben ins Wasserglas !!]
Füge nun beliebig Liebe Gottes ein,
die zuckersüß sein kann;
[!! Zucker zugeben !!]
und dann gib etwas Geist dazu,
der spritzig und belebend ist.
[!! Mineralwasser dazu !!]
Damit lässt sich sogar
eisige Kälte aushalten.
[!! Eis ins Glas !!]
Et voilà:
„Wenn dir das Leben Zitronen gibt,
mach Limonade drauß!“
Nur, dass der Spruch
so nicht ganz stimmt.
Er müsste lauten:
Auch wenn das Leben
manchmal sauer ist,
Gott hat längst schon
Limonade draus gemacht.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Pred.lied: EG 115, 4-6 (Jesus lebt, mit ihm auch ich)
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Predigt am 3. Sonntag nach Trinitatis - 03.07.2022
Predigttext: Prophetenbuch des Hesekiel, Kapitel 18, Verse 1-4.21-24.30-32
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"Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen."
Predigttext:
1 Das Wort des Herrn kam zu mir:
2 Was ist das für eine Redensart, die ihr bei euch im Land Israels verwendet? Ihr sagt: »Die Väter haben saure Trauben gegessen. Deshalb sind die Zähne der Söhne jetzt ruiniert!«
3 Bei meinem Leben, spricht Gott, der Herr: Niemand in Israel wird diese Redensart noch verwenden!
4 Jedes Leben gehört mir, das Leben des Vaters genauso wie das Leben des Sohnes. Wer von den beiden eine Sünde begeht, der muss sterben.
21 Weiter sagte Gott: Was geschieht jedoch, wenn sich der Frevler von seinen Sünden abwendet? Wenn er meine Ordnungen achtet und nach Recht und Gerechtigkeit lebt? Dann wird er gewiss am Leben bleiben. Er muss nicht sterben.
22 Keines der Verbrechen, die er begangen hat, wird mehr berücksichtigt. Wegen seiner gerechten Taten wird er am Leben bleiben.
23 Ich habe gewiss keine Freude daran, wenn ein Frevler sterben muss. Ich freue mich aber, wenn er sein Verhalten ändert und am Leben bleibt. – Ausspruch von Gott, dem Herrn.
24 Was aber geschieht, wenn ein Gerechter seine Gerechtigkeit aufgibt und Unrecht tut? Wenn er die ganzen Schandtaten begeht, die der Frevler verübt hat? Sollte er dann am Leben bleiben? Von seinen gerechten Taten wird dann keine mehr berücksichtigt. Wegen seiner Vergehen und seiner Sünden wird er sterben.
30 Darum werde ich jeden von euch nach seinem Verhalten beurteilen, ihr Israeliten. – Ausspruch von Gott, dem Herrn – Kehrt um und wendet euch ab von euren Verbrechen! Dann wird es für euch nicht länger einen Anlass zur Schuld geben.
31 Trennt euch von all euren Verbrechen! Verschafft euch ein neues Herz und einen neuen Geist! Warum wollt ihr sterben, ihr Israeliten?
32 Ich freue mich nicht über den Tod von jemandem, der sterben muss. Aber ich freue mich darüber, wenn er umkehrt und am Leben bleibt! – So lautet der Ausspruch von Gott, dem Herrn
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
„Als wir in die große Stadt kam', [...]
was wär'n wir ohne ihn gewesen?
Ohne Falk und seine Straßenflut,
ohne Falk und sein gelb-weißes Blut.
[…]
Aber mit Falk hatten wir freie Fahrt,
von Planquadrat zu Planquadrat.
[…]
Und ohne Falk wüsste ich noch heute nicht genau
zu erklären, wie ich fahre, wenn ich zu dir will.
Dann nehm' ich Falk und bin für einen Augenblick still.“
[Herr Nilsson, Falk, in: Der erste eigene Wasserwerfer, 2000]
Für alle vor 1990 Geborenen,
dürfte „Falk“ noch mehr als ein Name sein.
Er war ein ständiger Begleiter.
Grund für Zank und Zerwürfnisse.
Aber auch ein Garant dafür,
das Ziel zu finden.
Der Falk-Atlas.
Oder die Falk-Straßenkarte.
Heute übernimmt solche
Routenpläne meist das Navi.
Freundlich, aber bestimmt
leitet es durch den Straßenverkehr.
Und ich frage mich:
Egal ob Karte oder Navi,
Falk-Straßenatlas oder
Google-Fahrtassistent,
könnte es nicht hilfreich sein,
für alle Bereiche des Leben
ein solches Navigationssystem zu haben?
Egal wo ich in meinem Leben bin,
es würde mir zeigen, wo es langgeht.
Sackgassen, Flucht- und Um-
und Schleich- und Rettungswege,
alle wären anzeigbar
und einsichtig.
Naja.
Eigentlich gibt es das.
Natürlich denke ich dabei an die Bibel.
Der Prophet Hesekiel
gibt ein gutes Beispiel dafür ab.
Er empfängt als Prophet „Signale von oben“.
Tatsächlich heißt „Prophet“ auf Hebräisch
sogar „Navi“.
Ein bisschen anders geschrieben.
Klingt aber genau wie unser Wort
für das Navigationssystem.
Navi. Heißt: Prophet.
Der Prophet Hesekiel
lebte vor ca. 2500 Jahren
in Babylon,
wo das Volk Israel seit seiner
Entführung durch die Babylonier
leben musste.
Und freilich stellten sich die
Israeliten nach dieser Katastrophe
der Entführung in die Fremde
die Frage: Wer trägt dafür die Verantwortung?
Wer hat uns die Suppe eingebrockt,
die wir hier auslöffeln müssen?
Wer ist schuld? Wie soll es weitergehen?
Und ihre Antwort war:
Wir bezahlen für das falsche Tun der Väter und Mütter,
die sich von Gott abgewendet hatten.
»Unsere Mütter und Väter haben saure Trauben gegessen,
aber uns, den Kindern, sind die Zähne davon stumpf geworden.«
Wir sitzen hier in Babylon,
gefangen und verstrickt in die Schuld derer,
die vor uns gelebt haben.
Sie haben nicht auf Gott gehört.
Sie haben die Route verlassen.
Haben Falk nicht zurate gezogen.
Haben das Navi – oder den Navi –
nicht gefragt.
Dagegen ist nichts zu machen.
Was können wir schon tun?
Und die Frage ist bis heute aktuell.
Als am 2. März 1972 der Club of Rome
einen Bericht mit dem Titel
"Die Grenzen des Wachstums"
veröffentlichte, war ich noch nicht geboren.
Schon damals war klar:
so geht es nicht weiter mit unserer Welt.
Unsere natürlichen Ressourcen sind
in wenigen Jahrzehnten erschöpft.
Es ging damals schon um nichts geringeres
als die Zukunft unseres Planeten.
Und es kam noch viel schlimmer als prophezeit.
Heute gehen Schulkinder auf die Straße
und sie fragen: Wie konntet ihr nur?
How dare you?
Sie werden ausbaden,
was Generationen vor ihnen verbockt haben –
was wir heute tun.
Die Route verlassen.
Den Falk-Atlas ignoriert.
Noch heute tragen sogenannte
Kriegsenkel an den oft traumatischen
Erfahrungen der Großeltern
im Zweiten Weltkrieg.
Und es wird weitergehen.
Was bedeutet der aktuelle Krieg
in der Ukraine für die Zukunft der Kinder dort?
Was bedeutet er für das künftige
Miteinander in Europa?
Für das Verhältnis der Menschen
in der Ukraine und Russland?
Auf all das und mehr
müssen wir Antworten finden.
Ein Atlas wäre gut.
Einer wie Falk.
Noch besser vielleicht
ein Navi.
Und der Prophet Hesekiel erhebt seine Stimme:
„Unter euch gibt es dieses Sprichwort:
Die Mütter und Väter haben saure Trauben gegessen,
aber den Kindern sind die Zähne stumpf geworden.
Dieses Sprichwort gilt nicht mehr in Israel.
So spricht der lebendige Gott.
Von nun an gilt:
Jede Generation, jeder einzelne Mensch
wird danach beurteilt,
was er oder sie tut oder nicht tut.“
Und was sinnvoll ist, zu tun,
das gibt der Prophet gleich mit.
Es steht um die heutige Lesung herum:
Teilt das Brot mit den Hungrigen.
Kleidet die Nackten.
Seid gerecht.
Haltet euch zu Gott.
Übt keine Gewalt.
Und hört auf, die Verantwortung
von Euch wegzuschieben.
Glaubt nicht, dass ihr nichts tun könnt.
Glaubt nicht, dass ihr keine Gabe habt
und keine Aufgabe.
Jede Generation wird für sich
danach beurteilt,
wie sie Gottes Gebote befolgt.
Großväter und Großmütter,
Eltern, Kinder und Kindeskinder.
Wer falsch handelt, soll umkehren.
Nicht eure Vorfahren bestimmen
euer Leben und eure Zukunft.
Ihr selbst seid es.
Gott ist da und gegenwärtig.
Gott fragt jeden einzelnen.
Wie lebst du? Was tust du?
Du bist frei und du bist verantwortlich.
Mache dir ein neues Herz
und einen neuen Geist.
Sagt Hesekiel.
Das, was Jesus über den
verlorenen Sohn erzählt,
gibt das Beispiel dafür.
Falsche Entscheidungen
haben nicht das letzte Wort.
Es ist nie zu spät
für eine andere Richtung,
einen anderen Weg,
auch dann, wenn das
Umkehr, Rückweg, oder
Neuanfang bedeutet.
Eine moderne Navi-Stimme
würde sagen:
„Bitte wenden.
Die Route wird neu berechnet.“
Jede und jeder hinterlässt Spuren im Leben.
Auch im Leben derer, die nach uns kommen.
Das ist und bleibt so.
Weil Menschen aufeinander
angewiesen sind und bleiben.
Weil wir gemeinsam auf dieser Welt leben.
Und manches kann ich nicht
zurücknehmen.
Leider.
Aber ich kann es besser machen.
Denn die Schuld vererbt sich nicht,
sagt sogar Gott selbst
in diesem Wort des Hesekiel.
Wer saure Trauben isst,
dem werden selbst die Zähne stumpf.
Nicht den Kindern und Enkeln.
Die Schuld vererbt sich nicht,
aber die Dynamik der Schuld bleibt,
wenn wir es nicht gemeinsam
anders angehen.
So dass traumatisierende
Kriegserfahrungen
in tränenreiche Geschichten
gegossen werden dürfen,
und nicht in den Menschen
stecken bleiben müssen,
wie es nach dem 2. Weltkrieg oft war.
Wenn wir uns gegenseitig
aus den Trümmern der Kriege
heraushelfen, aufhelfen.
Wenn wir neue Wege des
Wirtschaftens, der Nachhaltigkeit
und der Fairness einschlagen.
Vielleicht halten wir keine
Erderwärmung auf. Mag sein.
Aber nachfolgende Generationen
würden sich vielleicht
auch auf einer wärmeren Erde
nicht die Köpfe einschlagen,
sondern gut und friedlich
miteinander in den Zonen
der Welt leben,
in denen das dann noch
gut möglich ist.
Immerhin würde die
gesamte Weltbevölkerung
bequem sitzend auf
Malta platz haben.
Es geht nicht um
Lebensraum.
Es geht um uns.
Und es geht um Zukunft.
Oder wie Nelly Sachs es
kurz nach dem 2. Weltkrieg
verdichtet hat:
„Wenn
die Propheten einbrächen
durch
Türen der Nacht
und ein
Ohr wie eine Heimat suchten -
Ohr
der Menschheit
du
nesselverwachsenes,
würdest
du hören? […]
Ohr
der Menschheit
du
mit dem kleinen Lauschen beschäftigtes,
würdest
du hören?
Wenn
die Propheten
mit
den Sturmschwingen der Ewigkeit hineinführen
wenn
sie aufbrächen deinen Gehörgang [...]
Wenn
die Propheten aufständen
in
der Nacht der Menschheit
wie
Liebende, die das Herz des Geliebten suchen,
Nacht
der Menschheit
würdest
du ein Herz zu vergeben haben?“
[aus:
Nelly Sachs, Wenn die Propheten einbrächen]
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Pred.lied: EG 326, 1-3.9 (Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut)
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Predigt am Sonntag Quasimodogeniti - 24.04.2022
Predigttext: Kolosserbrief, Kapitel 2, Verse 12-15
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Kol 2, 12-15 (BasisBibel)
12 In der Taufe wurdet ihr mit ihm begraben. Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt. Denn ihr habt an die Kraft Gottes geglaubt, der Christus von den Toten auferweckt hat.
13 Ja, ihr wart tot aufgrund eurer Verfehlungen. Und eure auf das Menschliche ausgerichtete Natur hatte die neue Beschneidung noch nicht empfangen. Aber Gott hat euch zusammen mit Christus lebendig gemacht, indem er uns alle Verfehlungen vergeben hat.
14 Er hat den Schuldschein getilgt, der uns belastete – einschließlich seiner Vorschriften, die gegen uns standen. Er hat ihn ans Kreuz angenagelt und damit beseitigt.
15 Er hat die Mächte und Gewalten entwaffnet und sie öffentlich zur Schau gestellt. Er führt sie im Triumphzug mit, der für Christus abgehalten wird.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
„[...] wir sind nicht imstande,
von dem, was bis jetzt geschehen ist,
auf das zu schließen,
was geschehen kann.“
Das soll der Philosoph Thoreau gesagt haben.
Ein Denker, von dem sich
auch Martin Luther King
inspirieren ließ.
„[...] wir sind nicht imstande,
von dem, was bis jetzt geschehen ist,
auf das zu schließen,
was geschehen kann.“
Das ist freilich
in zwei Richtungen deutbar:
Einmal hieße das,
dass ich gar nicht ahnen kann,
bei allem Schlimmen in der Welt,
das schon geschehen ist,
zu was Menschen noch fähig sind.
Ob die Gräueltaten des 2. Weltkrieges,
mit ihrer mechanischen Vernichtungsindustrie,
das Schlimmste waren,
zu dem Menschen in der Lage sind,
oder ob es nicht noch schlimmer geht.
Ob Butscha den Höhepunkt
der Grausamkeit
von Putins Schergen
in der Ukraine bedeutet,
oder ob es nicht noch schlimmer kommt.
Ob der Krieg auf die Ukraine
begrenzt bleibt,
oder nicht.
„[...] wir sind nicht imstande,
von dem, was bis jetzt geschehen ist,
auf das zu schließen,
was geschehen kann.“
Aber dieser Satz gilt auch
in die andere Richtung.
Gott sei Dank.
Denn ich weiß nicht,
wozu Menschen imstande sein können,
wenn sie wollen
und alles daran setzen.
Ob nicht Gerechtigkeit möglich ist;
und Frieden auch;
und echte Eintracht;
ein Zusammenleben in Nächstenliebe.
Ich weiß nicht,
ob die Bilder, die Menschen
sich ausmalen können,
wenn sie von einer besseren Welt träumen,
nicht auch allesamt wahr werden können:
Der gewaltlose Widerstand eines
Mahatma Ghandi,
ob der nicht gängige Praxis werden kann;
Der Traum eines Martin Luther King,
dass auf den roten Hügel Georgias
einmal die Kinder ehemaliger Sklaven
und ehemaliger Sklavenhalter
gemeinsam an einem Tisch der Brüderlichkeit
sitzen werden.
Ich weiß nicht,
ob das geht.
Ich weiß nicht,
was alles das möglich ist.
„[...] wir sind nicht imstande,
von dem, was bis jetzt geschehen ist,
auf das zu schließen,
was geschehen kann.“
Aber Gott ist imstande.
Und Gott kann.
Darum schrieb ein Schüler des Paulus,
vielleicht an einem Sonntag nach Ostern,
einen Brief an die Gemeinde in Kolossä.
Damit auch die Menschen dort
erfahren was möglich ist.
Was Gott möglich ist.
Und was für die Menschen möglich wird,
die den Möglichkeiten Gottes
Vertrauen schenken wollen.
Eigentlich absurd,
was der Schüler des Paulus
den Christen in Kolossä schreibt:
Ihr seid schon begraben,
aber nicht am Ende eures Lebens,
wenn sie euch zu Grabe tragen,
sondern gleich am Anfang,
als ihr die Taufe empfangen habt.
Als ihr in das Wasser tauchtet,
mit Haut und Haaren,
als man euch den Kopf
unter Wasser hielt,
so dass, hätte man euch nicht
wieder nach oben gelassen,
euer Leben in diesem Wasser
zu Ende gegangen wäre;
das war der Tod,
dem ihr dort begegnet seid.
Und als ihr aufstiegt,
den ersten Atemzug tatet,
weil ihr nach Atem ringen musstet,
da war das der erste Atemzug
in einem neuen Leben,
das aus der Auferstehung lebt -
jener Auferstehung,
die an Christus im Sonnenaufgang
des Ostermorgens Wirklichkeit wurde.
Darum seid ihr in der Taufe
mit Jesus begraben
und mit ihm auferweckt worden.
Das ist das neue Leben.
Ein Leben,
für das die alten Gesetze
nicht mehr gelten.
12 In der Taufe wurdet ihr mit ihm begraben.
Mit ihm wurdet ihr auch auferweckt.
Denn ihr habt an die Kraft Gottes geglaubt,
der Christus von den Toten auferweckt hat.
„[...] wir sind nicht imstande,
von dem, was bis jetzt geschehen ist,
auf das zu schließen,
was geschehen kann.“
Aber Gott kann.
Und er hat am Ostermorgen
einen Anfang gemacht.
Alles was schief gehen kann,
ging am Karfreitag an dieses Kreuz.
Damit es nichts mehr gibt,
was schlimmer werden kann,
als das, was geschehen ist.
Auch wenn Menschen
einander das Schlimmste antun.
Und alle Häme,
mechanische Dienstbarkeit,
alle Grausamkeit,
Herrschsucht,
Unersättlichkeit
und aller Wahn
hängen mit Jesus dort
auf Golgatha,
auf der Schädelstätte,
die den Berg des Todes meint,
den Menschen
und Menschliches
aufzutürmen imstande sind.
13 Ja, ihr wart tot aufgrund eurer Verfehlungen.
Und eure auf das Menschliche ausgerichtete Natur […]
Aber Gott hat euch
zusammen mit Christus lebendig gemacht [...].
Und nach all dieser
Dunkelheit der Welt,
geht eine neue Sonne auf,
die auf alles das leuchtet,
was noch möglich ist;
die auf alles das leuchtet,
was noch geschehen kann.
Weil Gott imstande ist,
von dem, was dort geschehen ist,
am Ostermorgen,
als der Auferstandene
aus den Grabesmauern trat,
weil Gott imstande ist,
auf das zu schließen,
was noch geschehen kann.
Damit Menschen leben können,
mit dem Tod im Rücken
und dem Leben vor Augen.
Damit Menschen leben können,
was sie erträumen
und zu was sie noch gar nicht
imstande sind zu träumen.
Damit sie versuchen,
was sie noch nicht versucht haben.
Und selbst ein zweifelnder Thomas
darf erkennen, das möglich ist,
was er nicht imstande war
zu glauben,
dass es möglich sein könnte.
Neues Land, neues Leben,
wie für die, die dieser Sonntag
im Namen stehen hat:
Quasimodogeniti -
wie die neugeborenen Kinder.
Sie lernen langsam laufen,
wagen behutsam,
stolpernd, allmählich,
erste Schritte
und brauchen Zeit,
bis sie festen Fußes
in diese Welt gehen,
sie erobern und erkunden,
machen Fehler
und beginnen von vorn,
machen es dann hoffentlich besser
und brauchen manchmal dazu
eine stützende Hand,
eine Schulter zum Ausweinen
oder ein gutes Wort.
Manchmal sind da Menschen,
die das schenken.
Aber immer,
das glaube ich,
ist da Gott, der das bereithält.
Und dann gehen sie,
die Kinder,
werden groß
und leben in dieser Welt,
die so viel Neuland bereithält.
Leben, das so noch nicht gelebt wurde;
Neues, das so noch nicht versucht wurde.
Aber du könntest.
Gott weiß, du kannst.
„[...] wir sind nicht imstande,
von dem, was bis jetzt geschehen ist,
auf das zu schließen,
was geschehen kann.“
Aber Gott kann.
Auch in diesen Zeiten,
die sind, wie die unseren.
Wo niemand genau weiß,
was nun gut und richtig ist.
Und welcher der beste Weg ist,
der irgendwie bald wieder
auch einen Frieden garantieren kann.
Und ein schweigen der Waffen in Europa.
Wo niemand imstande ist,
von dem, was bisher geschah,
auf das zu schließen,
was noch geschieht.
Aber ich glaube auch,
dass es möglich ist,
augenscheinlich gegensätzliche
Positionen gleichzeitig einzunehmen,
wenn sie dem Frieden dienen.
Ich kann glauben, dass Waffen liefern
und trotzdem gegen Waffen sein
gleichermaßen richtig sein können;
dass Realismus und Pazifismus
einander nicht ausschließen.
Und wir so weiter hoffen,
dass irgendwann
nie wieder Krieg sein wird
und dass es irgendwann
wirklich wird,
dass wir Frieden schaffen ohne Waffen,
und dass wir uns immer wieder
daran erinnern müssen,
auch wenn die Menschen
in der Ukraine jetzt Waffen brauchen
die sie irgendwann hoffentlich
nie wieder brauchen müssen
und aus den Kanonenrohren der Panzer
taugliche Pflüge für die weiten Felder
dieses herrlich-fruchtbaren Landes
geschmiedet werden können.
So dass möglich wird,
was wir heute kaum imstande sind,
uns auszumalen.
[Auch darum hat Gott...]
14 Er hat den Schuldschein getilgt, der uns belastete [...]
Er hat ihn ans Kreuz angenagelt und damit beseitigt.
Damit ich in den Blick nehmen kann,
was noch möglich ist.
Damit auch ich imstande bin,
mir vorzustellen,
was noch geschehen kann,
obgleich es jetzt noch nicht
geschehen ist.
Und ich ahne:
wer trotz allem
weiter vom Frieden träumt,
wer trotz allem,
auf Gewaltlosigkeit hofft,
wer trotz allem,
gegen die Tendenzen
und Entwicklungen dieser Zeit glaubt,
der lebt aus dem Kreuz
und aus der Auferstehung -
dieser Zumutung Gottes für die Welt
und dieser Verkehrung aller
für unumkehrbar gehaltenen Umstände
des Lebens.
Wer so glaubt,
wird irgendwann einen Triumphzug erleben.
Denn [Gott]...
15 Er hat die Mächte und Gewalten entwaffnet
und sie öffentlich zur Schau gestellt.
Er führt sie im Triumphzug mit,
der für Christus abgehalten wird.
Dieser Triumphzug wird sein.
Ich hoffe, in diesem Leben;
Zeit dafür ist,
denn seit Ostern
habe ich mit der Taufe den Tod im Rücken
und vor Augen ein Leben,
nicht nur auf Zeit,
sondern bis in die Ewigkeit.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
Pred.lied: EG 115, 1.2.4.6 (Jesus lebt, mit ihm auch ich) [spätere Form]
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Predigt am Sonntag Lätare - 27.03.2022
Predigttext: 2. Korintherbrief, Kapitel 1, Verse 3-7
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
2. Korinther 1, 3-7 (BasisBibel)
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist der Vater, der uns Barmherzigkeit schenkt,und der Gott, bei dem wir [Trost] finden.
4 Er ermutigt uns in all unserer Not. Und so können auch wir anderen Menschen in ihrer Not Mut machen. Wir selbst haben ja ebenso durch Gott Ermutigung erfahren.
5 Allerdings wird auch uns in reichem Maß das Leid zuteil, das Christus erlebt hat. Aber genauso erfahren wir in reichem Maß auch die Ermutigung, die er schenkt.
6 Wenn wir in Not geraten, sollt ihr dadurch ermutigt und gerettet werdet. Wenn wir ermutigt werden, sollt ihr dadurch neuen Mut schöpfen. So könnt ihr geduldig dieselben Leiden ertragen, die auch wir ertragen müssen.
7 Wenn wir an euch denken, sind wir sehr zuversichtlich. Denn wir wissen, dass ihr ebenso wie an dem Leiden auch an der Ermutigung Anteil habt.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Na, seid ihr noch ganz bei Trost?
Ist ja irgendwie selten geworden,
die Frage:
„Bist du noch ganz bei Trost?“
Klingt vielleicht etwas altbacken.
Oder fragt das niemand mehr,
weil alle stets und ausreichend
bei Trost sind?
Die Frage ist seit über 1400 Jahren
in unserer Sprache.
Heute höre ich,
wenn mich jemand fragt,
ob ich noch ganz bei Trost bin,
die Frage heraus:
Bist du noch ganz bei Verstand?
Ich würde antworten:
Ja. Ich denke schon!
Ich sehe, was vor sich geht
in dieser Welt.
Es kracht und scheppert
an allen Ecken und Enden.
Spritpreise gleich unter der Decke,
längst über'm Limit,
Sonnenblumenöl auch,
und Weizenprodukte,
Senf wohl bald ebenso;
überall Preissteigerungen,
gerade wenn die eigene Kasse
eh ziemlich auf Kante genäht ist;
das kann einen schon auch
um den Verstand bringen.
Und dann sind da ja noch die
nicht enden wollenden
Coronamaßnahmen,
Masken, Abstand, Hygiene
und bloß nicht zu viel
Gemeinschaft.
Naja, das ändert sich ja zumindest
jetzt allmählich.
Auch wenn ich mich schon
manchmal frage, ob ich das
mit meinem Verstand wirklich
gut fassen kann,
wenn ich die aktuellen Zahlen sehe.
Aber was soll's.
Irgendwas is immer!
Und jetzt ja vielleicht
auch noch solidarisches frieren,
und zusammenrücken?
Aber sag mal:
„Bist du noch ganz bei Trost?“
Ich?
Wieso?
Ach ja, da war ja noch was:
Es ist Krieg.
Es kann ja nicht mehr ganz
bei Verstand sein,
wer das in diesen Tagen vergisst!
Und – meine Meinung –
es kann auch nicht ganz bei Verstand sein,
wer solche Verbrechen verübt.
Aber eigentlich meint die
1400 Jahre alte Frage:
„Bist noch ganz bei Trost?“,
etwas anderes.
Die christlichen Missionare,
die diese Frage stellten,
meinten mit dem Trost
weniger den Verstand,
sondern einen echten Trost.
Den Trost des Glaubens,
den Seelentrost,
die innere Stärke und Festigkeit,
die ich durch diesen Trost erhalte.
Und?
Seid ihr noch ganz bei Trost?
Es ist ja nicht so einfach
mit dem Trost.
»Wenn er kommt,
[… dann] hockt [der] sich
in die Bude und macht nichts …«
»außer, dass er Dir dauernd
Sonnenuntergänge vom Kawohl-Verlag
mit frommen Sprüchen zeigt.
Die sind eigentlich schön.
Aber manchmal auch ein bisschen dicke.
Und dann droht er Dir auch noch
andauernd Umarmungen an.
Dazu benutzt er Deine Freunde.
Ja, er hat seinen Fanclub.«
[von: Peter Michael Schmudde, FB Predigtkultur, 24.03.2022]
»Alle sind plötzlich bei Trost!
Will man denn dauernd bei Trost sein? …
Ach komm,
eigentlich ist es immer ganz nett mit Trost.
Er ist immer da, wenn jemand findet:
„Du brauchst Trost!“
Netter Kerl eigentlich, der Trost.«
[von: Michael Greßler, FB Predigtkultur, 25.03.2022]
Einer aus diesem Fanclub des Trostes
scheint mir Paulus zu sein.
Ein Teil des 2. Korintherbriefes
heißt übrigens Tränenbrief.
Irgendwie passend.
Aber das nur nebenbei.
Hier geht es um Trost.
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er ist der Vater, der uns Barmherzigkeit schenkt, und der Gott, bei dem wir [Trost] finden.
4 Er ermutigt uns in all unserer Not. Und so können auch wir anderen Menschen in ihrer Not Mut machen. Wir selbst haben ja ebenso durch Gott Ermutigung erfahren.
Schreibt Paulus.
Weil er und seine Freunde
durch Gott Trost erfahren,
können sie auch Trost weitergeben
an andere Menschen.
Aber wenn das nur so einfach wäre,
mit dem Trost.
Manchmal sitzt der nämlich
nirgends einfach rum,
reicht erbauliche Worte herüber
und bietet Umarmungen an.
Da fehlt er einfach.
Vielleicht bei den Korinthern
in den Zeiten der Verfolgung?
Vielleicht gerade heute
in Marioupol oder in Kiew,
in den Ruinen und
Luftschutzbunkern?
Manchmal fehlt er einfach.
Und kommt auch nicht.
Da ist niemand bei Trost.
Da fühle ich mich hilflos.
Weil ich nicht helfen kann,
wie ich gern würde.
Weil auch eine kleine Spende
oder größere Überweisung nicht
einfach darüber hinwegtrösten können.
»Weil ich mir gar nicht vorstellen kann,
wie viel Trost gerade nötig ist,
auf einer Bahnhofsbank in Polen.«
[von: Ferenc Herzig, FB Predigtkultur, 24.03.2022]
Da fühlt sich auch ein
einfühlsam zugesagtes:
„Jesus leidet mit dir / mit euch!“
irgendwie kraftlos an.
Obwohl es wahr ist.
Sicher.
„Gott tröstet!“
Sagt Paulus.
Dich und mich.
Und weil das so ist,
können du und ich
auch andere trösten.
Das glaube ich.
Und trotzdem schmeckt es
irgendwie bitter,
heute, am Sonntag „Lätare“
zu rufen: „Freue dich!“
Weil heute, auf dem Weg bis Ostern
eine bisschen Trost dran ist.
Weil wir – Gott sei Dank –
schon auf Ostern vorausblicken dürfen
und wissen,
»Daß das Leben [...] stärker ist als der Tod.
Und daß Jesus mit allen Leidenden
gelitten hat und leidet –
und daß er alles Leid
und allen Tod in Leben verwandelt:
Ja, das ist wahr
und davon lebe ich.«
[von: Michael Greßler, FB Predigtkultur, 25.03.2022]
Aber zwischen Fliegeralarmen
und Raketeneinschlägen,
in den ungewissen Stunden
in Luftschutzkellern,
auf den Matratzen im Flur,
weil die Wände dort
ein bisschen dicker sind
als im Rest der Wohnung,
in Hunger und Angst
oder wenn Menschen
einfach fehlen,
weil sie nicht
– noch nicht oder nicht mehr –
hier sein können,
da sagen sich tröstende Worte
schnell dahin,
ohne dass sie wurzeln schlagen,
Halt finden und geben;
und Freude, naja,
Freude scheint erst recht weit weg.
Ich glaube,
dass Paulus genau diese Erfahrung
kennt und meint,
wenn er in seinem Brief
an die Gemeinde in Korinth
von Ermutigung, von Trost schreibt.
Er weiß um Bedrängnis und Leid.
Verschweigt es nicht
und redet es nicht klein.
Er beschönigt nichts.
Da ist Not, in die wir geraten.
Auch Leid.
Das ist so.
Leider.
Und auch ich kann
gegen die Not in der Ferne,
in den ukrainischen Kellern,
Häusern und Straßen
nicht viel tun.
Ich muss es in Gottes Hände legen,
die mehr tun können als ich.
Das glaube ich.
Ein kleiner Trost.
Der mich vielleicht nicht umarmt,
aber mir die Hand hält.
Der nicht viel sagt,
eher schweigt,
wie die Freunde Hiobs,
aber da ist.
Ein bisschen Wärme
aus einer kleinen Hand,
die meine Hält;
und mich weiter zieht,
mich nicht stehen bleiben lässt,
bei all dem Leid
und der Trostlosigkeit,
sondern die mich
noch einen Schritt gehen lässt,
den Schritt,
den es für die Hoffnung noch braucht.
Damit Freude wieder
zumindest am Horizont glitzert,
auch wenn das noch weit weg ist.
So ist „Lätare“.
Das kleine Osterfest.
Mitten in der Fastenzeit.
Damit ich,
wenn es schwer ist,
noch ein bisschen durchhalte,
den nächsten, nötigen Schritt gehen kann,
bis Ostern.
Damit ich bei Trost bleibe.
Und er bei mir.
Der Tröster,
der selbst am Kreuz erfahren hat,
wie es ist, wenn alles trostlos ist.
Im Leiden. Ohne Trost.
Und dann ist er gestorben.
Trostlos.
3 Tage lang.
Es blieb nicht dabei.
Gott sei Dank.
Es bleibt nie dabei.
Kannst du das glauben?
Die christlichen Missionare,
die die Frage erfanden:
„Bist du noch ganz bei Trost?“
meinten genau das:
Den Trost des Glaubens,
den Seelentrost,
die innere Stärke und Festigkeit,
die ich durch diesen Trost erhalte.
Damit ich anderen
ein bisschen Halt geben kann
und wir einander halten,
um durchzuhalten,
bis das Glitzern am Horizont
nicht mehr nur eine Hoffnung ist,
sondern Freude einzieht
wie helllichter Tag.
Dann wird der Trost ein Riese sein.
Aber bis dahin,
lass dich von diesem Trost,
der dich bei der Hand nehmen will,
noch ein paar Schritte ziehen.
Auch dann,
wenn er dir wie ein Zwerg erscheint,
weil dein Verstand dir sagt,
dass es an allen Ecken und Enden
kracht und scheppert
und ja wohl kaum noch jemand
so recht bei Trost sein kann.
Seid ihr noch ganz bei Trost?
Ich wünsche es euch!
Dass Trost bei euch wohnt,
manchmal dick aufgetragene
Sprüche mit Sonnenuntergängen
hinhält und Umarmungen;
oder aber auch nur
ganz unscheinbar und klein,
eure Hand nimmt,
wie eine gute Macht,
treu und still,
damit ihr noch einen Schritt
gehen könnt,
vielleicht auf den Nächsten zu,
wer weiß, ob nicht
in dieser Begegnung schon
ein kleiner Moment
der Freude liegt:
„Lätare“ - „Freue dich!“
Dass du die Angst
vor der Zukunft ablegen darfst,
weil es einen gibt,
der Zukunft für dich und mich hat;
einer der ermutigt und tröstet,
damit du und ich andere
ermutigen und trösten können.
Weil
»das Leben [...] stärker ist als der Tod.
Und [...] Jesus mit allen Leidenden
gelitten hat und leidet –
und [...] er alles Leid
und allen Tod in Leben verwandelt«
[von: Michael Greßler, FB Predigtkultur, 25.03.2022]
Deshalb bin ich bei Trost.
Deshalb will ich auch
zu diesem Fanclub
des Trostes gehören,
wie Paulus,
und bei Trost bleiben,
auch und gerade für die,
die heute und morgen
trostlos sind.
Ja, ich bin bei Trost.
Gott sei Dank.
Ihr auch?
Von
guten Mächten wunderbar geborgen
Erwarten
wir getrost, was kommen mag.
Noch
will das Alte unsre Herzen quälen
Noch
drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach
Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
Das
Heil, für das du uns bereitet hast.
Von guten Mächten treu und still umgeben
Behütet und getröstet wunderbar
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Pred.lied: EG 65, 1.3.4 mit Ref (Str. 7) (Von guten Mächten)
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Predigt am Sonntag Reminiszere - 13.03.2022
Predigttext: Matthäusevangelium, Kapitel 26, Verse 36-46
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Predigttext: Mt 26, 36-46
36 Da kam Jesus mit ihnen zu einem Garten, der hieß Gethsemane, und sprach zu den Jüngern: Setzt euch hierher, solange ich dorthin gehe und bete.
37 Und er nahm mit sich Petrus und die zwei Söhne des Zebedäus und fing an zu trauern und zu zagen.
38 Da sprach Jesus zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wachet mit mir!
39 Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht, wie ich will, sondern wie du willst!
40 Und er kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend und sprach zu Petrus: Konntet ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?
41 Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt! Der Geist ist willig; aber das Fleisch ist schwach.
42 Zum zweiten Mal ging er wieder hin, betete und sprach: Mein Vater, ist’s nicht möglich, dass dieser Kelch vorübergehe, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!
43 Und er kam und fand sie abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf.
44 Und er ließ sie und ging wieder hin und betete zum dritten Mal und redete abermals dieselben Worte.
45 Dann kam er zu den Jüngern und sprach zu ihnen: Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überantwortet wird.
46 Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
[...]
[Predigtschluss:]
Mich fasziniert dieser Jesu,
dort im Garten Gezemane,
in der Nacht,
in seiner vielleicht einsamsten Stunde,
mit seinem tastenden Vertrauen auf Gott,
seinen Vater;
wie er aushält,
dem entgegen sieht, was kommt,
auch Angst hat,
auch müde ist,
aber wacht und betet
und stand hält,
auch gegen die Versuchung,
die ganze Sache abzublasen,
abzuhauen,
irgendwo neu anzufangen,
nicht ans Kreuz zu gehen.
Aber nicht wie ich will, Vater,
sondern wie du willst.
Auch wenn ich nicht immer verstehe,
warum das alles so sein muss.
Auch jetzt.
Aber ich weiß,
ich habe diesen Jesus im Rücken,
gleich hinter dem nächsten Baum
in der Dunkelheit,
wacht er mit mir
und betet für mich.
Wie er zu Petrus einmal sagt:
Ich habe für dich gebetet,
dass dein Glaube nicht aufhöre.
Damit keine*r von uns aufhört,
auf den Frieden zu hoffen,
den Frieden der von Gott kommt
und der neue Menschen werden lässt,
Menschen des Friedens,
die in der Osternacht den Sieg
über all die Mächte des Todes erringen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: EG 83, 1.4.6 („Ein Lämmlein geht“)
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Predigt am Sonntag Invocavit - 06.03.2022
Predigttext: 2. Korintherbrief, Kapitel 6, Verse 1-10
Mit dem nachstehenden Player können Sie die Predigt direkt anhören.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
2.
Kor 6, 1-10
2 Denn er spricht (Jesaja 49,8): »Ich habe dich zur willkommenen Zeit erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.« Siehe, jetzt ist die willkommene Zeit, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!
3 Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit dieser Dienst nicht verlästert werde;
4 sondern in allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Bedrängnissen, in Nöten, in Ängsten,
5 in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhr, in Mühen, im Wachen, im Fasten,
6 in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im Heiligen Geist, in ungefärbter Liebe,
7 in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken,
8 in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig;
9 als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet;
10 als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben und doch alles haben.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Fjiodor sitzt in einer Zelle.
Gestern noch hat er laut gerufen,
ja geschrien -
da ist laut geworden und aufgebrochen,
wofür sein Herz brennt.
Mitten in einer russischen Stadt.
Mitten auf einem großen Platz.
Einige wenige, andere waren mit.
Dann kamen viele, mit Helmen und Schilden,
Schlagstöcken und Schutzwesten,
viele, die die wenigen gefangen nahmen,
rücksichtslos, rigoros.
Jetzt sitzt Fjiodor in einer Zelle.
Mit dem Fingernagel ritzt er in die Wand:
„[niet vaiini]“
- kein Krieg -
Alina steht an einer Treppe.
Irgendwo in einer kleinen Stadt.
Mitten in der Ukraine.
Sie trägt eine Kiste die Treppe hinauf.
Vorräte, für die, die helfen,
die, die da bleiben, die, die kämpfen.
Umzingelt vom Angriff.
Bomben explodieren in der Ferne.
Sie sitzen in der Falle.
Aber sie geben nicht auf.
An der Hauswand neben dem Treppenaufgang
steht in Großbuchstaben:
„[ni viyni]“
- kein Krieg -
Aber es ist Krieg.
Ein Krieg,
den hier niemand wollte
und gegen den sie sich
mit allen Kräften wehren.
Paul sitzt auch in einer Zelle.
Das ist lange her.
Er hat den Mund zu weit aufgemacht.
Zu viel gesagt, was viele nicht hören wollten.
Dann haben sie ihn weggebracht.
Immerhin, er hat Feder und Papier.
Er kann schreiben, an Freunde, Bekannte,
die ganze Welt, damals, vor 2000 Jahren.
Er weiß, dass es gerade schwer ist, für viele.
Manchmal hat er das schon gesagt:
Es ist wie Krieg.
Der tobt, hier in dieser Welt
und in der unsichtbaren auch.
Er kennt das selbst.
Bedrängnisse, Nöte, Angst,
Schläge, Gefängnis, Aufruhr,
Mühe, Wachen, Fasten.
Und da muss er an Jesus denken,
diesen Jesus, auf den er alles gesetzt hat,
von dem er sich alles erhofft.
Er muss daran denken, wie Jesus in der Wüste war:
40 Tage, verbrachte er dort,
bevor er sich aufmachte,
den Menschen von Gottes Reich zu erzählen.
Dort, in der Wüste,
begegneten ihm Versuchungen und Herausforderungen
- teuflisches, wenn man so will.
Das hat viele Gesichter in dieser Welt.
Auch Autokraten, Kaltherzigkeit und Ignoranz
können solche Gesichter sein, denke ich.
Und Jesus führt Paul und mit ihm auch mir,
in seiner Versuchungsgeschichte
ein klares, unumwundenes, deutliches "Nein"
zu allen diesen Fratzen des Bösen vor Augen.
Wie mit Fingernägeln in eine Wand geritzt,
wie mit Großbuchstaben an die Wand gesprüht,
aus tiefsten Herzen:
„Kein Krieg“.
Ich kann der Not und der Angst
und all den Übeln etwas entgegen halten,
sagt Paul, den heute fast alle als Paulus kennen.
Ich kann etwas dagegen halten:
Lauterkeit,
und Erkenntnis
und Langmut,
und Freundlichkeit,
und Heiligen Geist
und Liebe,
echte Liebe,
und Wahrheit,
und Kraft Gottes,
und Waffen der Gerechtigkeit.
Eine nette Liste des Widerstandes.
Schöne Worte. Aber was heißen sie?
Welches Bild ergibt sich für einen Menschen,
der diese Liste beherzigt?
Ein Mensch, der sich dann und so
als Diener*in Gottes erweist?
Vielleicht dieses Bild:
Ich sehe einen Menschen, der sich den Anstand bewahrt,
Höflichkeit und Zuvorkommen gegen jede und jeden aufbringt,
auch gegen sich selbst.
Das ist Lauterkeit.
Ich sehe einen Menschen, der sich Mühe gibt,
auch die Vielschichtigkeit dieser Welt zu verstehen,
der nicht blind in alles hineinrennt
und oft genug mehr Fragen hat, als Antworten
und noch seltener einfache Urteile.
Das ist Erkenntnis.
Ich sehe einen Menschen,
der geduldig ist und aushält
und tatsächlich einen langen Atem,
langen Mut beweist, Durchhaltevermögen,
mit eigener Widerstandskraft und mit der anderer zusammen.
Das ist Langmut.
Ich sehe einen Menschen, der anderen ein Lächeln schenkt,
der ins Gebet geht und tröstet,
auch wenn es selbst gerade schwer ist;
ein Mensch, der sich Begeisterung bewahrt,
auch wenn gerade alles wenig oder gar nicht begeisternd ist;
ein Mensch, der liebt, auch über Hindernisse,
Unterschiede und Grenzen hinweg, sogar Feinde.
Das sind Freundlichkeit, Heiliger Geist und Liebe.
Vielleicht die Grundkräfte des Glaubens.
Und dann sehe ich schließlich einen Menschen,
der versucht auszusprechen und bei dem zu bleiben,
was wahr ist; sich nicht verstrickt,
in die Netze der Lügen und waghalsigen Theorien,
der Augenwischerei und Ideologien,
die Menschen gegeneinander in Stellung bringen.
Ein Mensch, der vertraut,
auf die gute Kraft, die hinter allem
und durch alles hindurch in dieser Welt wirkt,
die Kraft Gottes, die Gottes Reich mehr und mehr
schon in dieser Welt Wirklichkeit werden lassen will.
Gemeinsam mit dir und mir.
Nicht mit Gewalt und Waffen,
ohne Eroberungskämpfe und Angriffskriege,
sondern mit den scharfen und eindeutigen Waffen der Gerechtigkeit,
mit denen vielleicht gerade jetzt,
in diesen vergangenen 11 Tagen des Krieges in der Ukraine,
die ganze westliche Welt zusammengerückt ist:
hinter den Waffen der Gerechtigkeit,
die manchmal ohnmächtig wirken können,
aber eine Macht haben, die kaum zu überschätzen ist.
Und ich sehe Fjiodor
in der russischen Zelle, für die Wahrheit einstehen;
ich sehen Alina am ukrainischen Treppenaufgang
mit der Kiste in den Händen für die Widerstandskraft,
die eigene und die der anderen, schwer tragen;
und ich sehe Annette, Annette Kurschus, die EKD-Ratsvorsitzende, #
am vergangenen Sonntag in Berlin, reden, vor zigtausend Menschen.
Sie sagt:
„Lasst uns präzise bleiben in unserem Denken und Reden.
In aller Empörung – wir bleiben dabei:
Wir verweigern uns der Verführung zum Hass.
Wir verweigern uns der Spirale der Gewalt.
Wir werden der kriegslüsternen Herrscherclique in Russland nicht das Geschenk machen, ihr Volk zu hassen.“
Und weiter:
„Wo der Frieden werden soll, da kommt es auf uns an.
Es kommt auf uns an, die Worte zu wägen,
Unrecht beim Namen zu nennen - und doch nicht zu hassen.
Es kommt auf uns an, den leidenden Menschen in der Ukraine, den verängstigten Menschen in unseren Nachbarländern unsere Solidarität zu zeigen, keine billige, sondern eine, die uns etwas kostet.
Es kommt auf uns an, den Menschen in Russland, die sich gegen den Krieg stellen, unsere Achtung zu bezeugen.
Es kommt auf uns an, den Menschen, die flüchten,
zu helfen, ihnen Wege zu öffnen, damit sie ihr Leben retten können,
und sie aufzunehmen.“
Und ich sehe Paulus im Gefängnis in Ephesus
vor langer, langer Zeit,
gegen Angst und Not und Bedrängnis anschreiben;
damit die Gnade Gottes aufscheint, aufleuchtet in der Welt.
"… dass ihr die Gnade Gottes
nicht vergeblich empfangen habt." Schreibt Paulus.
Es ist nicht so, denke ich, dass die Gnade Gottes
etwas außergewöhnliches ist, die ein Mensch,
als besonders erwählter, seltener und erstaunlicher Weise erhält.
Nein.
Die Gnade Gottes kommt immer, allezeit,
unverdient und ohne ansehen der Person auf mich zu.
Sie ist da. In dieser Welt. Sie fließt immerwährend.
Die Gnade Gottes.
Aber, ich kann sie verstreichen lassen.
Die Gnade Gottes ist da.
Hörbar. Sichtbar. Greifbar. Nahe.
Die bedingungslose Liebe Gottes
zu allem was lebt und atmet
und liebt und lacht und weint.
Manchmal muss ich sie suchen,
aber sie ist da.
Manchmal ist mir der Blick verstellt,
aber sie ist da.
Manchmal liegt so viel darüber,
aber sie ist da.
Gegen allen Augenschein und Anschein.
Sie steht in den U-Bahn-Tunneln in Kiew,
liegt in den Händen von Alina am Treppenaufgang
und wiegt manchmal schwer;
sie winkt am polnischen Grenzposten,
wenn gerade einmal kein Unterschied gemacht
zwischen denen, die da ankommen;
sie wird greifbar in der Umarmung einer jungen Frau,
die jemanden um den Hals fällt,
der ihr gerade eine Unterkunft versorgt und dazu das Nötigste beschafft hat;
sie bröselt von der Wand in Fjiodors Zelle in Russland,
wenn er mit dem Fingernagel hineinkratzt,
dass nicht sein soll, was gerade ist;
sie fließt aus der Feder des Paulus
und wird Mut für viele, die es lesen
und sich ermutigen lassen, Diener*innen zu sein,
Diener*innen dieser Gnade Gottes, die da ist.
Bei den Sterben, die leben werden.
Bei den Gezüchtigten, die sich nicht töten lassen.
Bei den Traurigen, die den Frohmut bewahren.
Bei den Armen, die dennoch reich sind.
Bei denen die nichts haben und doch alles.
Denn augenscheinlich haben wir nichts,
um diesem Krieg zu begegnen.
Und doch haben wir alles.
Um auch in Erschöpfung wach zu bleiben.
Auch in Angst kleine Hoffnungszeichen zu setzen.
Auch im Krieg an den Frieden zu glauben.
Auch wenn ich sie nicht sehe, nach der Gnade Gottes zu suchen.
Denn sie ist da.
Sie ruft auf Plätzen,
von Bannern und Häuserwänden,
aus Mündern und Händen
und erhobenen Fäusten:
„[niet vaiini]“
„[ni viyni]“
„Kein Krieg!“
Die Gnade Gottes stellt sich gegen das,
was ist, wenn es nicht zu ihr passen will.
1984, in den Eröffnungsworten zur Vollversammlung
des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver,
klang das so:
„Mitten im Krieg feiern wir, was verheißen ist:
Fülle und Frieden.
Mitten in Drangsal und Tyrannei feiern wir, was verheißen ist:
Hilfe und Freiheit.
Mitten in Zweifel und Verzweiflung feiern wir, was verheißen ist:
Glauben und Hoffnung.
Mitten in Furcht und Verrat feiern wir, was verheißen ist:
Freude und Treue.
Mitten in Hass und Tod feiern wir, was verheißen ist:
Liebe und Leben.
Mitten in Sünde und Hinfälligkeit feiern wir, was verheißen ist:
Rettung und Neubeginn.
Mitten im Tod, der uns von allen Seiten umgibt,
feiern wir, was verheißen ist
durch den lebendigen Christus.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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Predigt am Sonntag Estomihi - 27.02.2022
Predigttext: Markusevangelium, Kapitel 8, Verse 31-38
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Markus 8, 31-38
31 Und er fing an, sie zu lehren: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.
32 Und er redete das Wort frei und offen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fing an, ihm zu wehren. 33 Er aber wandte sich um, sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Geh hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.
34 Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. 35 Denn wer sein Leben behalten will, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird’s behalten.
36 Denn was hilft es dem Menschen, die ganze Welt zu gewinnen und Schaden zu nehmen an seiner Seele? 37 Denn was kann der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse?
38 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt unter diesem ehebrecherischen und sündigen Geschlecht, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters mit den heiligen Engeln.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Tödlicher Ernst.
Überraschung
und Fassungslosigkeit.
Vielleicht drei Schlagworte,
die diesen Text beschreiben können.
Vielleicht drei Worte,
die die gerade vergangene Woche
beschreiben können.
Die Welt ist aus den Fugen geraten.
Meine jedenfalls.
Ihre vielleicht auch.
Und die von Petrus,
in diesem Text,
auch.
Er hatte sich mehr
und anderes erhofft.
Petrus dachte,
dass mit Jesus
die Zeitenwende
anders anbricht.
Der, den er als Messias,
als Christus,
als gesalbten und gesandten
Gottes ausgemacht hatte;
einer,
der dem Leben auf der Spur ist,
mit Nächstenliebe
und Weite
und Neuanfängen
und anderen Regeln,
als denen der Macht,
die alle kannten,
weil die römischen Besatzer
und die jüdischen Könige
sie vorlebten.
Und Petrus wollte
und wünschte,
glaubte und hoffte,
dass Jesus diese Macht bricht.
Die Soldaten und Besatzer
zu Fall bringt.
Doch jetzt spricht Jesus
von einem Umsturz,
der nicht in diese Hoffnung,
nicht in dieses Konzept passt.
Jesus spricht über sein Leiden,
seinen Tod und seine Auferstehung.
Und die Jünger,
allen voran Petrus,
verstehen die Welt nicht mehr.
Überrascht und fassungslos
angesichts des tödlichen Ernstes
in Jesu Worten.
Jesus sagt: Es muss geschehen.
Und es wird geschehen.
Weil niemand
die Welt gewinnen kann,
ohne an sich selbst
und an seiner Seele
Schaden zu nehmen.
Das geht an niemandem
spurlos vorbei.
Nicht an Pilatus,
nicht an Tiberius,
dem Kaiser nach Augustus
in Rom,
nicht an all den Herrschenden
dieser Welt,
auch nicht an Putin.
Menschen spüren
und wissen,
Machterhalt durch
Herrschaft und Unterdrückung:
so sollte es nicht sein.
Und Petrus wünscht sich
das Aufbegehren.
Doch er muss lernen,
was Jesus ihm mit harschen
Worten vor Augen führt,
dass Jesus einer anderen
Logik folgt,
einer Logik,
die mich auch morgen
noch ohne Selbstverachtung
in den Spiegel sehen lässt;
einer Logik,
die macht,
dass Jesus mich noch erkennen kann,
wenn er mich findet,
sich selbst noch in mir erkennen kann,
wenn er mich findet;
eine Logik,
die hilft, meine Seele zu bewahren.
Ich ahne,
dass auch Petrus
sich den Ereignissen,
die nun auf ihn zukamen,
die wir in den kommenden
7 Wochen der Passionszeit
wieder bedenken,
dass auch Petrus sich
diesen Ereignissen gegenüber
hilflos ausgeliefert sah.
Ein Gefühl,
das ich selbst auch aus der
vergangenen Woche kenne.
Doch selbst wenn
ich mir manchmal wünsche,
dass jemand, wie Petrus
im Garten Gezemane,
das Schwert ziehen würde
und einschreitet,
weiß ich doch auch,
dass niemand ernsthaft
einen neuen Weltkrieg
wollen kann.
Doch was bleibt mir dann?
Wie kann ich meiner
eigenen Hilflosigkeit
und Machtlosigkeit begegnen?
Nun, vielleicht
kann ich das nur,
indem ich sie anerkenne.
Wie Jesus.
Die jahrhundertealte Sprache,
die das anerkennt,
ist das Gebet.
Jesus selbst sprach sie auch.
Und so viele Menschen,
von denen die Bibel zeugt.
So viele Psalmen
klagen davon.
Beten heißt auch,
um die eigene, kleine Kraft wissen
und was geschieht,
in die großen Hände Gottes legen.
Manchmal ist das alles,
was ich tun kann.
Und manchmal
wächst daraus etwas Neues.
Als würde etwas
aufstehen und
zum Leben kommen.
Zu deinem und meinem
hinzu.
Auferstehung
mitten im Leben.
Auferstehung
mitten am Tage.
So nannte es
Marie Luise Kaschnitz
in einem berühmten Gedicht.
Jesus hatte eine
grenzenlose Welt ausgemalt,
eine Welt der Geschwister,
eine Welt verbundener Menschen,
weinend mit den Weinenden,
Lachend mit den Freudvollen,
auf der Spur eines Lebens,
das das Leben lieben darf,
weil es sich selbst geliebt weiß
und diese Liebe in und mit
und durch andere spüren kann.
Ich weiß, dass unsere Welt
noch weit weg davon ist.
Aber manchmal gebe ich mich
der naiven Hoffnung hin,
dass Europa durch die Worte Jesu
und seine lange Geschichte,
ein – und wenn auch nur –
sehr kleines Stück,
in die richtige Richtung
gewachsen sein könnte.
Auch wenn uns nach und nach
der Glaube abhanden kommt,
versuchen wir doch,
an manchen Stellen
mehr und mehr
miteinander und füreinander
zu leben.
Und ich ahne:
das ist eine Geschichte,
die Jesus und seine Freunde nach ihm
mit geschrieben haben,
wenn auch auf sehr gewundenen Wegen
und oft genug auf Abwegen.
Und wir schreiben sie bis heute mit,
wenn wir die gute Botschaft Jesu
weiter erzählen
und auch ihn damit lebendig halten.
Auch das ist Nachfolge:
Anerkennen,
dass ich selbst machtlos bin,
mit meiner kleinen Kraft,
in Gottes großen Händen,
aber gleichzeitig,
nicht aufhören,
von der gewaltlosen Macht
der Liebe zu erzählen
und zu glauben,
dass sie etwas ändert,
langsam,
allmählich;
dass da etwas aufsteht,
zum Leben kommt,
mitten am Tag, mitten im Leben –
etwas das bleibt,
das nicht mehr tot zu kriegen ist.
Dass eine Welt ohne Waffen
möglich ist,
selbst dann,
wenn sie jetzt mit Waffen
verteidigt werden muss.
Dass Freiheit
und Selbstbestimmung
eine Chance haben,
für die es sich lohnt,
einzustehen,
wie das die Menschen
in der Ukraine nun tun,
die in den vergangenen
Jahrzehnten doch erst zaghaft
davon kosten durften.
Als Jesus am Kreuz gestorben war
und in Grab gelegt wurde
und am dritten Tage
von den Toten auferstand,
gingen die Freunde Jesu
hinaus auf die Straßen
und Plätze in den Orten und Städten
und ließen sich nicht abhalten,
die Nachricht weiterzusagen.
Sie hatte eine Kraft,
dass sie sich durch trug,
bis in unsere Tage.
Und ich glaube,
dass es jetzt ganz ähnlich ist:
Menschen in der ganzen Welt,
sogar in Russland,
wo die Gefahr dafür
vielleicht am größten ist,
gehen auf die Straßen
und Plätze
und rufen, singen,
schwenken Banner und Fahnen,
laufen und sitzen
für den Frieden,
für die Freiheit,
gegen die,
die die Welt gewinnen wollen,
gegen den Schaden
an der Seele der Menschen,
der nicht mehr
gut zu machen ist.
Und dann gibt es doch einiges,
was sich tun lässt:
Nämlich beten,
dass die Logik
des Machtgewinns zerbricht;
und aufstehen
und rufen und singen
und laufen und sitzen
als Zeichen der Solidarität,
als Symbol für eine andere Welt
und eine andere Logik.
Und ich kann noch mehr tun,
als nur das.
Es gibt das Aktionsbündnis
Katastrophenhilfe
aus Diakonie, Caritas, rotem Kreuz
und unicef,
die sich an den Grenzen
der Ukraine
um die Menschen kümmern.
Es gibt zahllose Initiativen,
die für Wohnraum sorgen,
damit Menschen unterkommen,
die nun ankommen,
auch bei uns.
Ich kann spenden
und mich einbringen.
Kann Zeichen setzen,
die den Skrupel
der Mächtigen nähren,
so wie der schweigende Jesu
vor Pilatus,
der sich gezwungen sieht,
seine Hände symbolisch
in Unschuld zu waschen,
weil er die Schuld nicht tragen will,
selbst nicht mehr ertragen kann,
was da geschieht.
Weil wir auch
in aller Machtlosigkeit
Zeichen setzen,
dafür dass die Welt
im 21. Jahrundert
näher zueinander gekommen ist.
Auch das ist Nachfolge,
glaube ich.
„Jesus nachfolgen –
indem wir hinsehen,
und wenn es der Blick in den Abgrund hinein ist.
Jesus nachfolgen –
indem wir Leid lindern,
so gut es nur geht, und nicht davor weglaufen.
Jesus nachfolgen –
indem wir beten,
für die Menschen in Krieg und Not,
mit leisen und lauten Worten
und manchmal voller Zorn.
Jesus nachfolgen –
indem wir Unrecht benennen
und nicht müde werden.
Jesus nachfolgen –
indem wir das Leben suchen,
mitten in der unsicheren, zerbrechlichen Welt.
Dort ist es zu finden.
[G]anz bestimmt.“
(Wilko Hunger, FB Predigtkultur, 26.02.2022)
„Es mag sein, dass alles fällt,
dass die Burgen dieser Welt
um dich her in Trümmern brechen.
[…]
Streite, du gewinnst den Streit!
Deine Zeit und alle Zeit,
steh'n in Gottes Händen.“
[aus: EG 378, 1+5]
Und der Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen könne, bewahre unsere Herzen und Sinne, in Christus Jesus. Amen.
→ Pred.lied: EG 378, 4-5
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Predigt am Sonntag Sexagesimae - 20.02.2022
Predigttext: Hebräerbrief, Kapitel 4, Verse 12-13
Mit dem nachstehenden Player können Sie die Predigt direkt anhören.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Über Schwerter kann man ja vieles sagen.
Aber eines sind sie ganz sicher nicht:
lebendig.
Kräftig auch nicht.
Das hängt eher von der Hand ab,
die sie führt.
Aber scharf sind sie.
In der Regel jedenfalls.
Sonst erfüllen sie ihren Zweck kaum.
Schwerter, zweischneidige auch,
brauchen geschliffene Klingen,
durchdringend und scharf.
[...]
Damals dachten diejenigen,
die den Hebräerbrief lasen,
dabei wohl eher
[...]
an ein römisches Kurzschwert,
mehr wie ein Dolch,
den jeder Soldat jederzeit
bei sich trug,
um sich im Kampf
- eins-gegen-eins -
gut verteidigen zu können.
Ziemlich scharf,
durchdringend,
durch Mark und durch Bein,
aber auch nicht lebendig,
und ebenso nur bedingt kräftig.
Und durch Seele und Geist
schnitt es jedenfalls nicht.
Egal wie scharf ein solches
Schwert war oder ist.
Durch Seele und Geist
vermag es nicht zu schneiden.
Auch heute nicht.
Gott sei Dank.
Aus dieser Unantastbarkeit,
aus dieser Freiheit des Geistes
gegenüber jeglicher, physischer Gewalt,
lebten Generationen,
schon in der Antike,
und sie gaben dieses Wissen weiter,
auch die Christen,
die lange verfolgt wurden,
es heute noch in Teilen der Welt werden,
und so viele andere auch.
Jahrhunderte hat der Gedanke überlebt
und wurde im 18. Jahrhundert
zu einem Text;
im 19. Jahrhundert bekam er
dann eine Melodie;
und schließlich erhielt er von
Hofmann von Fallersleben
eine überarbeitete Textfassung,
die wohl nahezu jede und jeder
in den Zeiten der DDR
kannte und konnte.
[Ahnt ihr es?]
Sie lautet...
Die Gedanken sind frei,
wer kann sie erraten,
sie fliehen vorbei,
wie nächtliche Schatten.
Kein Mensch kann sie wissen,
kein Jäger erschießen,
es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.
Es ist wahr:
dort reicht kein anderer Mensch hinan
und kein Schwert kann dort schneiden
oder scheiden.
Es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.
Diese Freiheit sollte uns
niemand nehmen,
will ich mir von niemanden
nehmen lassen,
selbst wenn es möglich wäre,
selbst wenn es möglich ist.
Also geht es überhaupt
um Schwerter?
Geht es um Waffen,
um Kampf,
Widerstand,
Verletzungen,
Sieg und Niederlage?
Ich glaube nicht.
Denn Waffen sind nicht lebendig,
sie haben nur bedingt Kraft
und
sie bringen den Tod,
nicht das Leben.
Ich glaube kaum,
dass Gott,
der Schöpfer und Erhalter
und Liebende des Lebens,
für den Erhalt seiner Geschöpfe
zur Waffe greifen will.
Nein.
Um keinen Preis.
Und das sage ich auch
im Angesicht einer seit über
75 Jahren so nicht mehr
dagewesenen, drohenden
Gefahr in Europa.
Das sage ich auch
angesichts der unzähligen
Konflikte in dieser Welt.
Waffen erhalten kein Leben,
sie nehmen es;
und sie kaufen eine blutige Freiheit
und sie garantieren einen wackligen Frieden.
Auch Worte können Waffen sein.
Unnötig, das näher zu erklären.
Der eine Satz,
beiläufig gesagt,
oder immer wieder,
der sich eingebrannt hat,
und nicht mehr gehen will;
mit Worten, die schneiden,
durch Mark und Bein,
und sogar durch Seele und Geist,
die brennen und bleiben:
dumm und hässlich,
unnütz und faul und falsch.
Es sind so viele,
die sich eingraben können
und offene Wunden schlagen
und nur langsam heilen
und oft genug Narben hinterlassen.
Genauso wie Worte tragen können
und halten und heben
und beleben,
lebendig und kräftig:
Ich liebe dich.
Ich schätze dich.
Ich sehe dich
und das, was du gut machst;
und ich will und werde dich
dafür loben,
um dich zu stärken.
Und sie zaubern Lachen,
lassen Herzen beben,
sind wie Wunder,
richten Oberkörper auf
und beleben.
Das sind Worte Gottes.
Keine Waffen,
keine bohrenden Pfeile,
keine nagenden Schlangen,
ohne Falsch,
ohne Hehl,
ohne Grimm und Gram.
Sondern
lebendig und kräftig
und schärfer
als alle diese Waffen,
die Menschen gegeneinander
in Anschlag bringen,
römische Soldaten,
Großmächte der Gegenwart,
Volksgenoss*innen,
Nachbarn,
ja manchmal sogar Freunde.
Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und dringt durch
Und aus jeder Pore dieses Wortes,
aus jedem Zwischenraum der Buchstaben,
aus jedem noch so kleinen
Jota, Komma oder Punkt,
tropft und rinnt und fließt
ein ehrliches Interesse an dir,
und Liebe
und Hoffnung,
dass du dich aufrichtest,
dass Wunden heilen,
Narben nicht schmerzen,
dass du getragen
und gehalten wirst,
sogar gehoben
zum Leben,
lebendiger und kräftiger
und schärfer
als je zuvor.
Wenn solche Worte
durch Mark und Bein gehen,
bis an Seele und Geist langen,
dich bewegen
und halten,
dann richten sie
die Sinne deines Herzens
neu aus.
ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens.
13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft geben müssen.
Doch ob sie
bis an dein Herz reichen dürfen,
durchdringen,
durch Mark und Bein,
auch dich tragen und halten
und sogar heben,
dich beleben und stärken
und schärfen,
so dass letztlich dadurch
sogar alle Waffen einmal
unnütz, unnötig,
dumm und hässlich
und falsch werden,
so dass einmal,
irgendwann einmal,
niemand mehr zu
den Waffen greift
und alle Waffen fallen
[...];
so dass sie einmal nur noch
Symbole sind,
von einmal dagewesenen Zeiten,
die so nicht mehr wiederkommen,
Symbole der Verbundenheit,
Symbole des guten Kampfes,
den wir gemeinsam Kämpfen,
nicht mit Waffen und scharfen Klingen,
sondern scharf und entschieden,
in Langmut und Güte,
Treue und Barmherzigkeit,
diesen ritterlichen Eigenschaften,
die hinter Schild und Schwert
und Rüstung gern nur zu schnell,
all zu schnell verborgen
und vergessen bleiben;
- ob diese Worte das vermögen,
ob sie bis an dein Herz reichen dürfen,
durchdringen, durch Mark und Bein,
dich tragen und halten
und sogar heben,
dich beleben und stärken
und schärfen,
das entscheidest du selbst.
Denn trotzdem
und immer noch gilt
und es bleibet dabei:
die Gedanken sind frei.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.
EG 262, 1-4 (Sonne der Gerechtigkeit)
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Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias - 30.01.2022
Predigttext: 2. Buch Mose, Kapitel 34, Verse 29-35
Mit dem nachstehenden Player können Sie die Predigt direkt anhören.
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
2. Mose 34, 29-35
DER GLANZ AUF MOSES ANGESICHT (BasisBibel)
29 Als Mose vom Berg Sinai herabstieg, hatte er die zwei Tafeln mit den Geboten in der Hand. Von seinem Gesicht gingen Strahlen aus, weil er mit Gott geredet hatte. Das wusste Mose aber nicht.
30 Doch Aaron und alle Israeliten sahen es. Sie fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen.
31 Aber Mose rief sie herbei. Aaron und alle Männer, die der Gemeinde vorstanden, wandten sich Mose wieder zu, und er redete zu ihnen.
32 Später kamen auch alle Israeliten herbei. Mose gebot ihnen alles, was der Herr ihm auf dem Berg Sinai gesagt hatte.
33 Sobald Mose nicht mehr mit ihnen redete, legte er eine Priestermaske vor sein Gesicht.
34 Immer wenn Mose in das Zelt ging, um mit dem Herrn zu reden, legte er die Maske ab. Wenn er herauskam, verkündete er den Israeliten, was Gott geboten hatte.
35 Wenn die Israeliten die Strahlen sahen, die vom Gesicht des Mose ausgingen, legte er die Maske vor sein Gesicht. Wenn er in das Zelt ging, um mit Gott zu reden, legte er sie wieder ab.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Manches hinterlässt Spuren.
Klar!
Erst vorgestern z.B. habe ich
- was hin und wieder vorkommt -
versucht zu kochen
und habe Zwiebeln geschnitten.
Ich sage mal:
geschmeckt hat's ziemlich gut,
aber der Geruch der Zwiebeln
war nicht auszutreiben.
Nicht aus der Küche
und schon gar nicht
von meinen Händen.
Manches hinterlässt eben Spuren.
Nicht anders geht es denen,
die mit Schwarzwurzel,
Rotkraut oder roter Beete
hantieren.
Ich denke auch
an einen jungen Mann,
dem man häufig ansieht,
dass er bis eben noch
mit einer irgendwie
öligen Arbeit beschäftigt war.
Rumschrauben,
an Mopeds oder Autos.
Auch das hinterlässt
hartnäckige Spuren.
Manches hinterlässt eben Spuren.
Begegnungen mit Gott auch.
Das erzählt jedenfalls
die Bibel im 2. Buch Mose.
Zum zweiten Mal ist Mose
schon hinauf gegangen,
auf den Berg Sinai.
Um die Handreichung
zum guten Leben
von Gott zu empfangen.
Gebote sind sie
in unserem Sprachgebrauch.
Zehn an der Zahl.
Angebote sind es eigentlich.
Angebote, die helfen,
das Leben miteinander
besser zu machen.
Als Mose sie das erste Mal
vom Berg herunter holte,
dauerte es den Israeliten zu lang.
Sie hatten sich inzwischen
einen anderen Gott,
einen zum Ansehen und Anfassen
selbst gemacht.
Ein goldenes Kalb.
Verstört vom Anblick
der tanzenden Massen
rund um das Kalb,
hatte Mose die beiden
Steintafeln fallen gelassen
oder zu Boden geworfen,
aus Wut, wer weiß!?
Also ging er ein zweites Mal hinauf.
Eine Weile später.
Nachdem sein Zorn verflogen war.
Diesmal warteten die Israeliten geduldig.
Und als Mose erneut vom Berg kam,
da sah man ihm an,
dass dort oben etwas
außergewöhnliches geschehen war.
Dass er Gott begegnet war.
Diese Begegnung hatte abgefärbt.
Wie rote Beete oder Öl an den Händen.
So glänzte oder so verändert
war Moses Gesicht.
Im Urtext könnte man sogar übersetzen,
dass sich seine Haut verändert hatte.
Aber sei's drum.
Es war unübersehbar.
Es hatte abgefärbt.
Manches hinterlässt eben Spuren.
Begegnungen mit Gott auch.
Und ich glaube,
das ist heute nicht anders.
Ich denke an Menschen,
die wunderbare Begabungen haben.
Da kann jemand ganz
außergewöhnlich gut zuhören,
oder eine andere ganz
besonders gut reden.
Es gibt die, die stets
einen guten Rat haben,
oder die, die sich um
andere sorgen,
obwohl sie selbst genug Sorgen haben.
Es gibt die,
die bewahren sich ihre Fragen
und werden nicht müde
und stoßen andere damit
auf neue Antworten.
Es gibt die,
deren Hände jederzeit
zum Anpacken bereit sind.
Es gibt die,
die Probleme lösen.
Und wieder andere
sind herzensgut –
und wenn du bei ihnen bist,
merkst du immer,
dass sie es gut mit dir meinen.
Es gibt die,
die ganz besonders treu sind,
auf die du dich immer verlassen kannst.
Und es gibt die,
die ganz besonders frei sind,
die nur eine Zeit lang bleiben
und dann wieder gehen,
aber ich konnte von ihnen
dennoch etwas lernen,
vielleicht über Freiheit.
So sind wir.
Du und ich.
Begnadet, beschenkt, begabt.
Farben Gottes,
mitten in unserem Leben.
Farben Gottes,
an dir und an mir.
Abgefärbtes,
das selbst wieder abfärbt.
Farben Gottes
in dieser Welt.
Farben Gottes,
oder vielleicht wie Glanz,
wie das veränderte Gesicht des Mose.
Manches hinterlässt eben Spuren.
Begegnungen mit Gott auch.
Aber wie es scheint,
kann das auch schnell zu viel werden,
zu bunt, zu glänzend,
zu abgefahren.
Für die Insraeliten jedenfalls schon.
Sie fürchteten sich, in seine Nähe zu kommen.
Heißt es im Text.
Und Mose scheint das zu verstehen.
Er nimmt sich etwas,
das die Leute aus Ägypten schon kannten,
eine Art Maske, so wie ein Tuch,
und legte sie sich über das Gesicht.
Interessant dabei ist,
dass die Priester in Ägypten
diese Masken eigentlich aufsetzten,
wenn sie eine göttliche Botschaft
zu verkünden hatten.
Mose dreht die Sitte um.
Wenn er ein Wort von Gott
für die Menschen hatte,
oder wenn er selbst mit Gott sprach,
dann legte er die Maske ab,
dann war zu sehen,
wie er war: glänzend, leuchtend,
verändert.
Sonst aber, wenn er ganz alltäglich
unterwegs war, im Lager der Israeliten,
dann trug er die Maske.
Um die Menschen nicht zu
verunsichern, zu verstören
oder zu ängstigen.
Vielleicht ist das im Leben
ja auch manchmal so.
Manchmal muss ich
den Zwiebelgeruch an den Händen,
das Öl unter den Nägeln
oder die rote Farbe an den Fingern
eben wieder abwaschen,
wegbürsten, verdecken,
weil gerade etwas anderes dran ist.
Das Leben ist vielschichtig.
Und es fordert mich heraus,
nicht nur mit meinen besonderen
Begabungen hausieren zu gehen,
sondern eben auch
mit den Dingen umzugehen,
in denen ich nicht so
außergewöhnlich bin.
Denn ein guter Zuhörer
kann in manchen Momenten
auch sehr schweigsam sein.
Und eine gute Rednerin
den Moment verpassen,
wo die Geschichte des
Gegenübers wichtiger ist.
Wer sich stets sorgt,
verliert vielleicht den Blick
für all das Gelungene
und das Schöne
neben den Sorgen.
Und wer alles hinterfragt,
kann auch sehr schnell
sehr zarte Lebensentwürfe
ins wanken bringen.
Wer nur anpackt,
und wer nur Probleme löst,
merkt vielleicht nicht,
dass es gerade eigentlich
gar nichts zu tun
und nichts zu lösen gibt,
sondern nur ein Wort braucht,
oder etwas Zeit, miteinander zu schweigen,
weil sich ein Problem nicht lösen lässt
und das auch in Ordnung sein kann.
Und selbst Herzensgüte oder Treue
können manchmal erdrücken
und große Freiheit
tief verletzen.
So haben auch die Gaben ihre Zeit.
Und nicht jede Zeit ist die richtige
für jede Begabung.
So wunderbar sie auch sein mag.
Das musste selbst Mose lernen,
als er vom Berg Sinai
herabstieg und zu seinem Volk
zurückkehrte.
Die Bibel erzählt nicht,
dass er darunter litt.
Es war eben so.
Und ich lerne von Mose,
dass ich immer auch mehr bin,
als meine besonderen Begabungen;
und dass Menschen
manchmal gerade davon
etwas weniger ertragen können,
als ich geben könnte,
weil ich besonders viel habe.
Und trotzdem wird es gebraucht.
Werde ich gebraucht.
Mit meine Begabungen.
Und manchmal auch ohne sie.
Abfärben wird Gott trotzdem.
Wenn ich ihm begegne.
Da mache ich mir keine Sorgen.
Wie es im Wochenspruch heißt:
„Über dir geht auf der Herr,
und seine Herrlichkeit erscheint über dir.“
[Jes. 60, 2]
Mose hat das erlebt.
Die Jünger auch,
als sie mit Jesus auf dem Berg waren.
Aber auch sie mussten
wieder herunter,
konnten keine Hütten bauen
und dort bleiben,
wo das Außergewöhnliche geschah.
Weil das Leben vielschichtig ist.
Und mich herausfordert,
nicht nur mit meinen besonderen
Begabungen hausieren zu gehen,
oder dabei stehen zu bleiben,
sondern eben auch
mit den Dingen umzugehen,
in denen ich nicht so
außergewöhnlich bin.
So wie alle anderen auch.
Und am Ende, glaube ich,
hält auch das
glanzvolle Begegnungen bereit,
mit Gott und Menschen,
weil es eine Form der Liebe ist,
dieser glanzvollsten aller Farben Gottes.
Manches hinterlässt Spuren.
Begegnungen mit Gott auch.
Und sie wollen, ja müssen,
in die Welt getragen werden,
um hier zu glänzen,
um hier abzufärben,
aber achtsam
und geduldig.
Denn ein jegliches hat seine Zeit.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
[Mit Dank für die Idee an: Michael Greßler, Predigtkultur FB, 29.01.2022]
Lied: EG 161, 1-3 (Liebster Jesu, wir sind hier)
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Predigt am Epiphaniastag - 06.01.2022
Predigttext: Prophetenbuch des Jesaja, Kapitel 7, Verse 10-14
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Jes 7, 10-14 (Predigttext zum 2. Christtag 2021)
10 Und der Herr redete abermals zu Ahas und sprach:
11Fordere dir ein Zeichen vom Herrn, deinem Gott, es sei drunten in der Tiefe oder droben in der Höhe!
12Aber Ahas sprach: Ich will’s nicht fordern, damit ich den Herrn nicht versuche.
13Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist’s euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen?
14Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Es gibt Dinge,
die schleifen sich ein.
Die sind wie festgefahren.
Das leuchtet nicht mehr viel.
Kein Stern.
Keine Begeisterung.
Die sind, wie sie sind,
weil sie schon immer so waren,
und bleiben auch so,
weil es vielleicht ermüdend wäre,
den Versuch zu unternehmen,
sie zu ändern,
ganz ähnlich einem Kampf gegen Windmühlen.
Es gibt Dinge,
die sind wie sie sind,
auch wenn sie noch gar nicht
so lange so sind,
doch das Aushalten
ist bereits ermüdend genug,
so dass für Veränderung
keine Kraft bleibt.
Einem neugeborenen Kind
ist das egal,
würde ich sagen.
Tatsächlich ist es ja so,
dass das Kind einfach nichts
von der Müdigkeit der Eltern
oder Welt um es herum weiß.
Und ihm fehlen schlicht die Mittel,
etwas aktiv daran zu ändern.
Es ist ja selbst
völlig damit ausgelastet,
das neue Leben
und die Welt um sich her
zu erfassen, zu begreifen,
auszuhalten
und dabei zu üben,
wie es sich mitteilen kann.
Traditionen,
Rituale,
Abmachungen,
Verträge
sind dem Kind egal,
davon weiß es nichts.
Wie sollte es auch.
Es ist vielleicht wie ein Stern,
der über alten Dunkelheiten
aufgeht und strahlt.
Es bringt frischen Wind
in alte Müdigkeiten,
auch wenn es dabei
neue schafft.
Frische Eltern wissen das.
Aber sei's drum.
Auch das gehört zum Leben dazu.
Frischer Wind,
neuer Wein, in alten Schläuchen,
neue Besen, die besser kehren,
frisches Grün in altes Grau,
Licht ins Dunkel,
es gibt viele solcher
Sprichworte.
Sie sind gut bekannt.
Rund um den Predigttext
aus dem Buch des Jesaja
hat sich auch einiges festgefahren
und Müdigkeit eingestellt.
Die Bedrohung aus dem Norden
will für das kleine Königreich Juda,
um Jerusalem herum,
das von dem Nachfahren
des Königs David,
dem König Ahas,
derzeit regiert wird,
nicht nachlassen.
Die assyrische Großmacht
im Norden
will sich weiter ausbreiten,
ihren Machtrahmen erweitern
und das Kleine Juda
hat wenig dagegenzusetzen.
Nachdem die Lage
sich lange Zeit nicht ändert,
wird der König Ahas müde.
Zu mühsam sind die
ständigen Verhandlungen,
die heikle diplomatische Lage,
der Druck der Assyrer.
Als einige umliegende
Könige und Landesherren
zu König Ahas kommen,
um ihm eine Koalition
vorzuschlagen,
die den Assyrern mutig
die Stirn bietet,
lehnt Ahas ab.
Zu aussichtslos scheint ihm die Lage.
Welche Optionen hat er noch?
An seinem Hof dient
der Prophet Jesaja,
der ihm Gottes Wort
und seine Zeichen auslegt.
Ihn hat er viele Male
zu Rate gezogen,
ihn befragt,
ihn um Zeichen Gottes gebeten,
die ihm helfen,
die richtigen,
oder mindestens gute Entscheidungen
zu treffen.
Doch diesmal hat er schon selbst
einen Entschluss gefasst.
Kein Zeichen,
keine Prophezeiung
wird ihn mehr umstimmen können.
Da kann Jesaja
auf und nieder springen,
ihn anflehen:
„Bitte doch um ein Zeichen,
oben im Himmel
oder unten auf der Erde
oder sogar von unter der Erde,
bitte um ein Zeichen,
Gott will dir eines geben!“
Aber Ahas ist über die Jahre
der Bedrohung müde geworden.
Er braucht kein Zeichen mehr.
Er deutet die Zeichen selbst.
Und die Zeichen stehen schlecht.
Sein Entschluss ist gefasst.
Er wird einen Vertrag mit den Assyrern
eingehen,
dem assyrischen König
Schätze liefern und Steuern zahlen
um einen Krieg abzuwenden.
Auch wenn das Land
dabei völlig ausblutet.
Das Geld und die Schätze
nimmt er aus dem Tempelschatz,
die Steuern von den
betuchten Eliten des Landes
und aus seinem eigenen Vermögen.
So wird es schon gehen.
Aber für Jesaja geht das gar nicht.
Niemand darf einfach so
Hand an die Schätze des Tempels legen.
Die gehören Gott
und den Menschen des Landes.
Aber das dicke Ende kommt erst noch:
Im Tempel wird mit der
Gültigwerdung des Vertrages
nicht mehr nur der Gott Israels verehrt,
sondern auch die assyrischen Götter
sollen dort einen Platz bekommen,
so soll der Bund zwischen den Ländern
nicht nur auf dem Papier,
sondern auch im Himmel besiegelt sein.
Jesaja ist entsetzt.
Aber Ahas will keinen anderen Weg mehr sehen.
Alternativen und göttliche Zeichen
lehnt er ab:
12 Ahas sprach: Ich will’s nicht fordern, damit ich den Herrn nicht versuche.
Das ist seine Ausrede.
Eine religiöse Rede,
die Jesaja gut vertraut ist.
Aber er durchschaut den König.
Zu gut hat er ihn mit den Jahren
kennengelernt.
13Da sprach Jesaja: Wohlan, so hört, ihr vom Hause David: Ist’s euch zu wenig, dass ihr Menschen müde macht? Müsst ihr auch meinen Gott müde machen?
Ob es auch noch der Gott
des Ahas ist,
da scheint sich Jesaja
nicht mehr ganz sicher.
Sein Gott ist es aber noch.
Das steht für ihn fest.
Was soll er Ahas noch sagen?
Was sagt man einem,
der nicht mehr hören will?
Vielleicht das:
14 Darum wird euch der Herr selbst ein Zeichen geben: Siehe, eine junge Frau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel.
Immanuel,
Gott mit uns,
wird das Kind heißen.
Was Jesaja dem König
in diesem Moment damit sagen will,
liegt auf der Hand:
„Mein lieber Ahas,
und mit dir das Haus
des Königs David,
wenn du zu müde geworden bist,
noch auf Gott zu vertrauen,
dann sei dir gewiss,
nach dir wird noch einer kommen,
dem das egal ist;
der Vertrauen wird
und Glauben wird
und seinem Namen -
'Gott mit uns' -
Ehre machen wird.“
Der wird kommen,
da ist sich Jesaja sicher.
Ob er ahnt,
dass es noch 700 Jahre
dauern wird?
Ich weiß es nicht.
Ahas wird sicher auch nicht
geahnt haben,
dass seine politischen Handlungen
es nicht vermögen werden,
das Unheil abzuwenden.
15 Jahre nach ihm stehen die
Assyrer trotzdem vor den Toren
der Stadt Jerusalem
und werden sie belagern,
auch wenn sie sie
nicht einnehmen können.
Der Prophet Micha
weiß davon zu erzählen
und stimmt in die Prophezeiung
des Jesaja ein:
„Und du, Bethlehem Efrata,
die du klein bist unter den Städten in Juda,
aus dir soll mir kommen,
der in Israel Herr sei.“ (Mi 5, 1)
Wie dem auch gewesen sein mag.
Der kurze Text
erzählt für mich,
aus heutiger Sicht,
sehr eindrücklich davon,
wie Gott dran bleibt.
Mir vor die Füße legt,
mich eindringlich darum bitten,
nicht davon abzulassen,
auf ihn zu hoffen,
um Zeichen zu bitten,
auch wenn sie nicht gleich eintreten,
und dass Gott auch dann,
wenn ich selbst müde werde,
vielleicht wie in diesen Zeiten,
nach zwei Jahren Pandemie,
und ich nicht mehr auf Zeichen
und Wunder hoffe,
dass Gott selbst dann
eben eigenmächtig tätig wird,
dass er dran bleibt,
an mir, an dir,
und sich nicht abbringen lässt.
Die Könige oder Weisen
aus den fernen Ländern,
die sich aufmachten,
dem Stern zu folgen,
sind mir ein eindrückliches Symbol dafür.
Dass Zeichen wahr werden.
Aber dass Menschen sich auch
auf machen müssen,
den Zeichen zu folgen.
Sich aus der Müdigkeit
und dem Trott erheben müssen,
und aufbrechen,
um dem entgegen zu gehen,
was kommt.
Ist doch spannend,
dass Jesaja dem König Ahas
die Prophezeiung gibt
und Matthäus davon erzählt,
dass es drei Könige sind,
die sich aufmachen,
dem Stern zu folgen,
den Zeichen nachzugehen.
Die Könige der Weihnachtsgeschichte
sind vielleicht eine Art
Gegendarstellung zum König Ahas:
sie haben auch nicht um ein Zeichen gebeten,
haben vielleicht nicht einmal
an den Gott Israels geglaubt,
aber sie wussten, dass ein Zeichen kommt
und sie waren bereit,
den Wundern in der Welt
noch die Hand hinzuhalten.
Wer weiß schon genau,
aus welchen Zerrüttungen
oder Müdigkeiten diese drei kamen,
als sie aufbrachen, dem Stern zu folgen.
Und sie erleben:
Gottes Versprechen werden wahr.
Auch wenn Zeiten und Orte und Umstände
höchst wunderlich sein können.
Heute, noch 2000 Jahre später,
sehen wir am Erscheinungstag,
auf diesen Text des Jesaja
und darauf zurück,
was in der Heiligen Nacht
geschehen ist: Und siehe...
Eine junge Frau war schwanger
und hat ein Kind geboren,
dem die Müdigkeit der Welt
egal ist,
frischer Wind in dunstigen Räumen,
neuer Wein in alten Schläuchen,
ein neuer Besen,
gegen den Staub in allen Ecken,
helles Licht ins Dunkel.
„Pass gut auf, Ahas“,
könnte Jesaja gesagt haben
und sagt es heute dir und mir:
„Pass gut auf,
ein frischer Wind
wird deine Müdigkeit
durcheinander bringen
und neues Leben
wird einkehren;
es heißt:
Immanuel,
Gott mit uns!“
Hilde Domin hat es
einmal so gesagt:
"Nicht müde werden.
Sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten."
Das haben die drei
Weisen aus dem Morgenland
damals getan.
Ich wünsche uns,
gerade noch am Anfang
dieses neuen Jahres 2022,
dass wir es ihnen
gleich tun können.
"Nicht müde werden.
Sondern dem Wunder
leise
wie einem Vogel
die Hand hinhalten."
Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, dem Kind in der Krippe. Amen.
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Predigt am 2. Sonntag nach Epiphanias - 16.01.2022
Predigttext: 1. Korintherbrief, Kapitel 2, Verse 1-10
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
1. Kor 2, 1-10
1 Brüder und Schwestern, ich bin damals zu euch gekommen, um euch das Geheimnis Gottes zu verkünden. Ich bin aber nicht mit großartigen Worten oder mit Weisheit aufgetreten. 2 Denn ich hatte beschlossen, bei euch nur über eines zu reden: Ich verkünde euch Jesus Christus, der am Kreuz gestorben ist. 3 Als schwacher Mensch trat ich vor euch und zitterte innerlich vor Angst. 4 Meine Rede und meine Verkündigung sollten euch nicht durch ihre Weisheit überreden. Vielmehr sollte in ihnen Gottes Geist und Kraft zur Geltung kommen. 5 Denn euer Glaube sollte nicht aus menschlicher Weisheit kommen, sondern aus der Kraft Gottes.
6 Und doch verkünden wir eine Weisheit – und zwar denen, die dafür bereit sind. Es ist eine Weisheit, die nicht aus dieser Welt stammt. Sie kommt auch nicht von den Herrschern unserer Welt, die ja zum Untergang bestimmt sind. 7 Nein, wir verkünden die geheimnisvolle Weisheit Gottes, die bis jetzt verborgen war: Schon vor aller Zeit hatte Gott bestimmt, uns Anteil an seiner Herrlichkeit zu geben. 8 Keiner von den Herrschern unserer Zeit hat diese Weisheit erkannt. Sonst hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. 9 In der Heiligen Schrift heißt es dazu: »Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, worauf kein Mensch jemals gekommen ist – all das hält Gott für die bereit, die ihn lieben.«
10 Uns aber hat Gott dieses Geheimnis durch den Heiligen Geist enthüllt. Denn der Heilige Geist erforscht alles, selbst die unergründlichen Geheimnisse Gottes.
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
Manchmal komm' ich mir so klein vor,
mit meinen großen Tönen,
die im kleinsten Wind verweh'n
[Udo Jürgens, 1977]
Denn mein Bruder ist ein Maler
und ein Bild von seiner Hand,
kann mehr sagen als [vieler Worte Klang.]
Ja, mein Bruder ist ein Maler,
[ich gebe Worten nur Gewand
und er in Farben einer ganzen Welt Belang.]
[nach Udo Jürgens, 1977]
Die Zeilen stammen von Udo Jürgens.
Viele kennen sie bestimmt.
Ein bisschen von mir geändert.
Trotzdem ein schönes Lied von ihm.
Mein Bruder ist ein Maler...
Und er malt in tausend Farben,
kann wohl ein Stück des Himmels fangen,
versteckt der Welt die Narben
und zaubert Mut, sogar den Bangen.
Was schön ist, kann noch schöner scheinen,
Zweifel werden ausradiert,
vergehen dürfen Wut und Weinen.
Vom vollen Leben fasziniert,
sind Jubel, Tränen, Kämpfe, Lieben, Lachen
auf einer Leinwand festgehalten,
Sachen, die wir Menschen machen
und die das Leben reich gestalten,
fest in Farben eingeschlossen
und wer's betrachtet, kann's erleben,
selbst wenn der Moment schon lang verflossen,
kann es ihn noch einmal geben.
Das Gesicht des lang vergang'nen Alten,
der sich selbst fast ruiniert,
und dann von Liebe angehalten,
noch einmal vieles retuschiert.
Die junge Frau ins Bild gestellt,
die ihre kranke Mutter pflegt,
und wie sich ihr Gesicht erhellt,
wenn die Mutter ihr die Hand auflegt.
Der eine Freund aus Kinderjahren,
mit dem sich Pferde stehlen ließen;
die erste Liebe aufbewahren,
um die heiße Tränen fließen.
Die alte Frau, hoch auf der Leiter,
weil sie ihrem Alter trotzten will,
und munter Äpfel erntet – heiter,
nur rundherum die Welt steht still.
Ja mein Bruder ist ein Maler
und ein Bild von seiner Hand,
kann mehr sagen als [vieler Worte Klang.]
Ja, mein Bruder ist ein Maler,
[ich gebe Worten nur Gewand
und er in Farben einer ganzen Welt Belang.]
[nach Udo Jürgens, 1977]
Wenn
seine Frau mal traurig ist, malt er ihr Orchideen
Und
seinem Kind, das weint, den Clown, der Lachen schenkt
Er
macht das Trübste wieder bunt,
[Udo Jürgens, 1977]
jede kann es seh'n
wenn er mit Kraft und mutig seinen Pinsel schwenkt.
Wenn ich malen könnte, so wie er,
würde ich so viele Wunder bannen.
Keines wäre sicher mehr,
ich würde Pinselborsten spannen.
Und treue Seelen porträtieren,
die heimlich gute Dienste tun
und manches ausprobieren,
bis Engelhände warm auf ihren Schultern ruh'n.
Und Hände, die auf Tasten liegen,
die so viel Zeit für and're geben,
aus denen kraftvoll Töne fliegen,
und sich in fremde Ohren weben.
Auch Besuche würde ich bebildern,
wie ein Gebet die Zeit anhielt
und Schmerzen sich ein bisschen mildern,
weil Gott uns seine Kraft befiehlt.
Und einen Brief von einem tief Enttäuschten,
wie einen Handschlag deuten;
die Hände würden leuchten
und im Hintergrund die Glocken läuten.
Ich wüsste nicht, ob es genug der Farben gäbe,
damit, was da ist, auch in ein Bild gelegt,
und zum Anschau'n vor euch läge,
was mir das Herz bewegt.
Manchmal komm' ich mir so klein vor,
mit meinen großen Tönen,
die im kleinsten Wind verweh'n
[Udo Jürgens, 1977]
Es ist wie Paulus sagt,
als er zu den Korinthern ging,
schwach und klein, sogar verzagt,
schätzte seine Worte nur gering.
Doch wusste, dass er einen Bruder hat,
dessen Geist mit Kraft und bunten Farben weht,
der ihm an seiner Statt,
voraus und durch die Herzen geht.
Keine Weisheit dieser Welt
und kaum ein Wort
ist dieser Geistkraft gleichgestellt
nicht hier – an keinem Ort.
Nicht, um jemanden zu überreden,
oder große Reden auszubreiten,
sondern um sich vor euch auszulegen
und zu der wahren Weisheit hinzuleiten.
Damit jeder sehen sollte,
dass Jesus, wie er kam und lebte,
starb, und Gott seine Auferstehung wollte,
und er dann gen Himmel strebte,
dass das, was vielen eine Torheit,
oder ein Geheimnis ist,
in Wahrheit wahre Weißheit,
die kein Mensch ermisst,
und doch aus Gottes Herrlichkeit
dir und mir gegeben ist.
Mein Bruder ist ein Maler, ja,
der den Namen Jesus trägt,
Paulus wusste, er ist da,
und wusste, was sein Geist bewegt.
Dass er die Welt in Farben gießt,
die von Gottes Herrlichkeit erzählen
und aus denen neues Leben fließt.
Wie ich nun auf diese Zeilen schaue,
weiß ich wohl, dass ich kein Maler bin,
doch was ich mit der Sprache baue,
legt auch manche Bilder hin.
Worte, fast wie tausend Farben,
können wohl ein Stück des Himmels fangen,
verstecken vor der Welt die Narben
und zaubern Mut, sogar den Bangen.
Was schön ist, kann noch schöner scheinen,
Zweifel werden ausradiert,
vergehen dürfen Wut und Weinen.
Vom vollen Leben fasziniert,
sind Jubel, Lieben, Lachen
in Sprache festgehalten,
Sachen, die wir Menschen machen
und die das Leben reich gestalten,
fest in Worten eingeschlossen
und wer es hört, kann es durchleben,
selbst wenn der Moment schon lang verflossen,
kann es ihn noch einmal geben.
Um zu bewahren, was Geschenke sind,
und die Momente auszusieben,
für die ich manchmal vielleicht blind,
die aber aufbewahrt von Gott, für all die, die ihn lieben.
Und weil Gott vor aller Zeit bestimmt,
dass er uns auf diese Weise
mit in seine Herrlichkeiten nimmt,
entdecken wir sie laut und leise;
die kein Auge je gesehen
und kein Ohr hat je erlauscht,
das wird sein Geist noch zu dir wehen,
der durch alle Welt und Menschen rauscht.
Sieh nur mutig in die Welt,
die Wunder liegen offen,
wir sind hier hineingestellt
und dürfen immer, immer hoffen.
Manchmal komm' ich mir so klein vor,
mit meinen großen Tönen,
die im kleinsten Wind verweh'n
[Udo Jürgens, 1977]
4 Meine Rede und meine Verkündigung sollten euch nicht durch ihre Weisheit überreden. Vielmehr sollte in ihnen Gottes Geist und Kraft zur Geltung kommen.
5 Denn euer Glaube sollte nicht aus menschlicher Weisheit kommen, sondern aus der Kraft Gottes.
6 Und doch verkünden wir eine Weisheit – und zwar denen, die dafür bereit sind. Es ist eine Weisheit, die nicht aus dieser Welt stammt. [...]
Denn der Heilige Geist erforscht alles, selbst die unergründlichen Geheimnisse Gottes.
Mein Bruder ist ein Maler, ja,
der den Namen Jesus trägt,
Paulus wusste, er ist da,
und wusste, was sein Geist bewegt.
Dass er die Welt in Farben gießt,
die von Gottes Herrlichkeit erzählen
und aus denen neues Leben fließt.
Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.
[EG 72, 5+6 (O Jesu Christe, wahres Licht)]
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Predigt am Neujahrstag - 01.01.2022
Predigttext: Johannesevangelium, Kapitel 6, Vers 37
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Christus spricht: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6, 37)
Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.
I
"Wir sind immer für Sie da.
24 Stunden am Tag!
Wir sind immer für Sie da.
Ihre Better-Life GmbH."
Singt die Band "Blumentopf"
in ihrem gleichnamigen Lied.
Voraus gehen fadenscheinige Tips
für ein Leben, das aus dem Schatten tritt:
"Das Nachtleben kennen Sie nur von Parties daheim?
Im Club stehen Sie ganz allein da
oder kommen gar nicht erst rein?
Doch Sie wären gerne im Mittelpunkt,
interessant und cool
Und wollen nicht mehr im Abseits stehen?
Dann hören Sie ganz gut zu."
Oder:
"Sie ham es satt, nur die kleine Nummer im Büro zu sein?
Die andern ham die guten Jobs, sie leisten Fronarbeit?
Ihr Vorgesetzter hetzt Sie rum, als wärn Sie vogelfrei
und Ihr Gehalt ist nicht mehr gestiegen seit der Probezeit?
Seien Sie kein Trottel, der sich sowas noch länger bieten lässt,
machen Sie den Kurs bei uns, und morgen sind Sie der Chef!"
Verlockend.
Sicher.
Aber nachhaltig?
Nützlich?
Menschenfreundlich?
Trägt das?
Und wohin?
II
Es ist heute um die 16 Jahre her,
da betrat ich spät in der Nacht,
nach 24 Uhr,
einen Laden in den USA.
Auf dem Schild vor der Tür
prangte in leuchtenden Lettern:
24-7 open.
7 Tage die Woche,
24 Stunden geöffnet.
Also rund um die Uhr.
Immer auf.
Ich ging hinein.
Drinnen wischte eine
kleine Frau mit Schürze
und einem Hader in der Hand
emsig den Boden des
weitläufigen Ladens,
während sie einen Eimer
mit den Füßen immer etwas weiter schob.
Ich brauchte nicht viel
und nicht lange.
Nur einen Kaffee für die Nacht,
um das Warten auf meine
Weiterreise am Morgen
zu überbrücken.
Eine Schwellenzeit,
nicht zwischen zwei Jahren,
aber zwischen zwei Orten.
Die Frau kassierte freundlich,
ihr lächelndes "How are you?",
"Wie geht's dir?" klang aufrichtig;
ich gab ein "I'm fine. Thanks.",
"Es geht mir gut. Danke." zurück
und sie wünschte mir
noch eine gute Nacht,
was ich erwiederte.
Dann verließ ich den Laden
mit der großen Leuchtreklame:
24-7 open.
Für mich, vor 16 Jahren,
beinahe unbegreiflich
und völlig unbekannt -
ja, auch die Freundlichkeit der Frau
am Hader und hinter der Kasse,
von der ich in Deutschland
vielleicht weit weniger Worte
und eher eine knurrige Art
zu nachtschlafender Zeit
zu erwarten gehabt hätte;
aber mehr eigentlich überraschte mich
der überhaupt geöffnete Laden.
Mitten in der Nacht.
Mitten in der Stadt.
Nach und nach hat es inzwischen
ja auch bei uns Einzug gehalten.
24-7 open.
Es gibt einige
dieser 24h-Läden.
Es gibt auch genug
dieser "Better-Life GmbHs"
die die Band "Blumentopf"
wohlweißlich karikiert.
III
Sie kennen sicher alle,
oder mindestens viele von Ihnen,
das Lied "der Laden"
von Gerhard Schöne.
Es liegt zu nahe,
um es nicht zu zitieren:
"War es Traum oder wirklich?"
beginnt Gerhard Schöne sein Lied,
"War es Traum oder wirklich,
als ich in dieser Stadt
Irgendwo in Gedanken einen Laden betrat?
Hinterm Tisch dieser Händler
Wirkte irgendwie fremd.
Verbarg müsam zwei Flügel
unterm lichtweißen Hemd.
Das Regal war bis unter die Decke
Voll mit Tüten und Schachteln gestellt.
Doch im Dämmerlicht konnt ich nicht sehen,
Was die eine um die andre enthält.
Nun, ich fragte den Händler:
'Was verkaufen Sie hier?'
'Alles was Sie sich wünschen,
alles gibt es bei mir.
Das, wonach Sie sich sehnen,
Was Sie froh machen kann,
Was Sie schon nicht mehr hofften, alles biete ich an.'
Oh, wie hab ich mich da vor dem Händler
Mit dem Wünscheaufsagen beeilt:
'Sie, ich möchte das Schweigen der Waffen
Und die Brötchen viel besser verteilt.
Mehr Verstand in die Köpfe,
Aus den Augen die Gier,
Eltern Zeit für die Kinder,
Achtung vor jedem Tier.
Helle Zimmer für alle,
Arbeit je nach Talent.'
Als ich Luft holen wollte, sprach er:
'Kleinen Moment!
Sicher haben Sie mich falsch verstanden,
Wie ich hör, wollen Sie Früchte von mir,
Ach nein, nein, ich verkauf keine Früchte,
Nur die Samen dafür.'"
IV
Christus spricht:
„Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6, 37)
Dieses Wort steht über dem neuen Jahr.
2022.
„Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.“
24 Stunden.
7 Tage die Woche.
24-7 open.
Zu jeder Zeit willkommen.
Offene Türen,
hell erleuchtete Fenster.
Drinnen putzt vielleicht
eine unscheinbare Frau
mit Schürze und Hader in der Hand
den Ladenboden,
schiebt einen Eimer vor sich her,
so unscheinbar und alltäglich,
wie die Wunder des Glaubens
manchmal durch mein Leben wehen;
so unscheinbar und alltäglich,
wie Gott mir manchmal
mitten im Leben begegnet.
Ein freundliches Lächeln
und ein aufrichtiges
"How are you?"
bitten dich herein.
Und drinnen bekommst du
einen Kaffee,
wenn du den zum Durchhalten brauchst,
weil die Nacht lang werden könnte
und alles, wirklich alles,
was du dir vorstellen kannst
noch dazu:
was die Welt zum Durchhalten braucht,
wenn das Dunkel lang werden könnte.
Frieden und Gerechtigkeit.
Weisheit und Güte.
Eine echte "Better-Life GmbH".
Immer für dich da. 24 Stunden am Tag.
Christus spricht:
„Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen.“ (Joh 6, 37)
Vielleicht fügt er noch hinzu:
"Das, wonach Sie sich sehnen,
Was Sie froh machen kann,
Was Sie schon nicht mehr hofften,
alles biete ich an."
Doch nicht zu voreilig.
Ein Anruf bei dieser Hotline
wird die Welt nicht auf einmal verändern.
Ein Einkauf in diesem Laden auch nicht.
Den Anfang machen die Samen,
die es dort zu kaufen gibt.
Die von mir und dir
gepflegt und gehegt werden wollen.
Das macht Mühe
und braucht Zeit.
Aber diese Samen
werden nicht ohne Früchte bleiben.
Und so wünsche ich euch
und uns miteinander,
noch auf der Schwelle
zwischen zwei Jahren,
am Beginn dieses Jahres 2022,
für mich auch ein bisschen
auf der Schwelle zwischen zwei Orten,
ich wünsche uns,
dass wir in diesem neuen Jahr,
egal welche Widrigkeiten
und Dunkelheiten uns erneut
begegnen werden,
dass wir in diesem neuen Jahr,
die Erfahrung machen dürfen
- überraschend und unbekannt,
vielleicht außergewöhnlich,
und trotzdem irgendwie
unscheinbar und alltäglich -
die Erfahrung machen dürfen
von offenen Türen,
freundlichen Gesten,
aufrichtigen Fragen
danach, wie es dir und mir geht,
und regaleweise Samen
für gute Früchte,
die wir miteinander mutig
und freigiebig aussähen
in der Welt...
für "das Schweigen der Waffen
Und die Brötchen viel besser verteilt.
Mehr Verstand in die Köpfe,
Aus den Augen die Gier,
Eltern Zeit für die Kinder,
Achtung vor jedem Tier.
Helle Zimmer für alle,
Arbeit je nach Talent."
Dann ist es auch vorbei mit dem
Im-Abseits-stehen
und dem
Nur-eine-kleine-Nummer-sein
im Leben.
Das glaube ich jedenfalls.
Jesus sagt:
"Wer zu mir kommt,
den werde ich nicht abweisen."
Keine faulen Tips einer
gewinnorientierten "Better-Life GmbH",
sondern ein "24-7 open"
mit hellen, leuchtenden Lettern
über der Tür
und drinnen,
hinter der Tür,
sind regaleweise Samen,
die Samen genau dafür.
7 Tage die Woche.
24 Stunden.
Durchgehend geöffnet.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
Predigtlied: EG 361, 1.2.4 (Befiehl du deine Wege)
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