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Predigten 2021

Die Predigten des Jahres 2021 (Auswahl)


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2021

Predigt am 1. Christtag - 25.12.2021

Predigttext: 1. Johannesbrief, Kapitel 3, Verse 1-2


Friede sei mit euch und Gnade von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.


Predigttext: 1. Johannes 3, 1-2

1 Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch! Darum erkennt uns die Welt nicht; denn sie hat ihn nicht erkannt.

2 Meine Lieben, wir sind schon Gottes Kinder; es ist aber noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen: Wenn es offenbar wird, werden wir ihm gleich sein; denn wir werden ihn sehen, wie er ist.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Seht.

Wie schnell ist so ein kleines Wort überlesen.

Seht.

Es ist nicht schwer zu verstehen,

wohlbekannt, alltäglich.

Seht.

Und doch,

in der Bibel ist es recht selten.

Also eine kleine,

schnell überlesene,

oder passender: übersehene

Besonderheit.

Nur etwa 156 Mal

kommt es im deutschen Bibeltext vor,

sagt die Online-Textsuche.

Höre!“ oder „Hört“ dagegen:

gut doppelt so oft.

Höre Israel.

Höre, was der Herr zu sagen hat.

Glaube hat ja so viel mit Worten zu tun,

also: Höre! Hört!

Das kennt man auch.

Und das hier auch:

Siehe!

Siehe, ich will dies und das tun,

spricht der Herr.

Siehe, es wird sein.

Siehe, es war.

Es ist nicht ganz 10 Mal

häufiger als „Seht.“.

Siehe!

Dann meint die Bibel meist:

Erkenne! Nimm wahr, was geschieht!

Schlussfolgere! Verstehe!

Oder es bekräftigt einfach,

was geschieht.

Siehe!

Aber „Seht“.

Das ist selten.

Nur hinsehen.

Sonst nichts.

Zum Greifen nah,

gut sichtbar

ist da etwas geworden,

das sonst nur hörbar,

vielleicht mit Mühe erkennbar war,

im Nachhinein zu verstehen,

wenn es jemand denn begreifen wollte.

Doch jetzt: Seht!


Dafür muss ich kurz anhalten.

Vielleicht auch innehalten.

Hinsehen.

Oft genug fehlt ja die Zeit dafür.

Besonders rund um Weihnachten.

Der Kopf ist zu voll

und die To-do-Liste auch

und ich habe es eilig,

äußerlich wie innerlich.

So renne ich manchmal durch [das] Leben

und durch meinen Glauben

[nach: Wilko Hunger, FB Predigtkultur, 22.12.2021]

und auch durch solche Texte.

Seht, schreibt der 1. Johannesbrief.

Nehmt euch einen Moment Zeit.

Und seht hin.

In den Stall.

In die Krippe.

Ihr müsst ja nur hinsehen.

Seht auf das Weihnachtsgeschehen

und auf die Welt

und auf euch selbst.

[nach: Wilko Hunger, FB Predigtkultur, 22.12.2021]


Gerade Weihnachten ist das Fest,

an dem es besonders viel zu sehen gibt.

Allein in der Weihnachtsgeschichte:

Lasst uns nun gehen nach Bethlehem“,

sagen die Hirten,

und die Geschichte sehen,

die da geschehen ist“.

Das sehen, was sie gehört haben.

Von den Engeln.

Draußen auf dem Feld.

Nachdem die Engel wieder verschwunden sind,

gehen die Hirten, um zu sehen.

Sie machen sich auf den Weg,

um mit eigenen Augen das Kind anzuschauen.

Seht.


Und dann sehen sie vielleicht zuerst

nur die armselige Hütte.

Nur ein paar Bretter und ein Dach.

Nichts, was sie noch nie gesehen hätten.

Dann womöglich die

müden, abgekämpften Gesichter

von Maria und Josef.

[nach: Ulrich Schaffert, FB Predigtkultur, 22.12.2021]

Nichts, was sie noch nie gesehen hätten.

Ein kleines Kind,

frisch geboren,

liegt dabei.

Nichts, was sie noch nie gesehen hätten.

Ungewöhnlich vielleicht,

dass ein Kind im Futtertrog der Tiere liegt.

Das sieht man nicht so oft.

Aber sie sehen noch mehr.

Die Hirten.

Andere hätten vielleicht

dem jungen Paar Glückwünsche dagelassen,

hätten die Freude über das neugeborene Leben geteilt,

einen Blick in die Krippe geworfen,

einmal in die Wange des kleinen Rackers gekniffen

und wären umgekehrt.

Schön zu sehen.

Mehr auch nicht.

Aber wer so sieht,

sieht nur.

Wer aber weiß, wie oft die Bibel

Höre!“ und „Hört!“ sagt,

wie oft sie „Siehe!“ sagt,

und wie selten „Seht!“,

der weiß auch,

dass er hören muss,

dann erkennen,

oder vielleicht vertrauen,

dass aus dem Gehörten

etwas in der Welt,

oder um mich her erkennbar wird,

und dann kann man es sehen.

Seht.

Und die Hirten sehen.

Sie sehen, wie Gott ankommt

mitten in ihrer Welt.

Mitten im Dunkel ein Leuchten.

Der helle Stern überm Stall.

Die Engel.

Der Glanz auf dem Gesicht des Kindes.

Das alles sehen sie,

[nach: Ulrich Schaffert, FB Predigtkultur, 22.12.2021]

und plötzlich

sehen sie sogar ihr eigenes Leben

in neuem Licht,

in neuem Glanz.

Sie sehen, was sie Gott wert sind:

Seht, welche Liebe uns Gott gezeigt hat,

dass wir uns Gottes Kinder nennen sollen –

und wir sind es.“


Denn das Wort ward Fleisch

und wohnte unter uns.“ (Joh 1)

Seht.

So sagt Johannes heute zu mir und zu dir.

Seht die Geschichte von Weihnachten,

seht das Kind im Stall,

seht die Hirten

und seht auch euch,

mit ihnen in diesem Stall.

Wie die Hirten sich damals

in neuem Licht,

in neuem Glanz

selbst sehen konnten,

so vielleicht auch du,

auch ich.

Mein Alltag.

Mit all den Erfahrungen dieses Jahres.

So viel, das schwierig war.

Was ich mir vielleicht anders gewünscht hätte.

In dieser zerbrechlichen Welt.


Und dann stehe ich mit den Hirten

im Stall von Bethlehem,

mitten in der Nacht,

im Dunkel der Welt

und blicke auf die Krippe,

blicke umher

und sehe die Erschöpfung in manchen Augen,

auch in den eigenen.

Ich sehe rotierende Ärztinnen,

Pflegerinnen und Pfleger auf Intensivstationen.

Resignierte Selbstständige,

unsichere Einzelhändler,

ausgelaugte Ehrenamtliche

in Vereinen und in der Kirche.

Ich sehe […] das Bild

eines verlassenen Unterstandes

im Grenzgebiet von Belarus,

notdürftig aus Zweigen gebaut;

der Ort wo eine vierköpfige Familie

wochenlang ausgeharrt hat.

Wo sie jetzt sein mag?

Ich sehe müde, aufgeriebene Gesichter,

zermürbt vom Streit, der sich durch

Freundschaften, Beziehungen, Familien,

mitten durch die Gesellschaft zieht.

Seht. Seht!

Das ist die Welt,

in die Gott hineingeboren wird.

[nach: Ulrich Schaffert, FB Predigtkultur, 22.12.2021]


Seht: Gott ist in der Welt.

Seit jener Nacht in Bethlehem.

Geboren.

Mensch unter Menschen.

Ein Kind.

In einer Krippe.

Zwischen jungen Liebenden,

Hohen und Tiefen,

Nahen und Fernen,

Hirten und Weisen dieser Welt.

An zugigem, notdürftigem Ort.

Nicht herrschaftlicher,

nicht komfortabler

als Ochs und Esel residieren.

Wo niemand so gern sein will,

aber Menschen immer wieder sind.


Gott ist in der Welt.

Und wenn es in [mir] manchmal

zugig ist und unpassend;

Wenn dieses Jahr zu viel war,

kein Ort, an dem man sein will;

Wenn [ich] zu klein bin für alles

oder zu groß oder beides,

[nach: Ulrich Schaffert, FB Predigtkultur, 22.12.2021]

ein Hirte bei spärlichem Lohn,

oder ein müdes Tier;

Dann höre ich nochmal genau hin,

von Anfang an:

Fürchte dich nicht,

sagen die Engel.

Gib deine Furcht, die Schrecken der Tage,

die Last auf deinen Schultern

an der Tür des Stalles ab

und tritt ein,

dann siehe, spüre,

erkenne den Frieden,

bei Ochs und Esel,

Hirten und Weisen,

Hohen und Tiefen dieser Welt,

zwischen jungen Liebenden;

und dann: sieh,

Seht.

In der Krippe,

ein Kind,

ein Lächeln,

Freude, die beginnt.

Und vielleicht,

wer weiß,

vielleicht werde auch ich dabei

ein bisschen wie neu geboren –

sehe mich

in neuem Licht,

in neuem Glanz.

Seht, welche Liebe uns Gott gezeigt hat,

dass wir uns Gottes Kinder nennen sollen –

und wir sind es.“

Sagt Johannes.


Ich könnte auch sagen:

Seht: Gottes Liebe ist uns in die Wiege gelegt.

Und dann:

Seht: wie sie leuchtet, die Liebe.

Wenn ihr sie lasst.

Wie sie strahlt.

Wie sie sich ausbreitet,

wenn ihr sie glaubt.

Glaubt,

könnte Johannes auch sagen.

Glaubt

dass Gott wirklich Kinder hat [...]

dass du eins davon bist.

Dass [Gott] dir zeigt,

wie malen geht

und sprechen und laufen.

Kuchen backen.

Träume haben.

Rollschuh fahren.

Getröstet [werden].

Und trösten.

Glaub,

dass Gott wollte,

dass du bist.

Dass […] in dir lauter Liebe

von Gott liegt,

dir in die Wiege gelegt,

weil Gott sich uns in die Wiege gelegt hat.

Der Anfang der Welt und ihr Ende.

Glaub,

dass [Gott] stolz auf dich ist.

Und glücklich, wenn du wächst.

Und auch dann da [ist], wenn nicht.

[Und dann]

Glaub,

dass du Gott immer ähnlicher [werden kannst].

Dass, wenn es offenbar wird,

[so schreibt Johannes]

wir Gott gleich sein werden

und wir Gott sehen werden,

wie [Gott] ist.

[nach: Ulrich Schaffert, FB Predigtkultur, 22.12.2021]


All das kann ich,

muss ich vielleicht glauben,

wenn ich es erkennen will.

Mag sein.

Aber hier und heute

sagt Johannes nur:

Seht.

Denn in diesem Stall,

in dieser Krippe

von Bethlehem

muss ich nur hinsehen.

Mehr eigentlich nicht.

Denn Gott

hat sich uns in die Wiege gelegt.


Und der Friede Gottes bewahre unsere Herzen und Sinne – heute und immer. Amen.


Predigtlied: EG 37. 1.2.5.9 (Ich steh an deiner Krippen hier)


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Predigt zur Christvesper - 24.12.2021

Predigttext: Prophetenbuch Micha, Kapitel 5, Verse 1-4a


Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.


Alles muss klein beginnen.

Ich habe etwas Kleines mitgebracht.

Ihr könnt es kaum erkennen.

Das ist mir bewusst.

Es ist die kleinste Krippenszene,

die ich besitze.

Aufklappbar.

Von außen mit einem Bild versehen:

zwei Lämmern lugen in die Krippe,

wo das Kindlein sehr zufrieden schläft.

Und aufgeklappt:

die beiden Lämmer, ein Esel,

Maria Josef und das Kind in der Krippe

und zwei Herren dabei,

Hirten oder Weise,

lässt sich nicht abschließend feststellen.

Ich habe sie aufbewahrt,

weil ich sie im Vikariat einmal

von einer sehr lieben Familie zu Weihnachten

geschenkt bekommen habe.

Sie hat ihren festen, weihnachtlichen Platz

neben Räuchermännchen und Figuren

in meinem Bücherregal im Wohnzimmer.

Klein. Nichts besonderes. Nicht teuer.

Aber mir trotzdem sehr lieb.

Manche könnten den Kopf schütteln

und sagen, dass sie sich sowas niemals

ins Regal stellen würden.

Mag sein.

Ich mache es trotzdem.

Weil sie irgendwie ein bisschen so

klein und unbedeutend daherkommt,

wie das, was in der Heiligen Nacht

in Bethlehem geschah.


Du Bethlehem Efrata,

die du klein bist unter den Städten in Juda,

sagt der Prophet Micha.

Und die es hören oder lesen,

fragen „Was?“

Bethlehem?

Brothausen hören hebräische Ohren.

Fleischhausen arabische.

Aber beide wissen,

es hat etwas mit der Grundlage des eigenen Lebens zu tun.

Ein Dorf schon eher, als eine Stadt,

benannt nach der Lebensgrundlage.

Bist du Sammler und Ackerbauer: Brothausen.

Bist du Hirte und Jäger: Fleischhausen.

Bethlehem.

Klein?

Ja!

Unbedeutend?

Keineswegs!

Der König David stammte von dort.

Dort auf der Weide fand der große Samuel

den kleinen David, als er noch ein Hirte war.

Danach sollte er zum Menschenhirten,

zum König werden.

Du Bethlehem Efrata,

die du klein bist unter den Städten in Juda,

sagt der Prophet Micha und hat recht damit;

aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei,

sagt er weiter.

Für den König David hatte das zugetroffen.

Doch als Micha diese Zeilen schrieb,

war David lange weg.

Gut 300 Jahre tot.

Und dennoch ruft Micha durch die Straßen

und auf den Plätzen,

was Gott ihm sagt:

Aus Bethlehem soll kommen,

der in Israel Herr sei.

Und Menschen gehen an ihm vorüber

und schütteln Köpfe.

Manche sagen: Von gestern!

Und rollen mit den Augen.

Andere sagen: Schwachsinn!

Worte, die nichts taugen.


Jahrhunderte vergehen.

Nichts geschieht.

Dann wird ein Kind geboren.

In einer denkwürdigen,

heiligen Nacht.

Sternkonjunktion mit Kometenschweif.

Über Bethlehem.

Reisende aus fernen Ländern.

Arme Viehbedienstete aus der Umgebung.

Zusammen an einem Ort.

Dort, wo Ochs und Esel wohnen,

und ein junges Paar

von den Strapazen einer langen Reise rastet.

Zur Erholung“ stand vielleicht

am Schild der Herberge,

die keinen Raum mehr hatte,

als nur den Stall in Bethlehem.

Wo eingeborene Ohren hören,

dass es um ihre Lebensgrundlage geht –

dort tritt der Grund des Lebens in die Welt.

Klein, wie Bethlehem,

ein Kind in einer Krippe,

ohnmächtig, aber nicht machtlos,

dringt das Strahlen dieses Kindes

in die Herzen

der Weitgereisten,

genauso wie der Nachbarn;

beide nah herbeigekommen,

um zu sehen,

was Engelschöre auf den Feldern sangen:

Ehre sei Gott in der Höhe.

Und alle Furcht hat ein Ende in der Tiefe.

Und der Friede ist bei den Menschen.

Und Weise und Toren,

Reisende und Hirten,

erfasst ein vielleicht irrwitziges Vertrauen,

dass diesem Kind alles zuzutrauen sein könnte:

Wunder-Rat, Gott-Held,

Ewig-Vater, Friede-Fürst.

Wer nicht dabei gewesen ist,

wird mit dem Kopfe schütteln.

Sagen: Von gestern!

Und mit den Augen rollen.

Sagen: Schwachsinn!

Worte, die nichts taugen wollen.


Und Jahrhunderte vergehen.

Wenig hat sich seither verändert.

Als der große Samuel mit dem kleinen David daherkam,

haben Menschen ungläubig und abschätzig reagiert.

Als Micha in den Straßen und Gassen von der Zukunft sprach,

haben Menschen ungläubig und abschätzig reagiert.

Als Weise und Toren gleichermaßen,

Hirten und Reisende von der herzerwärmenden

Lebensfreude einer dunklen, besonderen Nacht berichteten,

haben Menschen ungläubig und abschätzig reagiert.

Und wenn nun heute

Pfarrpersonen auf Kanzeln,

Begeisterte auf Straßen oder Plätzen,

Weise und Toren gleichermaßen

von dem Grund des Lebens sprechen,

der in der Welt ist,

weil Liebe bei den Menschen wohnen will,

damit Friede wird,

werden Menschen ungläubig und abschätzig reagieren.


Es scheint wie ein Muster erkennbar.

So scheint Gottes Weg zu sein.

Das aus dem Kleinen,

dem vermeintlich Unbedeutenden,

etwas wächst,

wenn ich das irrwitzige Zutrauen habe,

dass es so sein könnte.

Wie bei David.

Dem kleinen Hirten, der ein großer König wird.

Wie bei Bethlehem.

Der kleinen Stadt, eher ein Dorf,

in dem sich Großes ereignet.

Wie das Kind in der Krippe.

Dem kleinen Kind,

das Jesus heißt: Retter, Helfer, Erlöser.

Wunder-Rat, Gott-Held,

Ewig-Vater, Friede-Fürst.


Es braucht Zutrauen, sicher,

dass ein kleines Kind,

die Welt verändern kann;

dass aus kleinen Anfängen

ganz Großes wachsen kann.


Aber:

Alles muss klein beginnen.

Auch Gott.

Auch du und ich.

Es gibt so viele Gelegenheiten

für die kleinen Anfänge.

Ein kurzer, verschrobener Blick,

über die Schulter,

nach dem Streit,

der eine Versöhnung in Aussicht stellt,

ist ein kleiner Anfang.

Ein Mädchen, das sagt

Mir ist egal wo du herkommst,

Hauptsache du spielst ordentlich mit!“

ist ein kleiner Anfang

Und ein Schiedsrichter,

der ein Spiel abbricht,

wegen einer Beleidigung,

auch.

Jemand, der sagt,

ich schütze andere,

durch einen Nadelstich in meinen Arm,

ist ein kleiner Anfang und

jemand, der sagt,

ich verstehe deine Angst davor

und verurteile dich dafür nicht,

auch.

Ein junger Mann,

der zu einer alten Frau sagt:

Ich habe Zeit für dich.“,

gerade weil Zeit ein so kostbares Gut ist,

ist ein kleiner Anfang;

und eine Karte im Briefkasten,

ein ausgedrückter Gedanke,

der Worte gefunden hat,

ist es auch.

Die Hand auf der Schulter,

das Lächeln im Bus,

die angebotene Hilfe,

das leise Gebet.


Alles muss klein beginnen.

Und es gibt so viele kleine Anfänge.

Sie alle sind wie Bethlehem:

Du Bethlehem Efrata,

die du klein bist unter den Städten in Juda,

sagt der Prophet Micha.

Und es gibt so viele kleine Anfänge.

Sie alle sind wie das Kind in der Krippe,

ohnmächtig, aber nicht machtlos.


Vielleicht ist es irrwitzig,

diesem Kind alles zuzutrauen.

Aber nicht sinnlos.

Denn wenn es heranwachsen kann,

wird es der werden, der Herr sein wird.

Ein Friedensstifter.

Friede-Fürst, sagt Jasaja.


Denn all die kleine Anfänge können heranwachsen

und groß werden in der Welt,

herrlich bis an die Enden der Erde,

sagt Micha,

und dann kann durch jeden

noch so kleinen Anfang

Frieden werden.


Noch könnt ihr es kaum erkennen.

Das ist mir bewusst.

Klein. Nichts besonderes. Nicht teuer.

Mag sein.

Trotzdem.

Ein kleiner Anfang.

Irgendwie ein bisschen so

klein und vermeintlich unbedeutend, wie das,

was in der Heiligen Nacht geschah.

In Bethlehem.

Tritt jemand ein bisschen heran,

wird schon mehr erkennbar,

vielleicht wird sogar das Herz

ein bisschen warm –

ein kleiner Anfang –

wie damals, an der Krippe,

im Stall von Bethlehem.


Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


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Predigt am 4. Advent - 19.12.2021

Predigttext: Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 26-38


Gnade sei mit euch und Friede, von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.


Lukas 1, 26-38

26 Elisabet war im sechsten Monat schwanger. Da schickte Gott den Engel Gabriel zu einer Jungfrau in die Stadt Nazaret in Galiläa.

27 Sie war mit einem Mann verlobt, der Josef hieß und ein Nachkomme Davids war. Die Jungfrau hieß Maria.

28 Der Engel trat bei ihr ein und sagte: »Sei gegrüßt! Gott hat dir seine Gnade geschenkt. Der Herr ist mit dir.«

29 Maria erschrak über diese Worte und fragte sich: »Was hat dieser Gruß zu bedeuten?«

30 Da sagte der Engel zu ihr: »Fürchte dich nicht, Maria. Gott schenkt dir seine Gnade:

31 Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben.

32 Er ist zu Großem bestimmt und wird ›Sohn des Höchsten‹ genannt werden. Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vorfahren David geben.

33 Er wird für immer als König herrschen über die Nachkommen Jakobs. Seine Herrschaft wird niemals aufhören.«

34 Da sagte Maria zu dem Engel: »Wie soll das möglich sein? Ich habe doch noch nie mit einem Mann geschlafen!«

35Der Engel antwortete: »Der Heilige Geist wird auf dich kommen. Die Kraft des Höchsten wird dieses Wunder in dir bewirken. Deshalb wird das Kind, das du erwartest, heilig sein und ›Sohn Gottes‹ genannt werden.

36 Sieh doch: Auch Elisabet, deine Verwandte, erwartet einen Sohn trotz ihres hohen Alters. Sie ist jetzt im sechsten Monat schwanger, und dabei hieß es: Sie kann keine Kinder bekommen.

37 Für Gott ist nichts unmöglich.«

38 Da sagte Maria: »Ich diene dem Herrn. Es soll an mir geschehen, was du gesagt hast.« Da verließ sie der Engel.


Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Was Maria gerade gemacht hat?

Keine Ahnung.

Bilder zeigen sie gern, wie sie liest …

Das kann schon so gewesen sein.

Oder eben nicht.

Ich stelle mir vor, dass sie

etwas anderes gemacht hat.

In ihrem kleinen Stübchen,

in dem kleinen Häuschen.

Vielleicht hat sie gerade den Fußboden gekehrt.

Den Eltern einen Brief geschrieben.

Sich um die Kleider gekümmert.

Vielleicht wollte sie grade raus, die Hühner füttern.

Oder einen Krug Wasser vom Brunnen holen.

Oder sie war einfach müde von der Arbeit,

dass sie sich ein paar Minuten ausgeruht hat.

Vielleicht hat sie auch geträumt,

von ihrer Zukunft mit Josef.

Das alles ist möglich.

Möglich auch, dass es wahrscheinlicher ist,

als die lesende Maria im Betstübchen

auf den Bildern, die über die Jahrhunderte

von ihr entstanden.


Und ich, ich sitze in meinem Stübchen –

in meinem Arbeitszimmer vor dem Bücherregal,

mit den vielen Erinnerungsstücken an der Wand,

mit dem Blick auf den Pfarrhof.

Ich sitze an der Predigt für heute,

an den Andachten, Grüßen, Geschichten

und Abläufen dieser Tage.

Ein paar Vorbereitungen für das

Weihnachtsfest in der eigenen Familie

sind auch dabei.

Ich koche Kaffee. Viel Kaffee.

Um dran zu bleiben,

nicht müde zu werden.

Aber manchmal brauche auch ich

die paar Minuten Pause,

das Ausruhen und das Träumen

von der Zukunft,

wie Maria.


Bei Maria stand er oder sie oder es

plötzlich mitten im Raum.

Ein Engel.

Auf einmal da.

Damals. Im sechsten Monat.

Der Engel Gabriel.

Von Gott gesandt. Zu Maria.

Dort, wo sie gerade war,

mitten hinein in das,

was sie gerade tat.

Wo sie den Staub auffegte.

Kleider ordnete.

Die Hühner fütterte.

Oder Wasser holte. Was auch immer.

Auf einmal ist er da.

Ich glaube, nicht nur bei Maria.

Manchmal sitzt er plötzlich

hinter mir am Schreibtisch.

Oder steht hinter mir an der Kaffeemaschine.

Oder bei den Familienweihnachtsvorbereitungen.


Dann legt er Maria die Hand auf die Schulter.

Sie dreht sich erschreckt um.

Sie sehen sich an.

Er lächelt. Und sagt:

»Sei gegrüßt, du Begnadete!«


Und ich glaube:

das sagt er nicht nur zu Maria.

Sondern auch zu mir und zu dir.

Du Begnadete! Du Begnadeter!

Am Schreibtisch.

An der Kaffeemaschine.

In den Weihnachtsvorbereitungen.

Egal, wo.

Und er spricht weiter:

»Fürchte dich nicht! Der Herr ist mit dir!«

Das hat er damals zu Maria gesagt.

Und ich glaube:

das sagt er nicht nur zu Maria.


»Maria aber erschrak über die Rede und dachte:

Welch ein Gruß ist das?«

Mir würde es nicht anders gehen.

Da ist auf einmal ein Engel

und sagt: »Hallo! Du bist begnadet. Ja, Du!

Und der Herr ist mit Dir!«

Da würde ich auch erschrecken.


»Und der Engel sprach zu ihr:

Fürchte dich nicht, Maria!

Du hast Gnade bei Gott gefunden.«

Fürchte dich nicht. Sagt Gabriel.

So etwas wie der Standardtext der Engel.

Immer sagen sie das.

Nicht nur zu Maria.

Und dann kommt’s.

Der Auftrag. Die Zusage.

Die frohe Botschaft.

Maria soll Gottes Sohn zur Welt bringen.

Und ich? Und wir?

Habe ich, haben wir auch eine Rolle dabei?

Ich werde wohl weiter Predigten schreiben,

Kaffee kochen,

Besuche machen

und den ganzen Schreibkram drumherum,

auch an meine Familie denken,

mich manchmal ausruhen

und träumen

und dann weitermachen.

Auch mal Angst haben,

wie das alles ist und wird.

Wie das werden soll

mit unserer Welt und diesem Land.

Und dann stehe ich vielleicht neben Maria.

Die auch Angst hatte,

wie das alles werden soll.

Aber diesen Auftrag hatte.

Diese Zusage.

Die frohe Botschaft des Engels.

Das ist doch ein riesen Ding, Maria –

Du sollst Gott auf die Welt bringen.“

Und ich stelle mir vor,

wie sie mich ansieht und sagt:

Ja, du hast recht.

Das ist riesengroß.

Aber ich mache das nicht allein.

Du sollst mitmachen.

An Deinem Schreibtisch

und an Deiner Kaffeemaschine.

Mit Deinen Worten und Taten –

Wir teilen uns diesen Auftrag:

Bring Gott zur Welt.

Und alle anderen machen auch mit.

In all dem, was sie tun – in Gottes Namen.

In all dem, was ihr tut – in Gottes Namen.

Auf der Baustelle oder in der Gärtnerei.

In der Apotheke oder an der Kasse im Markt.

Auf den Feldern, in den Werkstätten oder Zuhause.

Alle machen mit.

Alle bringen wir Gott zur Welt,

wenn wir tun, was wir tun – in seinem Namen.“


»Da sprach Maria zu dem Engel:

Wie soll das zugehen[...]?

Der Engel antwortete und sprach zu ihr:

Der Heilige Geist wird über dich kommen,

und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten;

darum wird auch das Heilige, das geboren wird,

Gottes Sohn genannt werden. [...]

Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.«


Klar, Maria hat auch so ihre Zweifel.

Wie soll das alles überhaupt gehen?“

Und recht hat sie.

Gott auf die Welt bringen ist nicht einfach.

Und der Engel nimmt Maria ernst.

Er nimmt auch deine und meine

Zweifel und Fragen ernst.

Mein und dein Verzagtsein.

Unser „Wie soll denn das gehen?“

Und er sagt:

»Die Kraft den Höchsten wird Dich überschatten …

Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.«

Und ich sage:

Mit der Kraft dessen,

dem kein Ding unmöglich ist,

werden alle Dinge möglich.“

Ich bin nicht allein.

Du bist nicht allein.

Ich glaube, deshalb hat auch Maria

Ja“ gesagt.

Mit der Kraft dessen,

dem kein Ding unmöglich ist,

werden alle Dinge möglich.


Klar, Maria hätte Nein sagen können.

Frei wie sie ist als Gottes

gutes Geschöpf und Kind.

Maria hätte Nein sagen können.

Wir können das auch.

Gott zwingt uns zu nichts.

Auch Maria nicht.

Und wie ich mir Maria dabei

so vorstelle, erscheint sie mir

ein bisschen wie eine

starke, große Schwester.

Eine Art Vorbild.

Erschrocken wie ich.

Voller Zweifel, wie ich.

Mit Fragen, wie ich.

Und frei. Wie ich.


»Maria aber sprach:

Siehe, ich bin des Herrn Magd;

mir geschehe, wie du gesagt hast.

Und der Engel schied von ihr.«

Das mag ein bisschen arg biblisch klingen.

Vielleicht hat Maria nur ein einziges Wort gesagt:

Ja“.

Ja“ hat sie gesagt.

Ja, ich mach das.“

Ja, ich will Gott zur Welt bringen.

Ich will das“.

Und sie sagt zu mir: „Mach das auch.

Mit deinen Worten und Taten.

Der Herr ist mit Dir.

Du bist begnadet.

Und alle ihr anderen auch.

Bringt Gott zur Welt!“


Und wie ich sie das so sagen höre,

möchte ich sagen: „Ja.

Ja, ich mache das.

Ich will das.“

»Und der Engel schied von ihr …«

Und von mir und von Dir.

Aber der Auftrag bleibt.

Und die Zusage.

Und die frohe Botschaft.

Die hat er dagelassen.

Der Engel.

Bring Gott zur Welt.“

Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.

Und ich will mich daran freuen,

wenn ich meinen Beitrag dazu leisten kann.

Mit der Kraft dessen,

dem kein Ding unmöglich ist,

auch das Unmögliche möglich machen.

Amen.


Und der Friede Gottes, der größer als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Predigtlied EG 6, 1-3 – Ihr lieben Christen freut euch nun


[Predigtidee nach Michael Greßler, FB Predigtkultur, 18.12.2021]


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Predigt am 3. Advent - 12.12.2021

Predigttext: 1. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 4, Verse 1-5


Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Predigttext (1. Kor 4)

1 Dafür soll man uns halten: für Diener von Christus und Verwalter von Gottes Geheimnissen. 2 Nun verlangt man ja von Verwaltern, dass sie zuverlässig sind. 3 Aber mir ist es völlig gleichgültig, ob ihr oder ein menschliches Gericht mich beurteilt. Ja, ich beurteile mich nicht einmal selbst. 4 Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst. Aber deswegen gelte ich noch nicht als gerecht. Nur der Herr kann über mich urteilen. 5 Urteilt also nicht schon jetzt. Wartet, bis der Herr kommt! Er wird alles ans Licht bringen, was im Dunkeln verborgen liegt, und die geheimsten Absichten enthüllen. Dann wird jeder von Gott gelobt werden, wie er es verdient.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Kürzlich habe ich eine Szene in einem Spielzeugladen beobachtet.

Ganz bestimmt?“ fragt ein kleiner Junge.

Kommt das Christkind denn ganz bestimmt

und bringt mir das dann Weihnachten?“

Eigentlich will er das Legopaket

nicht mehr aus der Hand geben

und eigentlich auch sofort auspacken.

Die Sache mit dem Christkind

scheint ihm nicht so ganz geheuer.

Der Vater sagt:

Ich hoffe ja schon, dass das Christkind zu uns kommt

und Geschenke bringt.

Warte nur, bis es kommt.“

Verzweifelte Unsicherheit im Blick des kleinen Jungen:

Aber Papa, bestimmt?“

Wie oft diese Frage wohl

in der Adventszeit von Kindern gestellt wird?

Kommt das Christkind denn auch wirklich?

Ganz bestimmt?

Und je länger die Zeit im Advent wird,

desto größer wird die Aufregung,

vielleicht auch die Ungewissheit.

Kommt es denn auch ganz bestimmt?


Wartet, bis der Herr kommt!

Sagt Paulus.

Nicht anders als der Vater

im Spielzeugladen.


Der Wunsch nach Gewissheit ist alt.

Schon zur Zeit Jesu, wollten Menschen Sicherheiten.

Sogar der Täufer Johannes,

der es doch besser wissen müsste,

wollte aus dem Gefängnis heraus,

in Erfahrung bringen lassen,

wer Jesus genau ist.

Heute ist es kaum anders.

Unsicherheit muss Sicherheit weichen.

Ich will es genau wissen.

Die Geduld zu haben,

in Unsicherheit zu leben,

auf etwas hin zu leben,

das kommen soll,

aber ich weiß nicht wann

und ich weiß nicht wie,

ist schwer.

Bis dahin auch nur ahnen zu können,

oder vielleicht zu glauben,

was richtig und was falsch,

was gut und was schlecht ist,

kaum auszuhalten.


Die Menschen in der Korinther Gemeinde –

einige Jahre nach Jesus –

waren sich sehr sicher,

- sicher geworden, vielleicht -

sie glaubten genau zu wissen,

was gut und richtig ist:

Wessen Speiseregeln richtig sind

und welche falsch,

wer gottgefällig lebt

und wer nicht.

Da war man sich sicher.


Wartet, bis der Herr kommt!

Sagt Paulus.


Richtet nicht vor der Zeit.

Seid euch doch nicht zu gewiss

in euren Urteilen darüber,

was richtig und falsch ist,

wer gut oder böse ist.

Was die Welt und jeden einzelnen von uns ausmacht,

das soll und kann allein Gott uns sagen,

wenn er kommt.

Dann werden wir Gewissheit erlangen,

doch nicht schon im Hier und Jetzt.

Bis dahin müsst ihr euch gedulden.

Christen müssen mit Ungewissheiten leben,

bis Gott kommt.

Unsere Zeit ist die Zeit des Noch-Ungewissen,

des Vorletzten.

Weil wir glauben, dass Gott letzte Urteile spricht,

darum stehen genau diese den Menschen

im Hier und Jetzt nicht zu.

Statt Richter, sollen wir Christinnen und Christen

nichts anderes sein als „Haushalter“

oder „Verwalter“

über Gottes Geheimnisse,

also darüber, was erst

mit Gottes Kommen in diese Welt

gelüftet wird.


Bis dahin soll ich Gott die Treue halten.

Doch: Durch gut und böse zu jemandem zu halten,

wie anstrengend ist das schon

in der Liebe zwischen zwei Menschen?

Und wie viel mehr,

gerade in anstrengenden Momenten

treu zu bleiben?

Schwer genug.

Ungewissheit auszuhalten – auch.


Der Dichter Kurt Marti

hat solche Gedanken in Worte gefasst.

Er schreibt:

glücklich, ihr Atheisten!

ihr habt es leichter


euch wirbelt kein gott

aus der bahn des schlüssigen denkens


kein glaube wirft schatten

auf eure taghelle logik


nie stolpert ihr

über bizarre widersprüche


kein jenseits vernebelt euch

die konturen der welt


nie seid ihr berauscht

von heiligen hymnen und riten


nie schreit ihr vergeblich

nach einem göttlichen wunder

[...]

glücklich ihr atheisten!


gern wäre ich einer von euch

jedoch, jedoch: ich kann nicht“


Ja, leichter wäre es wohl,

sich einzig auf das,

was Welt und Menschen uns sagen,

zu verlassen.

Jedoch, jedoch,

sagt Kurt Marti am Ende:

für mich ist es leider nicht so leicht.

Gott lässt mich nicht in Ruhe.

Lässt mich nicht los.

Denn der Glaube schwebt nicht

völlig frei in der Luft.

Er kann sich auf das stützen,

was die Geschichten der Bibel erzählen und

die Erfahrungen von Menschen bestätigen und

in der Kirche immer wieder neu gewendet wird:

dass Gott diese Welt liebt,

sich sorgt,

es gut mit ihr und ihren Menschen meint

und noch mehr mit uns vorhat.


Wartet, bis der Herr kommt!

Sagt Paulus.


Wenn ich Paulus richtig verstehe,

dann sagt er mir sogar:

Dann muss ich Ungewissheit

nicht nur aushalten;

Ich muss sie sogar schützen,

so lange bis Gott kommt.

Haushalter, Verwalter über Gottes Geheimnisse

soll ich sein, sollen wir sein.

Also:

Wehrt euch gegen die vielen

zerstörerischen, aber vermeintlichen

Gewissheiten zwischen Menschen.

Sprecht keine letzten Urteile übereinander.

Urteilt nicht.

Und verurteilt nicht.

Wann immer ich glauben soll:

‚So und nicht anders ist die Welt‘,

muss ich als treuer Haushalter Gottes

Einspruch erheben und

den Spalt des Ungewissen offen halten;

Anwalt des Zweifels sein.

So lange es der Welt

und den Menschen dient.


Gerade in diesen Tagen muss ich

oft daran denken:

Mit der Ungewissheit leben,

das bedeutet auch,

Vertrauen üben.

Vertrauen darauf,

dass Gott es gut meinen wird

und Menschen es auch

gut meinen könnten.

Anerkennen,

dass ich nicht alle letzten Details

kennen kann,

und diejenigen hinterfragen muss,

die das von sich behaupten.

Und es heißt gleichzeitig,

dass ich helfen muss,

dabei nicht in Spaltungen

zu verfallen.

Keine letzten Urteile zu fällen.


Wartet, bis der Herr kommt!

Sagt Paulus.


Die Zeit des Advents stößt mich

vier Wochen lang im Kirchenjahr

auf mein Ungewiss-Sein.

Es ist doch bezeichnend,

dass wir nicht sofort die Heilige Nacht feiern,

sondern zunächst das Warten,

das „Noch-Nicht“ festlich begehen.

Mit Adventskranz,

mit besonderen Liedern,

die von Hoffnung und Vertrauen singen.

Warten müssen, heißt Ungewissheit leben.


Mit dem kleinen Jungen

im Spielwarenladen

frage auch ich:

„Kommst Du, Gott, Christkind,

ganz bestimmt?“

Mehr kann ich nur zu hoffen wagen.

Und glauben, dass aus Ungewissheit

Gewissheit werden wird.

Dann halte ich es so

wie die Besucher an der Krippe,

im Stall, unter dem Stern,

in der Heiligen Nacht,

die in einem kleinen Kind

den Heiland der Welt erkannten.

Wie unwahrscheinlich

und ungewiss war das!


Und bis der Herr kommt,

können wir unterwegs

einander das erzählen,

was Zacharias,

der Vater des Johannes des Täufers,

erfüllt vom Heiligen Geist,

sagte: (Lk 1)

78 Unser Gott hat ein Herz voll Erbarmen.

Darum kommt uns das Licht aus der Höhe zur Hilfe.

79 Es leuchtet denen,

die im Dunkel und im Schatten des Todes leben.

Es lenkt unsere Füße auf den Weg des Friedens.


Ich glaube, dann hält man uns für die,

für die man uns halten soll:

Diener von Christus

und Verwalter von Gottes Geheimnissen.


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

[Teile nach: Jun.Prof. Dr. Stefanie Schardien (ev);13.12.2009 in der lutherischen Pfarrkirche St. Marien, Marburg; Predigtpreis.de]


Pred.lied: EG 10, 3-4 (Mit Ernst, o Menschenkinder) 


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Predigt am 1. Advent - 28.11.2021

Predigttext: Jeremiaprophetenuch, Kapitel 23, Verse 5-8


Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.


Predigttext (Jer 23, 5-8)

5 Seht, es kommt eine Zeit, in der ich für David einen Nachfolger einsetzen werde, einen gerechten Spross. Ausspruch des Herrn – Er wird als König herrschen und gut regieren. Recht und Gerechtigkeit werden ihn auszeichnen, und er wird sie im Land durchsetzen.

6 Zu dieser Zeit wird Juda gerettet werden, und Israel wird in Sicherheit leben. Das wird der Name sein, den man ihm geben wird: »Der Herr ist unsere Gerechtigkeit!«

7 Seht, es kommt eine Zeit, in der man Gott einen anderen Beinamen geben wird. – Ausspruch des Herrn – Dann sagt man beim Schwören nicht mehr: »So gewiss der Herr lebt, der die Israeliten aus Ägypten geführt hat!«

8 Stattdessen wird man sagen: »So gewiss der Herr lebt, der die Nachkommenschaft Israels herausgeführt hat! Er hat sie aus dem Land im Norden befreit. Er hat sie aus allen Ländern zurückgebracht, in die er sie vertrieben hatte. Jetzt leben sie auf ihrem eigenen Land.«

Herr, unser Gott, schenke uns ein Wort für unser Herz und ein Herz für dein Wort. Amen.



Es ist das Jahr 1843.

Im Herbst.

31 Jahre ist ein gewisser Charles Dickens.

Mitten in der Nacht ist er unterwegs.

In London.

Die Meisten schlafen um diese Zeit längst.

Nur die Betrunkenen,

die Notleidenden,

oder die im Zwielicht der Nacht

Geschäfte machen,

sind noch wach.

Männer und Frauen und Kinder,

mit schmutzigen Gesichtern

oder Gedanken,

gleich neben Ratten und Müll.

Charles Dickens erinnert sich,

dass es bei Tag, im Licht,

wenig anders aussieht.

Die Verhältnisse in den Fabriken,

in den Armenschulen,

die durch Industrie und Wirtschaft

immer größer und beklagenswerter wurden.


So geht Charles gedankenverloren durch die Nacht,

bis er seine Wohnung betritt und denkt:

„Das muss anders werden!“

Gern würde er auf den Tisch hauen,

es in die Welt schreien.

Doch er ahnt bereits,

dass weder Flugblätter,

noch Reportagen

und auch keine Leserbrief

in der nächste Zeitung

etwas ändern werden,

etwas zu Guten verbessern werden.

Vielleicht aber eine Geschichte.

Eine Geschichte vom Geist der Weihnacht.

Und Dickens beginnt,

wild entschlossen,

nimmt die Feder zur Hand,

und schreibt...


Viele kennen sie heute längst.

Sie ist inzwischen ja auch schon

knapp 180 Jahre alt.

Und sie geht in aller Kürze so:


„Humbug!“ keift ein hagerer Geschäftsmann,

als sein Neffe ihm fröhliche Weihnachten wünscht.

„Humbug!“ ätzt er, als seine unterbezahlten Buchhalter

ihn um einen freien Tag bitten.

„Humbug!“ ruft er, bevor er die

freundlichen Herren vor die Tür setzt,

die Spenden für die Ärmsten der Armen sammeln –

schließlich, so denkt er,

finanziert er mit seinen Steuern

doch Armenhäuser und Gefängnisse,

und wenn einige am Bodensatz der Gesellschaft

die kalten Feiertage nicht überleben,

dann ist da,

in den Armenhäusern und Gefängnissen,

ja auch wieder mehr Platz.

Ebenezer Scrooge ist,

in Charles Dickens‘ eigenen Worten,

„ein gieriger, zusammenkratzender,

festhaltender, geiziger alter Sünder:

hart und scharf wie ein Kiesel,

aus dem noch kein Stahl

einen warmen Funken geschlagen hat,

verschlossen und selbstgenügsam

und ganz für sich, wie eine Auster.“

Hart und Scharf ist er, wie die Zeit,

in der er lebt.

Und, er ist reich.

Einer von denen,

die den Keil des Elends

tiefer in die Kerbe schlagen.

Kann sich dieser Mensch verändern?

Charles Dickens sagt: Ja.

Und seine Geschichte über Ebenezer Scrooge

und die Geister der Weihnacht erzählt etwas darüber,

wie das gehen kann.

Als Scrooge abends nach Hause kommt,

erscheint ihm sein alter Geschäftspartner Marley.

Halb durchsichtig, wie ein Geist eben ist,

erscheint er plötzlich in Scrooges Stube.

Er trägt schwere Ketten,

die er im Leben mit seiner Habgier

geschmiedet hat und die ihn jetzt,

im Jenseits fesseln.

Und er prophezeit Scrooge,

dass ihm dasselbe Schicksal blüht,

wenn er nicht umkehrt.

Und er kündigt ihm drei Geister an,

die kommen werden,

wenn die Uhr eins schlägt…


Der erste Geist,

der Geist der vergangenen Weihnacht,

erscheint Scrooge in Gestalt eines Kindes.

Er führt ihn zurück in seine einsame Schulzeit,

wo der kleine Ebenezer viel lernt,

damit etwas aus ihm wird,

aber leider wenig Freunde hat.

Er führt ihn in seine erste Arbeitsstelle,

wo sein erster Chef,

riesige Firmenweihnachtsfeiern feiert,

während Scrooge sich

über die riesigen Kosten dafür beklagt.

Aber, so zeigt ihm der Geist

der vergangenen Weihnacht,

auf einer dieser Weihnachtsfeiern

begegnete Ebenezer auch einer jungen,

hübschen Frau namens Belle.

„Erinnerst du dich an diese Begegnung, Ebenezer?“

fragt der Geist.

„Ja, ich erinnere mich…“

„Es gab natürlich noch ein weiteres

Weihnachten mit dieser jungen Frau,

einige Jahre später…“ sagt der Geist,

und Scrooge fällt ihm ins Wort:

„Ich bitte dich, Geist…

zeig mir dieses Weihnachten nicht…“

Aber weil Selbsterkenntnis

der erste Weg zur Besserung ist,

und weil Selbsterkenntnis

nicht ohne Schmerzen zu haben ist,

sehen sie nun auch dieses Weihnachtsfest.

Das Gesicht der jungen Frau ist traurig,

traurig über die schon wieder verschobene Hochzeit,

traurig über den Mann,

den sie an die Firma verloren hat.

„Ich liebe dich, Belle“, sagt der junge Mann.

„Das hast du einmal“, sagt die junge Frau,

und wendet sich ab.

„Geist, zeig mir nichts mehr“,

ruft der alte Scrooge,

„warum gefällt es dir, mich zu quälen?“

„Dies sind die Schatten der Dinge,

die gewesen sind“, sagt der kindliche Geist,

bevor er sich entfernt,

„sie sind, wie sie sind – werfe mir das nicht vor.“

Und da war Scrooge wieder allein

und erschöpft in seiner Stube.


Und wir, Lesende, Hörende,

Zuschauende verstehen,

dass er nicht immer so kalt

und scharf wie ein Kiesel gewesen ist.

Falsche Entscheidungen,

enttäuschte Liebe,

zerplatzte Träume

lagen auf dem Weg.


Als die Uhr zwei schlägt,

hört Scrooge ein lautes,

weihnachtsmannhaftes Lachen:

„Hohoho, komm her

und lern mich besser kennen, Kumpel“,

und der Geist der gegenwärtigen Weihnacht,

ein gutmütiger Riese

in unverbesserlicher Feierlaune,

erscheint.

Er führt ihn zuerst in das Haus seines Neffen,

und dort ist man mitten in einem Ratespiel.

„Es ist eine unwillkommene Kreatur“,

erklärt der Neffe gerade.

„Eine Ratte“, ruft jemand.

„Eine Kakerlake“, jemand anderes.

Der Neffe schüttelt den Kopf,

da lächelt seine Frau:

„Ein unwillkommenes Wesen,

aber keine Ratte und keine Kakerlake –

es ist Ebenezer Scrooge!“

Und während die Festgesellschaft

johlt und lacht,

machen sich Scrooge

und der Geist der gegenwärtigen Weihnacht

auf in eine noch viel ärmere Gegend der Stadt.

Eine Frau brät gerade eine Gans,

und ihr Ehemann, Scrooges Chefbuchhalter,

Bob Cratchit, tritt ein.

Neben ihm, mit einer Krücke, ihr Sohn Tiny Tim.

„Hat er sich in der Kirche gut aufgeführt?“

fragt die Frau, und Bob nickt eifrig:

„So gut wie Gold und noch besser.“

Beim Essen dann,

das Scrooge sehr mager vorkommt,

erhebt Bob sein Glas:

„Es ist nur recht und billig,

dass ich mein Glas auf den erhebe,

dem wir dieses Fest verdanken:

Meinem Arbeitgeber Ebenezer Scrooge.“

Seine Frau findet das gar nicht,

und sie hebt zu einer Schimpftirade

über diesen geizigen, verrückten,

kaltherzigen und noch dazu

schlecht angezogenen Mann an,

doch Tiny Tim sagt nur:

„Gott segne uns.“

Und hustet.

„Geist“, sagt Scrooge

zu dem inzwischen gealterten

Geist der gegenwärtigen Weihnacht,

„sag mir nur noch eins:

Wird Tiny Tim überleben?“

Der Geist runzelt die Stirn.

„Das ist in der Zukunft.

Mein Reich ist die Gegenwart.“

Dann kneift er die Augen zusammen

und sieht angestrengt in die kleine,

kärgliche Wohnung:

„Aber ich sehe dort einen leeren Stuhl am Tisch

und an der Wand eine Krücke, die niemandem gehört.

Wenn sich nichts ändert,

dann wird der kleine Junge sterben.“

Und er erinnert Scrooges an seine eigenen Worte

vom Tag zuvor und sagt:

„Aber was macht das schon?

Gibt es nicht sowieso zu viele Arme auf der Welt?“


Und wir, Lesende, Hörende,

Zuschauende verstehen,

dass ich von anderen

auch etwas über mich selbst lerne,

und erkenne vielleicht,

dass mein Handeln Konsequenzen hat –

für mich und andere.


Die Uhr schlägt drei...

Der dritte Geist,

der Geist der zukünftigen Weihnacht,

er spricht kein Wort.

Aber er zeigt Ebenezer Scrooge

ein Sterbehaus von jemandem,

der keine Angehörigen hat

und über dessen Besitz sich die Trödelsammler

und Pfandleiher hermachen.

Er zeigt ihm eine Beerdigung,

zu der die Gäste nur wegen des

kostenlosen Mittagessens kommen

und auf der sie nur Schlechtes

über den Verstorbenen zu sagen haben.

Er zeigt ihm einen schmucklosen,

verwahrlosten Grabstein, auf dem steht:

„Ebenezer Scrooge.“

Mehr nicht.

Und er zeigt ihm eine Familie,

die um Tiny Tim trauert.


Und wir, Lesende, Hörende,

Zuschauende können uns denken,

oder wissen längst,

was geschieht:

Ebenezer Scrooge erwacht

als ein veränderter Mensch.

Er steckt den Spendensammlern

große Geldsummen zu,

er besucht Familie Cratchit

mit einem riesigen Truthahn,

erhöht seinem Buchhalter das Gehalt

und übernimmt die Hypothek auf seinem Haus.

Und man sagt, dass danach niemand sonst

so Weihnachten zu feiern wusste wie Ebenezer Scrooge.

Und Tiny Tim wird noch an vielen Weihnachten sagen:

„Gott segne uns, ob groß, ob klein.“


Es ist November 2021.

Die Zeit ist hart und scharf,

sie schafft harte und scharfe Menschen

und harte und scharfe Zustände.

Vielleicht wohnt Tiny Tim irgendwo.

Es gibt sie zuhauf,

die kleinen, zerknitterten Leben,

genau so wie die große,

zerklüftete Welt.


Nicht erst 180 Jahre,

sondern nahezu 2500 Jahre

sind die Worte Jeremias alt:

„Es kommt eine Zeit“

sagt er.

Da wird einer kommen,

der Gottes Gerechtigkeit

in diese Welt trägt.

So dass Menschen sagen werden:

„Gott ist unsere Gerechtigkeit“.

Und ich glaube,

dass der gekommen ist.

Vor etwas mehr als 2000 Jahren.

Und er kommt immerzu,

immer neu,

nicht nur im Advent.

Er kommt,

wenn ich ja zu ihm sagen will.

Wie in der Taufe.

Er weiß um meine Vergangenheit

und kommt in meine Gegenwart,

um meine Zukunft

in ein neues Licht zu rücken.

Damit ich nicht bin,

wie Ebenezer Scrooge war,

sondern sein kann,

wie er geworden ist.


Siehe, es kommt eine Zeit,

und sie ist schon da.

Es ist Advent.


Und der Friede Gottes, der größer ist als alles, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


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Predigt am 6. Sonntag nach Trinitatis - 11.07.2021

Predigttext: Matthäusevangelium, Kapitel 28, Verse 16-20


"Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen."


Predigttext (Mt 28, 16-20)

16 Aber die elf Jünger gingen nach Galiläa auf den Berg, wohin Jesus sie beschieden hatte. 17 Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder; einige aber zweifelten.

18 Und Jesus trat herzu, redete mit ihnen und sprach: Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden. 19 Darum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes 20 und lehret sie halten alles, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Das Leben ist schön.

Und trotzdem ein Auf und Ab.

Es gibt die Berge und tiefe Schluchten,

Stilles Wasser und stürmische See.

Heute wanderst du leicht über sanfte Hügel.

Morgen stehst du vor einem schier unüberwindlichen Berg.

Und übermorgen muss du ganz weit in die Wüste hinein.

So ist das Leben.

Und Jesus ruft. Er ruft die Jünger.

Seine Freunde.

Auf einen Berg. Und dann weiter. Auf einen Weg.

Hügelig und sanft. Voller Grün und dann wieder staubtrocken.

Ins tiefe Tal und dann wieder nach oben. Auf frische Auen.

Jesus ruft seine Freunde.

Auf seinen Weg.

In ihrem eigenen Leben.


Manchmal interessiere ich mich für das,

was nicht in der Bibel steht.

Manchmal überlege ich,

was denn passiert ist,

was sie gesagt und gedacht haben,

worüber sie geschwiegen haben

und worüber in der Bibel nicht geschrieben wird.

Was haben sie wohl miteinander gesprochen,

als sie zusammen den Berg hinaufgegangen sind,

weil es Jesus ihnen gesagt hatte.

Welche Gedanken sind ihnen durch den Kopf gegangen

auf dem Berg, irgendwo in Galiläa.

Haben sie über Sinn und Unsinn

dieser Bergwanderung diskutiert?

Wussten sie, wie symbolisch ihr weg ist?

Aus dem Tal der Verzweiflung heraus,

die sie nach dem Tod Jesu ergriffen hatte,

steigen sie nun auf einen Berg,

der ihnen neue Weite, neue Perspektive schenkt.


Berge ziehen sich durch das Wirken Jesu hindurch,

wichtiges, richtungweisendes geschieht auf Bergen,

so erzählt es Matthäus

und er macht auch am Ende seines Buches

keine Ausnahme.


Mir ist alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben.

So kann er jetzt sprechen, Jesus,

auf diesem letzten Berg,

auf denen er mit denen zusammengetroffen ist,

die ihn die letzten Jahre begleitet haben,

durch Galiläa, nach Jerusalem

und die nun wieder zurückgekehrt sind

an den Ort des Anfangs,

nach Galiläa.


Ob sie an den Berg der Verklärung denken,

wo sie ihn festhalten wollten,

den Augenblick;

ihn einfrieren wollten,

so dass er ihnen nie mehr entgleitet,

wo sie Hütten bauen wollten,

um sich daran zu klammern.

Aber auch diesmal lässt sie Jesus

keine Hütten bauen.


Geht hin, sagt er,

bleibt nicht unter euch und euresgleichen.

Die gute Nachricht muss laufen.

Um die ganze Welt.

Denn sie gilt ja der ganzen Welt.

Darum kann auch nicht stehenbleiben,

wer sie weitersagt.

Sie muss auf den Weg gebracht werden.

Geht hin.

In alle Welt.

Hin zu den Menschen,

die anders leben

und anders sprechen

und anders glauben.

Ihr könnt nicht glauben,

dass ich alle Gewalt im Himmel und auf Erden habe

und trotzdem so weitermachen, wie bisher.

Der Auftrag Jesu,

reißt die Jünger heraus aus der Exklusivität.

Heute lernen sie,

dass sie sich alle auf Augenhöhe begegnen

und das nicht erst in der Zukunft, sondern schon heute.

Die Jünger, als Freunde.

Die Menschen,

in aller Welt.

Unter allen Völkern.

Zwischen Himmel und Erde.


Wenn es kommt, wie Jesus sagt,

werden sie Familie sein.

Geschwister.

Gerufen beim Namen.

Getauft auf einen Namen.

Der Zweifel scheint dazuzugehören.

Bei allem Vertrauen.

Jesus wehrt sich nicht.

Diesmal nicht.

Er sagt nichts zu den Zweifelnden.

Vielleicht gehört er wirklich dazu.

Der Zweifel.

Als Petrus den Herrn auf dem See erkennt,

geht er voll Vertrauen auf ihn zu

und versinkt in dem Moment als er sein Vertrauen verliert,

um Jesus gleich wieder vertrauensvoll die Hand entgegenzustrecken

und sich halten zu lassen.

Eine Lernerfahrung.

Durch den Zweifel.

Nicht durch mich und meine Kraft,

sondern durch dich, mein Herr und mein Gott,

kann ich tun, was du willst.

Das könnte Petrus gelernt haben.

Und nun, auf diesem letzten Berg,

von dem Matthäus erzählt;

auf den sie gegangen sind,

weil Jesus es ihnen gesagt hat,

scheint es ganz ähnlich:

Und als sie ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder;

einige aber zweifelten.

Und er? Jesus?

Nichts wird davon erzählt,

wie er auf diese Zweifel reagiert,

ob er sie zerstreuen konnte,

ob er das überhaupt wollte?

Ob er einfach akzeptiert hat,

dass Glaube wachsen kann,

wenn ich auch den Zweifeln zulasse?

Wenn ich mit dem Zweifel lebe

und trotzdem glaube.

Glauben lernen,

auch durch den Zweifel.


Es ist eine neue Blickrichtung,

die er den Freunden weist,

als er sie von diesem Berg hinausschickt in die Welt.

Zu gerne hätten sie sich zurückgezogen,

in ihre kleine vertraute Welt,

in die Hoffnung, dass er bald wiederkommt

und bald sein Reich aufrichtet,

das Reich, das nicht von dieser Welt ist,

das Leben, das das überwindet, was jetzt ist.

Immer wieder, damals wie heute,

erliegen Christen der Versuchung

das Hier und Jetzt gering zu schätzen

und sich nur auf das Kommende auszurichten.

Aber Jesus wechselt die Perspektive.

Hier ist die Verantwortung, die ihr habt.

Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden …

Euch aber sende ich in die Welt.

Hier und jetzt.


Bringt unsere gemeinsamen Bergerfahrungen

zu den Menschen.

Damit ihr mit ihnen aus den Tälern

heraussteigen könnt.

Damit tiefe Schluchten und stürmische See

ihren Schrecken verlieren.

Damit durch euch die Wüsten des Lebens

bewässert werden.


Geht also und macht alle Völker zu Freunden,

zu meinen Freunden.

Werdet Freunde der Völker.

Und dann tauft sie,

auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes

und lehrt sie halten, was ich euch geboten habe.

Und siehe ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.


Das sind seine letzten Worte.

Kein Zweifel kann ihnen etwas wegnehmen.

Und kein Glaube ihnen etwas hinzufügen.

Aber wenn der Zweifel mich an meine Grenzen bringt,

kann der Glaube mir helfen, sie zu überwinden.


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.


Pred.lied: EG 241, 1-3 (Wach auf du Geist der ersten Zeugen)

[In großen Teilen von Franz K. Schön, Facebook, Predigtkultur, am 10.07.2021]


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Predigt am 5. Sonntag nach Trinitatis - 04.07.2021

Predigttext: 1. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 1, Verse 18-25


"Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen."


Predigttext


18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft.

19 Denn es steht geschrieben (Jes 29,14): »Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.«

20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?

21 Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben.

22 Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit,

23 wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit;

24 denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.

25 Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind.


Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Hat Ihnen schonmal jemand gesagt,

dass Sie dumm sind?

Sowas nagt an einem.

Nagt an mir.

Niemand will dumm sein.

Auch nicht nur so genannt werden.

Und gleich recht nicht dazu gemacht werden.


Bist du dumm!?

Jugendliche werfen sich das

manchmal gedankenlos an den Kopf.

Aber es trifft, sticht und schmerzt.

Hier (Kopf) und hier (Herz).


Ich meine, klar,

Dummheiten mach ich schon.

Manchmal auch ganz gern.

Und wenn die Oma das Enkelkind fragt:

Machst du wieder Dummheiten?

Hat sie vielleicht recht

und braucht gar keine Antwort darauf.

Oder wenn ich am 23. Dezember

im Mittelmeer bei kaltem Wind baden gehe,

brauche ich mich über die auf den Fuß folgende

Erkältung nicht zu wundern.

Auch eine Dummheit.


Aber wenn ich etwas nicht kenne,

nicht verstehen kann,

mir einfach nicht einleuchten will,

dann möchte ich deswegen

eigentlich nicht dumm gemacht werden.

Und ich möchte nicht dumm genannt werden,

weil jemand anderes nicht versteht,

was ich tue oder erklären will.

Und ich will auch keinen selbst

dafür dumm machen,

dass ich nicht verstehen kann,

was sie*er mir erklären will;

oder die*er nicht verstehen will,

was ich erklären will.


Die Korinther scheinen das ganz gut zu kennen.

Sie erzählen den Menschen,

die in ihrer Stadt leben,

Griechen und Römern und auch Juden darunter,

vom schwachen Gott,

der am Kreuz starb,

der Auferstanden ist

und bei und mit uns lebt.

Und die Leute verstehen's nicht.

Sie kennen es nicht.

Es will ihnen aber auch einfach

nicht einleuchten.

Was sie tun?

Nun, sie lassen die korinthischen

Christ*innen stehen und

lassen noch einen Satz da:

Bist du dumm!?“


Das nagt.

Es pocht.

In Kopf und Herz.

Bis zu Paulus dringt das Pochen vor,

der weit weg ist.

Also schreibt er seinen Freunden

in Korinth einen Brief.

Er schreibt:

Was die anderen dumm nennen,

ihr Lieben,

das ist für uns Gottes Kraft.

Denn was in dieser Welt als klug

und weise gilt,

das hat nichts mit der

Weisheit Gottes zu tun.

Vielmehr ärgern sich die Menschen an dem,

was bei Gott klug und weise ist.

Nun erlebt ihr es am eigenen Leib.

Aber lasst euch nicht entmutigen,

denn eines steht fest -

Gottes Dummheiten sind allemal weiser

als alle Weisheiten der Welt

und Gottes Schwachheit ist allemal stärker

als alle Kraft der Welt.“


Eigentlich ja schön,

dass sich Gott entschieden hat,

umzukehren,

was in in dieser Welt gilt;

oder einfach anders aufzufassen,

was wichtig ist.

Denn ich lerne doch immer noch

oft genug, dass sich nur

Anpassungsfähiges und Starkes

durchsetzt;

Dass das gute, das gelingende Leben

denen vorbehalten ist,

die widerstandsfähig sind

und am besten auch ein bisschen

kaltschnäuzig;

die ihren Vorteil sehen und nehmen.

Und ich höre Sätze wie:

Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“

oder

Sei ein richtiger Mann!“

oder

Ohne Fleiß, kein Preis!“

und viele andere mehr.

Aber aus der Bibel fallen

andere Worte heraus:

Worte, die gemeinsam

Schmerzen ertragen helfen;

die auch Männer sanft sein lassen;

die mich reich beschenken,

ohne dass ich dafür etwas getan habe –

Wasser des Lebens umsonst“

und

Gerechtigkeit allein aus Gnade“

und

gleichen Lohn für alle Arbeitenden

im Weinberg – egal, ob sie schon

am Morgen dort arbeiteten

oder erst am Abend dazukamen.

Solche Worte fallen aus der Bibel,

in mein Leben,

in mein Herz

und sickern in die Welt.

Langsam.

Allmählich, aber stetig.

Glaube ich.

Hoffe ich.

Wenn sie nur weitergetragen werden.

Und dann stehe ich plötzlich

mitten in einer Welt,

die sich beinahe überall

entschieden hat,

Schwache zu schützen,

Gefährdete zu behüten –

anderthalb Jahre lang.

Klar, am Ende hat alles so seine Tücken.

Manches hat sein Für und Wider.

Aber vielleicht könnte ich sagen,

sind da ein paar Worte

auf guten Boden gefallen

und sind aufgegangen in Taten.


Aber freilich muss ich mir

heute noch,

oder heute wieder,

oder heute sogar noch mehr

als damals in Korinth

die Frage gefallen lassen,

ob ich nicht ein bisschen dumm bin,

an diesen Gott zu glauben.

Ich sehe überraschte Gesichter,

die süffisant lächeln,

wenn ich sage,

dass ich Pfarrer bin.

So stelle ich mir vor,

haben die Menschen

damals schon geguckt,

als Petrus und die anderen im Boot

dem Ruf Jesu folgten,

alles liegen ließen

und mit ihm gingen.

Und klar,

gehen dabei auch Sachen schief.

Die Apostel streiten sich,

schon als sie noch mit Jesus

umherziehen;

und später auch.

Es gibt Meinungsgrabenkämpfe

in den Gemeinden.

Gerade vor dem heutigen Predigttext

ist im Korintherbrief davon die Rede.

Und heute ja auch.

Skandale in der Kirche,

kaum nachvollziehbare

Entscheidungen bei

Caritas oder Diakonie,

Menschen, die sich

nicht gesehen,

berücksichtigt

oder bedacht wähnen,

von denen da oben,

auch bei Kirchens.

Die Welt lernt langsam.

Die Menschen lernen langsam.

Aber sie lernen.

Glaube ich.

Hoffe ich.

Damals,

in Korinth, Ephesus,

Thessaloniki und Jerusalem

und heute,

in Bockendorf,

Langenstriegis,

Pappendorf

und auch in Dresden.


Was es dazu braucht,

trägt die Bibel seit

Jahrhunderten in diese Welt.

Und Paulus könnte

es heute vielleicht so sagen:

Was die anderen dumm nennen,

ihr Lieben,

das ist für uns Gottes Kraft.

Denn was in dieser Welt als klug

und weise gilt,

das hat nichts mit der

Weisheit Gottes zu tun.

Vielmehr ärgern sich die Menschen an dem,

was bei Gott klug und weise ist.

Lasst euch nicht entmutigen,

denn eines steht fest -

Gottes Dummheiten sind allemal weiser

als alle Weisheiten der Welt

und Gottes Schwachheit ist allemal stärker

als alle Kraft der Welt.“


Im Film „Forrest Gump“

sagt Tom Hanks als

Hauptdarsteller

mehrere Male:

Dumm ist der,

der dummes tut.“

Und Menschen tun

viele dumme Dinge.

Wie muss das erst

aus Gottes Perspektive sein.

Aber vielleicht hilft es ja,

zu erkennen, dass wir alle

gleich dumm sind,

egal wie sehr wir selbst

von uns glauben,

schlau zu sein.

Und dann lernen wir gemeinsam.

Von Gott.

Der nicht aufgibt,

mich besser zu lehren.

Denn hier liegt vielleicht

der Kern des Glaubens:

in der naiven Hoffnung,

dass es besser werd,

als es ist.


Das kann man nicht einfach verstehen.

Weil das nichts mit Intellekt zu tun hat.

Sondern mit Vertrauen.

Da wo meine Vernunft endet,

fängt Gottes Weisheit erst an.

Darum sagen ich beim

Kanzelsegen auch:

Gottes Friede, der höher

oder größer ist als alle Vernunft.

Und wenn ich den Sprung wage,

kann ich hoffen lernen

und helfen, dass die Hoffnung

einsickert, in die Ecken und Enden

und Ritzen der Welt,

bis sie hoffentlich irgendwann

aus allen Löchern quillt

und aus allen Fugen bricht.

Das mögen manche naiv nennen,

andere dumm.

Aber ich halte mich

trotzdem an Paulus:

Lasst euch nicht entmutigen,

denn eines steht fest -

Gottes Dummheiten sind allemal weiser

als alle Weisheiten der Welt

und Gottes Schwachheit ist allemal stärker

als alle Kraft der Welt.“


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.


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Predigt am 2. Sonntag nach Trinitatis - 13.06.2021

Predigttext: 1. Brief des Paulus an die Korinther, Kapitel 14, Verse 1-12


"Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen."


1. Kor 14, 1-12 (Auswahl)

1 Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe! Strebt nach den Gaben, die der Heilige Geist schenkt – vor allem aber danach, als Prophet zu reden.

2 Wer in unbekannten Sprachen redet, spricht nicht zu den Menschen, sondern zu Gott. Denn niemand versteht ihn. Was er unter dem Einfluss des Geistes sagt, bleibt vielmehr ein Geheimnis.

3 Wer dagegen als Prophet redet, spricht zu den Menschen. Er baut die Gemeinde auf, er ermutigt die Menschen und tröstet sie.

4 Wer in unbekannten Sprachen redet, baut damit nur sich selbst auf. Wer aber als Prophet redet, baut die Gemeinde auf.

[...]

6 Was wäre, Brüder und Schwestern,wenn ich zu euch komme und in unbekannten Sprachen rede. Was habt ihr davon, wenn ich euch nichts Verständliches vermittle?[...]

7 So ist es ja auch bei den Musikinstrumenten, zum Beispiel bei einer Flöte oder Leier: Nur wenn sich die Töne unterscheiden, kann man die Melodie der Flöte oder Leier erkennen. [...]

9 Genauso wirkt es, wenn ihr in unbekannten Sprachen redet. Wenn ihr keine verständlichen Worte gebraucht, wie soll man das Gesagte verstehen können? Ihr werdet in den Wind reden! [...]

12 [...] Ihr strebt nach den Gaben des Heiligen Geistes. Dann strebt nach Gaben, die die Gemeinde aufbauen. Davon könnt ihr nicht genug haben.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



In einer Theologievorlesung könnte ich im Zusammenhang mit dem Predigttext die folgenden Sätze gehört haben:

Das Medium des Zeichens, der Sprache, des Wortes – und damit die Kontingenz des (lebens)geschichtlichen Konkreten, narrativ Erzählbaren und argumentativ Ausführbaren – fällt also nicht aus, sondern wird gerade radikal aufgewertet, weil in diesem Zeichenereignis das Bezeichnete mit seinem Zeichen so zusammenfällt, dass die Präsenz des Zeichens >Gott< für den Rezipienten zur Präsenz Gottes wird.“

(I.U. Dalferth: Radikale Theologie, 2010, S. 276.)


Na, sind Sie schon verloren gegangen?

Oder haben Sie's auf Anhieb erfasst?

Ich nicht.

Ich saß ein bisschen an diesem Satz.

Komplex und Kompliziert ist er.

In der Wissenschaft sollen

komplexe Zusammenhänge

in möglichst knappen Sätzen

ausgeführt werden.

Darum werden voraussetzungsvolle

Formulierungen und Worte genutzt,

die ich kennen muss,

um gleich alles zu verstehen.

Manchmal wird aber auch

einem sehr einfachen Sachverhalt

mehr Bedeutung verliehen,

indem ich ihn komplizierter

formuliere als er ist.

Und wieder manchmal,

wird eine besondere,

vielleicht besonders komplizierte Sprache

benutzt, um andere auszuschließen.

Weil aber,

den eben zitierten Satz

ein Theologe gesagt hat,

den ich schätze,

weil ich bei ihm in Zürich Unterricht hatte,

wollte ich ihn gern verstehen.

Und, naja, was soll ich sagen,

auch große Theolog*innen

sind nicht davor gefeit,

etwas recht Einfaches,

sehr kompliziert auszudrücken,

damit es nach mehr klingt.


Ich lese es Ihnen noch einmal:

Das Medium des Zeichens, der Sprache, des Wortes – und damit die Kontingenz des (lebens)geschichtlichen Konkreten, narrativ Erzählbaren und argumentativ Ausführbaren – fällt also nicht aus, sondern wird gerade radikal aufgewertet, weil in diesem Zeichenereignis das Bezeichnete mit seinem Zeichen so zusammenfällt, dass die Präsenz des Zeichens >Gott< für den Rezipienten zur Präsenz Gottes wird.“

(I.U. Dalferth: Radikale Theologie, 2010, S. 276.)


Haben Sie's jetzt?

Ich sage es Ihnen einmal

in meinen kurzen Worten.

Im Prinzip sagt Ingolf Dalferth

hier nichts anderes als:

Sprache ist sehr wichtig,

weil mir als Hörendem der Sprache

Gott begegnet,

wenn ich von ihm erzähle.

Oder noch kürzer:

Von Gott erzählen,

heißt Gott begegnen.


Eine gute Theolog*in wissen aber,

dass sie auch einfach sagen können müssen,

was kompliziert gesagt werden kann.

Darum schreibt Dalferth gleich danach

den folgenden Satz:

Gott kommt im Wort zum Menschen,

und der [Mensch] bleibt nicht, was er war.“

(ebd.)


Das Wichtige, das, was mich berührt hat,

das kann ich auch knapp sagen,

präzise, leicht und verständlich.

Das Evangelium,

die gute Nachricht der Bibel

ist eigentlich eine leichte Sache.

In wenigen Worten

kann ich ausdrücken,

was es mir sagen will.

Z.B. : „Du bist schön. Denn Gott sieht Dich so.“

Oder: „Wenn du verloren gehst,

will ich dich suchen.

Und wenn ich dich finde,

wird Freude sein!“

Oder: „Es ist nie zu spät.

Gott erwartet dich mit offenen Armen.“

Das Schwere lässt sich leicht sagen.

Wenn man es will.

Manchmal ist es nicht gewollt:

Je komplizierter ich etwas ausdrücke,

desto höher sind die Hürden für das Verstehen.

Dazu kommt noch:

Wenn nur bestimmte Menschen mich verstehen,

wird der Kreis derer kleiner,

die meine Aussagen in Frage stellen.


Sprache kann auch ein Instrument

der Macht sein.

Sie kann ausschließen,

und herabsetzen,

sie kann verletzen

und missverständlich sein.


Menschen können auf dem Weg

verloren gehen.

Auf dem Weg der komplizierten Worte.


Manchmal merke ich das inhaltlich.

Bei manchen rechtlichen Texten.

Nicht unbedingt bei Gesetzestexten,

weil die ja auf besondere Weise

juristisch wasserdicht sein müssen,

aber bei anderen:

Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen

mit der Steuererklärung geht.

Ich habe da schon meine Probleme.

Aber auch ein Antrag auf Arbeitslosengeld,

der doch eigentlich einfach sein sollte,

kann schon ziemlich herausfordernd sein.

Und manchmal, da merke ich das

äußerlich an der Sprache.

Wenn Menschen darin nicht vorkommen.

Darum gibt es z.B. die Genderdebatte.

Sie müssen das nicht gut finden,

nur wissen, weshalb sie geführt wird:

Wer in einer Welt leben möchte,

in der jeder Mensch einen Platz finden darf,

muss auch Raum dafür in der Sprache schaffen.


Willkommensein

hat mit Verhalten und mit Sprache zu tun.

Paulus sagt:

Bleibt unbeirrt auf dem Weg der Liebe.

Auch in euren Worten.


Dass Sprache ausgrenzen kann,

das haben die ersten Christen damals

in Korinth schon erlebt.

Dabei hatte noch Jahre vorher doch

alles ganz anders begonnen.

Damals, beim ersten Pfingsten

in Jerusalem.

Als der Geist zu den Freunden Jesu kam

und sie begeistert in den Straßen

und auf den Plätzen

von der guten Nachricht erzählten.

Alle konnten es verstehen.

Alle wunderten sich,

aber niemand war ausgeschlossen.


Der Heilige Geist bewirkte,

dass sie sich verstehen konnten,

auch wenn sie unterschiedliche Sprachen sprachen.

Das scheint sich schon nach wenigen Jahren

geändert zu haben.

Die Gemeinde in Korinth

hat ein handfestes

Verständigungsproblem.

Und wer sich nicht verständigen will,

kann nicht hoffen, sich zu verstehen.


Was ich von Paulus verstanden habe:

Redet so, dass die Menschen euch verstehen.

Freut euch nicht so sehr daran,

besonders gut zu klingen

oder eure innige Gottesbeziehung

zur Schau zu stellen –

sondern sprecht so,

dass andere etwas davon haben.

Dass sie euch verstehen können.

Dass es sie bewegt.

Und redet von dem,

was euch selbst berührt hat.

Damit ihr auch für die verständlich seid,

die neu dazukommen.

Keine wohlfeilen Floskeln,

keine großen Glaubenssätze,

keine Insider-Bibel-Sprache,

sondern echte Erfahrungen.


[Paulus sagt:

Sei auch ein Prophet.

Er meint damit:

Ich muss auch übersetzen können.

Mein Glaube gehört nicht nur mir.

Er gehört der ganzen Welt.]

Also sprich ihn in die Welt

und in deine Zeit hinein.

Das tun Propheten.

Ich habe den Glauben nicht nur,

damit es mir gut geht.

Ich habe ihn auch,

damit es anderen gut geht.

Die Gemeinde aufbauen,

sagt Paulus dazu.


Damit das, was ich verstanden habe

vom Evangelium,

auch für andere verstehbar wird.

Damit sich jede*r

willkommen fühlen kann.

Und jede*r spüren kann,

dass ich genau sie*ihn suche

und erreichen möchte,

auch mit meinen Worten.

Und das ist ja nicht nur

eine Angelegenheit des Gottesdienstes.

Was mich berührt hat,

was ich verstanden habe vom Evangelium,

das gebe ich weiter.

So, dass es auch für andere nachvollziehbar ist.

Nicht so, dass sie sich gezwungen fühlen,

es anzunehmen, aber so,

dass es sie bewegen kann,

wenn es für sie dran ist.

Auch das bedeutet es:

Für Verlorenes da zu sein.


Gebt weiter, was ihr erfahren habt,

und das in leichter Sprache…

Seit 2008 gibt es in der

UN-Menschenrechtskonvention

das „Recht auf Verstehen“.

Hindernisse im Verstehen

sollen abgebaut werden.

Wichtige Texte sollen leicht lesbar

und verstehbar sein.

Und wer sich nicht verständigen will,

kann nicht hoffen, sich zu verstehen.


Dazu gehört auch:

Das Schwere leicht zu sagen.

Und wohl gemerkt,

es geht um „leichte“ Sprache,

darum, das Schwere leicht zu sagen –

nicht um „einfache“ Sprache.

Bei Einfachheit

denken manche vielleicht

schnell an „dumm“.

Das sind ganz einfache Leute,

da drüben,

die Nachbarn, die anderen.

Aber Leichtigkeit?

Wer hätte nicht gern

etwas mehr Leichtigkeit,

in der Seele,

im Leben,

in der Sprache.


Was ich wirklich verstanden habe,

was durch mich hindurchgegangen ist,

das kann ich auch leicht ausdrücken.


So wie das Zitat am Anfang.

Es sagt nur:

Von Gott erzählen,

heißt Gott begegnen;

und das verändert Menschen.


Jesus macht es mir vor.

Auf vielerlei Weise.

Eine davon haben wir

im Evangelium gehört:

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn.


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.


Pred.lied: EG 404, 1.6.7.8 (Herr Jesu, Gnadensonne) [gesungen]

[Idee und weite Teile mit Dank von Christine Lu und Wilko Hunger: FB-Predigtkultur, 12.06.2021, 16:25 Uhr / 09.06.'21, 09:08 Uhr]


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Predigt am Sonntag - 31.01.2021

Predigttext: 2. Brief des Petrus, Kapitel 1, Verse 16-19



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Predigt am Sonntag Quasimodogeniti - 11.04.2021

Predigttext: Johannesevangelium, Kapitel 21, Verse 1-14


Mit dem nachstehenden Player können Sie die Predigt direkt anhören.



Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Johannes 21, 1-14 (BasisBibel)

1 Später zeigte sich Jesus seinen Jüngern noch einmal.Das war am See von Tiberias und geschah so: 2 Es waren dort beieinander: Simon Petrus, Thomas, der Didymus genannt wird, Natanael aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei weitere Jünger.

3 Simon Petrus sagte zu den anderen: »Ich gehe fischen!« Sie antworteten: »Wir kommen mit.« Sie gingen zum See und stiegen ins Boot. Aber in jener Nacht fingen sie nichts.

4 Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war.

5 Jesus fragte sie: »Meine Kinder, habt ihr nicht etwas Fisch zu essen?« Sie antworteten: »Nein!«

6 Da sagte er zu ihnen:»Werft das Netz an der rechten Bootsseite aus. Dann werdet ihr etwas fangen!« Sie warfen das Netz aus. Aber dann konnten sie es nicht wieder einholen, so voll war es mit Fischen.

7 Der Jünger, den Jesus besonders liebte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, zog er sich seinen Mantel über und band ihn hoch. Er war nämlich nackt. Dann warf er sich ins Wasser.

8 Die anderen Jünger folgten im Boot und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Sie waren nicht mehr weit vom Ufer entfernt, nur etwa 100 Meter.

9 Als sie an Land kamen, sahen sie dort ein Kohlenfeuer brennen. Darauf brieten Fische, und Brot lag dabei.

10 Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.«

11 Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war voll mit großen Fischen – genau 153 Stück.Und das Netz zerriss nicht, obwohl es so viele waren.

12 Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt und esst!« Keiner der Jünger wagte es, ihn zu fragen: »Wer bist du?« Sie wussten doch, dass es der Herr war.

13 Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und gab ihnen davon. Genauso machte er es mit dem Fisch.

14 Das war schon das dritte Mal, dass Jesus sich den Jüngern zeigte, nachdem er von den Toten auferstanden war.


Der Herr segne an uns sein Wort. 

Amen.


Ablenkungsmanöver

sind eine bekannte und beliebte Taktik.

Die Finte beim Fußball zum Beispiel:

links antäuschen, rechts vorbeigehen;

oder im Alltag:

mit den Händen große Gesten machen,

so dass niemand den hässlichen

Kaffeefleck auf der Hose bemerkt.

Es gibt viele Arten von

Ablenkungsmanövern.

Es ist eine Maßnahme, die jemanden

geschickt oder unauffällig von etwas

ablenken und die Aufmerksamkeit

auf etwas anderes lenken soll.

Ein solches, durchaus beliebtes,

Manöver der Selbsttäuschung

lautet so:

Lenk dich ab mit Arbeit.“

Das kennen auch viele.

Das machen auch viele.

Privat läufts so lala.

Irgendwelche Probleme belasten dich.

Du hast irgendeinen Schmerz zu verarbeiten?

Stürz dich in die Arbeit!

Mach was!

Nimm dir was vor!

Das lenkt dich ab!

Generationen haben das so gemacht.

Gerade auch nach traumatischen Erlebnissen.


Ich denke, Petrus, der Freund Jesu,

hatte ähnliches im Sinn,

hatte ähnliches vor,

an jenem Morgen, vor Sonnenaufgang,

am See Genezareth.

Unfassbares ist passiert, in Jerusalem.

Der Hoffnungsträger am Kreuz gestorben.

Vorher verraten, verkauft und verleugnet.

Petrus gehörte selbst zu den Übeltätern,

was er bitterlich bereute.

Dann Stille und einfach nichts,

an diesem Tag nach dem Tod Jesu.

Danach die Berichte vom leeren Grab.

Erste Begegnungen mit dem Auferstandenen.

Manche erzählen davon.

Andere fürchten sich,

sie können es nicht fassen.

Und bei all dem Hin und Her,

der Verzweiflung, Ratlosigkeit, Traurigkeit,

und dem Überschwang der Auferstehungs-

begeisterung,

weiß ich gar nicht mehr genau,

welches Gefühl gerade hinter den Tränen liegt:

Trauer? Freude?

Und was ist jetzt dran?

Die Frauen sagten,

die Freunde Jesu sollen

nach Galiläa zurückgehen.

Dorthin, wo alles begann.

Dort würde er ihnen wieder begegnen.

Der Auferstandene.

Der Herr.

Welche Wahl haben sie?

Die Freunde?

Also alles wieder auf Anfang.

Zurück nach Galiläa.

Zurück in die Heimat.

Dort, wo alles begann.

Den Gesichtern wieder begegnen,

die damals schon die Köpfe schüttelten,

als die Freunde

mit diesem Jesus mitgegangen waren.

Als sie seinem Ruf folgten.

Ich kann mir gut vorstellen,

wie keiner von ihnen wirklich

Lust darauf hatte, von den

Kopfschüttlern und Naserümpfern

Sätze wie diese zu hören:

Ich hab's ja gesagt!“

Oder

Wir wussten's doch,

dass es keinen Zweck hat!“

Keinen Bock, das zu hören.

Aber es wird sich kaum vermeiden lassen,

wenn sie zurückkehren.

Nach Galiläa.

Mit leeren Händen.

Da können die Tage schonmal lang werden.

Und die Nächte erst recht.

Voller Warten,

auf die versprochene Erscheinung.

Wo bleibt er denn, der Auferstandene?

Und Petrus rafft sich selbst auf.

In einer dieser langen Nächte.

Nimm dir was vor!“

Mach was! Tu was!“

Das lenkt dich ab!“

Also geht er los.

Ich geh' fischen.“

Sagt er zu den anderen.

Als hätten die nur darauf gewartet,

sagen sie alle:

Wir kommen mit!“

Also gehen sie zusammen zum See.

Wie damals.

Vor dem Morgengrauen

steigen sie in das Boot,

das ihnen früher das Auskommen sicherte.

Jetzt ist es ein schwacher Trost.

Aber zumindest etwas,

an dem sie sich festhalten können.

Ihr Handwerk haben sie nicht verlernt.

Aber es läuft einfach nicht.

Die Netze bleiben leer.

Wie ihre Herzen.

Wie ihre Augen.

Wie der Ausdruck in ihren Gesichtern.

Es läuft einfach nicht.

Das Ablenkungsmanöver

läuft ins Leere.

Hängende Schultern.

Blicke durch die Nebelwand

des Morgengrauens.

Die Ruder gerichtet.

Zur Rückkehr bereit.

Das Ufer kommt näher.

Da fragt einer nach Essen.

Der hat gut reden.

Und wie ein Mann raunt es vom Boot:

Nein!“

Tröge Blicke treffen den Fremden am Ufer.

Aber der bleibt unbeirrt.

Sie sollen die Netze zur anderen Seite auswerfen,

sagt er.

Dann würden sie etwas fangen.

Ein schräger Typ muss das sein.

Keine Ahnung vom Fischen.

Das steht fest.

Auf der rechten Seite die Netze auswerfen.

Wer macht denn sowas!?

Steuerbord wirft man keine Netze aus.

Aber sie haben ja eh nichts anderes vor.

Die Jungs im Boot.

Ohne Fisch zurück:

Das wäre nur wieder einer dieser Tage,

von denen sie jetzt schon genug hatten.

Also machen sie es.

Und als der erste versucht,

am Netz zu ziehen,

und scheitert, ziehen alle,

aber es nützt nichts.

Zu viel. Zu schwer.

Keine Ahnung, was da eben passiert ist.

Der Morgen ist fast da.

Die Sonne glänzt schon über den See.

Letzte Nebelschwaden ziehen sich zurück.

Aber mit dem Netz im Wasser

stecken sie mehr oder weniger fest.

Kaum ein Vorankommen möglich.

Vorn am Buk hält einer Ausschau.

Versucht zu sortieren, was geschieht.

Jesus mochte ihn.

Manche unterstellten:

sogar mehr als die anderen.

Er steht am Buk und sieht nach vorn.

Er richtet sich auf,

richtet sich aus.

Sieht ein Flackern.

Dabei ein Flimmern.

Nichts genaues zu erkennen.

Nur zu erahnen.

Ist das noch der Fremde von eben?

Und beeindruckt vom gerade Erlebten,

kann er nicht mehr anders:

Er gibt seinen sehnlichsten Wunsch von sich.

Die anderen teilen seinen Wunsch,

doch haben kaum mehr Hoffnung,

dass er wahr werden könnte.

Aber er sagt es jetzt einfach.

Kann doch sein, dass es stimmt:

Es ist der Herr!“

Der, der eben am Ufer mit uns sprach:

Es ist der Herr!“

Als Petrus das hört,

hatte er gerade schon seine Kleider abgelegt,

um ins Wasser zu steigen und das Netz zu leeren.

Ein Fuß bereits im Wasser,

springt er zurück ins Boot,

wirft sich sein Oberkleid wieder über,

knotet es hoch und springt,

ohne ein weiteres Wort,

in den See und schwimmt davon.

Die anderen machen sich mühsam im Boot hinterher.

So weit ist es ja nicht mehr.

Am Ufer angekommen

sehen sie was da

flimmerte und flackerte.

Ein Feuer.

Brot dabei.

Etwas Fisch darauf.

Und der Fremde sagt:

Bringt noch von dem Fisch,

den ihr gefangen habt.“

Es war ja genug.

Hundertdreiundfünzig Fische.

Und Petrus holt einige aus dem Netz.

Dann setzen sich alle um das Feuer.

Ihre Herzen lodern wie die Flammen.

Aber keiner wagt zu fragen.

So saßen sie eine Weile.

Bis es einer nicht mehr aushält.

Wer bist du?“ fragt er.

Alle ahnen, wünschen, wissen,

hoffen, glauben: Es ist der Herr.

Der aber sagt nichts.

Der Fremde.

Er nimmt das Brot.

Teilt es unter ihnen.

Und den Fisch auch.

Schweigend.

Und da sind sie plötzlich wieder dort,

wo sie vor Jahren schon einmal waren.

Mit tausenden saßen sie hier,

ganz in der Nähe,

auf der Wiese.

Da war es gerade Abend geworden.

Und die Leute hatten Hunger,

die Freunde und Jesus aber nur

fünf Brote und zwei Fische.

Das würde nie reichen,

dachten sie.

Doch Jesus betete und sagte,

sie sollen es austeilen.

Da sammelte jeder von ihnen

einen ganzen Korb voller Reste,

12 Körbe, als der Morgen kam.

Damals saßen sie auch die ganze Nacht.

Erzählten einander von Hoffnungen

und Träumen und Zukunft

und wie es sein wird,

wenn alle satt werden.

Reich Gottes nannte Jesus das immer.

Reich Gottes.

Und sie ahnten damals,

was es bedeutet.

Als sich nun, am Feuer,

im Schein der Falmmen,

Fisch und Brot in ihren Mündern

stumm vermengen,

nachdem sie beides

aus seiner Hand genommen haben,

da zieht er wieder ein,

der Frieden von damals.

Der Frieden,

den Jesus ihnen immer wünschte,

wenn er in den Raum kam.

Friede sei mit euch.“ sagte er.

Und sie spürten es.

Es waren nicht nur Worte.

Es war wirklich.

Es geschah.

So wie jetzt.

Am Feuer mit dem Fremden.

Mit dem Auferstandenen.

Mit dem Herrn.

Ich wäre gern dabei,

wie sie da stumm in der Runde sitzen.

Das Feuer flackert.

Brot und Fisch schmecken.

Und sie erleben, dass Frieden herrscht.

Innen.

Und nur für einen Moment auch außen.

Keine Finte, kein Manöver.

Nichts davon.

Nur da sein

und spüren, dass er auch da ist.

Der Frieden.

Der Auferstandene.

Der Herr.

Viele saßen seither an diesem Feuer.

Und machten die Erfahrung,

die die Freunde an diesem Feuer machten,

an jenem Morgen,

damals, in Galiläa,

als in alle Unruhe und Ungewissheit

wieder Frieden einkehren konnte.

Sie haben daraus die Kraft

der neugeboren Kinder Gottes geschöpft.

Quasimodogeniti.

Wie die Neugeborenen.


Ich wünsche uns,

dass wir auch an diesem Feuer

sitzen können.

Und ihm begegnen.

Dem Frieden.

Dem Auferstandenen.

Dem Herrn.

Nur da sein

und spüren, dass er auch da ist.

Der Frieden.

Der Auferstandene.

Der Herr.


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


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Predigt am Ostermontag - 05.04.2021

Predigttext: Buch der Offenbarung, Kapitel 5, Verse 6-14


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



Predigttext:

6 Und ich sah mitten zwischen dem Thron und den vier Wesen und mitten unter den Ältesten ein Lamm stehen, wie geschlachtet; es hatte sieben Hörner und sieben Augen, das sind die sieben Geister Gottes, gesandt in alle Lande. 7 Und es kam und nahm das Buch aus der rechten Hand dessen, der auf dem Thron saß. 8 Und als es das Buch nahm, da fielen die vier Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm, und ein jeder hatte eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen, 9 und sie sangen ein neues Lied: Du bist würdig, zu nehmen das Buch und aufzutun seine Siegel; denn du bist geschlachtet und hast mit deinem Blut Menschen für Gott erkauft aus allen Stämmen und Sprachen und Völkern und Nationen 10 und hast sie unserm Gott zu einem Königreich und zu Priestern gemacht, und sie werden herrschen auf Erden. 11Und ich sah, und ich hörte eine Stimme vieler Engel um den Thron und um die Wesen und um die Ältesten her, und ihre Zahl war zehntausendmal zehntausend und vieltausendmal tausend; 12 die sprachen mit großer Stimme: Das Lamm, das geschlachtet ist, ist würdig, zu nehmen Kraft und Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Preis und Lob. 13 Und jedes Geschöpf, das im Himmel ist und auf Erden und unter der Erde und auf dem Meer und alles, was darin ist, hörte ich sagen: Dem, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm sei Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! 14 Und die vier Wesen sprachen: Amen! Und die Ältesten fielen nieder und beteten an.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.





Ein Buch mit sieben Siegeln.

Es gibt so viele Rätsel.

So viel rätselhaftes.

Sprichwörtlich Bücher mit sieben Siegeln.

Selbst Ostern.

So unfassbar, was da geschehen ist,

dass man seinen Augen kaum trauen mag,

wie die Frauen am Ostermorgen.

Stein weggerollt. Grab leer.

Jesus weg. Engel da.

Fürchtet euch nicht!“ sagt der Engel.

Wie soll man sich da nicht fürchten?



Manchmal ist das, was ich sehe zu groß

und Zweifel schleicht sich ein.

Manchmal dauern Erklärungen zu lang,

und ich finde keine Antwort auf ein „Warum?“.

Manchmal sammle ich Kräfte

und spüre nicht, dass Gott mitträgt.

Manchmal kommt es anders als ich dachte

und ich kann meinen Augen kaum trauen.

Nicht manchmal, sonder genau einmal

in so einem Moment, war Ostern.



Es gibt vieles, das ich nicht verstehe.

Das ich nicht erklären kann.

Weshalb Gott manche Dinge zulässt.

Anderes aber nicht passiert.

Warum eine Lebenszeit nur kurz,

nur Tage, Wochen, wenige Jahre dauert,

und andere ein Jahrhundert und mehr

erleben.

Es gibt so viele Erklärungsversuche,

die aber alle nicht helfen wollen,

wenn ich betroffen bin.

Auch ich selbst stehe ratlos,

schulterzuckend daneben

und muss aushalten.

Vor wenigen Tagen habe ich

in der Zeitung einen Artikel

über einen lieben Kollegen gelesen,

der seine Tochter vor zwei Jahren verlor.

Und ich verstehe gut,

wie er schildert,

dass er mit Gott gehadert,

ja, gerungen hat.

Dass er für einen Moment

zweifelte, ob er noch Pfarrer sein könne.

Er wurde gefragt:

Wie kann man bei seinem Glauben bleiben,

wenn Gott einem das zumutet?

Und er antwortet mit der Gegenfrage:

Wie schafft man das ohne?“

Da hat ein Mensch mitten in

Zweifel und Anfechtung erfahren,

dass er getragen wird.

Was geschehen ist,

bleibt ein Buch mit sieben Siegeln.

Trotzdem.

Aber ich halte dieses Buch nicht.

Das trägt ein anderer für mich.



Auch diese Pandemie ist oft

wie ein Buch mit sieben Siegeln.

Gerade die Frage danach,

wann sie vorbei ist

und das Leben wieder normaler,

wieder fröhlicher, gemeinsamer wird,

bleibt noch ohne Antwort.

Ostern ändert das nicht.

Zumindest nicht auf den ersten Blick.

Aber Ostern war noch nie

auf den ersten Blick

einfach so zu verstehen.

Ostern ist vielleicht gar nicht zu verstehen.

Ostern muss ich glauben.



Mit dem Text der Offenbarung

für heute, geht es mir ähnlich.

Ich weiß ehrlich nicht genau,

was der Seher Johannes da gesehen hat,

da geträumt hat,

was Gott ihm zeigte:

Hörner und Augen, ein Lamm,

Geister Gottes und Wesen,

Älteste und Engel.

Ziemlich abgefahren.

Ich glaube, dass er in Sprache

zu fassen versucht,

was nicht so recht zu fassen ist.

Und ich glaube ihm,

was er versucht zu erklären:

dass die ganze sichtbare und unsichtbare

Welt, alles was auf ihr und unter ihr

und über ihr und in den Wassern ist,

dass einfach alles und alle anwesend waren,

bei dem, was Gott dem Seher zeigen wollte.

Als nämlich ein Unschuldiger,

so unschuldig wie ein Lamm,

alle Rätsel der Welt,

all das Unfassbare und

Unerklärbare,

in seine Hände nahm.

Und die, die es sahen,

mussten erkennen,

dass er würdig ist, es zu nehmen,

zu halten, zu tragen.

Gott zeigte es Johannes

und Johannes sah:

Alle stimmten zu,

dass es in seinen Händen

genau am richtigen Ort ist.

Der, der alles ausgehalten,

ertragen und überwunden hat.

Jesus.

Den Gott als ersten von den Toten

auferweckte, um mit ihm,

allen, die an ihn glauben,

das ewige Leben zu schenken.

Der kann auch halten,

was ich nicht verstehe.



Auch das ist Ostern:

Der, der sich der Menschen annahm,

als er selbst Mensch unter Menschen war,

der hat nicht damit aufgehört,

als er am Kreuz starb.

Sondern da

hat er erst richtig damit angefangen.



Nun kann ich

und können wir alle,

all die Bücher mit sieben Siegeln,

das was wir nicht wissen

und das, was wir nicht begreifen können,

in seine Hände legen

und sicher sein,

dass er würdig ist, es zu nehmen

und zu halten.



Vielleicht hat der Seher Johannes selbst

eine ähnliche Erfahrung gemacht.

Als er in seinem Exil von Jesus hörte.

Von der Geschichte seines Lebens und Sterbens

und all dem, was Menschen sich über ihn erzählten,

von den Wundern und dem größten Wunder,

dass er den Tod besiegt hat,

da leuchtete ihm ein

was ihm vorher völlig

undurchsichtig geblieben war:

der Frieden zwischen Gott und den Menschen;

die Liebe Gottes, die manchmal im Leben

schwer zu erkennen ist.

Was vorher ein Buch mit sieben Siegeln war,

ging für ihn auf.

Durch Jesus.



Und ich glaube der Seher Johannes

versucht mir auf seine Art

eine einfache Wahrheit nahe zu legen

und ihr gleichzeitig Gewicht zu verleihen:

Leg alles in Jesu Hände

und halte es selbst, wie die Wesen,

die Ältesten und Engel,

wie die tausenden und abertausenden

im Himmel und auf der Erde:

halte ihn für würdig,

geh auf die Knie und bete an -

das heißt:

vielleicht noch nicht verstehen,

aber glauben können,

dass alle Rätsel dieser Welt

- jetzt und ein für allemal -

in guten Händen sind.



Und der Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.


EG 115, 1.2.5 // Oder Kanon: „Würdig das Lamm, das geopfert ist“


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Zum Ostermorgen - 04.04.2021

Osterevangelium: Matthäusevangelium, Kapitel 28, Verse 1-10


Ich stelle mir vor, dass es eine schlaflose Nacht war.

Ich denke an die Frauen am Ostermorgen.

Es ist wie – in der Luft hängen,

zwischen der Trauer um das, was war,

und der Zukunft, die noch nicht da ist.

Wie sie diese Zeit der Ungewissheit,

der Trauer, des Nichtfassenkönnens,

wohl ausgehalten haben?

Jetzt naht der Morgen.

Ein ganzer Tag ist vergangen,

seit Jesus am Kreuz schrie.

Sie waren dabei.

Sie haben es gehört.

Jetzt naht der Morgen des dritten Tages.

Eine nimmt das Ölfläschchen,

denn es muss ja weitergehen,

der Leichnam muss noch gesalbt werden.

Wer wird uns den Stein vom Grab wegwälzen?“

fragt Maria aus Magdala.

Keine Ahnung,

aber lass uns einen Schritt vor den anderen setzen,

denn weiter planen und weiter denken kann ich gerade nicht.“

antwortet die andere Maria.

Beide nicken stumm.


Wir haben auch Abschiede verschmerzen müssen,

in diesem vergangenen Jahr,

seit dem die Kirchen am Osterfest 2020

geschlossen blieben.

Nicht nur Abschiede von Menschen.

Doch auch das.

Schmerzliche.

Und die Wunden heilen noch.

Aber auch von so vielen Dingen

haben wir uns verabschieden müssen

im letzten Jahr:

Unnötig, alles noch einmal aufzuzählen,

was fehlt.

Begrabene Pläne,

gescheiterte Vorhaben,

auf der Strecke gebliebene Hoffnungen

und Wünsche.

Und immer noch ist nicht ganz klar,

wie es weitergehen wird.

Pläne reichen von heute bis morgen.

Es ging ihnen nicht anders.

Den Frauen am Ostermorgen.

Unklar, wie es weitergeht.

Pläne von vorgestern

sind nicht mehr die von heute.


An der frischen Luft

des herannahenden Morgens

Zwischen nicht mehr und noch nicht

gehen die Frauen

Einen Schritt vor den anderen

trübe Blicke

hängende Häupter

Sie sehen nicht

dass es ums sie her bereits blüht.

Schnee- und Maiglöckchen,

Krokusse und Narzissen,

und Osterglöckchen,

künden von neuem Leben.

Dumpf nehmen sie nur wenig wahr

Eine denkt:

Wie gut es ist, dass sie nicht alleine laufen muss.

Immerhin.


Dann schauen sie ins Grab

und sehen nur die Leere

Und sie spüren die Angst

Vor der Leere.

Doch da ist der Engel schon da.

Durch ihn spricht Gott.

Und sagt:

Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?

Es ist nicht alles verloren.

Jesus lebt!

Anders.

Neu.


Jahr um Jahr sagt der Engel

das auch zu uns.

Der Engel im leeren Grab,

zu dir und zu mir.

In diesem Jahr vielleicht besonders.

Fürchtet euch nicht!

Habt keine Angst.

Er, Jesus, ist nicht dort geblieben,

wo Verzagtheit wohnt

und Dunkelheit Raum greift.

Wo alle Pläne enden

und Hoffnungen versiegen.

Er ist euch schon vorausgegangen.

Mitten im Leben

begegnet ihr ihm.

Ihr habt viel Neues gewagt im letzten Jahr,

seid kreativ mit der Krise umgegangen.

Lasst euch jetzt nicht entmutigen!

Die Auferstehung Jesu

ist nicht nur ein Vertröstungssymbol

für die Ewigkeit, die kommt.

Sie ist ein Hoffnungszeichen,

dass das Leben auflebt und siegt.

Auch mitten im Leben.

Darum mutet der Engel den Frauen zu:

Wagt euch ins Leben,

und in die Zukunft!

So auch wir.

Denn Christus ist auferstanden, Hallelujah!

Und die Frauen gehen

Den ersten Schritt

Aus dem Grab heraus.

Und mit jedem Schritt

Ins Leben

Verlässt sie die Angst

ein bisschen mehr.

Sie gehen

Immer schneller und aufrechter

Fangen an zu laufen,

und ich glaube, sogar zu tanzen

Um es endlich

auch den anderen zu erzählen.


Damit alle es hören:

Der Herr lebt!

Das Leben siegt!

Christus ist auferstanden.

Er ist wahrhaftig auferstanden.

Hallelujah!

Amen.


[Mit Dank für viel Wort und Inspiration an: Elisa Beth, FB, Predigtkultur, 02.04.2021]


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Predigt am Sonntag Okuli - 07.03.2021

Predigttext: Epheserbrief, Kapitel 5, Verse 1,2,8,9


Mit dem nachstehenden Player können Sie die Predigt direkt anhören.



Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



1 So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder

2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat

und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer,

Gott zu einem lieblichen Geruch.

8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.

Wandelt als Kinder des Lichts;

9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.



Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Tausende und abertausende

haben ihn gesehen.

Noch mehr hatten Namen für ihn.

Jetzt heißt er Theo.

Er saß auf einer Wiese in Berlin.

Mit schöner Aussicht, neben einem Schloss

und Blick aufs Brandeburger Tor.

Ich nehme an, dass er dort einige

edle Reste seine Nahrung nennen kann.

Irgendwo dort wird er sich

eine Höhle gegraben haben.

Vielleicht hat er sie Bellevue genannt.

So wie das Schloss, auf dessen Wiese

er nun gemütlich posiert.

Dort wurde er vom Bundespräsidenten

fotografiert und von tausenden

und abertausenden gesehen.

Jetzt heißt er Theo.

Theo ist ein Fuchs.

Benannt nach dem ersten Bundespräsidenten

Theodor Heuss.

Benannt vom aktuellen Bundespräsidenten

Frank Walter Steinmeier.



Wenn ich in diesen Tagen in meinen Garten gehe,

um meine Hasen, Aleph und Beth, zu füttern,

dann ist wildes Gezeter, schrilles Gezwitscher

und Rascheln und Aufregung

in meiner noch ganz kargen

und braunblättrigen Buchenhecke.

Doch es genügt den Vögeln schon so wie es ist.

Sie sitzen darin, tschilpen und zwitschern.

Es sind viele.

Manchmal sehe ich sie anfliegen,

landen und wieder ausfliegen.

Gut möglich, dass die Buchenhecke ihr Zuhause ist.

Dass sie die gleiche Adresse haben wie ich.

Und sie spüren wie ich,

dass der Winter endlich vorbei geht

und hoffen wie ich,

dass die Leichtigkeit des Frühlings nun einkehrt.

Mit dieser Hoffnung bauen sie Nester.

Vielleicht spekulieren sie bereits darauf,

dass von Kuchen und Keksen

auf dem Gartentisch etwas für sie abfallen wird.



Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester;

aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. (Lk 9, 58)

So heißt es im heutigen Evangelium.



Viele haben ihn gesehen.

Die am Rand der großen Straße vor der Stadt.

Plötzlich und ganz dicht

steht er vor dem Blinden.

Geht hin zu dem Gelähmten,

dem ohne eigene Kraft

und gibt ihm von seiner etwas ab,

der Menschensohn.

Wo man auf ihn gut vorbereitet ist,

geht er aber vorbei.

Er kehrt dafür bei denen ein,

zu denen sonst keiner kommt.

Wenn man ihn einlädt, isst und trinkt er,

bringt aber nichts mit außer sich selbst.

Er lässt sich die überschwängliche Hingabe

von Frauen gefallen und nimmt, was sie ihm schenken.

[…] Er achtet die anhängliche Treue der Männer.

Sie gehen so geduldig immer weiter mit ihm,

auch wenn sie ihn oft gar nicht verstehen

oder nur sehr langsam.

Und er liebt die Kinder.

Jesus streicht durchs Land,

wie ein Fuchs, plötzlich da, kurz gesehen,

schnell wieder verschwunden, ein paar Reste hinterlassend,

ein bisschen Brot und Worte wie [… F]lügel.

Jesus fliegt ein und aus wie ein Vogel,

leicht und frei, keine Adresse, kein fester Wohnsitz.

Kommt gut durch ein paar Winter,

mit Abendessen in festen Häusern,

wo es Wein gibt

und einem Dach für eine Nacht oder zwei.

Kommt noch leichter durch den Sommer,

mit etwas Brot und Fisch draußen am See.

Kommt zurecht mit dem, was gerade da ist.

Und seien es auch nur Körner vom Feld,

ausgerieben in der Hand.

[Er s]ieht zwischen dem Korn auf dem Feld die Lilien blühen,

hebt den Blick zu den Vögeln unter dem Himmel,

so leicht und so frei wie er.“

[von Kathrin Oxen, FB Prediktkultur, 4.3.2021]



Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester;

aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. (Lk 9, 58)



1 So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder

2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat



Ich bleibe ehrfürchtig neben dem stehen,

der im Evangelium auf Jesus zu geht.

Ich will dir folgen, wohin du gehst“,

sagt er zu Jesus.

Er hat schon so viel gehört von ihm

und jetzt ist Jesus da, so plötzlich wie immer,

vielleicht auch schnell wieder weg.

Da fasst sich der eine ein Herz.

Und er sagt einen von diesen Sätzen,

die man vielleicht zwei oder dreimal sagen kann

in einem ganzen Leben:

Ich will dir folgen, wohin du gehst.

Das ist so einer von den Sätzen,

die man stumm für sich zu sagen übt,

voller Hoffnung, dass es einmal, irgendwann,

irgendjemanden geben könnte, zu dem dieser Satz passt.

Und jetzt ist Jesus da.

Zu ihm passt dieser Satz.

Ich will dir folgen, wohin du gehst.

Ein großer, schöner Satz, so voller Hingabe.“

[von Kathrin Oxen, FB Prediktkultur, 4.3.2021]



Jesu Antwort macht mir ähnlich Mühe,

wie der Satz des einen, der ihm folgen will.

Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester;

aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege. (Lk 9, 58)

Noch weniger haben

als eine selbst gescharrte Grube [...],

noch weniger als einen dürftigen Strauch

am Rand der Straße,

weniger noch als die Reste.

All die Füchse und Vögel mit ihren Gruben und Nestern,

genährt von Resten, die keiner mehr will,

sie gehören schon zu den Wohlhabenden,

wenn man sie mit Jesus vergleicht.

Wer kann so leben [...]“

[von Kathrin Oxen, FB Prediktkultur, 4.3.2021]



Jesus hält sich bei den gut Vorbereiteten

nicht lange auf.

Auch die, die schon auf ihn warten,

beherbergen ihn für höchstens eine Nacht.

Bei denen, die ihn entdecken,

verschwindet er plötzlich und spurlos.

Reste bleiben. Überall.

Aber er?

Er ist dort, wo andere sagen:

Sieh dort nicht hin.“

Dort, wo ich lieber nicht wäre,

da ist er längst.

Und wenn ich ihm folgen will,

wenn ich dort sein will,

wo er längst ist,

dann muss ich auch dorthin.

An die Grenzen der Not,

in dunkle Straßen und Gefängniszellen,

Krankenbetten und vermüllte Wohnungen,

und unter Brücken,

auf schlammige Wege in Lagern und Unterkünften,

zu Hungernden und auf Boote.

Darum sind Christ*innen

und christliche Werke genau dort,

weltweit.

Weil wir Jesus finden wollen,

in unserer Welt.



1 So ahmt nun Gott nach als geliebte Kinder

2 und wandelt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat

Sagt der Predigttext.



Wer dem nachkommen will,

der macht sich auf die Suche nach Jesus.

Hier und überall.

An finsteren Orten,

in düsteren Lagen

und im Zwielicht wird er zu finden sein.

Ganz sicher.

Und das wird mich daran erinnern,

dass die Finsternis an niemandem vorübergeht,

wenn nicht irgendjemand ein bisschen Licht bringt.

8 Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.

Wandelt als Kinder des Lichts;

9 die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.



Und ein bisschen Brot und Worte wie Flügel

können Licht schaffen in der Finsternis.

Und Jesus wird da gewesen sein.



In all den anderen Finsternissen

wird er bleiben

und auf uns warten,

bis wir auch dort ankommen,

wir, die Kinder des Lichts.



Tausende und abertausende,

werden das sehen;

die Füchse, die aus ihren Gruben lugen

und die Vögel unter dem Himmel,

die aus Hecken und Sträuchern zetern,

werden unsere Zeugen sein,

dass wir Jesus sahen,

als wir ankamen und da waren.

Licht vertrieb Finsternis.

Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit

zogen ein

und Gott.


Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


Pred.lied: EG 295, 1-3 (Wohl denen, die da wandeln)


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Predigt am Sonntag Reminiszere - 28.02.2021

Predigttext: Prophetenbuch des Jesaja, Kapitel 5, Verse 1-7




Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



1 Wohlan, ich will von meinem lieben Freunde singen, ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg. Mein Freund hatte einen Weinberg auf einer fetten Höhe.

2 Und er grub ihn um und entsteinte ihn und pflanzte darin edle Reben. Er baute auch einen Turm darin und grub eine Kelter und wartete darauf, dass er gute Trauben brächte; aber er brachte schlechte.

3 Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem und ihr Männer Judas, zwischen mir und meinem Weinberg!

4 Was sollte man noch mehr tun an meinem Weinberg, das ich nicht getan habe an ihm? Warum hat er denn schlechte Trauben gebracht, während ich darauf wartete, dass er gute brächte?

5 Wohlan, ich will euch zeigen, was ich mit meinem Weinberg tun will! Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er kahl gefressen werde, und seine Mauer soll eingerissen werden, dass er zertreten werde.

6 Ich will ihn wüst liegen lassen, dass er nicht beschnitten noch gehackt werde, sondern Disteln und Dornen darauf wachsen, und will den Wolken gebieten, dass sie nicht darauf regnen.

7 Des Herrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Israel und die Männer Judas seine Pflanzung, an der sein Herz hing. Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, da war Rechtsbruch, auf Gerechtigkeit, siehe, da war Geschrei über Schlechtigkeit.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.





Wise Guys - „Nur für dich“


So sang die A-Capella-Gruppe „Wise Guys“ schon 2004:

das Liebeslied eines enttäuschten Lovers:

Nur für dich“ heißt es.


Witzig?

Vielleicht.

Aber, Liebe funktioniert so nicht:

wenn ich nur tue, was mir widerstrebt,

um meine Liebe zu zeigen;

in der Hoffnung, das es sich lohnt,

wie auch immer,

um dann enttäuscht festzustellen,

dass ich mich für einen anderen Menschen

verbiege, der nicht im gleichen Maße

bereit ist, sich zu verbiegen.

Ich bleibe frustriert zurück.

Vielleicht auch wütend.

Wie der enttäuschte Lover

im Lied der Wise Guys,

der das Lied dann verändert

und Klartext spricht.


In der Bibel gibt es auch so ein Lied.

Weniger zum Schmunzeln,

mehr zum Nachdenken.

Ernsthafter.

Eigentlich sogar ziemlich bedrohlich.


Ich stelle mir vor, wie es gesungen wurde:

Auf einem Fest vielleicht,

fröhlich und sorglos,

zu vorgerückter Stunde,

als alle schon gut gegessen und getrunken hatten.

Unter den Gästen: Jesaja, Sohn des Amoz.

Eingeladen hat ihn zwar keiner,

aber soll er doch mitfeiern,

der Hofprophet in Jerusalem;

es kommt nicht darauf an,

hier, wo von allem genug da ist.

Und dann trinken und lachen sie

und sind in Stimmung. Es wird gesungen.

Wie überall fangen die Mutigsten an,

die anderen stimmen ein.

Und auch Jesaja ist aufgestanden,

seinen Becher in der Hand:

Wohlan, ich will meinem lieben Freunde singen,

ein Lied von meinem Freund und seinem Weinberg.“

Alle lachen, das hört sich gut an;

solche Lieder kennen wir,

wir wollen sehen,

ob der Weinstock sprosst und seine Blüten aufgehen (…) (Hoheslied 7, 13)

Ein Weinberg ist ein Lustgarten.

Sing weiter, Jesaja, wir sind gespannt.

Und Jesaja singt weiter:


Auf fruchtbarem Hügel, da liegt mein Stück Land,

dort hackt ich den Boden mit eigener Hand,

ich mühte mich ab und las Felsbrocken auf,

baute Wachtturm und Kelter, setzte Reben darauf.

Und süße Trauben erhofft‘ ich zu Recht,

doch was dann im Herbst wuchs, war sauer und schlecht.

Jerusalems Bürger, ihr Leute von Juda,

was sagt ihr zum Weinberg, was tätet denn ihr da?

Die Trauben sind sauer, entscheidet doch ihr:

War die Pflege zu schlecht?

Liegt die Schuld denn bei mir?

Ich sage euch, Leute, das tue ich jetzt:

Weg reiß ich die Hecke, zum Schutz einst gesetzt;

und die Mauer ringsum, die reiße ich ein:

zum Weiden soll’n Schafe und Ziegen hinein!

Zertrampelnden Füßen geb ich ihn preis,

schlecht lohnte mein Weinberg mir Arbeit und Schweiß!

Ich will nicht mehr hacken, das Unkraut soll sprießen!

Der Himmel soll ihm den Regen verschließen!

Der Weinberg des Herrn seid ihr Israeliten!

Sein Lieblingsgarten, Juda, seid ihr!

Er hoffte auf Rechtsspruch und erntete Rechtsbruch,

statt Liebe und Treue nur Hilfeschreie!


So dichtet die „Gute-Nachricht-Bibel“

das Lied des Jesaja nach.

Das Lied von Jesajas Freund

und dessen Weinberg,

den sein Besitzer mit viel Liebe angelegt hat –

und trotzdem bringt er keine Früchte.

Jesajas Freund: ist Gott.

Sein Weinberg: diese Welt.

Er singt von der Enttäuschung,

die es verursacht,

dass der Weinberg trotz aller Mühe

ohne Früchte bleibt.

Eine Enttäuschung,

die so groß ist,

dass der Weinbergbesitzer

den Weinberg den Kräften der Natur

und sich selbst überlassen will

und sogar den Regen versagen will.


Das verstummt die Festgesellschaft,

für die Jesaja singt.

Da schmeckt den Zuhörenden

plötzlich der Wein nicht mehr.

Statt weiter die Becher zu heben,

stellen sie sie halbvoll ab.

Denn sie verstehen:

Das ist ein ganz bitteres Liebeslied.

Und der Liebhaber, der hier spricht,

ist Gott.

Und gemeint sind...

sie, die Bürger Jerusalems.

Und die Liebe Gottes ist offenbar gefährdet.

Sie wartet auf Antwort.

Sie will sich nicht mehr verbiegen,

wenn von den Geliebten nichts,

rein gar nichts zurückkommt.

Das Liebeslied ist zur Gerichtspredigt geraten.

Und wenn wir dieses Lied heute hören,

gilt es uns:

Es hält mir den Spiegel vor.

Es beschreibt, wie Menschen –

wie ganze Gesellschaften handeln:

Kurzsichtig, eigennützig, gedankenlos.

Und dann wird aus Rechtsspruch Rechtsbruch

und aus Gerechtigkeit Schlechtigkeit.


Und es malt ein düsteres Bild,

was wäre,

wenn Gott sich aus seinem Weinberg

zurückzöge.

Schutz und Trutz wegnähme.

Was wäre, wenn diese Welt

sich selbst überlassen bliebe,

Gott ihr wütend und enttäuscht

den Rücken kehrte?


Jesaja nimmt kein Blatt vor den Mund.

Die Welt würde zerfallen.

Nichts würde mehr wachsen,

als Dornen und Gestrüpp.

Dürre käme über uns.

Nun könnten manche sagen:

ist das nicht bereits der Fall?

Wenn ich das höre,

dann denke ich an die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

In unseren Orten und drumherum.

An die, die sich Sorgen machen,

darüber, was andere ihnen wegnehmen.

3-2-1-Meins!

Und was ist an den grenzen Europas?

Aber so weit weg muss ich gar nicht.

Ich denke an die,

die sich jetzt, kurz vor Monatsende,

sorgen, ob sie über die Runden kommen,

und die, die froh sind, dass morgen

schon wieder der 1. ist.

Und an die vielen irgendwo dazwischen.

An Hasskommentare im Internet,

die sich so leicht schreiben;

ich denke an das jüdische Leben

in unserem Land,

und an so viele in diesem und anderen Ländern,

die noch ganz andere,

manchmal undenkbare

und undenkbar schlimme Probleme haben.

Alle diese Menschen – wir –

müssen zusammenleben,

in unseren Orten, in diesem Land,

in der Welt, wie sie ist.


Und ich möchte antworten:

Hätte Gott längst klein bei gegeben,

sie wäre noch viel schlimmer,

die Welt, in der wir leben.



Ernüchtert höre ich aus Jesajas Worten:

Die Welt ist nicht viel anders geworden

seit damals, als Jesaja, Sohn des Amoz,

sein Lied vom Weinberg gesungen hat.

Es ist nicht so bei uns Menschen,

wie Gott es sich gedacht hat.

Es gibt Rechtsbruch statt Rechtsspruch,

Schlechtigkeit statt Gerechtigkeit,

viele faule Beeren und wenig edle Reben.


Was sollte ich noch mehr tun? fragt Gott.

Ich bin der Weinbergbesitzer.

Ich bin der große Gärtner, dem die Welt gehört.

Ich habe umgegraben, gebaut, gepflanzt,

euch in eine bewohnbare, schöne Welt gesetzt.

Es hat mich Mühe und Arbeit gekostet.

Die Welt ist meine Pflanzung, mein Herz hängt an ihr.

Die Welt sollte mein Lustgarten sein.

Was habt ihr daraus gemacht, ihr Menschen?

Wo sind die edlen Reben?

Nichts auf dieser Welt gehört doch euch allein.

Es geht durch eure Hände, kommt aber alles her von Gott.

Das singen wir oft zum Erntedankfest.

Aber wie dankbar und fest

meine ich das auch?


Vielleicht haben die Gäste des Festes,

denen Jesaja sein Lied zum Besten gegeben hatte,

damals miteinander eingestimmt,

in das Lied des Psalms 25:

Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit

und an deine Güte,

die von Ewigkeit her gewesen sind.“


In jedem Falle hat Gott genau das getan.

Sonst würden wir an diesem

2. Sonntag der Passionszeit

nicht auf Ostern blicken können.

Gott hat einen weiteren Anlauf genommen.

Ist selbst in den Weinberg gekommen.

Hat gezeigt, was gute Frucht bringen kann.

Oder wie es im Evangelium heißt: (Joh 3)

17 Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt,

dass er die Welt richte, sondern 

dass die Welt durch ihn gerettet werde.

[...]

18 Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet

[…]

21 Wer die Wahrheit tut, der kommt zum Licht


Gott hört nicht auf, für diese Welt,

für seinen Weinberg zu hoffen,

dass er noch besser werden kann,

dass er gute Frucht bringen kann.

Wer wären wir,

wenn wir an Gott glaubten,

uns seine Kinder nennen würden,

und nicht wenigstens ein bisschen

hoffen wollten, wie er.

Gott will die Früchte seiner Liebesmühe sehen

und Menschen, die nach seinem Willen leben.

Rechtsspruch statt Rechtsbruch,

Gerechtigkeit statt Schlechtigkeit.


Gott schmeißt auch nach

Rückschlägen und Misserfolgen

nicht einfach hin.

Wie oft hat er sich Menschen

schon mitten in Disteln und Dornen

gezeigt.

Aus einem Dornbusch erklingt seine

Stimme, die sagt:

Ich bin da!

Auch in den Unzulänglichkeiten

des Weinbergs,

der Welt.


Wer dran bleibt,

nicht hinschmeißt,

nicht enttäuscht den Rücken kehrt,

und weiterliest,

wird im Buch des Jesaja

in Kapitel 27 schließlich fündig.

Dort sagt der Herr: (Jes 27, 2ff)

Ich habe einen wundervollen Weinberg;

singt alle, singt ein Lied zu seinem Ruhm!

Ich selber bin sein Wächter, ich,

der Herr, und alle Augenblicke tränk ich ihn.

Bei Tag und Nacht bewache ich den Weinberg,

damit ihm nichts und niemand schaden kann.

Ich bin nicht mehr zornig auf ihn.

Wenn Dornen und Disteln darin wuchern,

sage ich ihnen den Kampf an und verbrenne sie.

So geht es allen, die Schaden anrichten.

Es sei denn, sie suchen meinen Schutz

und schließen Frieden, Frieden mit mir.“


Die Welt wäre arg dran ohne Gott,

ob das jemand glauben kann oder nicht.

Aber Gott lässt sich an seine

Barmherzigkeit erinnern

und bleibt.

Ich bin da.

Das ist sein Name.

Von seiner Leidenschaft

möchte ich angesteckt sein.

Für die Liebe.

Für das Leben.


Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.



[Mit Dank an die Ideen von: Ulrich Menzel, FB-Predigtkultur, 25.02.2021; Kathrin Oxen, FB-Predigtkultur, 24.02.2021]



Pred.lied: EG 96, 1-4 (Du schöner Lebensbaum des Paradieses)


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Predigt am Sonntag Estomihi - 14.02.2021

Predigttext: Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 58, Verse 1-9a


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



1 Ruf, so laut du kannst, halt dich nicht zurück! Lass deine Stimme erschallen wie ein Widderhorn! Halt meinem Volk seine Verbrechen vor, den Nachkommen Jakobs ihre Vergehen.

2 Sie befragen mich Tag für Tag und wollen wissen, was mein Wille ist. Als wären sie ein Volk, das Gerechtigkeit übt und das Recht seines Gottes nicht missachtet! Sie fordern von mir gerechte Entscheidungen und wollen, dass ich ihnen nahe bin.

3 Und dann fragen sie mich: Warum achtest du nicht darauf, wenn wir fasten? Warum bemerkst du nicht, wie wir uns quälen? Ich antworte: Was tut ihr denn an den Fastentagen? Ihr geht euren Geschäften nach und treibt eure Untergebenen zur Arbeit an!

4 Ihr fastet nur, um Zank und Streit anzuzetteln und mit roher Gewalt zuzuschlagen. So wie ihr jetzt fastet, findet eure Stimme im Himmel kein Gehör.

5 Meint ihr, dass ich ein solches Fasten liebe? Wenn Menschen sich quälen, den Kopf hängen lassen wie umgeknicktes Schilf und in Sack und Asche gehen? Nennst du das Fasten, einen Tag, der dem Herrn gefällt?

6 Das wäre ein Fasten, wie ich es liebe: Löst die Fesseln der zu Unrecht Gefangenen, bindet ihr drückendes Joch los! Lasst die Misshandelten frei und macht jeder Unterdrückung ein Ende!

7 Teil dein Brot mit dem Hungrigen, nimm die Armen und Obdachlosen ins Haus auf. Wenn du einen nackt siehst, bekleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Nächsten!

8 Dann bricht dein Licht hervor wie die Morgenröte, und deine Heilung schreitet schnell voran. Deine Gerechtigkeit zieht vor dir her, und die  Herrlichkeit  des  Herrn  folgt dir nach.

9 Dann antwortet der Herr, wenn du rufst. Wenn du um Hilfe schreist, sagt er: Ich bin für dich da!

[BasisBibel]

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Wir Kinder aus Bullerbü“

Lisa ist 7 Jahre alt und lebt in dem kleinen Dorf Bullerbü in Smaland auf dem Mittelhof mit ihren Brüdern Lasse und Bosse.

Wenn alle Kinder aus dem Dorf nicht gerade etwas zusammen unternehmen, spielt Lisa am liebsten mit ihrer besten Freundin Inga. Sie ist auch 7 Jahre alt und lebt auf dem Nordhof mit ihrer Schwester Britta und dem Großvater.

Lisa erzählt die Geschichte der Kinder aus Bullerbü von Astrid Lindgren aus der Ich-Perspektive. Zum Beispiel so:

Als wir im Herbst wieder mit der Schule angefangen hatten, sagte die Lehrerin eines Tages, wir sollten uns immer bemühen, andere Menschen glücklich zu machen. Niemals aber sollte man etwas tun, wovon Menschen unglücklich werden könnten.“

Lisa und ihre Freundin Inga sind gleich hochmotiviert. Sie wollen sofort loslegen, stellen dann aber fest:

Das Schlimme ist, wir wissen nicht genau, wie wir es anstellen sollen.“

Also versuchen es Lisa und Inga einfach den ganzen Tag lang mit Sachen, von denen die beiden glauben, sie könnten Menschen glücklich machen.

Den gebrechlichen Großvater nötigen sie zum Spaziergang.

Aber glücklich ist der erst, als er danach endlich wieder friedlich im Bett liegen darf. Das Hausmädchen ist froh, wenn die Kinder aus dem Weg sind.

Auch die Mutter will sich nicht helfen lassen.

Was Astrid Lindgren da im Kinderbuch beschreibt, ist eine große Lektion fürs Leben: Gute Ideen führen manchmal genau zum Gegenteil.

Und im Nachhinein meint man, man hätte es besser gar nicht erst versucht.

Lisa und Inga geben erstmal auf.

Alles, was sie ausprobieren, geht schief.

Dabei fing doch alles mit einer wirklich guten Idee an

und die beiden Mädchen haben sich so angestrengt.



Ähnlich könnte es den Menschen zur Zeit des Propheten Jesaja gegangen sein.

Für die Menschen seiner Zeit

ist er das Sprachrohr Gottes.

Der, der verkündet,

was Gott sagt.

Und deshalb muss er sich nun

auch die Kritik an Gott anhören,

das was den Leuten gegen den

Strich geht.

Das könnte damals so oder so ähnlich

geklungen haben:

Wir beten immer zu und fasten,

wie Gott es ja will,

und trotzdem lässt er nichts von sich hören.

Was sollen wir denn noch tun,

damit Gott sich endlich an unsere Seite stellt?

So langsam kann man glauben,

dass das mit der Religion und Gott

und dem Glauben sowieso alles umsonst ist.

Vielleicht lebt man gleich besser ohne?!“


Glaube bringt nichts,

weil man deswegen auch kein besseres Leben hat,

das meinen letztlich heute noch, oder wieder, viele.

Auch gläubige Menschen werden krank,

todkrank sogar.

Auch Christen werden von Unfällen

und Schicksalsschlägen getroffen –

ebenso wie anderen Menschen.

Wer betet und auf Gott vertraut,

wird nicht automatisch zu einem zufriedeneren,

glücklicheren Menschen.

Das ist sicher ein Grund,

warum viele Menschen sagen,

dass sie Kirche und Religion nicht

oder nicht mehr –

brauchen.

Und auch, wer dabei bleibt,

so wie wir hier,

kommt immer wieder an

Punkte im Leben,

in denen die Fragen übergroß

und laut werden:

Hat das wirklich alles einen Sinn?

Was soll das ganze Aushalten,

die Geduld und die Tränen?

Spielt es denn eine Rolle,

was ich tue und wie ich lebe?“


Lisa und Inga aus Bullerbü hätten nach ihren ersten, gescheiterten Versuchen einfach ganz aufgeben und hinschmeißen können.

Aber sie lassen sich nicht völlig entmutigen, sondern fragen noch einmal genauer bei der Lehrerin nach.

Die weiß Rat und sagt: Es sei oft wenig dazu nötig.

Man könne einem alten Menschen, der einsam und krank sei, ein Lied vorsingen, oder einem, der niemals Blumen bekäme, einen schönen Strauß bringen,

oder mit jemandem, der sich einsam und verlassen fühlt, freundlich sprechen.

Die beiden Mädchen besuchen also eine kranke Frau

und sie singen so lange, bis diese aus Bett und Haus in den Garten flüchtet.

Sie pflücken einen großen Strauß Heidekraut für den Knecht

und finden die Blumen später auf dem Misthaufen wieder.

Niemand will etwas von ihren unerwünschten Wohltaten wissen.

Und so beschließen die beiden letztlich sehr enttäuscht:

Jetzt ist endgültig Schluss!

Ich will keinen Menschen mehr glücklich machen!“

Am Ende geben Lisa und Inga auf.

So, wie viele Menschen,

die vom Leben zu oft enttäuscht wurden

und keine Kraft mehr haben.

Viele kennen das:

von sich selbst

oder von anderen,

die aus ihrem Leben erzählen:

Wenn nichts zurückkommt,

dann stellt sich die Frage nach dem Sinn.

Wozu? Warum?

Wofür tue ich, was ich tue,

wenn nichts, rein gar nichts

zurückkommt?

Auch von Gott nicht.

Zumindest beklagen das ja

die Zeitgenossen Jesajas,

die sich beim Fasten redlich mühen.

Zumindest denken sie das von sich.


Aber:

Schlimm genug,

wenn sich das im echten Leben

hin und wieder so anfühlt.

Noch schlimmer,

wenn ein Kinderbuch

zu diesem Schluss kommt.

Doch es ist,

Gott sei Dank,

nicht das Ende der Geschichte,

die Astrid Lindgren hier

von den Kindern aus Bullerbü

erzählt.


Ich will keinen Menschen mehr glücklich machen!“,

sagen Lisa und Inga frustriert.

Und während sie mit etwas anderem weitermachen, tun sie es dann doch.

Als sie erfahren, dass eine Klassenkameradin für lange Zeit krank ist,

schenkt die eine ihre schönste Puppe und die andere ihr Lieblingsbuch her.

Ohne dass sie es erwartet haben, passiert,

was sie vorher so verbissen herbeiführen wollten.

Und ganz überrascht lernen sie:

Dankbarkeit lässt sich nicht erzwingen

und Freude und Liebe schon gar nicht.


Gott lässt es Jesaja den Leuten erklären.

Jesaja ist ein bisschen wie die Lehrerin

von Lisa und Inga.

Und Gott lässt es Jesaja

sogar schreien,

damit alle es hören:

Ruf so laut du kannst,

halt dich nicht zurück!

Wie ihr versucht,

mich herbeizuzwingen,

gefällt mir nicht.

Vergesst, löst die Fesseln.

Das würde mir gefallen.

Freiheit und Achtsamkeit,

Bereitschaft zum Teilen

und Gemeinschaft.

Das würde mir gefallen.

Du würdest sehen,

wie es in der Welt leuchtet

und meine Herrlichkeit wird folgen.

Du wirst merken:

Ich bin da.

Du wirst merken:

Ich bin da.


Mitten in der neuen Woche

beginnt die Fastenzeit.

Ich kann von Jesaja

und Lisa und Inga lernen,

dass mein eigenes Fasten

nichts ist, das mir hilft,

meinen Gott gnädig zu stimmen,

oder ihn veranlasst,

dies oder das zu tun;

es ist anders herum:

ich faste dies oder das,

um mich selbst einzustimmen

und offen zu werden

für Gott,

und für das,

was in den Ostertagen für mich geschehen ist.


Gott lässt sich nicht von uns verbiegen

oder gar erpressen.

Er meldet sich bei uns,

nicht wenn wir, sondern wenn er will.

Und in der Zwischenzeit

erträgt er uns und unsere Blumensträuße mit Geduld

zum Glück ohne sich dabei gleich in die Flucht treiben zu lassen.

Denn, auch wenn wir es nicht merken,

gilt trotzdem Gottes Zusage:

Ich bin da.

Bis wir es merken und für immer.

Amen.

[Mit Dank an und in großen Teilen von: Katharina Seeburg, am 12.02.2021, FB-Predigtkultur]



Pred.lied: EG 418, 1-5 (Brich dem Hungrigen dein Brot)


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Predigt am Sonntag Sexagesimae - 07.02.2021

Predigttext: Lukasevangelium, Kapitel 8, Verse 4-8


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



4 Als nun eine große Menge beieinander war und sie aus jeder Stadt zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: 5 Es ging ein Sämann aus zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel einiges an den Weg und wurde zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen’s auf.  6 Und anderes fiel auf den Fels; und als es aufging, verdorrte es, weil es keine Feuchtigkeit hatte. 7 Und anderes fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten’s. 8 Und anderes fiel auf das gute Land; und es ging auf und trug hundertfach Frucht. Da er das sagte, rief er:  Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Es war einmal ein Sämann.

Märchenhaft mutet das Gleichnis Jesu an.

Leider gibt es dieses Bild

heute kaum mehr auf den Feldern.

Männer und Frauen mit Körben

streifen über die Äcker

und werfen Samen auf das Feld.

Aber auch wenn es heute

so nicht mehr aussieht,

das Prinzip ist gleich geblieben.

Auf die Felder müssen Samen,

damit sie Frucht bringen.



Es war einmal ein Sämann.

Der ging durch das Land.

Verteilte Samen weit und breit.

Samen der Hoffnung,

gegen Angst und Leid

und Mutlosigkeit.



Einem von Schuld gelähmten,

hat er vergeben.

Er stand auf und nahm sein Bett

und ging davon.

Für einen Blinden am

Wegesrand

hatte er Zuversicht.

Er sprang auf,

sah nach vorn

und sah.

Einen der seinen Frieden suchte

und auf Friedhöfen wütete,

begegnete er mit Zeit,

und mit der Zeit

konnte er die ganze

Schweinerei seines Lebens

loslassen.

Einen totgeglaubten,

gab er nicht auf,

und holte ihn ins Leben zurück.



Das sind aufgegangene Samen,

die der Sämann streute.

einiges [fiel] an den Weg

[dorthin, wo der blinde

Bartimäus saß] […]

anderes fiel auf Felsen

[dort, bei den Grabeshöhlen

in Gerasa und Bethanien] […]

anderes fiel mitten unter die Dornen

[dort, in Kapernaum, am Haus,

das von Leuten voll war,

als 3 Freunde einen

Gelähmten brachten] [...]

Das sind aufgegangene Samen,

die der Sämann streute.

[und es] fiel auf das gute Land;



Dieses Gleichnis ist schon so oft

ausgelegt worden.

Immer und immer wieder

auf diese eine, überkommene Weise:

Weg und Felsen und Dornen

sind Menschen,

bei denen der gute Same,

den der Sämann verteilt,

nicht aufgehen will.

Und dann gibt es die anderen,

die wie das gute Land sind,

bei denen der Same

hundertfach aufgeht

und gute Frucht bringt.



Es mag schon sein,

dass diese Auslegung

ihre Berechtigung hat.



Aber was ist,

wenn das Gleichnis

eigentlich anders gemeint ist?

Was wäre,

wenn alle Menschen

gemeint sind?

Nicht in Kategorien:

die einen wie Weg,

die anderen wie Fels,

die dritten wie Dornen,

und schließlich die,

wie gutes Land?

Oder wenn die Hindernisse,

wie die Vögel auf dem Weg,

die erstickenden Dornen,

der trockene Fels,

nicht nur Werke des Teufels wären?



Was wäre wenn du und ich und alle

gemeint wären, wie wir nunmal sind,

wie mein Herz gestrickt ist –

mein Herz, der Ackerboden Gottes,

auf den der Same seines guten Wortes

ausgestreut wird, um dort aufzugehen

und hundertfach Frucht zu bringen –

was wäre dann?

Der Same fällt

auf das wilde Feld

meines Herzens.



Auf den eingetreten Wegen,

die von Enttäuschungen

überlaufen sind;

über denen die Aasgeier

der Verbitterung kreisen,

hat es alles schwer,

Wurzeln zu schlagen.

Dort sickert kaum mehr etwas ein.

Dem blinden Bartimäus,

am Wegesrand in Jericho,

dem war das Herz womöglich voll,

voller solcher Wege der Enttäuschung.

Gute Worte blieben

nirgends haften,

wenn sie denn noch kamen.

Samen der Hoffnung gingen

nicht mehr auf.

Bis Jesus,

der immer mit der vollen Hand

die guten Samen des Wortes Gottes verteilte,

vorüberging und sprach –

da fand ein Same gutes Land

und ging auf.

Vielfach.

Vielleicht hundertfach.

Da war noch gutes Land.



Ich glaube, mit reichlich

gestreutem Samen,

wird sich gutes Land auftun,

selbst in den dunkelsten Ecken.



An den Klippen

der gebrochenen Herzen,

auf den Felsen der

harten Herzen.



[M]ancher hoffnungsvolle Keim verdorrt,

wenn er auf harte Erfahrungen des Lebens stößt.

Solche harten Erfahrungen des Lebens

mit Gott zusammen zu bringen, das ist schwer.

Manche Menschen haben ein Feldstück im Herzen

[, sind] voller Steine, kleinere[n] und große[n].

Ein steiniger Boden, dem man eine Ernte regelrecht abringen muss.

Und man kann ihnen ansehen,

wie sie ackern müssen in ihrem Herzen.

Und da, wo alles wächst und ins Kraut schießt –

da wächst einfach alles.

Die Sorgen, der Reichtum

und die Freuden des Lebens

können alles andere leicht überwuchern,

vor allem den Glauben.

Der Halm, der von Gott ist, muss sich behaupten.

[von Kathrin Oxen, FB, Predigtkultur, 04.02.2021]



Doch auch die auf Wegen lagen,

unter Felsen wohnten,

in Höhlen begraben waren,

sie haben erfahren,

dass da noch guter Boden ist.

Nicht nur bei den Menschen

in Kapernaum,

Gerasa und Bethanien,

sondern überall.

Daher haben manche von ihnen

auch keine Namen,

weil es jede und jeder sein könnte,

du und ich.



Wenn mich der gute Same

des Wortes trifft,

das von Gott kommt,

dann geht auch bei mir

längst nicht alles auf.

Manches habe ich zu oft gehört,

dass ich es jetzt und hier nicht

hören kann oder will;

anderes will ich nicht hören,

nicht jetzt und hier,

weil es eine harte Stelle trifft,

felsigen Grund meines Herzens;

und manches fällt

neben vielem anderen,

das mir ähnlich wichtig scheint,

in mein Herz –

manchmal erstickt es dann,

in der Vielfalt der Pflanzen umher,

unter denen auch Unkraut,

Disteln und Dornen wachsen.



Manchmal scheint es sogar so,

als hätte ich ein Wort

schon tausendmal gehört,

aber es ist eben nichts passiert...

Worte, Geschichten,

nur ein Satz...

doch dann auf einmal

trifft es mich an der richtigen Stelle,

es fällt auf guten Boden,

an den richtigen Ort

zur rechten Zeit,

und es geht auf,

es treibt aus

und wächst –

es treibt mich an

und wächst über mich hinaus.

Es lässt mich wieder gehen,

wenn es mir vorher schwer fiel,

beruhigt mich,

wenn ich unruhig war,

lässt mich weiter sehen,

als ich es vorher konnte,

belebt mich,

wenn ich ausgelaugt war.



Es ist nur ein Vorgeschmack der Wunder,

zu denen das Wort Gottes im Stande ist,

aber es ist ein Wunder,

wenn das geschieht:

wenn neben ausgetreten Wegen,

verhärteten Stellen

und überwucherten Flecken,

sich in meinem Herzen

guter Boden findet,

wo Hoffnung noch wachsen kann.



Der Same ist unerschöpflich,

er begegnet mir in der Bibel

genauso wie im Alltag,

und wenn ich in den Worten

der Bibel wie aus einem

Samenkorb des Sämannes schöpfe,

könnte es sein,

dass ich den Eindruck bekomme,

dieser Korb sei bodenlos.

Denn die Fülle des Wortes Gottes,

der Reichtum in ihm,

ist endlos.

Die Saat ist immer noch da.

Gott sät reichlich.

In alle Herzen.

Und in allen Herzen

gibt es guten Boden.

Manchmal braucht es nur den richtigen Ort,

den ganz bestimmten Moment,

oder es braucht eben etwas mehr Zeit.



Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.


EG 166, 4-6 (Mache mich zum guten Lande)


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Predigt am letzten Sonntag nach Epiphanias - 31.01.2021

Predigttext: 2. Brief des Petrus, Kapitel 1, Verse 16-19


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



16 Wir haben euch ja angekündigt, dass unser Herr Jesus Christus machtvoll wiederkommen wird. Und dabei haben wir uns nicht auf ausgeklügelte, erfundene Geschichten gestützt. Sondern wir haben mit eigenen Augen seine wahre Größe gesehen. 17 Von Gott, dem Vater, empfing er seine Ehre und Herrlichkeit – aus der majestätischen Herrlichkeit Gottes kam eine Stimme zu ihm, die sagte: »Das ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Freude.« 18 Diese Stimme haben wir selbst gehört. Sie kam vom Himmel her, als wir mit Jesus auf dem heiligen Berg waren.

19 So gewinnen die prophetischen Worte für uns noch an Zuverlässigkeit. Und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet. Denn diese Worte sind wie ein Licht, das an einem finsteren Ort brennt – bis der Tag anbricht und der Morgenstern in eurem Herzen aufgeht.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Schreib es an alle Mauern

dieser Stadt,

lass es uns eingravieren,

'Wir waren hier!

Wir waren hier!'

Schrei es von allen Dächern

in die Nacht

bis unsere Stimmen kapituliern:

'Wir waren hier!

Wir waren hier!'

Und vielleicht wird man uns

in ein paar Jahren noch zitiern.

Lass sie wissen,

wir waren hier.“

[LINA, „Wir waren hier“]



Das singen LINA,

im Lied „Wir waren hier“,

und treffen damit ein Gefühl:

Den Wunsch,

die Sehnsucht,

einen Moment halten zu können.

Sich zitieren zu lassen,

andere wissen zu lassen,

dass ich dabei gewesen bin.

Als die Ewigkeit in die Zeit kam,

aber die Zeit viel zu schnell verging

und mit ihr der Moment,

die Momente,

als der Himmel zum greifen nah war.

Nicht der Himmel, der ist,

sondern der Himmel, der kommt,

der die Erde schon grüßt,

wenn die Liebe das Leben verändert.

[zum 100. Geburtstag von Kurt Marti, EG 153]



Die traumhafte Nacht,

mit Freunden

in einer fremden Stadt.

Das Hochgefühl

der Liebe,

das festgeschrieben werden muss,

an irgendeiner Wand,

in irgendeiner Gasse.

Um der Welt zu signalisieren,

dass hier etwas wunderbares,

etwas unbeschreibliches

stattgefunden hat.

Wir waren dabei.

Wir waren hier.

Wir haben es erlebt.



Als Jesus plötzlich

in Licht gehüllt auf einem Berg stand,

als Mose und Elia neben ihm erschienen,

als er sich mit ihnen unterhielt,

als eine Stimme sagte:

Das ist mein geliebter Sohn.“

Petrus, Johannes und Jakobus

waren dabei.

Zu gern hätte Petrus

eine Inschrift hinterlassen,

hätte er Hütten gebaut

und sie Jesus und Mose

und Elia gewidmet.

Sie waren dabei:

Petrus, Johannes und Jakobus.

Aber sie konnten es

nur in ihren Worten bewahren.



Manche Worte können

Erlebtes so gut bewahren,

dass ich beim Hören

oder beim Lesen meine,

ich wäre selbst dabei gewesen.

Worte und Wirklichkeit

verschwimmen,

aber werden deshalb

nicht weniger wahr.

Sie werden wirklicher.

Sie schaffen mit jedem Wort

die Wahrheit neu,

aus der sie stammen.

Denn diese Worte sind wie ein Licht,

das an einem finsteren Ort brennt [...]



Jemand erzählt mir

aus seinem Leben,

ein Lied nimmt mich gefangen,

ein Buch oder ein Film

zieht mich hinein,

Bilder entstehen in mir

und ich gewinne den Eindruck,

dass ich es selbst miterlebt habe;

dass ich dabei gewesen bin.

Wenn es sich um

eine zuversichtliche

Geschichte handelt...

Dann sind

diese Worte wie ein Licht,

das an einem finsteren Ort brennt [...]



Wie ist das mit uns?“,

fragt Morgan Freeman

in einer Netflixproduktion

auf der Suche nach Gott

in dieser Welt:

Wie ist das mit uns[...]

können wir Gott auch

durch die Erlebnisse anderer spüren?

Auf der ganzen Welt pilgern Gläubige

zu wundersamen Orten,

wie etwa Fatima in Portugal.

Im Jahr 1917 behaupten drei junge Hirten,

die Jungfrau Maria habe ihnen gesagt,

dass am 13. Oktober hier

ein Wunder stattfinden wird.

Die Menschen kamen zusammen

und am besagten Tag gaben tausende an,

dass sie die Sonne am Himmel

haben tanzen sehen.

Viele Millionen pilgern

nach Fatima.

Für sie alle ist dieses Wunder

ein unwiderlegbarer Beweis

für Gottes Existenz.

Dort zu sein,

bestärkt sie in dem Glauben,

dass Gott dramatisch

in unsere Welt eingreifen kann.“

Soweit der Schauspieler

Morgan Freeman.



Im 2. Petrusbrief schreibt ein Christ,

der nicht Petrus ist,

Jahre nachdem Petrus lebte.

Aber er kennt die Worte

der Propheten des ersten Testaments.

Und er kennt die Worte,

die die Leute sich erzählen.

Vielleicht auch bereits die,

die Verschiedene über Jesus

zusammengetragen und aufgeschrieben haben;

bestimmt aber zumindest die,

die Paulus um die Welt gehen lässt.

Die Worte tragen ihn.

Sie leuchten ihm den Weg.

Vor allem diese Geschichte,

die von Petrus berichtet wird,

als er mit Jesus auf dem Berg war –

die hat Eindruck bei ihm hinterlassen.

Sie bestärkt ihn...

... in dem Glauben,

dass Gott dramatisch

in unsere Welt eingreifen kann.“

Nein, er hat das selbst nicht erlebt,

aber ihm ist so, als hätte er es.

17 Von Gott, dem Vater, empfing er

[Jesus] seine Ehre und Herrlichkeit 

aus der majestätischen Herrlichkeit Gottes

kam eine Stimme zu ihm, 

die sagte: »Das ist mein geliebter Sohn,

an ihm habe ich Freude.«

18 Diese Stimme haben wir selbst gehört.

Sie kam vom Himmel her,

als wir mit Jesus auf dem heiligen Berg waren.



Wir“, der Autor und seine Freunde.

Als wären sie selbst dabei gewesen.

Als hätten sie die Stimmt gehört,

die vom Himmel sprach:

»Das ist mein geliebter Sohn,

an ihm habe ich Freude.«



Und sie haben die Stimme gehört.

Spätestens bei ihrer eignen Taufe.



Damals hat Gott in die Herzen derer,

die dort waren, auf dem Berg,

in die Herzen des Petrus

und des Johannes und des Jakobus

geschrieben:

Ich war hier.“

Gekommen, um zu bleiben.“

Wie er das vorher schon

und auch danach noch

in so viele Herzen geschrieben hat:

Ich war hier.“

Ich bin hier.“

Auch dein und mein Herz

tragen dieses Graffito.

Spätestens seit der Taufe.



Petrus will diesem Moment

gern ein Denkmal bauen.

Hütten, die dem Moment

gewidmet sind.

Aber Wunder kann man

so wenig halten wie die Zeit.

Sie vergehen.

Es bleibt,

was sie hinterlassen.

Für Petrus und Johannes

und Jakobus waren es Worte,

die sie weitertrugen,

spätestens dann, als Jesus

auferstanden war und sich ihnen zeigte.

Da begann die Inschrift

in ihren Herzen zu glühen

und sie konnten gar nicht anders,

als allen davon zu berichten:

Er war hier.“

Er ist es noch.“

Gekommen, um zu bleiben.“

Gott.“



Und es drang über Jahre hinweg

an viele Ohren und

erreichte viele Herzen,

die ebenfalls begannen, zu glühen,

bis an Ohr und Herz des Autors

des 2. Petrusbriefes.

Und es schrieb ihm ein:

Ich war hier.“

Ich bleibe.“

Ich, dein Gott.“

Du bist mein geliebtes Kind.“



Heute erreichen diese Worte uns.

Darum geht es.

Denn diese Worte sind wie ein Licht,

das an einem finsteren Ort brennt



Und ich kenne diesen finsteren Ort gut.

Der manchmal so aussichtslos,

pandemisch um sich greift,

der Hoffnung frisst,

Liebe beschwert,

Licht überschattet...

Manchmal...



Doch genau deshalb,

will mich Gottes Wort

heute noch einmal erinnern,

heute, da der Weihnachtsfestkreis endet,

am letzten Sonntag nach Epiphanias –

erinnern, dass Gott

in diese Welt hinein geboren wurde,

hier gelebt hat

und immer noch lebt,

mit dir und mit mir,

in allen Dunkelheiten,

damit Licht wird...

Denn diese Worte sind wie ein Licht,

das an einem finsteren Ort brennt



Es sind nicht meine Worte.

Es sind die Worte der Schrift.

Meines Fußes Leuchte

und ein Licht auf meinem Weg.

So sagt es der Psalm 119.



Wundermomente

und Lichtstrahlen

sind schwer zu halten.

Ich kann sie nicht einfangen,

nicht festmachen,

nicht anhalten.

Aber ich kann sie

in Worten bewahren

und tragen...

weitertragen.

Sie werden zu Wundern

und zu Licht

an anderen Orten

in meinen Worten.



Denn keines dieser Worte

[der Heiligen Schrift]

wurde jemals verkündet,“

lese ich im 2. Petrusbrief weiter,

keines dieser Worte

wurde jemals verkündet,

weil ein Mensch es so gewollt hätte.

Vielmehr waren Menschen

vom Geist Gottes ergriffen

und haben in seinem Auftrag geredet.“

(2. Petr. 1, 21)



So versteht der Autor,

was er schreibt.

Und ich glaube ihm.

Übrigens ist das unter anderem

ein Grund dafür, dass wir

Krippenspiele aufführen –

um nachzuerleben,

mitzuerleben,

was damals geschehen ist,

und wir sagen könnten:

Wir sind dabei gewesen.

Gott ist in die Welt gekommen.“



Und dann weiterzusagen,

dass unser Herr Jesus Christus

machtvoll wiederkommen wird.

Auch wenn wir Zeit und Stunde

nicht kennen.

Dabei stützen wir uns nicht

auf ausgeklügelte und erfundene

Geschichten.

Sondern auf Worte wie Licht.

Denn diese Worte sind wie ein Licht,

das an einem finsteren Ort brennt –

bis der Tag anbricht ...



Möge das nicht erst der jüngste Tag sein.

An euren Herzen steht

die unaussprechliche Wahrheit geschrieben.

Schreibt es an Mauern,

schreit es von Dächern

und lasst euch zitieren,

um der Welt zu signalisieren,

dass hier etwas wunderbares,

etwas unbeschreibliches

stattgefunden hat.

Die Ewigkeit kommt in die Zeit.

Der Himmel ist zum greifen nah.

Nicht der Himmel, der ist,

sondern der Himmel, der kommt,

der die Erde schon grüßt [...]

[zum 100. Geburtstag von Kurt Marti, EG 153]

Ich bin hier.“

hat Gott dir ins Herz geschrieben.

Möge diese Wahrheit glühen

und zu Worten werden...

zu Wundern

und zu Licht

an anderen Orten

in deinen Worten.



Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.


Predigtlied: EG 346, 3-5 (Such, wer da will...)


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Predigt am 3. Sonntag nach Epiphanias - 24.01.2021

Predigttext: Buch Rut, Kapitel 1, Verse 1-19a


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



1 Es war zu der Zeit,als Richter in Israel regierten.Wieder einmal herrschte Hunger im Land.Da verließ ein Mann die Stadt Betlehem in Juda.Er wollte mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen eine Zeit lang im Land Moab leben. 2 Der Mann hieß Elimelech und seine Frau hieß Noomi. Seine beiden Söhne hießen Machlon und Kiljon. Sie gehörten zur Großfamilie der Efratiter, die aus Betlehem im Land Juda kam.

Sie gingen nach Moab und ließen sich dort nieder. 3 Da starb Noomis Mann Elimelech,und sie blieb mit ihren zwei Söhnen zurück. 4 Die beiden heirateten Moabiterinnen. Eine hieß Orpa und die andere Rut. Ungefähr zehn Jahre lang wohnten sie in Moab. 5 Dann starben auch die beiden Söhne Machlon und Kiljon. Noomi blieb allein zurück, ohne Söhne und Mann.

6 Noomi machte sich auf und zog aus Moab weg,zusammen mit ihren Schwiegertöchtern. Sie hatte dort nämlich erfahren,dass der Herr sich um sein Volk kümmerte und ihm Brot gab. 7 So verließ sie den Ort,an dem sie gelebt hatte.Die beiden Schwiegertöchter begleiteten sie auf dem Weg zurück ins Land Juda. 8 Unterwegs sagte Noomi zu ihren beiden Schwiegertöchtern:»Kehrt um! Geht zu euren Müttern zurück! Der Herr soll euch genauso lieben,wie ihr die Verstorbenen und auch mich geliebt habt. 9 Er soll dafür sorgen, dass ihr ein neues Zuhause findet bei neuen Ehemännern.«Noomi küsste die beiden.Aber sie weinten laut  10 und baten Noomi:»Lass uns mit dir zu deinem Volk zurückkehren!«

11 Doch Noomi erwiderte: »Kehrt um, meine Töchter! Warum wollt ihr mit mir gehen? Ich kann keine Söhne mehr zu Welt bringen,die euch heiraten würden. 12 Kehrt um, meine Töchter! Geht!Ich bin einfach zu alt für eine neue Ehe.Selbst wenn ich es nicht wäre –wenn ich noch heute Nacht mit einem Mann schlafen und danach Söhne zur Welt bringen würde: 13 Wollt ihr wirklich warten, bis sie groß sind?Wollt ihr euch so lange einschließen und mit keinem Mann verheiratet sein?Nein, meine Töchter!Mein Schicksal ist zu bitter für euch!Die Hand des Herrn hat mich getroffen.« 14 Da weinten die beiden noch lauter. Orpa küsste ihre Schwiegermutter zum Abschied. Aber Rut blieb bei Noomi.

15 Noomi sagte zu Rut: »Schau! Deine Schwägerin ist umgekehrt zu ihrem Volk und zu ihrem Gott.Mach es wie sie: Kehr um!« 16 Aber Rut antwortete: »Schick mich nicht fort! Ich will dich nicht im Stich lassen. Ja, wohin du gehst, dahin gehe auch ich. Und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk,und dein Gott ist mein Gott! 17 Wo du stirbst, da will auch ich sterben,und da will ich auch begraben sein. Der Herr soll mir antun, was immer er will! Nichts kann mich von dir trennen außer dem Tod.« 18 Noomi sah, dass Rut entschlossen war, mit ihr zu ziehen. Da hörte sie auf, es ihr auszureden.

19 So wanderten sie gemeinsam nach Betlehem.



Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.





Es geht um Rut.

Und um all die Ruts dieser Welt.

Wer sie sind.

Was sie tun.

Und was sie hinterlassen.



Es ist wenige Tage her.

Da stand Rut in Washington, USA.

20. Januar 2021.

Rut ist 22 Jahre alt.

Dichterin.

Ihre Vorfahren mögen

nicht aus diesem Land stammen.

Sie waren Sklaven.

Wurden gebracht

oder geholt.

Das ist lange her.

Mehr als 200 Jahre.

Seitdem gibt es

angeblich keine Sklaven mehr.

Und dafür den 6. Zusatzartikel

der amerikanischen Verfassung,

der allen Menschen

Menschenwürde

und Gleichheit vor dem Gesetz

garantiert.

Aber diese Garantie ist wackelig.

Wie mich die letzten Jahre lehren.

Nicht nur in den USA.



Vielleicht ist Rut auch 22,

als sie mit Noomi,

ihrer Schwiegermutter,

ihre Heimat in Moab verlässt.

Von rechts des Toten Meeres,

im heutigen Jordanien,

soll es linksseits,

in Bethlehem besser werden.

Unterwegs durch

Wüstenlandschaften

verliert Noomi den Mut.

Orpa und Rut

sollen zurück.

Sie sind noch jung,

der Neuanfang wird ihnen glücken.

Vielleicht.

Orpa sieht das ein.

Rückwärts,

nicht vorwärts.

Rut weigert sich.

Und als ihre

Schwiegermutter

nicht aufhören will,

sie zu drängen,

gehen ihr – für mich -

einige der wohl stärksten Worte

der Bibel über die Lippen:

»Schick mich nicht fort!

Ich will dich nicht im Stich lassen.

Ja, wohin du gehst,

dahin gehe auch ich.

Und wo du bleibst,

da bleibe auch ich.

Dein Volk ist mein Volk,

und dein Gott ist mein Gott!

17 Wo du stirbst,

da will auch ich sterben,

und da will ich auch begraben sein.

Der Herr soll mir antun,

was immer er will!

Nichts kann mich von dir trennen

außer dem Tod.«



Ein Treueversprechen.

Ein Bund.

Rut sieht nach vorn.

Sie mag jung sein,

aber vor allem ist sie mutig.

Sie will etwas verändern.

Und sie weiß,

dass sich nichts ändern wird,

wenn sie mit Orpa zurückgeht.



Rut könnte am vergangenen

Freitag auf dem ersten

seit langer Zeit

geretteten Schlauchboot

an der Küste Libyens

gewesen sein,

das mit 120 Leuten

völlig überbesetzt war.

Sie könnte in Moria leben,

wo sie sich nicht abbringen lässt,

in all den Widrigkeiten,

trotzdem nach einer Zukunft

zu suchen, die sie mitgestalten kann,

und die nicht von Befehlshabern

und Machtgeiern überschattet wird.

Oder von Krankheit und Tod,

wie damals in Moab,

wie heute in Syrien, im Jemen,

im Sudan,

und so vielen Ländern Afrikas,

und so vielen Ländern der Welt.

Diese Rut, die sich nicht

zufrieden geben will,

wieder in die Verantwortungslosigkeit,

bei irgendeinem Mann in Moab,

zu geraten.

Die eintritt,

für sich,

für Noomi,

für die Zukunft.



Und Rut wird einen

Nachkommen haben,

viele, viele Jahre später,

in ferner Zukunft –

einen Nachkommen,

der heute noch

die gleichen Worte,

die Rut damals zu Noomi,

ihrer Schwiegermutter sagte,

zu dir und zu mir sagt.

Sein Name ist Jesus.



»Schick mich nicht fort!

Ich will dich nicht im Stich lassen.

Ja, wohin du gehst,

dahin gehe auch ich.

Und wo du bleibst,

da bleibe auch ich.

Dein Volk ist mein Volk,

[und wir haben einen Gott!]

17 Wo du stirbst,

da will auch ich sterben,

und da will ich auch begraben sein.

Der Herr soll mir antun,

was immer er will!

Nichts kann mich von dir trennen

[auch nicht der] Tod.«



Es hat etwas ausgetragen,

bis zu uns getragen,

zu dir und zu mir,

dass Rut damals nicht

zurückgegangen ist,

sondern nach vorn sah,

weiter sehen konnte,

über die trostlosen Hügel

der Wüste hinweg.



So stand Rut am Mittwoch

in Woshington.

22 Jahre alt.

Tatsächlich heißt sie

Amanda Gorman.

Eine junge Dichterin,

die zur Amtseinführung

des neuen Präsidenten Biden

geladen wurde,

um zu rezitieren,

wie das bei vielen seiner Vorgänger

schon gute Tradition war.

Amanda Gorman.

Vielleicht eine moderne Rut.

Ihr Text zur Amtseinführung gilt,

wie ich finde,

nicht nur den USA.

Er ist getragen von Gedanken,

die vielleicht auch schon

in Rut vorgingen, damals,

auf dem Weg nach Bethlehem,

wo das Neue, die Zukunft,

beginnen sollte –

für Rut: bei einem Mann namens Boas,

in einer Scheune, bei Heu und Stroh;

für die Welt: Jahrhunderte später,

in einer Krippe, auf Heu und Stroh.

Und seither jeden Tag.

Auch in unseren Worten.

Das sind die Worte

Amanda Gormans,

der Dichterin,

der modernen Rut,

in meiner unbeholfenen

Übersetzung:



Wenn der Tag anbricht,

fragen wir uns,

wo wir Licht finden

in diesem endlosen Schatten?

Verluste, die wir tragen.

Ein Meer, das wir durchwaten.

[...]

Wir lernten dass Stille nicht immer Frieden ist

und Normen und Vorstellungen von „gerecht“

nicht immer Gerechtigkeit bedeuten.

Und nun gehört uns die Morgendämmerung,

eher, als wir ahnten.

Irgendwie machen wir das.

Irgendwie sind wir verwittert

und zu Zeugen [...] geworden,

die nicht zerbrochen sind,

sondern nur unfertig.



Wir, die Nachfolgenden

in einem Land und einer Zeit,

in der ein dünnes,

schwarzes Mädchen von Sklaven abstammt,

von einer alleinerziehenden Mutter

aufgezogen wird,

und davon träumen kann,

Präsidentin zu werden,

um sich dann beim Rezitieren

für einen Präsidenten wiederzufinden.

Und, ja, wir sind weit weg von tadellos,

entfernt von makellos,

aber das soll nicht heißen,

dass wir nach Perfektion

streben müssten.

Wir müssen uns nur bemühen,

unsere Gemeinschaft mit

Entschlossenheit zu schmieden.

Um ein Land zu komponieren,

das allen Kulturen, Farben,

Charakteren und Bedingungen

des Menschseins verpflichtet ist.

Und so heben wir unseren Blick,

nicht auf das,

was zwischen uns steht,

sondern was vor uns liegt.

Wir schließen die Kluft –

da wir wissen,

dass unsere Zukunft an erster Stelle steht,

müssen wir zuerst unsere Differenzen beiseite legen.

Wir legen die Waffen nieder,

damit wir die Arme nacheinander ausstrecken können.

Wir suchen niemandes Schaden

und allerorten Harmonie.

Mindestens die ganze Welt,

wenn nicht noch mehr,

bezeugen dies Wahrheit:

Dass wir selbst in der Trauer wuchsen.

Dass wir selbst im Schmerz hofften.

Dass wir selbst in der Erschöpfung handelten.

Damit wir für immer verbunden sein mögen,

triumphierend.

Nicht, weil wir nie mehr Niederlagen erfahren werden,

sondern weil wir nie mehr Spaltung säen werden.

Die Schrift ruft uns auf, uns vorzustellen,

dass jede*r unter seinem eigenen Weinstock

und Feigenbaum sitzen

und niemand ihnen Furcht einflößen wird.

Wenn wir unserer eigenen Zeit gerecht werden wollen,

liegt der Sieg nicht in der Klinge,

sondern in all den Brücken,

die wir geschlagen haben.

Das ist die Verheißung der Lichtung,

des Berges, den wir erklimmen,

wenn wir es nur wagen.

[…]

Auf diese Wahrheit,

auf diesen Glauben

vertrauen wir,

denn während wir unsere Augen

auf die Zukunft richten,

hat die Vergangenheit ihre Augen

auf uns gerichtet.

Jetzt ist die Zeit der gerechten Ablösung.

Wir fürchteten den Beginn.

Wir fühlten uns nicht vorbereitet,

[...]

Aber dann, wenn wir beginnen,

werden wir die Kraft finden,

ein neues Kapitel zu schreiben;

um Hoffnung anzubieten,

und Lachen für uns selbst.

[…]

Wir werden nicht zurückkehren,

zu dem was war,

sondern weitergehen,

zu dem was sein wird:

[...] verletzt, aber ganz [...],

wohlwollend aber

kühn, wild und frei.

Wir werden nicht umgedreht

oder durch Einschüchterung

unterbrochen werden,

da wir wissen, dass unsere

Untätigkeit und Trägheit

unser Erbe

an die nächste Generation sein wird,

die die Zukunft ist.

Unsere Schnitzer werden ihre Lasten.

Aber eines ist sicher:

Wenn wir Barmherzigkeit

mit Macht verbinden

und Macht mit Recht,

dann wird Liebe

unser Vermächtnis sein

und das Geburtsrecht

unserer Kinder verändern.

Also lasst uns ein besseres

Land hinterlassen, als das,

das uns hinterlassen wurde.

Mit jedem Atemzug meiner

bronzebeschlagenen Brust

soll sich diese verwundete Welt erheben

und zu einer wundervollen werden.



Wir werden uns […] erheben

[vom Osten und vom Westen,

vom Süden und vom Norden

(Lk 13, Wochenspruch)].

Wir werden wieder aufbauen,

versöhnen und genesen.

[...]

Wenn der Tag anbricht,

treten wir aus dem Schatten [...]

und haben keine Angst.

[...]

Denn es gibt immer Licht,

wenn wir mutig genug sind,

es zu sehen.

Denn es gibt immer Licht,

wenn wir mutig genug sind,

es zu sein.


So enden die Worte

Amanda Gormans.

Und ich weiß,

EINER wird mich dabei begleiten.

Er ist ein Nachfahre Ruts.

Er hatte die Vergangenheit im Gepäck

und die Zukunft im Blick.

Er hat die Zukunft verändert,

damit ich mutig genug sein kann,

das Licht zu sehen,

das Licht zu sein.


»Schick mich nicht fort!

Ich will dich nicht im Stich lassen.

Ja, wohin du gehst,

dahin gehe auch ich.

Und wo du bleibst,

da bleibe auch ich.

[...]

Nichts kann mich von dir trennen

[auch nicht der] Tod.«


Und er Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in ihm, Christus Jesus. Amen.


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Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias - 10.01.2021

Predigttext: Römerbrief des Paulus, Kapitel 12, Verse 1-8


Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.



1 Ich ermahne euch nun, Brüder und Schwestern, durch die Barmherzigkeit Gottes, dass ihr euren Leib hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig sei. Das sei euer vernünftiger Gottesdienst. 2 Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene. 3 Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben ist, jedem unter euch, dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens. 4 Denn wie wir an einem Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder dieselbe Aufgabe haben, 5 so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, aber untereinander ist einer des andern Glied. 6 Wir haben mancherlei Gaben nach der Gnade, die uns gegeben ist. Hat jemand prophetische Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. 7 Hat jemand ein Amt, so versehe er dies Amt. Ist jemand Lehrer, so lehre er. 8 Hat jemand die Gabe, zu ermahnen und zu trösten, so ermahne und tröste er. Wer gibt, gebe mit lauterem Sinn. Wer leitet, tue es mit Eifer. Wer Barmherzigkeit übt, tue es mit Freude.



Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.



Lebendig.

Heilig.

Wohlgefällig.

Das ist der Dreiklang

dieses Textes.

Ich hatte gleich

etwas anderes im Ohr:

Lebendig

und kräftig

und schärfer.

Das Motto des

Kirchentages von 2007

in Köln.

Es stammt aus dem

Hebräerbrief (4,12).

Als junger Student

war ich bei diesem Kirchentag.

Die Wise Guys haben

den Titelsong dazu geschrieben:

Zusammen erleben

was das Leben ist:

Lebendig

und kräftig

und schärfer.

Und spüren, dass du

nicht alleine bist -

lebendig

und kräftig

und schärfer.“



Der Dreiklang des Paulus

ist ein bisschen anders.

Aber vielleicht sagt er

gar nicht so sehr viel anderes:

Lebendig.

Heilig.

Wohlgefällig.

Das ist der Dreiklang

eines Lebens.

Deines Lebens?

Meines Lebens?

Nun,

besser wär's,

sagt Paulus,

denn dann wäre

mein Leben ein Gottesdienst.

Gottes Dienst an mir.

Das ist mein Leben eh.

Tag für Tag.

Und wenn ich es glauben kann,

dann kann ich dafür danken.

Und mein Dienst an Gott.

Das kann mein Leben auch sein.

Lebendig.

Heilig.

Wohlgefällig.



Lebendig.

Am Anfang

war noch nicht viel Leben.

Erst war Licht.

Das hatte Gott sich so ausgesucht.

Das heißt:

das Licht ist heilig.

Und dann,

als es da war,

hat es Gott gefallen.

Also: wohlgefällig.

Und dann kamen

viele Sachen mehr,

an denen Gott Gefallen hat:

Himmel und Erde,

Land und Meer,

Sonnen, Monde, Sterne,

Galaxien und schwarze Löcher.

Und an allem, was dazwischen

aufgeht, hat er auch Gefallen:

Am Grün, das sprießt,

Bäume und Sträucher und Klee,

Algen und Farne und Tee;

Und an allem was dazwischen wuselt:

Ihm gefallen die Ameisen,

auch wenn er ihnen bestimmt schon

tausendmal gesagt hat, dass sie

nicht in Häuser, Bäder und Küchen

klettern sollen – sie machen es doch,

und Gott gefallen sie immer noch.

Genauso wie Bienen und Mistkäfer,

Regenwürmer, Frösche und Eidechsen.

Bei den Chamäleons hatte er bestimmt

besondere Freude.

Nicht weniger wohl an der Farbenpracht

der Papageien und Wellensittiche.

Sie gefallen ihm.

Ganz sicher.

Genauso wie all die anderen

großen und kleinen Arten,

die Himmel und Erde und Meer

bevölkern.

Voller Leben ist die Welt.

Bunt und

lebendig.

Doch alle Dinge sind begrenzt gefällig,

wenn sie einem nur allein gefallen.

Und deshalb gefallen Gott die Menschen.

Denn ihnen kann gefallen,

was ihm gefällt.

Wohlgefällig blick er auf sein Ebenbild,

wenn ihnen auch gefällt, was ihm gefällt.

Wenn auch sie all das in Ehren halten,

was Gott sich ausgesucht hat und heilig ist.

All die lebendigen Ebenbilder,

von A bis Z -

von Ackerleuten, Apothekerinnen, Altenpflegern,

Augenoptikerinnen, Autoverkäufer und Azubis

bis zu den Züchtern; aber die Zausel und Zahnlosen,

die Zaghaften und Zeternden gefallen ihm.

Alle anders.

Alle auf ihre Weise begabt.

Auch die Alten, die manchmal

schon ein bisschen zerfurcht sind.

Und mittendrin die Kinder.

Die mit hingebungsvoller Freude spielen.

Oder laut lachen, wie jetzt gerade,

in den letzten Tagen,

wo Gott eifrig gefallen an Schnee hat

und mehr bestimmt noch am Lachen

der die Hänge hinabsausenden Kinder.

Manchmal auch große Kinder.

Wie ich, gestern,

als ich schallend lachend

vom Schlitten flog.



Lebendig.

Und heilig.

Und wohlgefällig.

Gott hat seinen Wohlgefallen

an den Menschen,

die träumen und realisieren,

sich mühen und manchmal scheitern,

und sich in allem nicht abbringen lassen,

darin Gott zu entdecken,

und ihn zu loben

und sich mit ihm zu freuen,

aber auch mit ihm traurig zu sein,

oder zu zürnen, wenn

lebendiges vergeht,

heiliges verachtet wird,

und Wohlgefallen auf der Strecke bleibt.



In all dem

tasten und tapsen

sich Menschen durchs Leben,

mal vor, mal zurück,

ruhig oder rastlos,

und wenn sie stolpern,

dann fallen sie Gott in die Arme.

Ob sie es merken oder nicht.



Manchmal fürchten sie sich,

vor Krankheiten oder der Zukunft.

Manchmal sagt eine: „Hilf mir, bitte!“

Und manchmal ist dann eine andere da.

Heilig. Helfend.

Und Gott steht dabei und lächelt.

Wonnig. Wohlgefällig.



Manche bitten, andere geben,

manche klopfen, andere tun Türen auf,

manche verlieren und suchen,

andere suchen gemeinsam und finden.



Viele sind unterwegs

mit geschundenen Körpern,

oder vernarbten Seelen.

Und dennoch gefallen sie Gott.

Lebendig, heilig, wohlgefällig -

jede und jeder auf ihre eigene Art.



Und wenn sich Menschen zu Gemeinden

zusammentun,

dann war das vielleicht am Anfang nicht

unbedingt so gedacht,

wie wir es heute haben:

katholisch, evangelisch,

Landeskirche, Ämter, Dienste

und Verwaltungsapparate,

und wer weiß, ob Gott darüber

nicht hin und wieder ein bisschen

verwirrt ist,

aber zuletzt, denke ich,

wird es ihm doch gefallen,

wenn wir unsere Gaben zusammenlegen.

Als Gemeinde.

Als Gemeinschaft.

Als Familie Gottes.



Immerhin hat Gott seine Gaben und Begabungen

ja verschwenderisch, fast unvernünftig

ausgeteilt – nur eben weit gestreut,

an viele gegeben, damit nicht eine

oder einer nur zu viel bekäme

und glaubte, es ginge auch allein.



dass niemand mehr von sich halte, als sich’s gebührt, sondern dass er maßvoll von sich halte, wie Gott einem jeden zugeteilt hat das Maß des Glaubens.

Sagt Paulus.



In der Basisbibel klingt das so:

Überschätzt euch nicht und traut euch nicht mehr zu, als angemessen ist.

Strebt lieber nach nüchterner Selbsteinschätzung.

Und zwar jeder so, wie Gott jedem seine eigene Aufgabe anvertraut hat.

Denn wie wir an einem Körper viele Körperteile haben

aber nicht alle Teile haben dieselbe Aufgabe –

so bilden wir vielen Menschen, die zu Christus gehören,

miteinander einen Leib.

Aber einzeln betrachtet sind wir wie unterschiedliche und doch zusammengehörende Körperteile.

Wir haben verschiedene Gaben,

je nachdem, was Gott uns in seiner Gnade geschenkt hat:



So wie Gott teilt, was ihm gefällt,

soll es auch das Lebendige halten,

damit alles wohlgefällig ist.

Vor allem die, denen auch gefallen kann,

was Gott gefällt.

Du und ich.

Wie Gott teilt, was ihm gefällt,

so sollen wir es auch halten.

Damit niemand allein alles kann,

aber alle zusammen vieles, großes

erreichen können.

Mit dem Vertrauen, dass

alles Nötige irgendwo da ist.

Von Gott ausgestreut.

An die richtige Stelle.

Zur richtigen Zeit.

Nur eben vielleicht

nicht bei mir selbst.



Wir haben verschiedene Gaben,

je nachdem,

was Gott uns in seiner Gnade geschenkt hat:

Wenn eine gut Trompete spielt,

oder Orgel oder Gitarre,

wenn einer am Schlagzeug den Takt hält:

dann tun sie es Gott zur Ehre.

Wenn eine gern backt,

dann soll sie wissen,

dass sie andere damit

glücklich macht,

denn Kuchen ist Gnade.

Wenn jemand einen grünen Daumen hat,

oder ein Händchen für Arrangements,

dann sollen sie wissen,

dass sie Glück in die Herzen säen,

denn auch Augen wollen satt werden.

Wenn eine gut singen kann,

mache sie anderen eine Freude.

Und wenn einer schlecht singen kann,

dann zeige er den anderen,

dass wir nicht perfekt sein müssen,

um Gott zu loben.

[Im Moment natürlich alles

im derzeit möglichen Rahmen.

Aber es kommen ja auch wieder

andere Zeiten.]

Und das alles tun wir nicht,

weil wir uns in den Himmel spielen,

pflanzen, backen, reden, singen

oder bauen müssten,

sondern weil wir gar nicht anders können.

Es muss ja einfach heraus,

was in uns steckt.

Was Gott in uns gesteckt hat.

Es muss sowieso heraus.

Aber am Besten, zum Guten genutzt,

damit die Leute es sehen und sich fragen:

Was ist denn da los?

Und vielleicht sagst du dann:

Es ist Gottesdienst.

Sprechender, singender, pflanzender,

backender Gottesdienst.“

[nach: Wilko Hunger: FB Predigtkultur am 7.1.2021]



Nicht nur am Sonntag.

Nicht nur für eine Stunde in der Kirche.

Sondern jeden Tag.

Gottesdienst im Dreiklang des

geschenkten Lebens:



Zusammen erleben

was das Leben ist:

Lebendig“

und heilig

und wohlgefällig.

Und spüren, dass du

nicht alleine bist -

lebendig“

und heilig

und wohlgefällig.

Amen.



Und der Friede Gottes, der größer und mehr ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.


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