Wenn
ein Jäger auf dem Stand sitzt. Dann kann die Zeit lang werden.
Wild,
wo bist du nur? Hirsch und Hinde und Kalb; Keiler und Bache und
Frischling? Wann kommt der günstige Augenblick, die ersehnte
Gelegenheit, dass das Auge über Kimme und Korn hinweg das Ziel
erfasst?
Noch
einmal das Gewehr an die Seite gestellt. Die Thermoskanne zur Hand.
Noch einen Schluck heißen Tee mit Zielwasser.
Manchmal
kann die Zeit lang werden.
Das
weiß der Psalmbeter des 42. Psalms auch, der sehnsüchtig auf seinen
Gott wartet.
Andere
lachen schon über ihn, denn die anderen haben das Warten aufgegeben.
Gott wird nicht kommen, lästern sie. Vielleicht sogar: deinen Gott,
den gibt es nicht.
Doch
geduldig wie ein Jäger auf dem Stand ist der Psalmbeter im Gebet –
im Gespräch mit seinem Gott.
Er
wartet. Die Jagd geht weiter. Es ist erst vorbei, wenn ich dein
Angesicht schaue, Gott.
Dann
kann ich Frieden finden.
Suche
Frieden und jage ihm nach. So steht es über diesem Jahr. Uns allen
in die Tage geschrieben.
Suche
Frieden und jage ihm nach.
Es
ist keine Jagd mit Waffen, und dennoch ist es ein Kampf.
Es
ist kein Ziel, dass ich über Kimme und Korn ins Visier nehmen
könnte, und dennoch kann ich es sehen – in Augen, in Gesichtern,
in Gesten zwischen Menschen: da ist er da, der Frieden.
Wenn
der Jäger das Ziel anvisiert und einen gut getimeten Schuss abgibt,
der dort einschlägt, wo er soll, mitten im Herzen, das Wild zu Boden
geht und nach dem Schall die Ruhe einkehrt, dann hat auch der Jäger
für diesen Tag Frieden gefunden. Sein Werk ist ihm gelungen. Sein
Tisch ist gedeckt und das Gleichgewicht des Waldes für eine Weile
gewahrt. Dann kann er es für heute gut sein lassen. Die Flinte über
die Schulter hängen, die Thermoskanne wieder in die Tasche packen,
vom Stand steigen und heimkehren.
Wird
der Beter des Psalms Frieden finden? Wird seine Sehnsucht gestillt?
Wie ein Hirsch schreit, nach frischem Wasser, schreit meine Seele,
nach dir mein Gott.
Wird
er Gott schauen? Wird sein Flehen erhört und sein Warten belohnt?
Wie
der Jäger auf dem Stand Geduld beweisen muss, so auch oft der
Mensch, der auf Gott wartet, weil der manchmal nicht so leicht zu
entdecken ist – im Dickicht der Welt, verstellen mir manchmal Bäume
und Sträucher die Sicht.
Da
wäre es gut zu wissen, worauf ich überhaupt ziele, wonach ich
überhaupt suche, während ich auf Gott warte.
Wonach
jage ich? Worauf warte ich?
Vielleicht
ist es ja wie beim Jäger: im Warten selbst, ist der Frieden nicht zu
finden. Erst, wenn das Werk verrichtet ist und der Jäger von seinem
Stand heruntersteigt, dann kehrt Frieden ein. Dann kann er zufrieden
sein.
Ich
kann nicht nur warten. Ich muss auch zielen – und zwar mitten ins
Herz. Nicht mit Kimme und Korn, nicht mit einer Flinte in der Hand,
sondern mit offenen Armen, freundlichen Gesten, mit einem Lächeln in
den Augen und auf den Lippen, zur Versöhnung bereit. Wenn ich dann
einen Menschen mitten im Herzen berühre, kann zwischen uns ein
Frieden wachsen, der sich anfühlt, als könnte ich heimkehren: in
ein Zuhause, in dem Gott schon auf mich wartet – hier: mitten in
seiner wundervollen Schöpfung.
Dann
weiß ich, was der Psalmbeter meint, wenn er sagt: Ich werde meinem
Gott noch danken, dass er meine Hilfe und mein Gott ist.
Amen.
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