Gnade sei
mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus
Christus. Amen.
Aus:
Johannes 10
11
Ich
bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.
[...]
14
Ich
bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich,
15
wie
mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und
ich lasse mein Leben für die Schafe.
16
Und ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stall;
auch sie muss ich herführen, und sie werden meine Stimme hören, und
es wird eine
Herde
und ein
Hirte
werden.
27
Meine
Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir;
28
und
ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen,
und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.
29 Was mir mein
Vater gegeben hat, ist größer als alles, und niemand kann es aus
des Vaters Hand reißen.
30
Ich und der Vater sind eins.
Es
geht um Hirten und Schafe. Ein vertrautes Bild, hier, auf den
Dörfern. Viele haben selbst Schafe und dienen ihnen als Hirten. Die
Worte dieses Sonntages klingen ausnahmsweise vielleicht einmal so
vertraut wie damals, vor 2000 Jahren.
Aber
ich möchte Ihnen trotzdem gern etwas unvertrautes erzählen, etwas,
dass Sie noch nicht kennen. Also:
Kennen
Sie den Witz vom gelben Schaf?
Nein?
Dann erzähle ich ihn gern.
Ein
Vater hatte 3 Söhne, etwas Land und viele Schafe.
Unter
den Schafen war ein einziges gelbes Schaf. Gelb wie die Sonne.
Dieses
Schaf war des Vaters Liebstes. Er hütete es wie seinen Augapfel und
freute sich jeden Morgen an ihm, wenn sein erster Blick auf die Weide
ging.
Eines
Tages nun, früh am Morgen, konnte er das gelbe Schaf nicht mehr
sehen.
Es
war nicht auf der Weide, nicht im Stall und auch sonst war nirgends
war das strahlende Gelb dieses kleinen Schafes zu erspähen.
Den
ganzen Tag lang suchte der Vater unablässig. Er aß und trank nicht.
Er
suchte nur.
Bis
er einsehen musste, dass sein Alter ihm nicht erlaubt, längere Wege
zu gehen und größere Anstrengungen zu unternehmen, das Schaf zu
suchen.
Also
rief er am Abend seine Söhne zu sich.
Der
älteste Sohn sagte: Vater, ich finde dein Schaf in einer Woche. Gib
mir nur diese eine Woche.
Der
Vater willigte ein. Eine Woche verging. Als der Sohn ohne das Schaf
zurückkehrte, war der Vater zu tiefst enttäuscht. So lange schon
musste er auf den Anblick des gelben Schafes verzichten. Vor Wut
verwies er den Sohn des Hofes und würdigte ihn keines weiteren
Blickes.
Der
Zweite trat vor und sprach: Vater, ich finde dein gelbes Schaf in
einem Monat. Gib mir nur diesen Monat.
Der
Vater willigte ein. Ein Monat verging. Als der Sohn ohne das Schaf
zurückkehrte, war der Vater wiederum zu tiefst betrübt und
enttäuscht. Auch diesen schickte er weg und vergaß ihn auch gleich
über die Sehnsucht nach seinem gelben Schaf.
Da
trat auch der Jüngste vor und sagte: Vater, ich finde dein Schaf in
einem Jahr. Gib mir nur dieses eine Jahr.
Der
Vater willigte ein. Ein Jahr verging.
Als
der Sohn OHNE das Schaf zurückkehrte, verließ den Vater der letzte
Mut. Er schickte auch den Jüngsten davon und behauptete von Stund
an, dass er nie auch nur einen Sohn gehabt habe; nur ein gelbes
Schaf.
Ich
gestehe: der Witz vom gelben Schaf ist eigentlich überhaupt kein
Witz.
Es
ist vielmehr einfach nur eine sehr traurige Geschichte.
Ich
würde sagen, es ist ein schlechter Vater, der dieses eine, kleine,
gelbe Schaf über seine Kinder stellt.
Das
gelbe Schaf muss ihm sprichwörtlich den Kopf verdreht haben.
Noch
eine andere Frage: Wenn Ihre Kinder oder Enkel Sie fragten oder
fragen: Mama, Papa, Oma, Opa, wie funktioniert diese Welt? Was
antworten Sie?
Sie
müssen nicht antworten. Denken Sie nur einmal kurz darüber nach.
Mama,
Papa, Oma, Opa, wie funktioniert diese Welt?
Ich
habe ja keine Kinder, und Enkel schon gleich gar nicht.
Aber
wenn ich Kinder hätte, und sie mich fragen würden:
Papa,
wie funktioniert diese Welt?
Dann
möchte ich gern antworten: Mein Kind, ich liebe dich!
Es
ist vielleicht auf den ersten Blick nicht die zu erwartende Antwort
auf die gestellte Frage, aber es ist für mich die einzig richtige
Antwort – wenn es so etwas gibt – auf diese Frage. Denn als
geliebtes Kind lebt es sich in dieser Welt einfach besser.
Das
glaube ich.
Und
wenn die Kinder fragen: Auf wen kann ich mich verlassen und wem kann
ich folgen, wenn ich einmal größer bin?
Dann
denke ich an das, was Gott durch den Propheten Hesekiel sagt:
Ich
will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und
das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett
[lies: fest] und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es
recht [lies: gut] ist.
Wer
so handelt, wer so sein will, dem möchte ich folgen.
Einem
Herrn, der sich so um die Menschen müht, dem will ich gern dienen.
Die
fröhliche Zusage dieses Sonntages – Misericordias Domini,
Barmherzigkeit des Herrn – ist, dass niemand von uns das alleine
tun muss: denn …
Gott
der HERR spricht:
Siehe,
ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein
Hirte seine Schafe sucht […]
Und
Christus spricht:
“Ich
bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne
sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.“
Als
ich am vergangenen Sonntag, in der Dämmerung von Bockendorf Richtung
Wingendorf lief – wobei ich da noch nicht wusste, dass ich Richtung
Wingendorf unterwegs bin, weil ich von den Schleichwegen zwischen den
Dörfern noch keine Ahnung habe – war es ein herrlicher Abend. Ein
laues Lüftchen, kein Mensch weit und breit und auch keine
Wildschweine oder anderes Getier.
Bis
plötzlich am Wegesrand eine dunkle Gestalt an den Waldrand trat.
Ich
nahm sie erst auf den zweiten Blick wahr und erschrak ordentlich über
diesen mannshohen Schatten, der plötzlich beinahe neben mir stand.
Ich
blieb abrupt stehen. Der Schatten kam näher.
Ein
Jäger kam zum Vorschein. Die Flinte auf der Schulter.
Er
war nicht sonderlich erfreut über diesen Jogger in der Dämmerung,
der die Tiere von Weitem schon vertreibt, wo man doch gerade einmal
etwas schießen könnte. Außerdem war ich nicht beleuchtet und hätte
so selbst zum Ziel werden können.
Als
wir uns darüber ausgetauscht hatten und ich gelobte, beim nächsten
Mal nicht mehr in der Dämmerung zu laufen und wenn, dann wenigstens
eine Kopflampe zu tragen, erklärte er mir die vor mir liegenden
Wege: nach Riechberg, Wingendorf und Hartha.
Als
ich dann bei der Verabschiedung seine Hand schüttelte, wölbte sich
seine Umhängetasche ein Stück, so dass ich kurz hineinschauen
konnte.
Wissen
Sie was drin war?
- PAUSE -
Das
gelbe Schaf.
Das
gelbe Schaf ist überall. Man muss nur richtig hinsehen.
Ob
es ein Jäger in der Dämmerung ist, der mir den Weg zeigt, oder ein
Mensch, der mir seine Tür öffnet, Kaffee gemacht hat und sich über
einen Besuch freut, oder ob es Menschen sind, die sich Zeit nehmen zu
helfen, selbst wenn es nicht ihr eigenes Grundstück ist, sondern ein
Torhaus, ein Friedhof, eine Kirche. Ob es eine Geste oder ein Wort
ist.
Ich
denke, dass ist es, was der Vater der drei Söhne, der das gelbe
Schaf hatte, nicht verstanden hat. Darum hat er das gelbe Schaf auch
verloren.
Sie
werden sich vielleicht fragen: Was erzählt er denn die ganze Zeit
vom gelben Schaf. Christus sagt doch, dass er der gute Hirte ist und
wir die Schafe.
Nun,
Menschen sind keine Schafe und Christus war als Jesus von Nazareth
auch kein Hirte.
Aber
wie ich diesen Text des Johannesevangeliums auch drehe und wende: ob
ich das Schaf bin und Christus der Hirte oder ich der Hirte und
Christus das gelbe Schaf – wenn Christus nicht die Mitte ist, wenn
er nicht der ist, dem ich folge, als Teil einer Herde oder als
jemand, der in Verantwortung ist, dann laufe ich Gefahr, mich zu
verlaufen.
Ich
muss dann immer wieder an Luthers Wort denken:
Woran
dein Herz hängt, das ist dein Gott.
Gelbe
Schafe gibt es nicht.
Oder ich könnte sagen: es gibt unzählige gelbe Schafe.
Ich
muss sie Ihnen nicht aufzählen.
Es
gibt genug, woran man in dieser Welt sein Herz hängen kann.
Doch
nichts davon bleibt.
Und
bei Vielem vergesse ich darüber das Wichtige: Die Menschen um mich
herum, vielleicht sogar meine Kinder.
Christus
spricht: 29
Was mir mein Vater gegeben hat, ist größer als alles, und niemand
kann es aus des Vaters Hand reißen.
Dieser
Vater schickt keines seiner Kinder davon.
Sondern
wenn er eins verliert, dann sucht er es selbst.
Und
wenn ich ihn frage: Vater, wie funktioniert diese Welt?
Dann
sagt er: Mein Kind, ich liebe dich!
Und
der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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