Gnade sei
mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus
Christus. Amen.
Und
ihr sollt in der Liebe verwurzelt bleiben und unerschütterlich an
ihr festhalten.
18
Sie in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe zu erfassen –
dazu sollt ihr befähigt werden
So
werdet ihr Anteil bekommen an der Gegenwart Gottes, die alles
erfüllt.
20
Dank sei Gott, der die Macht hat, unendlich viel mehr zu
tun – weit mehr als alles,
das
wir von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So groß ist seine
Macht, die in uns wirkt.
21
Er
regiert in Herrlichkeit
in
seiner Gemeinde – das heißt: in der Gemeinschaft derer, die zu
Christus
Jesus
gehören.
Das gilt für alle Generationen auf immer und ewig.
Amen.
(Epheser 3, 14-21)
______________
Da steht
er nun. 30 Jahre macht er diesen Beruf schon, aber so etwas hat er
noch nicht gesehen. Wie immer, hat er den Zollstock am Mann. Es ist
wohl eines seiner liebsten Werkzeuge. Man kann so ziemlich alles
damit messen und am Abend, wenn die Messen gelesen sind, dann lässt
sich auch das eine oder andere Bier im Handumdrehen mit dem Zollstock
öffnen.
Aber hier,
hier ist der Zollstock völlig nutzlos.
Viel zu
groß ist das, was er vor sich sieht.
Missmutig
legte er eine Hand an die Tasche seiner Hose, in der der Zollstock
immer sitzt und blickt sich um, um sich einen Überblick zu
verschaffen.
Aussichtslos.
Das mussten mehrere hundert Meter in Länge und Breite sein, die hier
ausgehoben wurden. Die Schalung für dieses Fundament lässt sich
nicht mit einem Zollstock ermessen, das war klar.
Er kann
hier die Breite, Länge, Tiefe und Höhe nicht ermessen.
Nein. Das
geht zumindest nicht einfach so.
Vielleicht
war es dem Schüler des Paulus ähnlich ergangen, als er im Gefängnis
saß, damals, vor knapp 2000 Jahren, und den Brief an die Epheser, an
die Christen in Ephesus schrieb.
Die Liebe
dessen, von dem er ihnen schrieb, die muss unermesslich sein – in
ihrer Breite und Länge und Tiefe und Höhe nicht zu messen, nicht zu
fassen.
Dabei
waren die Ereignisse um Jesus nicht erst gestern gewesen. Christi
Himmelfahrt war nicht erst wenige Tage her.
Selbst
sein Lehrer, Paulus, hatte es nicht mehr erlebt – dieses Wechselbad
der Gefühle, das die Freunde Jesu durchgemacht haben mussten, als
Jesus erst jämmerlich am Kreuz starb, dann auf einmal wieder da war,
um sie 40 Tage später aber wieder zu verlassen. Da half es wohl auch
wenig, dass er ihnen sagte: „Wenn ich nicht weggehe, kommt der
Tröster nicht zu euch. […] Wenn er kommt, der Geist der Wahrheit,
wird er euch in Wahrheit leiten.“
Wie sollte
ein Mensch sich das vorstellen?
Die
Freunde Jesu waren sicherlich verwundert zurückgeblieben, als Jesus
sie auf wundersame Weise am Himmelfahrtstag endgültig verließ –
zumindest so, dass sie ihn nicht mehr sehen oder berühren konnten.
Das ging
nicht mehr. Und es sollte geschlagene 10 Tage dauern, bis es ihnen
endlich vom Kopf ins Herz rutschte – dann wurde Pfingsten,
Pentecoste, 50 Tage nach Ostern heißt das, der Geburtstag der
Kirche, den wir am nächsten Sonntag feiern.
Dazwischen,
an Tagen wie diesen, wie heute, als noch nicht Pfingsten war, könnten
die Freunde noch ungewiss miteinander gebetet haben:
„Herr,
höre meine Stimme, wenn ich rufe; verbirg dein Antlitz nicht vor
mir.“
So haben
wir es miteinander vorhin im Psalm 27 gebetet.
Und es war
ja so.
Er hatte
sein Antlitz verborgen. Er war nicht mehr zu sehen, der Herr.
Aufgefahren
in den Himmel. So sprechen wir im Glaubensbekenntnis.
Bis dann
endlich die neue Begeisterung Einzug hielt – bis die Freunde Jesu
vom Geist ergriffen wurden, wie ein Feuer und ein Sturm zugleich, der
sie aus ihren Kammern heraus auf die Straßen trieb und sie
wortwörtlich ihren Mund nicht mehr halten konnten, weil ihnen die
Worte daraus übergingen und sie in Jerusalem die Straßen herauf und
herunter davon erzählen mussten, was sie mit Jesus erlebt hatten;
und dass die Sache Jesu weitergeht.
Aber wie
konnte man sich das vorstellen?
Als der
Schüler des Paulus vor knapp 2000 Jahren, Jahre nach diesen
Ereignissen in Jerusalem, im Gefängnis saß und diesen Brief
schrieb, den wir heute noch als Epheserbrief kennen, da versucht er
sich das vorzustellen – er schreibt:
Wer die
tiefe, innere Überzeugung teilen kann, dass Liebe nicht nur ein Wort
ist, sondern dass Liebe etwas ist, dass von Gott kommt und die
Menschen und die Welt mit ihnen verändern kann, der glaubt.
Und wer
glaubt, der hat Christus im Herzen – und der kann ihm begegnen,
überall, in allem, was in Liebe getan und gesagt wird.
So
schreibt der Schüler weiter: Und
ihr sollt in der Liebe verwurzelt bleiben und unerschütterlich an
ihr festhalten.
Wenn ein
Mensch sich auf einen Berg, gegenüber einer Stadt setzt und um jeden
einzelnen Menschen in ihr und um das Schicksal dieser Stadt
bitterlich weint, dann kann ich die Liebe, die ihn bewegt, kaum
ermessen.
Wenn ein
Mensch sich vor einen anderen stellt, weil es dieser Frau an den
Kragen gehen soll – und er die Menge umher anschreit: „Wer von
euch ohne Schuld, der werfe den ersten Stein!“ Dann kann ich die
Liebe, die diesen Menschen antreibt, kaum ermessen.
Das ist
2000 Jahre her. Das wird uns in den Evangelien von Jesus erzählt.
Aber wenn
ein Mensch einen gelähmten Bruder hat, dessen größter Wunsch es
ist, einmal am Iron-Man-Wettbewerb teilzunehmen und dieser Bruder
hart trainiert, um sich dann eines Tages seinen gelähmten Bruder vor
das Fahrrad zu schnallen, ihn durch das Wasser zu ziehen und
schließen in einem Rollstuhl vor sich her zu schieben, bis ins Ziel
des Iron-Man;
oder wenn
ein Mensch alles dafür her gibt, dass Kinder in Hamburg, die ohne
Eltern aufwachsen müssen, ein Zuhause haben; und wenn daraus die
Diakonie entsteht, die wir bis heute kennen;
es gäbe
noch viele andere Beispiele, die ich nennen könnte, die nicht schon
2000 Jahre her sind, sondern viel weniger – die gestern erst
passiert sind oder heute, gerade jetzt passieren – die alle in
diesem Geist geschehen, der damals kam, als Jesus ging, und die von
einer Liebe erzählen, deren Breite und Länge und Tiefe und Höhe
ich nicht ermessen kann.
Es geht
nicht nur darum, was wir füreinander oder aneinander tun, es geht
auch darum, was wir voneinander denken – es geht um den Geist.
Und der
Psalm 27 endet mit den Worten: „Ich glaube aber doch, dass ich
sehen werde die Güte des Herrn im Lande der Lebendigen. Harre auf
den Herrn! Sei getrost und unverzagt und harre auf den Herrn!“
Es gibt
sie noch, diese Liebe – nicht erst im Himmel, der kommt, sondern
schon jetzt, in diesem Land, mitten unter uns lebendigen Menschen.
Und sie
trägt immer noch, wie sie vor 2000 Jahren getragen hat; sie
begeistert Menschen und treibt sie auf die Straßen, dass ihnen der
Mund von Worten übergeht und sie nicht schweigen können; und sie
zumindest ein bisschen dazu fähig werden...
18
Sie
in ihrer Breite, Länge, Höhe und Tiefe zu erfassen [...]
So
werdet ihr Anteil bekommen an der Gegenwart Gottes, die alles
erfüllt.
So schrieb
es der Schüler des Paulus damals im Gefängnis auf.
Aber das
ist lange her.
Und nun,
da steht er. 30 Jahre macht er diesen Beruf schon, aber so etwas hat
er noch nicht gesehen. Wie immer, hat er den Zollstock am Mann.
Aber hier,
hier ist der Zollstock völlig nutzlos.
Viel zu
groß ist das, was er vor sich sieht.
Nein, auch
nach 30 Jahren auf dem Bau kann ein Zollstock nicht mehr messen, als
die zwei Meter, die seine Skala eben hergibt. Mit ein bisschen
Geschick kann ich damit schon auch noch 4 oder 6 oder 8 Meter messen,
aber mehrere hundert Meter werden einfach zu einer unübersichtlichen
Herausforderung.
Doch der
Maurer, der dieses unsagbar große Fundament schalen soll, weiß,
dass es heute Vermessungstechniker gibt, die mit einem Laser wohl so
ziemlich alles ausmessen können – völlig mühelos.
Vor 2000
Jahren undenkbar. Unvorstellbar. Und heute doch wahr.
Die Welt
verändert sich.
Und wenn
der Maurer heute vor etwas steht, das er so noch nie gesehen hat, und
dessen Breite, Länge, Höhe und Tiefe er nicht ermessen kann, dann
weiß er, dass es einen gibt, der mehr kann als er mit seinem kleinen
Zollstock.
Ich bin
kein Maurer. Aber ich weiß wohl, dass es einen gibt, der mehr kann,
als ich zu ermessen vermag... darum bin ich Pfarrer:
20
Dank sei Gott, der die Macht hat, unendlich viel mehr zu
tun – weit mehr als alles,
das
wir von ihm erbitten oder uns ausdenken können. So groß ist seine
Macht, die in uns wirkt.
21
Er
regiert […]
in
seiner Gemeinde – das heißt: in der Gemeinschaft derer, die zu
Christus
Jesus
gehören.
Das gilt für alle Generationen auf immer und ewig.
Amen.
Und
der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre
unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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