Predigt zum 7. Sonntag nach Trinitatis, den 04.08.2019, in der St. Wenzelskirche zu Pappendorf beim BIETZ - Thema: "Der Diener".
Gnade sei mit euch und Friede
von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.
Er, der Gott war, der Gott
gleich war, und es nicht für einen Raub hielt, sich selbst zu nichts
zu machen, Knechtsgestalt anzunehmen, und den Menschen gleich zu
werden, und der Gestalt nach als Mensch erkannt zu werden.
Kommen diese Zeilen jemandem
bekannt vor?
Gut, wenn das so ist. Wenn
nicht, nicht so schlimm. Aber dann ermutige ich euch, einmal in eurer
Bibel nachzuschauen.
Im 2. Kapitel des
Philipperbriefes werden uns diese Zeilen überliefert, die vielleicht
schon die ersten Christen miteinander bekannten... eine Art erstes
Glaubensbekenntnis: Woran glauben wir als Christen? An einen Gott,
der sich aufgemacht hat, Mensch zu werden, um mitten unter uns zu
leben.
Er, der Gott war, der Gott
gleich war, und es nicht für einen Raub hielt, sich selbst zu nichts
zu machen, Knechtsgestalt anzunehmen, und den Menschen gleich zu
werden, und der Gestalt nach als Mensch erkannt zu werden.
Der unter Theolog*innen
sogenannte Philipperhymnus. So geht er weiter:
Er erniedrigte sich selbst und
wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn
hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über allen Namen ist,
damit sich vor dem Namen Jesu alle Knie beugen, der himmlischen Welt,
der irdischen und der unterirdischen und jede Zunge bekenne, dass
Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
So erzählten es die ersten
Christen untereinander: Gott wurde Mensch, um uns zu dienen, damit
wir lernen, ihm zu dienen.
Und wir üben seit 2000 Jahren.
Ich selbst war bis vorgestern
noch im Urlaub.
Ich war in Rumänien. Ein herrliches Land.
Wenn ihr
es bisher nicht auf dem Reisezettel hattet, schreibt es drauf. Es
lohnt sich!
Jedenfalls dachte ich mir, ich
könnte ja auch meinen Beitrag zur aktuellen Klimaschutzdebatte
leisten, und fuhr mit dem Bus nach Bukarest in Rumänien. Eine lange
Fahrt. Sicher. Aber günstig und weitgehend klimafreundlicher als
andere Optionen.
Gesagt getan.
Ich saß im Bus. Er war
rappelvoll.
Und irgendwie ist es ja auch ein
Wagnis.
Ich begebe mich in die Hände
zweier völlig fremder Busfahrer, die mich die nächsten 28h an ein
Ziel in der Ferne bringen werden und bin unterwegs mit ca. 60 oder 70
anderen, die in so einem Reisebus Platz finden und die ich nie zuvor
gesehen habe.
Jeder und jede hat ihren eigen
Willen und Meinung und Ideen.
Da sitzt die ältere Frau neben mir, die deutlich mehr Platz in Anspruch nimmt, als die Sitze
hergeben und ich sitze plötzlich ziemlich beengt da. Vor mir, der
junge Mann, schläft den Schlaf des Gerechten, was wunderbar ist,
aber er schnarcht, als hätte er alle borkenkäferbefallenen Bäume
Deutschlands auf einmal auf dem Sägezettel.
Vom vorderen Teil des Busses
haben zwei, drei Leute plötzlich entdeckt, dass ihre Blase doch
nicht so kräftig ist, wie sie vielleicht dachten und rennen gefühlt
sekündlich auf das eine Busklo, so dass inzwischen nicht nur eine
Schlange entsteht, sondern auch ein dezenter Uringeruch langsam durch
den Bus kriecht. Und zu allem Überfluss ist die Familie hinter mir
laut. Das Kind schreit und die Eltern auch.
Was für eine Kulisse.
Und ich, eingepfercht neben der
raumgreifenden Frau...
Was kann ich tun?
Eigentlich kaum mehr, als das
Ganze ertragen.
Die Strapazen des Weges
aushalten, um das Ziel zu erreichen.
Ein kleiner Einblick in meine
Urlaubsreise. Nur ein kleiner Ausschnitt.
Aber ehrlich gesagt, denke ich
manchmal, dass es Jesus vielleicht ähnlich ging.
Er, der Gott war, der Gott
gleich war, und es nicht für einen Raub hielt, sich selbst zu nichts
zu machen, Knechtsgestalt anzunehmen, und den Menschen gleich zu
werden, und der Gestalt nach als Mensch erkannt zu werden.
Ich meine, klar, Jesus hätte
sich auch einfach an das Steuer des Busses setzen können, den Leuten
sagen können, wie sie sich zu verhalten haben und sie ans Ziel
fahren können.
Wenn der Bus diese Welt wäre.
Aber so tickt Gott nicht.
So einfach ist es nicht.
Er hat sich in den Bus gesetzt.
Er ist mitgefahren.
Die Leisen in den Sitzen, die
hat er angesprochen. Manche laute vielleicht auch. Manche vielleicht
auch mit der schwachen Blase oder jemanden, der laut schnarcht.
Und nach und nach, hat er sie
davon begeistert, dass es wundervoll ist, wenn wir miteinander leben
und nicht aneinander vorbei. Das war seine Mission.
Wenn wir mit Gott leben, dann
lernen wir, miteinander zu leben.
Oder: wenn wir miteinander
leben, dann lernen wir, wie es ist, mit Gott zu leben.
Aber miteinander zu leben, heißt
auch, selbst zurückzustecken.
Denn die Grenzen meiner eigenen
Freiheit enden an den Grenzen der Freiheit des anderen.
So hat es Immanuel Kant gesagt.
Der Gedanke ist deutlich älter.
Jesus in diesem Bus ist aber so
oder so ein herrlicher Gedanke.
Wenn ich mir vorstelle, er hätte
angefangen, den Leuten nach und nach die Füße zu waschen. Was wäre
abgegangen?
Verdutzte Gesichter hätte es
allemal gegeben. Genug.
Manche wären vielleicht
ausgerastet.
Was erdreistet sich dieser Mann
da?!
Anders war es unter den Freunden
Jesu auch nicht.
Petrus wäre auch fast
ausgerastet, weil er nicht verstand was vor sich ging.
Warum sollte er auch.
Wie kann es sein, dass der, an
den ich glaube, mir die Füße wäscht?
Das kann ich nur verstehen, wenn
ich verstehe, dass ich das auch machen soll.
Den Staub und Dreck, den die
Menschen auf dem Weg mit sich bringen, abwaschen; hinter die
Fassenden blicken; mehr sehen, als auf den ersten Blick zu sehen ist.
Wir können die Sünde nicht
abwaschen. Das tut Gott. Aber wir können die Vorurteile weglassen,
die Schubladen, in die wir Menschen stecken – mehr sehen, als auf
den ersten Blick zu sehen ist.
Und dann entdecke ich
vielleicht, dass die Frau, die neben mir so unglaublich viel mehr
Raum einnimmt, als nötig ist, manchmal einsam ist und sich nach Nähe
sehnt.
Und ich entdecke, dass der junge
Mann, der vor mir so seelenruhig die deutschen Wälder abholzt, eine
Familie im Ausland hat, um die er sich sorgt – und nichts lieber
will, als bald zu ihr zu kommen.
Und ich entdecke vielleicht,
dass die laute Familie hinter mir sich um die Großmutter sorgt,
wegen der sie diese lange Reise auf sich nehmen und es die Eltern mit
den Kindern unentspannt macht.
Und ich entdecke vielleicht auch
das andere Menschen einfach laut sind oder oft aufs Klos müssen. Und
dann ist das eben so.
Aber wisst ihr, was ich getan
habe, im Bus?
Ich habe meine Kopfhörer
aufgesetzt, habe traumhafte Musik gehört und diese 28h mal
schlafend, mal wach, ganz wunderbar überstanden, auch wenn mir die
Knöchel sehr unbarmherzig angeschwollen sind.
Sei es drum. So bin ich ganz gut
da durch gekommen.
Aber Jesus hätte das nicht
gemacht. Das hat er nicht gemacht.
Er wollte da nicht einfach nur
ganz gut durchkommen.
Nicht, dass ich damit sagen
will, es wäre richtig und gut gewesen, alle Menschen in diesem Bus
zu missionieren, oder ihnen gar die Füße zu waschen.
Nein, das denke ich nicht.
Aber Gott ist in diese Welt
gekommen, um uns zu dienen.
Er hätte keine Kopfhörer
aufgesetzt, sondern sich die Geschichten angehört.
Ganz sicher.
Er hat sich immer die
Geschichten angehört.
Er hat immer zugesehen und
kannte die Menschen, mit denen er auf dem Weg war gut.
Das lässt sich durch die ganze
Bibel verfolgen.
Und selbst die, die dachten, er
sähe weg – wie Hiob – denen sah er zu, bevor er das Wort ergriff
und handelte – oft anders handelte, als die Menschen es dachten.
Gott ist bereit, uns zu dienen.
Er ist in den Bus gestiegen, um
mitzufahren.
Er ist in den Bus gestiegen, um
uns nahe zu sein.
Uns allen.
Wenn der Bus diese Welt wäre.
Er ist mitgefahren.
Er, der Gott war, der Gott
gleich war, und es nicht für einen Raub hielt, sich selbst zu nichts
zu machen, Knechtsgestalt anzunehmen, und den Menschen gleich zu
werden, und der Gestalt nach als Mensch erkannt zu werden.
Aber Gott dient uns nicht
einfach so. Nein.
Er ist für uns zum Diener
geworden in Jesus, damit wir lernen, selbst zu dienen.
Vor dem anderen Menschen
niederknien, damit wir einander respektvoll begegnen; dem andern
Menschen die Füße waschen, damit wir hinter die Fassaden sehen;
damit wir jedem Menschen die gleiche Chance einräumen; damit wir
lernen zu vergeben und demütig zu sein.
Wenn wir so miteinander lebten,
würden wir einen Vorgeschmack davon bekommen, würden wir
miteinander erleben, wie das Reich Gottes ist. Das Friedensreich der
Ewigkeit.
Es beginnt jetzt, hier, gestern
und heute und alle Tage. Wir sind Teil davon. Und Gott ist mitten
unter uns.
Aber wir sind Menschen. Wir üben
noch. Seit 2000 Jahren.
Und es fällt mir, als einem,
der glaubt, schon oft genug schwer, zu vergeben, demütig zu sein,
hinter die Fassaden zu sehen und an den Schubladen vorbei. Wie viel
mehr wird es denen schwer fallen, die nicht glauben können, oder
nicht mehr, oder noch nicht; die vergessen haben, dass es einen Gott
gibt, der sich nach ihnen sehnt.
Es wird Zeit, dass wir lernen,
Gott zu dienen, wie er uns dient, damit diese Welt ein besserer Ort
wird.
Es wird wohl nicht dazu führen,
dass wir alle Ungerechtigkeit und allen Streit, alle Traurigkeit und
alles Leid aus dieser Welt verbannen können – möglich, dass das
erst ganz vergeht, wenn Gottes neue Welt beginnt.
Aber ich hoffe darauf, dass
vielleicht keine 8-jährigen Kinder mehr an Bahnhöfen im Gleisbett
ihr Leben verlieren und traumatisierte Mütter zurückbleiben. Dass
wir vielleicht miteinander die wundervolle Schöpfung Gottes und alle
ihre Geschöpfe etwas mehr respektieren und schützen. Dass Menschen
von den Straßen unter Dächer kommen und wer auf der Flucht war, es
nicht mehr sein muss.
Es wird Zeit, dass wir lernen,
Gott zu dienen, wie er uns dient, damit diese Welt ein besserer Ort
wird.
Dafür hat Jesus einmal den
Anfang gemacht und seinen Freunden am letzten Abend seines Lebens die
Füße gewaschen.
„Denn ein Beispiel habe ich
euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“
(Joh 13, 15) Das sagte er zu
ihnen.
Er erniedrigte sich selbst und
wurde gehorsam bis zum Tod, ja, zum Tod am Kreuz. Darum hat Gott ihn
hoch erhoben und ihm den Namen verliehen, der über allen Namen ist,
damit sich vor dem Namen Jesu alle Knie beugen, der himmlischen Welt,
der irdischen und der unterirdischen und jede Zunge bekenne, dass
Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.
Und der Friede Gottes, der
übersteigt, was wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und
Sinne in Christus Jesu. Amen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen