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Predigt zu Lukas 6,36-42 - "Elsa und Emma"


Predigt zum 4. Sonntag nach Trinitatis, den 14.07.2019, in der St. Wenzelskirche zu Pappendorf.




Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Elsa und Emma stehen auf dem Pausenhof.
Sie streiten.
Du bist voll schlecht in Himmel und Hölle!“, sagt Elsa.
Gar nicht!“, sagt Emma. „Du triffst doch nie die Vierecke mit den Füßen.“
Und du noch viel weniger! Und außerdem bist du voll langsam!“, sagt Elsa.
Selber!“, schreit Emma.
Selber vielmehr!“, schreit Elsa zurück.

Elsa und Emma stieren einander an.
Dann geht Elsa schnaubend weg.
Emma bleibt zurück.

Eigentlich sind Elsa und Emma die besten Freundinnen.
Unzertrennlich.
In den Ferien verbringen sie jeden Tag beieinander.
In der Schule sitzen sie nebeneinander.
In den Pausen spielen sie miteinander.

Jetzt hat der Wind gedreht.
Es ging um Himmel und Hölle.
Dabei haben sich die Gemüter entzündet.

Komisch eigentlich.
Jedes Kind weiß doch wie das geht.
Himmel und Hölle.
Viel falsch machen kann man dabei wohl nicht.

Ich will ehrlich sein:
ich habe nicht die geringste Ahnung, wie Himmel und Hölle geht.
Es hat sich mir einfach noch nie erschlossen,
wenn ich dieses Quadratekreuz aus Kreide auf dem Boden sah.
Für einen Pfarrer wohl nicht unbedingt die beste Voraussetzung.
Aber gut.
Ich kenne dafür Elsa und Emma.
Und ich behaupte, ich wüsste etwas zumindest über den Himmel.
Und der, liegt sehr wahrscheinlich gerade jetzt nicht zwischen Elsa und Emma,
wenn die eine der anderen den Rücken kehrt und beide allein bleiben.

Als Elsa, immer noch wutentbrannt, nach Hause kommt, trifft sie ihre Mutter.
Die ist reichlich verdutzt.
Elsa, was ist denn los?“, fragt sie.
Und wo ist Emma? Wollte sie nicht mit bei uns essen?“
Hör mir bloß auf mit der!“, blafft Elsa ihre Mutter an.
Mit der will ich nichts mehr zu tun haben! Die ist voll blöd. Die will mir den Splitter aus dem Auge ziehen und sieht den Balken im eigenen Auge nicht!“
Elsas Mutter ist verblüfft: „Was? Aber ihr seid doch beste Freundinnen!?“, fragt sie. „Und woher hast du denn das mit dem Splitter und dem Balken?“
Naja, heute sind wir es jedenfalls nicht!“, sagt Elsa. „Und das mit dem Balken hab ich aus Reli. Der Lehrer meinte irgendwas von 'zieh erstmal den Balken aus deinem eigenen Auge, ehe du versuchst, den Splitter aus dem Auge eines anderen zu ziehen, oder so. Fand ich gut.“
Finde ich auch gut“, sagt Elsas Mutter, „dass dir mal was aus Reli hängen geblieben ist.“
Elsa senkt den Kopf und Rollt mit den Augen.

Na, pass auf. Das Essen braucht eh noch ein bisschen und da Emma nicht da ist, hast du ja auch nichts besseres zu tun. Dann erzähle ich dir eine kleine Geschichte. OK?“
Elsa rollt wieder genervt mit den Augen.
Sie bleibt aber sitzen.
Gut.“, sagt Elsas Mutter.
Sagen wir, es geht um zwei Mädchen.“, hebt Elsas Mutter an.
Sie waren so etwas wie beste Freundinnen. Sie verbrachten jeden Tag miteinander. Und manchmal, da ging es der einen Freundin nicht so gut und sie wurde sehr traurig und bekam sehr schlechte Laune. Da wusste die Andere, was zu tun war. Sie spielte nämlich wundervolle Musik. Und immer wenn die Eine traurig und ärgerlich wurde, spielte die Andere Musik und es ging der Einen wieder besser. So ging das lange. Und beiden ging es miteinander gut. Nur merkte die Eine, die manchmal traurig wurde, dass die Andere bei vielen anderen Kindern viel beliebter war und viel schneller neue Freunde fand als sie. Das machte sie nach und nach immer eifersüchtiger.“
Blöde Kuh!“, raunzt Elsa dazwischen. „Kann Sie ihr das nicht gönnen?“
Warte nur.“, sagt die Mutter. „Die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende.“
Irgendwann waren die beiden Mädchen keine Freundinnen mehr. Im Gegenteil. Die Eine verfolgte die Andere. Die Eifersüchtige versuchte die Andere wo es nur ging schlecht zu machen. Letztlich war es so, dass sie sich ganz aus dem Weg gingen und die Beliebte gar vor der Eifersüchtigen floh.“
Orrrr, die macht mich voll wütend.“, raunzt Elsa wieder.
Warte nur.“, sagt die Mutter. „Die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende.“
Eines Tages war es nämlich so, dass die Eifersüchtige mit einigen der wenigen Freunde, die sie hatte, im Zelt übernachten wollte. Die andere, die Beliebte, wartete aber schon mit einigen ihrer Freunde an dem Ort, an dem die Zelte standen, darauf dass es dunkel würde. 'Jetzt, gleich, wenn sie schläft, spielen wir ihr einen Streich, den sie nie wieder vergisst!', sagten die Freunde der Beliebten. Aber ihr tat sie leid. Sie wollte das nicht. Eigentlich, wollte sie nur ihre alte Freundin zurück, auch wenn sie wusste, dass das nicht so einfach gehen würde.
Da nahm sie all ihren Mut zusammen, schlich an das Zelt, in dem die Eifersüchtige schlief, öffnete leise den Reißverschluss und schnitt ein kleines Stück aus ihrem Schlafsack. Dann zog sie sich wieder zurück.
Am Morgen, als die Eifersüchtige mit ihren Freunden gerade gehen wollte, kam die Beliebte mit ihren Freunden dazu. Die Eine hielt der Anderen das Stück Stoff unter die Nase und sagte: 'Heute Nacht wäre alles möglich gewesen. Wir hätten euch zu Tode erschrecken können, oder pitschenass machen und euch mit Federn überschütten können, oder was auch immer wir gewollt hätten und jemand von uns hätte es gefilmt und ins Netz gestellt und du wärst dem Hohn aller ausgesetzt gewesen. Doch ich wollte das nicht.'
Und als die Andere da das Stück Stoff des Schlafsackes sah und bemerkte, dass es aus ihrem Schlafsack geschnitten war, begann sie zu weinen.“
Und? Das war's?“, fragt Elsa.
Im Prinzip schon, ja.“, sagt die Mutter. „Was denkst du über die Geschichte, Elsa?“
Naja, voll nett von der Beliebten, dass sie die Eifersüchtige nicht bloß gestellt hat.“, erwidert Elsa.
Ja. Genau. Finde ich auch.“, freut sich die Mutter.
Und wie würdest du das nennen, wenn du in einem Wort sagen müsstest, was zwischen den beiden passiert ist?“, fragt die Mutter.
Hm. Keine Ahnung.“, sagt Elsa. „Verzeihen vielleicht?“
Genau das.“, lächelt die Mutter. „Verzeihen, vergeben, genau das.“

Elsas Mutter kenne ich nur flüchtig und nicht gut genug, um zu wissen, ob sie sich wirklich gut in der Bibel auskennt.
Aber die Geschichte, die sie Elsa erzählt hat, die steht tatsächlich in der Bibel. Im 1. Buch Samuel im 24. Kapitel. Nur, dass es dort zwei Jungs sind, die sich gegenseitig an den Kragen wollen. Sie heißen: David und Saul. Und David schneidet Saul in der Nacht heimlich ein Stück seines Gewandes ab, um am nächsten Morgen zu zeigen, dass Sauls Leben in Davids Händen lag, aber David es nicht genommen hat, obwohl er gekonnt hätte. Als Saul das sah und hörte, begann er bitterlich zu weinen, weil er merkte, dass David gut zu ihm war, obwohl er es nicht verdient hatte.
Erstaunlich, wie aktuell die Bibel sein kann.
Und irgendwie geht es dabei ja tatsächlich um Himmel und Hölle.
Auch wenn ich keine Ahnung von diesem Spiel habe.
Aber immer dann, wenn ich jemanden nur bloß stellen will, wenn ich die Schuld beim Andern suche und nicht mehr sehen kann, dass ich selbst tagtäglich schuldig werde, dann rückt der Himmel ein Stück weiter weg.
Aber er könnte eigentlich schon hier beginnen.
Überall dort, wo wir weniger richten, und mehr vergeben.

Plötzlich klingelt es an der Tür.
Elsas Mutter öffnet.
Als sie Emma vor sich sieht, muss sie lächeln.
Komm nur herein, schön dass du da bist.“, sagt sie.
Emma tritt ein und zieht die Schuhe aus.
Als sie den zweiten Schuh abgestellt hat und den Kopf hebt,
steht Elsa direkt vor ihr im Flur.
Sekunden vergehen.
Die beiden sehen einander an.
Dann nehmen sie sich wortlos in die Arme.
Versöhnung.“, denkt Elsas Mutter, als sie die beiden so sieht.
Wie ich das sehe: Auf jeden Fall mehr Himmel als Hölle. Da bin ich sicher.

Und der Friede Gottes, der größer ist, als wir verstehen können, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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